Trust me von Flordelis (Eternal Chronicles) ================================================================================ Kapitel 4: Kampfansage ---------------------- Ich war geradezu heilfroh, als die Mittagspause endlich begann und ich somit Zetsu für eine Stunde nicht mehr sehen musste. Aber als ich aus dem Klassenzimmer trat, bemerkte ich, wie sich mir sofort alle Blicke zuwandten, selbst von Schülern, die ich zuvor noch nie gesehen hatte. Ich dachte mir nichts weiter dabei und lief an ihnen vorbei, um zum schuleigenen Kiosk zu kommen, damit ich mir etwas zu essen kaufen könnte. Auf dem Weg dorthin wurde ich allerdings von Sorluska abgepasst, der sich mir mit einem begeisterten Grinsen in den Weg stellte. „Was ist los?“, fragte ich, da er zuerst nichts sagte. „Yo, ich hab gehört, dass du Akatsuki gesagt hast, dass du kein Interesse an ihm hast.“ Ganz so hatte ich das zwar nicht ausgedrückt, aber es traf den Kern, weswegen ich darauf nichts erwiderte, eigentlich irritierte mich auch eher, dass Sorluska das in einer der oberen Klassenstufen mitbekommen hatte. Hieß das etwa, dass die ganze Schule es bereits wusste? Das würde zumindest die Blicke erklären. „Er war sehr unhöflich“, erklärte ich Sorluska mit gleichgültiger Stimme. „Ich habe keine Lust, mich mit unhöflichen Leuten abzugeben – und genau das habe ich ihm auch gesagt.“ Sein Grinsen schien noch ein wenig breiter zu werden, so dass er seine spitzen Eckzähne enthüllte. „Wir wetten alle schon, was er als nächstes deswegen tun wird.“ Irritiert neigte ich ein wenig den Kopf, da ich eigentlich angenommen hatte, dass diese ganze Sache mit meinem Satz erledigt gewesen wäre. „Was meinst du?“ „Für Akatsuki ist das bestimmt eine Herausforderung“, erklärte er mir sogleich, immer noch so begeistert als würde er mir gerade den Inhalt seines Lieblingsfilms nahebringen wollen. „Und Herausforderungen lässt er nie einfach so verfallen.“ „Von mir aus soll der Kerl machen, was er will, das interessiert mich nicht.“ Damit schob ich Sorluska beiseite, damit ich weitergehen konnte. Er hielt mich nicht noch einmal auf. Allerdings gaben mir seine Worte zu denken. Ich wusste gar nichts über diesen Akatsuki, möglicherweise würde er wirklich versuchen, mir zu schaden oder mich erst recht nerven, nachdem ich ihn vor der Klasse so bloßgestellt hatte und es nun bereits die ganze Schule wusste. Ob es wohl schon zu spät war, Agano-san um eine Versetzung in eine andere Schule zu bitten? Zu meinem Glück bekam ich am Kiosk ein Sandwich, mit dem ich mich – eigentlich – auf das Dach zurückziehen wollte. Aber auf dem Weg zur Treppe lief ich dieses Mal jemandem in die Arme, den ich nicht mal kannte. Es war ein Mädchen aus dem zweiten Jahrgang mit flammend rotem Haar, das ihr bis zu den Ellenbogen reichte. Ihre grün-blauen Augen blickten zwar freudig in die Welt, aber unterhalb von diesen waren ganz feine Schatten zu erkennen, die verrieten, dass sie wohl nicht sonderlich viel schlief. „Vartanian-san, richtig?“ Selbst ihre Stimme klang geradezu verboten fröhlich und bereitete mir regelrecht Kopfschmerzen – das lag allerdings daran, dass ihre Stimme auch ungewohnt quietschig war, eigentlich diese typische Animemädchen-Stimme, die ich noch nie leiden konnte. Obwohl mir nicht der Sinn danach stand, mit ihr zu reden, nickte ich und hoffte dann, dass sie mich vorbeilassen würde, damit ich endlich essen gehen könnte. Aber stattdessen verspürte sie plötzlich den Drang, sich vorzustellen: „Ich bin die Schulsprecherin Satsuki Ikaruga, Klasse 2-1 und immer für dich da, wenn du Hilfe brauchst.“ „Toll, und?“, erwiderte ich. „Kann ich jetzt endlich essen gehen?“ Mir schien, sie hatte nur darauf gewartet, dass ich das sage, denn plötzlich packte sie mein Handgelenk und zog mich hinter sich her. Dabei plapperte sie irgendwas, in einer Schnelligkeit, die es mir unmöglich machte, zu verstehen, was sie eigentlich wollte, egal wie angestrengt ich zu lauschen versuchte. Erst in der Cafeteria ließ Satsuki mich wieder los. Im Gegensatz zu ähnlichen Räumen in England war dieser hier hell und freundlich. Durch die hohen Fenster fiel warmes Sonnenlicht, das die hellbraunen Tische geradezu leuchten ließ, so dass man sich kaum wieder von diesem Raum trennen wollte. So ging es mir, jedenfalls bis Satsuki mich auf einen bestimmten Platz niederdrückte, ich den Blick hob – und direkt in Akatsukis schmunzelndes Gesicht sah. „Schickst du mir etwa schon Leute hinterher, die mich zu dir bringen, damit du mich quälen kannst?“ „Uh-uh!“ Satsuki, die sich neben mich gesetzte hatte, beugte sich auf den Tisch, so dass sie mir bestmöglich ins Gesicht sehen konnte, ohne dass ich meinen Kopf auch nur ein wenig drehen musste, obwohl ich ihr meinen Blick zuwandte. „Ich habe dich nicht geholt, weil Akatsuki-kun mir das aufgetragen hat, ich tue ohnehin nie, was er mir sagt.“ Immerhin eine, die offenbar nicht so hohl war, sich ihm direkt mit Haut und Haar hinzugeben – einige der anderen Mädchen an dieser Schule machten diesen Eindruck durchaus auf mich, nicht zuletzt aufgrund der Gespräche, die ich im Laufe des Vormittags mitbekommen hatte. Ein leises Schnauben lenkte mich auf die Person, die gegenüber von Satsuki direkt neben Akatsuki saß. Es war ein Junge, vermutlich im selben Schuljahr wie ich, mit kurzem braunen Haar und blauen Augen, die mich desinteressiert musterten. Bei seiner teilnahmslosen Mimik fragte ich mich spontan, ob er wohl überhaupt lächeln konnte. Aber dann fiel mir auf, dass die Leute das möglicherweise auch von mir dachten, deswegen überlegte ich lieber gar nicht weiter. „Du tust ohnehin nie, was irgendwer dir sagt, dafür ist dein Dickkopf zu stark.“ Seine Stimme klang überraschend sympathisch, das hätte ich zuvor nicht geglaubt, weswegen ich ihn für einen Moment nur verdutzt ansehen konnte. Glücklicherweise waren seine Worte gar nicht an mich gerichtet gewesen, sondern an Satsuki, die sofort eine schmerzhafte Grimasse auflegte als hätten die Worte sie wirklich verletzt. „Oh, Nozomu-kun, du kannst so gemein sein.“ Er kümmerte sich nicht darum und stocherte stattdessen mit seinen Stäbchen in einer reich gefüllten Bento-Box, die erste, die ich überhaupt je in echt sah, weswegen ich einen neugierigen Blick darauf warf. In Anime, Manga oder auch richtigen Bildern, sahen diese Boxen immer außerordentlich appetitlich aus, mit ihrem sorgsam sortierten und liebevoll zubereiteten Essen. Das hier aber... mir fehlen die Worte, um es zu beschreiben. Es sah nicht allzu ekelhaft aus, aber auch nicht unbedingt appetitanregend. Dass Nozomu überhaupt davon aß – wie er es in diesem Moment tat – musste daran liegen, dass ihm die Person, die es für ihn zubereitet hatte, sehr am Herzen lag. Als ich einen weiteren Blick zu Satsuki warf und deren leuchtende Augen bemerkte, wusste ich auch, wer für diese Box verantwortlich war. Akatsuki, der bislang noch nichts gesagt hatte, erhob nun ebenfalls die Stimme: „Ikaruga-senpai wollte eigentlich nur wissen, was es mit der Person auf sich hat, um die sich alle Gerüchte dieses Vormittags ranken.“ Ich sah Satsuki noch einmal an, sie lächelte zustimmend, allerdings wandte ich mich dann direkt wieder ab, um mich meinem Sandwich zu widmen, in der Hoffnung, dass es nicht total trocken wäre. Zu meiner Freude schmeckte es doch recht gut, die Schule gefiel mir zunehmend besser, vielleicht sollte ich doch einfach hier bleiben und darauf warten, dass die Gerüchte einfach nachließen. „Du meintest es also ernst, hm?“ Ich nickte, ohne Akatsuki anzusehen. „Absolut. Ich will nicht das Geringste mit dir zu tun haben, niemals.“ Zumindest wurde es dieses Mal nicht still um uns herum, lediglich Satsuki und Nozomu blickten uns an, sogar in seinem Blick war plötzlich so etwas wie Interesse zu erkennen. Da Akatsuki schwieg, sahen sie beide von mir zu ihm, fast schon erwartungsvoll und ich fragte mich, worauf sie wohl warteten. Im nächsten Augenblick erfuhr ich es bereits. „Nun, wenn du meinst~.“ Unvermittelt stand er plötzlich auf und kletterte zu meiner Überraschung – und Entsetzen – auf den Tisch. Nozomu konnte gerade noch seine Bento-Box aus der Reichweite seines Fußes bringen, ansonsten schien keiner der anderen beiden auch nur im Mindesten überrascht zu sein. Machte er so etwas öfter? Akatsuki räusperte sich vernehmlich und lenkte rasch alle Aufmerksamkeit auf sich, so dass es in der Cafeteria schnell so still wurde wie zuvor in unserem Klassenzimmer und mir damit etwas ganz Furchtbares schwante. Er stellte sich in eine theatralische Pose, die rechte Hand auf seinem Herz, den linken Arm von sich gestreckt und schloss sogar für einen Moment die Augen, als er mit seiner Ansprache begann: „Ich, Zetsu Akatsuki, schwöre hiermit feierlich, dass ich weder rasten noch ruhen und nichts unversucht lassen werde, um das Herz von Leana Vartanian zu erobern!“ Als er zum Ende des Satzes kam, kniete er sich direkt vor mich, schenkte mir ein warmherziges Lächeln, bei dem seine Augen kalt blieben und hielt mir sogar seine Hand entgegen, als erwartete er tatsächlich, dass ich diese ergreifen würde. Schlagartig musste ich an ein gutes Dutzend Liebesfilme oder Musicals denken, die ich in meinem Leben bereits gesehen hatte und für einen kurzen Moment stellte ich mir tatsächlich vor, wie ich seine Hand ergreifen, auf den Tisch steigen und dann gemeinsam mit ihm irgendein Liebeslied singen würde. Mir wurde schlecht, während mir zahlreiche Schauer über den Rücken liefen. Allein diese Vorstellung gruselte mich derart, dass ich ihm am Liebsten eine Ohrfeige verpasst hätte, da es immerhin seine Schuld war, dass ich überhaupt auf solche seltsamen Gedanken kam. Mir wurde bewusst, dass alle im Saal uns immer noch gespannt ansahen, offenbar warteten sie auf meine Antwort, aber keiner von ihnen wirkte freudig erwartungsvoll, sondern eher fast schon neidisch, ich konnte die Böswilligkeit mir gegenüber richtiggehend spüren. Das half mir schließlich, mich aus meiner Starre zu lösen, aber dummerweise fiel mir nur eine einzige Reaktion auf sein Verhalten ein. Also stand ich auf und verpasste ihm – nein, keine Ohrfeige – sondern einen richtigen Faustschlag ins Gesicht, der ihn wohl reichlich unvorbereitet traf, denn im nächsten Moment lag er bereits, von mehreren Schülern umgeben, auf dem Boden und ich konnte nur noch verdutzt auf ihn hinabblicken. Satsuki und Nozomu sahen mich perplex an und ihrem Beispiel folgten rasch auch andere Schüler, die mich nur fassungslos anstarren konnten. Vereinzelt konnte ich allerdings auch bewundernde Blicke und sogar erleichterte sehen, offenbar hatte sich bislang keiner der Jungen getraut, das zu tun und so manches Mädchen betrachtete mich wohl nun endgültig nicht mehr als Konkurrenz. In diesem Moment kümmerte mich nicht einmal mehr, dass Akatsuki – nein, Zetsu – möglicherweise verletzt – und das auch noch schwer – sein könnte, sondern eher, dass meine Eltern davon erfahren würden und sie mich direkt in eine Militärakademie schickten oder auf eine katholische Schule. Ich wusste nicht, was davon ich schlimmer finden sollte. Doch glücklicherweise hörte ich mitten aus der Menge plötzlich ein Lachen, das Zetsu gehörte. Es klang zwar nicht unbedingt herzlich, aber auch nicht hasserfüllt oder ängstlich, das erleichterte mich ein wenig, besonders als ich seine Worte hörte: „Nein, nein, mir geht es gut, ich brauche keine Hilfe.“ Die Reihen der Schüler lichteten sich, so dass ich Zetsu wieder ansehen konnte. Seinen Gesichtsausdruck nach zu urteilen, schien er wirklich nicht böse zu sein, er lächelte sogar weiterhin, als sein Blick schließlich auch auf mich fiel. Aber ich zuckte doch erschrocken zusammen, als ich feststellte, dass er mit dem Kopf aufgeschlagen sein musste, denn ein Teil seines silbernen Haares war mit frischem Blut verklebt. Die Entschuldigung lag mir bereits auf der Zunge, immerhin war das nicht meine Absicht gewesen, aber mein Stolz verhinderte, dass ich sie aussprach – und als er an mir vorbeilief, war ich auch froh, es nicht gesagt zu haben. Er hielt nur einen kurzen Moment inne und beugte sich ein wenig zu meinem Ohr vor, so dass sein Flüstern genügte, um mir etwas mitzuteilen: „Das hier ist noch nicht vorbei, Vartanian.“ In meinen Ohren klang das wie eine Drohung, auch wenn es möglicherweise gar nicht so gemeint war. Ich blickte ihm hinterher, als er gemeinsam mit Nozomu und Satsuki den Saal verließ und sich die anderen Schüler langsam zerstreuten. Und plötzlich fragte ich mich, ob eine Militärakademie vielleicht nicht doch die bessere Wahl war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)