Das bewegte Leben der Lady Oscar von LadyRose (Warum sie zu einer stolzen Rose wurde) ================================================================================ Prolog: Wie alles begann!!! --------------------------- Wir schreiben das Jahr 1755. An Weihnachten wurde Oscar Francois de Jarjayes, die jüngste Tochter des General Reynier de Jarjayes geboren. Der General, der sich immer sehnsüchtig einen Sohn gewünscht hatte, war nun mit der 6. Tochter gesegnet worden. Für den General war dies kein Segen, sondern eine Last und Demütigung, schließlich wollte er den Namen de Jarjayes weitergeben und sein Erbe in sicheren Händen wissen. Er zog sich in sein Arbeitszimmer zurück und schien zu verzweifeln. Bis ihm eine Idee kam. //Es muss doch möglich sein das Kind wie einen Jungen zu erziehen, sodass es eines Tages Offizier am Hofe von Versailles werden könnte?!// Der General zweifelte aber sogleich daran und versank tief in seinen Gedanken, bis er auf einmal das Schreien des kleinen Neuankömmlings in seinem Arbeitszimmer hörte, dass sich eine Etage unter dem Zimmer seiner Gemahlin und dem Kind befand. //Ja genau das ist es. Es ist ein Versuch wert. Wenn ein kleines Mädchen so laut schreien kann, dann kann es auch lernen zu reiten und zu fechten. Ja wunderbar.// Schnellen Schrittes eilte er in das Zimmer seiner Gemahlin, indem Sophie gerade das kleine blonde Mädchen zurechtmachte und Madame de Jarjayes reichen wollte. Beide erschraken, als der General die Tür aufschlug und plötzlich freudig an das Bett seiner Liebsten trat. „Liebste ich danke dir für alles. Ich habe nun die Lösung gefunden. Wir werden das Kind Oscar nennen und es wie einen Jungen aufziehen, sodass sie den Namen de Jarjayes am Hofe weitertragen kann.“ Emilie und Sophie stockte der Atem. Sie konnten nicht fassen, was der General soeben sagte. Dieser nahm Sophie das Kind aus der Hand und sprach zu ihm: „Oscar du wirst einmal Offizier am königlichen Hof werden, dafür werde ich sorgen. Du wirst der Stolz unserer Familie“ Plötzlich sah man nicht mehr die Enttäuschung wie noch vor wenigen Minuten, sondern den Stolz des Generals in seinen Augen als er die kleine Oscar ansah. Noch bevor Emilie oder Sophie sich aus ihrer Starre lösen konnten, um etwas zu sagen übergab der General das Kind an Sophie und schritt freudig aus dem Zimmer. Beide Damen guckten sich an. Emilie fing plötzlich bitterlich an zu weinen. „Ach Sophie, wie kommt er nur auf so eine Idee….. Wie kann er nur denken ein Mädchen wie einen Jungen zu erziehen…Oh nein, das kann doch nicht sein!“ Die Amme tritt an den Bettrand legte ihre Hand tröstend auf Madame de Jarjayes Schulter und sagte „ Aber Madame. Ich bin mir sicher, dass der General sich noch besinnen wird. Er wird einsehen, dass man kein Mädchen zu einem Jungen erziehen kann. Da bin ich mir sicher!“ „Nein Sophie, das wird er nicht. Habt ihr nicht seinen Blick gesehen?! Wie stolz und entschlossen er war?! Ich kenne meinen Gemahl und …!“ Emilie könnte den Satz vor bitteren Tränen nicht vollenden. Das brauchte sie auch nicht, denn auch Sophie kannte den General. Der kleine blonde Engel, um den sich alles drehte schlief jetzt tief und fest. Welche Folgen der Entschluss des Generals für Oscar haben sollte, würde sie erst Jahre später spüren. Kapitel 1: Das vorzeitige Ende einer unbeschwerten Kindheit ----------------------------------------------------------- So vergingen die Jahre, in denen Oscar wie ein Junge erzogen wurde. Sie bekam im Alter von 5 Jahren einen Spielgefährten namens Andre. Er war der Enkel ihrer Amme Sophie. Und nur ½ Jahr älter als sie. Von dem Tag an war er an ihrer Seite. Sie ritten zusammen über die Felder und erkundeten unbekanntes Gebiet, sie übten sich im Fechten und stellten viel Unsinn an. Oscar hatte viele Freiheiten, die sie in allen Zügen genoss. Sie war ein sehr fröhliches, ungezwungenes Kind und sehr temperamentvoll, versuchte immer ihren Kopf durchzusetzen. Bei Andre, Sophie und ihrer Mutter klappt es fast immer, nur bei ihrem Vater stieß sie an ihre Grenzen. So wie im Jahre 1767. Es war ein herrlich warmer Sommertag im August. Oscar war 11 ½ Jahre alt und kam gerade von einem Ausritt mit Andre zurück. „Oscar, komm sofort in mein Arbeitszimmer. Ich habe etwas mit dir zu besprechen“ rief der General von seinem Balkon. „Ich komme sofort Vater“ antwortete Oscar und schaute zu Andre. Auch ihm war nicht entgangen, dass der Ton des Generals anders war als sonst. Oscar übergab Andre die Zügel ihres Pferdes, lächelte ihn an und rannte ins Haus hinauf zum Zimmer des Generals. Die Tür stand bereits offen und der General bemerkte sie noch, bevor sie etwas sagen konnte. „Setz dich mein Kind. Ich habe dir etwas Wichtiges mitzuteilen.“ Oscar setzte sich voller Unbehagen auf einen Stuhl. //Irgendwas stimmt hier nicht. Er ruft mich doch eigentlich nur in sein Arbeitszimmer, wenn ich wieder was angestellt habe. Und dann ist er nicht so ruhig wie jetzt. Was hat das nur zu bedeuten?// Nach einer kleinen Pause sprach der General weiter. „Kind, du wirst morgen für einige Zeit verreisen. Es war mir möglich einen Platz in der Offiziersschule in Lille für dich zu bekommen. Ich selbst habe in Lille auch meine Ausbildung absolviert. Dort wirst du alles Nötige lernen, um deinen späteren Posten als Offizier am Hofe zu unserer Zufriedenheit zu erfüllen.“ Oscar saß auf ihrem Stuhl mit leicht geöffneten Mund. Plötzlich färbte sich ihr Gesicht rot und sie begann laut zu werden „Vater das könnt ihr nicht machen. Ihr könnt mich nicht einfach wegschicken. Ich will hier nicht weg. Hier bin ich zu Hause. Wenn ihr wünscht lerne ich noch mehr, aber ich werde hier nicht weggehen.“ Oscars Entschlossenheit sich gegen die Entscheidung ihres Vaters zu stellen hörte man aus jedem ihrer Worte heraus. Der General verzog sein Gesicht. //Wie konnte ich nur glauben, dass sie sich nicht gegen meine Entscheidung stellen würde?!// „Oscar mein Kind. Es ist nur zu deinem Besten. Ich werde nicht mit dir darüber diskutieren. Es ist mein Wille und so wird es geschehen.“ Oscar rutschte von ihrem Stuhl, stellte sich aufrecht hin und wollte gerade in ihrer temperamentvollen Art und Weise etwas erwidern „aber ich…“ weiter kam sie nicht. Der General ohrfeigte sie und Oscar fiel zu Boden. Er schrie sie an: „es gibt keine Widerworte. Du fährst dort morgen hin egal ob es dir passt oder nicht. Wage es ja nicht meine Entscheidungen in Zweifel zu ziehen.“ Oscar war vollkommen perplex. Ihr Vater war zwar immer sehr streng mit ihr, aber noch nie hatte er die Hand gegen seine eigene Tochter erhoben. Der Disput war so laut, dass jeder im Haus es hören konnte. Madame de Jarjayes eilte in das Arbeitszimmer ihres Gemahls und sah Oscar am Boden liegen. Oscar fasste sich mit der Hand an die linke Wange, die vor Schmerz brannte. Ihre Mutter trat auf sie zu, wurde jedoch vom General aufgehalten. „Emilie, lass sie in Ruhe. Sie hat die Ohrfeige mehr als verdient.“ „ Aber Reynier wie konntest du nur deine Tochter schlagen?“ Madame de Jarjayes stand erschrocken vor ihrer Tochter und blickte ihren Gemahl fassungslos an. Der General wurde wieder lauter und schrie seine Gemahlin an „ich dulde es nicht das meine Entscheidungen in diesem Haus in Frage gestellt werden. Weder von meiner Tochter noch von dir Emilie. Haben wir uns verstanden?!“ Ohne eine Antwort abzuwarten verließ der General tobend das Zimmer und begab sich in den Salon. Madame de Jarjayes wandte sich zu ihrer Tochter. „Mein Kind was ist denn passiert? Wie konntest du deinem Vater widersprechen?“ Oscar weinte nicht, dafür war sie zu stolz. Sie drehte sich um und blickte ihrer Mutter ins Gesicht. „Wie könnt ihr mich nur wegschicken?“ In ihrem Ton war Wut, aber auch Trauer zu hören. Oscar konnte nicht begreifen, warum sie auf eine Offiziersschule sollte. //Ich wurde von Anfang an zu Hause ausgebildet. Warum sollte ich jetzt weggehen?// Emilie konnte nicht fassen, was sie da hörte. Oscars Worte und Blicke bohrten sich in ihr Herz. „Aber mein Kind, das ist nicht wahr. Wir schicken dich nicht weg. Wie kommst du auf so eine Idee?“ Sie wusste nichts von den Plänen ihres Mannes. Emilie wollte Oscar in die Arme nehmen, diese wehrte sich jedoch gegen die Umarmung und rannte aus dem Zimmer. Zurück blieb eine bestürzte Madame de Jarjayes. Oscar rannte in den Stall, wo Andre die Pferde versorgte. Dieser hatte von dem Streit mit ihrem Vater nichts mitbekommen, jedoch sah er ihre gerötete Wange. „Oscar, was ist denn passiert?“ er bekam keine Antwort. Sie nahm nur ihr Pferd, stieg auf dessen Rücken und ritt so schnell wie möglich los. Andre blieb verwirrt zurück. //Was ist denn nur passiert? Vorhin war sie doch noch so gut gelaunt! Sollte ich ihr folgen?!// Diesen Gedanken verwarf er gleich wieder. Er wusste es hätte keinen Zweck, denn Oscar fühlte sich immer sehr schnell gedrängt. So entschied er erst einmal abzuwarten. //Wer weiß was sie wieder für einen Blödsinn angestellt hat?! Oh je, ich hoffe ich bin nicht auch daran beteiligt?!// Oscar ritt über die Felder und durchquerte kleine Wälder. Erst nach langer Zeit wurde sie langsamer und konnte wieder einen klaren Gedanken fassen. //Wieso macht Vater das? Ich habe doch immer so fleißig gelernt und geübt!// Ihre Augen schimmerten glänzend. Tränen sammelten sich in ihren Augenwinkeln. Sie versuchte es zu unterdrücken, aber es gelang ihr nicht. //Ich will nicht weg. Ich habe meine Familie doch so gern und Andre ist mein bester Freund. Mit wem soll ich denn sonst den ganzen Tage spielen?// Oscar kam auf einen kleinen Bach zugesteuert. Sie stieg vom Pferd ab und trat an den Bach heran. Ihre Tränen, die ihr auf den Wangen herab liefen tropften ins Wasser und bildeten Kreise, die in der Weite des Wassers verebten. Sie schaute in ihr Spiegelbild und dachte nach. Plötzlich schlug sie mit der Faust ins Wasser. „Das bin ich nicht. Ich bin kein Mädchen, das einfach so heult. Ich muss mich zusammenreißen!“ sagte sie wütend zu sich selbst. Mit ihren Ärmeln wischte sie sich die Tränen vom Gesicht. //Ich werde es schon schaffen. Vater soll schließlich stolz auf mich sein.// Mit diesen Gedanken setzte sie sich ans Ufer, schloss die Augen und dachte an die schönen Zeiten mit Andre am See und beim Ausreiten. //All dies wird ab morgen nur noch selten sein.// Und wieder huschte eine Träne über die Wange. Zur selben Zeit auf dem Anwesen der Jarjayes. Im Salon saß der General mit einer Flasche Rotwein und versuchte seinen Zorn damit zu besänftigen. // Wie kommt diese freche Göre nur dazu Widerworte zu haben. Es ist unglaublich. Jeder andere Sohn würde sich über diese Möglichkeit freuen und auf ewig dankbar sein. Ich habe sie zu sehr verzogen.// Madame de Jarjayes betrat den Salon, ging auf ihren Gemahl zu und legte eine Hand auf seine Schulter. „Liebster, was genau ist denn vorgefallen? Oscar behauptet wir würden sie wegschicken!“ „Emilie ich habe vor Oscar morgen nach Lille zur Offiziersschule zu schicken. Sie wird dort eine 3 ½ Jährige Ausbildung absolvieren, sodass sie für ihren zukünftigen Posten am Hofe bestens vorbereitet ist“ sagte er fest entschlossen. „Aber Reynier warum habt ihr mir davon nichts gesagt?! Ich dachte ihr wolltet Oscar zu Hause ausbilden. Wie kommt auf einmal der Sinneswandel?“ Der General erhob sich, der Zorn stieg wieder in ihm auf und er schrie sie an „ich dulde keine Widerworte und ich werde mich auch nicht rechtfertigen. Haben wir uns verstanden?!“ Madame de Jarjayes war so geschockt von der Reaktion ihres Mannes, dass sie weinend mit der Hand vor dem Mund aus dem Salon in ihr Zimmer rannte. //Wie kann er mir nur mein noch einzig verbliebenes Kind wegschicken ohne mich zu fragen?!// Mit diesen Gedanken schloss Emilie sich in ihrem Gemach ein. Sophie und auch Andre hatten alles mitbekommen. Fassungslos standen sie an der Tür des Salons. Am frühen Abend war Oscar immer noch nicht zurück. Die Stimmung des Generals nahte sich dem eisigen Tiefpunkt. Wenn sie bis 20Uhr nicht wieder zurück ist, wird er seine Soldaten losschicken um sie zu suchen und dann hätte es für Oscar ernsthafte Konsequenzen. So beschloss Andre sich auf die Suche nach seiner besten Freundin zu machen. Er war sehr besorgt um sie. //Wie kann ihr Vater sie nur wegschicken? Was soll ich denn bloß ohne Oscar tun? Oh Oscar ich kann mir vorstellen wie du dich jetzt fühlst!// Seine Suche begann er an dem See, an dem sie oft Stundenlang spielten. Nach und nach sucht er jede Stelle ab, wo sie sich öfters aufhalten, aber es war keine Spur von Oscar zu sehen. //Oh Oscar, wo bist du nur?// Nach weiteren endlosen Minuten entdeckte Andre einen Reiter der auf ihn zukam. Bei genauerem betrachten erkannte er seine Oscar. Er ritt auf sie zu. „Oh Oscar, ich habe mir Sorgen gemacht. Dein Vater wartet schon ungeduldig auf dich. Er scheint sehr aufgebracht über dein längeres Verschwinden zu sein.“ Er betrachtete sie und wartete auf eine Reaktion, diese blieb jedoch aus. „Was ist los mit dir Oscar?“ „Was soll schon los sein, alles ist in Ordnung!“ blaffte sie ihn an und ritt nach Hause. Andre folgte ihr ohne noch ein Wort zu sagen. Er verstand ihre Verhaltensweise nicht. Nachdem Oscar am Anwesen angekommen war entschuldigte sie sich bei ihrem Vater und dankte ihm für die Möglichkeit auf eine Offiziersschule gehen zu dürfen. Der General erläuterte ihr noch die Einzelheiten. „Du wirst für 3-3 ½ Jahre dort hingehen. Im Sommer kommst du für 2 Monate nach Hause. Im Winter über Weihnachten und Neujahr. Oh Oscar ich bin froh, dass du deinen Fehler eingesehen hast und die Chance ergreifst. Mach deiner Familie keine Schande und gib dein Bestes.“ Mit diesen Worten ließ er Oscar im Salon zurück. Hätte der General gewusst was noch alles passieren würde, wäre seine Entscheidung vielleicht anders ausgefallen. Dies sollte er aber erst Jahre später erfahren. Kapitel 2: Der Abschied ----------------------- Kapitel 2 Am späten Abend saß Oscar in ihrem Zimmer. Sie setzte sich auf die Bettkante und ihr Blick schweifte im Zimmer umher. //Morgen werde ich fortgehen und erst in 4 Monaten wieder heimkehren.// Traurig senkte sich ihr Kopf, sie schloss die Augen und versank tief in Gedanken. // Es muss sein. Ich will meinen Vater stolz machen …Ob ich dort auch Freunde finde?!.... So einen guten Freund wie Andre werde ich niemals wieder haben!“ Ein Klopfen an der Tür riss sie aus ihren Gedanken. „Oscar bist du noch wach?“ rief Andre. Oscar stürmte zur Tür, öffnete diese und lächelte verschmitzt. „Na klar bin ich noch wach, was glaubst du denn?!“ „Oscar ich dachte mir wir könnten heute Abend noch etwas unternehmen, da du ja schon morgen fährst und wir uns dann lange Zeit nicht sehen werden!“ Andre versuchte seine Worte freudig klingen zu lassen, jedoch konnte er einen traurigen Unterton nicht vollkommen unterdrücken. Er konnte nicht verbergen, dass ihn Oscars Fortgehen schmerzte. „Aber klar gerne. Lass uns noch einmal ausreiten. Es ist so herrlich warm draußen und ich möchte gerne zum See. Wer weiß ob es so einen in Lille gibt?!“ Beide strahlten vor Glück und schlichen sich zum Hintereingang raus. Es war schließlich schon 22 Uhr und Oscar musste morgen ausgeruht sein, weswegen der General sie rechtzeitig ins Zimmer schickte. Leise gingen sie auf Zehenspitzen zum Stall. Sie versteckten sich dabei alle paar Meter hinter einem Busch oder einem Holzstapel. Beide wussten genau, welche Konsequenzen drohten, wenn der General sie erwischen würde. Aber Oscar und Andre waren Profis dabei die Anweisungen zu umgehen, war ja schließlich nicht das erste mal. Nun mussten sie nur den richtigen Zeitpunkt abwarten, wenn der General wie jeden Abend vom Arbeitszimmer in den Salon geht um seinen Brandy zu trinken. Vom Salon aus konnte man nicht auf den Innenhof blicken. Sie warteten einige Minuten. Dann erlosch das Licht im Arbeitszimmer des Generals. Nach weiteren 5 Minuten schlichen sie auf dem Rücken ihrer Pferde vom Anwesen. Als das Anwesen außer Sichtweite war galoppierten sie los. „Los Andre wir machen ein Wettrennen. Wer zuerst am See ist!“ rief Oscar Andre zu und ritt davon. Andre hatte keine Chance sie einzuholen. Der See erstrahlte beim Eintreffen der Beiden im Schein des Mondlichts. Es war ein wunderschöner Anblick, den sie einen Moment genossen. Nach ein paar Minuten wurde die Stille unterbrochen. Sie hörten Pferdeschritte. //Ob Vater unser verschwinden bemerkt hat?// schoss es Oscar in den Kopf. „Lass uns schnell auf die rechte Seite reiten, dort kann man uns vom Weg aus nicht sehen“ schlug Andre hastig vor. So versteckten die beiden sich am angrenzenden Wald. Nach kurzer Zeit waren die Soldaten, die scheinbar nur zufällig vorbeigeritten waren wieder weg. Oscar ging ans Seeufer. Sie versuchte sich dieses Bild so gut wie möglich einzuprägen, damit sie sich in der Ferne immer daran erinnern konnte. Andre trat an sie heran: „du musst nicht traurig sein. Du kommst ja auch immer wieder nach Hause. Ich fände es zwar auch viel schöner, wenn du hier bleibst, aber ich werde auf dich warten. Du bist ja schließlich meine beste Freundin.“ Oscar drehte sich um, lächelte verschmitzt und sagte: „ja du hast recht. Aber ich werde vor allem das hier vermissen.“ Im selben Moment bespritzte sie ihn mit Wasser. Andre war darauf nicht vorbereitet gewesen. Oscar rannte am Ufer entlang, denn sie wusste er würde sich dafür rächen. „Na warte das wirst du büßen!“, rief Andre und versuchte sie einzuholen. Oscar war zwar schnell, aber er war schneller. Kaum hatte er sie eingeholt, zog er sie ins Wasser und tauchte sie kurz unter. Natürlich konnte sie das nicht auf sich sitzen lassen. Beide kämpften im Wasser miteinander. Nach einiger Zeit strauchelten sie aus dem Wasser heraus und ließen sich erschöpft am Ufer nieder. Sie sahen sich an und fingen an zu lachen. Nachdem sie sich beruhigt hatten blickte Oscar traurig in den Himmel. Glühwürmchen schwebten über ihnen „oh Andre, ich vermisse diese Momente jetzt schon. Du bist mein bester Freund und wirst es immer bleiben. Ich freue mich jetzt schon auf den Tag, an dem ich wieder heimkehre.“ „Ich mich auch Oscar, ich mich auch.“ Sie blieben noch einen Moment in ihrer durchnässten Kleidung stillschweigend nebeneinander liegen. Die Realität hatte sie in diesem unbeschwerten Moment wieder eingeholt. Jeder machte sich seine eigenen Gedanken, aber keiner sprach sie aus. Es würde den bevorstehenden Abschied noch schwerer machen, als er eh schon war. Oscar fing an zu zittern. Der Sommer war zwar besonders warm, aber die Nächte waren immer noch sehr kühl. „Wir sollten zurückreiten. Du frierst in den nassen Klamotten“, schlug Andre vor. Oscar nickte. Beide machten sich nun langsam auf den Heimweg. Im Palais angekommen schlichen sie mit den Pferden in den Stall. „Ich werde mich um die Pferde schon kümmern. Geh du ruhig ins Haus und zieh dir trockene Kleidung an, nicht das du noch krank wirst“ flüsterte Andre. Oscar wandte sich zum gehen, drehte sich an der Stalltür um und fragte: „ du wirst mich doch morgen noch verabschieden, oder?“ „ Aber natürlich. Ich werde morgen extra pünktlich aufstehen. Gute Nacht.“ Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Dann schlich sie sich ins Haus. Es war bereits 1 Uhr. Der General war noch im Salon und hatte scheinbar von dem Ausflug seiner Tochter nichts mitbekommen. Im Zimmer angekommen zog sie sich schnell trockene Nachtwäsche an, machte sich fürs Bett fertig und schlüpfte ins Bett hinein. Sie war überhaupt nicht müde und drehte sich von einer Seite zur anderen. Auch Andre erging es nicht anders. Der Kummer über das Fortgehen Oscars ließen ihm keine Ruhe. //Ob sie mich vergessen wird?!...nein ich bin ihr bester Freund… aber vielleicht wird sie da neue Freunde kennenlernen?! Dann wird sie mich nicht mehr brauchen.“// Über seiner Verzweiflung schlief er ein. Auch Oscar übermannte nach einiger Zeit die Müdigkeit. Am nächsten Morgen, die Sonne war noch nicht aufgegangen, wurde Oscar sanft von ihrer Mutter geweckt. „Guten Morgen mein Schatz. Hast du gut geschlafen?“ Emilie lächelte sanft, auch wenn ihr das in diesem Moment schwer fiel. Nach dem Streit mit ihrem Mann am Vorabend hatte sie sich im Schlafgemach eingeschlossen und geweint. Mit Reynier wollte sie derzeit nicht sprechen, da er ihr die einzig verbliebene Tochter wegnahm. Aber sie hatte keine Wahl, denn was er befahl war zu befolgen. Sie wollte Oscar ihren Kummer nicht zeigen, denn es würde ihr den Abschied nur erschweren. Oscar öffnete die Augen und blickte ihre Mutter einen Moment lang an. „Maman ich habe dich ganz doll lieb und ich werde dich sehr vermissen“ sagte das kleine Mädchen „aber du wirst sehen ich werde die Familie stolz machen.“ Sie lächelte dabei. Von den Zweifeln am vergangenen Tag war nichts mehr zu spüren. „Ich danke dir mein Kind. Und nun lass uns zum Abschied nochmal zusammen frühstücken. Nun zieh dich an. Ich warte unten auf dich.“ Emilie stand auf und verließ das Zimmer. Sophie war schon sehr früh aufgestanden, um alles vorzubereiten. Sie hatte Brot und Plätzchen gebacken. Marmelade gekocht und war nun dabei den Tisch zu decken. Sie schimpfte leise vor sich hin „Ich verstehe das nicht. Oscar sollte Kleider tragen und tanzen lernen. Nicht auf irgendeine Offiziersschule gehen. Was denkt sich der General eigentlich?! Man hätte viel früher mit dem ganzen Unsinn aufhören sollen, aber auf mich wird ja nicht gehört. Nun wird das arme Kind ganz alleine weggeschickt. Sie kennt da doch niemanden….oh hoffentlich kommt sie dort zurecht und wird der Familie keine Schande machen…!“ „Sophie was ist denn los, worüber ärgerst du dich denn?“unterbrache Mme de Jarjayes die Amme. „Ach Madame was soll nur aus unserer armen Oscar werden? Ich mache mir große Sorgen“ „Aber Sophie, sie wird ihren Weg gehen. Es wird alles gut“ entgegnete ihr Emilie. Und schon stand das kleine Mädchen in der Tür und schaute die Sophie und ihre Maman an. „Ist das Frühstück noch nicht fertig? Ich habe so einen großen Hunger“, fragte sie in die Runde. „Ein bisschen Geduld noch junge Dame“ sagte Sophie in strengem Ton „Du kannst dich schon einmal setzen. Ich hole den Rest.“ Und ging in die Küche. Oscar und ihre Mutter aßen alleine. Der General ist schon früh nach Versailles geritten. Er hatte sich von seiner Tochter noch nicht einmal verabschiedet. Nach dem Frühstück wollte Oscar zum Stall gehen um Andre zu suchen, denn sie hatte ihn noch nicht erblickt. Bevor sie das Haus verließ erinnerte ihre Mutter sie daran, dass die Kutsche jeden Moment kommen müsste um sie abzuholen und sie sollte schnell wiederkommen. Im Stall fand sie Andre, der die Pferde tränkte. „Guten Morgen Andre. Ich werde gleich abgeholt. Ich dachte du wolltest extra pünktlich aufstehen um mich zu verabschieden?!“ „Ich habe mich mit meiner Arbeit auch schon beeilt. Ist es etwa schon so spät?!“ „Die Kutsche wird jeden Moment eintreffen“ entgegnete ihm Oscar. „Warte ich muss noch dein Geschenk holen“ rief Andre und hetzte schnell ins Haus. Nun rief Mme de Jarjayes Oscar zu sich. Die Kutsche war eingetroffen. Oscar sollte nicht alleine reisen. Der Sohn des Generals de Girondel reiste ebenfalls in die Offiziersschule und wartete schon ungeduldig in der Kutsche. „So mein Kind. Ich wünsche dir eine gute Reise. Sophie hat dir genug Proviant eingepackt. Bitte schreibe mir regelmäßig, sodass ich immer weiß, was dich beschäftigt. Ich habe dich sehr lieb und ich bin sehr stolz auf dich“ Mit diesen Worten und einer innigen Umarmung verabschiedete sich Mme de Jarjayes von ihrer Tochter. Auch Sophie nahm Oscar in den Arm und wollte sich gar nicht von ihr lösen. „Großmutter du erdrückst sie ja“ moserte Andre, der jetzt neben ihr stand. „Hier ist ein Geschenk für dich. Ich habe es selbst gemacht, aber bitte öffne es erst, wenn du in Lille angekommen bist“ sagte Andre zu ihr und übergab ihr das Geschenk. Es war in braunem Papier sorgfältig eingepackt. Oscar lächelte „danke Andre, vielen Dank….Ich werde an dich denken.“ Nun musste Oscar in die Kutsche steigen. Sie fuhr los und alle winkten ihr zum Abschied. Oscar rief „Auf Wiedersehen. Ich werde Weihnachten wiederkommen. Tschüss.“ aus dem Fenster. Sie blickte noch lange Zeit aus dem Fenster bis sie das Palais nicht mehr sehen konnte. Dann zog sie ihren Kopf ein und setzte sich hin. Erst jetzt bemerkte sie den missbilligenden Blick des Jungen, der ihr gegenüber saß. „Oh hallo, ich bin Oscar. Oscar de Jarjayes“ stellte sie sich vor und reichte dem Jungen die Hand. Dieser entgegnete ihr: „ich bin Clement. Clement de Girondel.“ Er verschränkte die Arme und wandte sich mit dem Kopf zur Seite. //Das ist aber ein unhöflicher Junge. Ich habe schon von ihm gehört. Er soll eigentlich sehr nett und zuvorkommend sein. Sehr merkwürdig. Na das kann ja eine langweilige Fahrt werden?!//, dachte sich Oscar. Die Stunden vergingen. Clement saß die ganze Zeit stillschweigend auf seinem Platz und starrte nach draußen. Auch Oscar sagte nichts. Sie machte sich Gedanken darüber, was ihr wohl bevorstehen würde. Die Kutsche hielt in einem kleinen Ort namens Maisnon. „So die Pferde brauchen eine Pause. Ihr könnt in dem Gasthof zu Mittag essen“ schlug der Kutscher vor. Der Junge ging schnurstracks auf den Gasthof zu ohne Oscar auch nur eines Blickes zu würdigen. //Sowas. Was bildet er sich eigentlich ein? Ich werde ihm doch nicht hinterher rennen.// entschied Oscar. Sie nahm ihr Proviantpäckchen und wollte sich ein schönes Plätzchen suchen. Die Stadt war sehr alt und auch nicht besonders groß, sodass Oscar nach nur 5 Minuten den angrenzenden Wald erreichte. Sie hörte es irgendwo plätschern und folgte dem Geräusch. Es gab keinen Waldweg, sodass sie über Baumstämme und Äste klettern musste. Nach einiger Zeit erblickte sie einen wunderschönen Wasserfall. Sie setzte sich ans Ufer und aß die Plätzchen, die Sophie extra für die Reise gebacken hatte. Die Sonne schien auf sie herab, die Vögel zwitscherten und das Rauschen des Wassers klang wie Musik in Oscars Ohren. Es war ein sehr idyllisches Plätzchen. Nachdem sie aufgegessen hatte entdeckte Oscar einen merkwürdig aussehenden Felsspalt direkt unter dem Wasserfall. Neugierig wie immer ging sie näher. Es war ein Höhleneingang. Die Höhle war nicht besonders groß, aber die Zeichnungen an den Wänden faszinierte Oscar. Die Bilder zeigten Krieger und Tiere, die sich jagten. Eine Waffe sah fast so aus wie die ihres Vaters, die sie bisher nur betrachten und nicht benutzen durfte. Und plötzlich erschrak Oscar. Wie lange war sie nun schon fort?! Schnell machte Oscar sich auf den Weg zurück in das kleine Dorf. Nach einer halben Stunde hatte sie das Dorf immer noch nicht erreicht. //Oh je. Der Hinweg war irgendwie kürzer. Bin ich doch von der anderen Richtung gekommen?// Oscar hatte sich verlaufen. Nach einer weiteren halben Stunde erblickte sie ein Mädchen, was im Wald Pilze suchte. Oscar bat das Mädchen ihr den Weg in das kleine Dorf zu erklären. Wie Oscar geahnt hatte ist sie in die falsche Richtung gelaufen. Nach über 1 Stunde erblickte sie den Dorfrand Maisnons. Vor dem Gasthaus stand die Kutsche mit der sie gekommen war. Clement stand daneben. Vom Kutscher war nichts zu sehen. „Tut mir leid, dass ich so spät bin. Ich hatte mich im Wald verlaufen“ sagte Oscar entschuldigend zu Clement. „Was glaubst du eigentlich wer du bist? Wegen dir kommen wir zu spät. Alle suchen nach dir. Ich hatte gehofft du wärst weggelaufen.“ Mit diesen Worten hatte Oscar nicht gerechnet. Sie wurde wütend: „was soll das heißen, du hättest dir gewünscht ich wäre weggelaufen? Was glaubst du eigentlich wer du bist?!“ Nun wurde auch Clement sehr ungehalten, packte sie am Kragen und schrie sie an: „Mädchen haben an einer Offiziersschule nichts zu suchen. Sie sind viel zu schwach um sich mit Männern messen zu können! Frauen haben andere Aufgaben.“ Oscar löste sich aus seinem Griff und warf sich auf ihn „na warte das wollen wir mal sehen!“ Beide schlugen sich und wälzten sich auf dem Boden bis sie vom Kutscher auseinander gerissen wurden. „ Hey, was soll dieses Verhalten. Benehmt euch. Und sie Lady Oscar, wo waren sie denn? Wir hatten uns Sorgen gemacht?“ Nachdem Oscar den Kutscher über ihr Verschwinden aufgeklärt hatte, setzte sie sich in die Kutsche. Clement saß wie in seiner Ecke und starrte nach draußen. //Was hat er nur für ein Problem? Von wegen Mädchen sind schwach. Ich werde es ihm zeigen.//, ärgerte sich Oscar. Die weitere Fahrt verlief ruhig. Keiner der Beiden sagte auch nur ein Wort. Am späten Abend trafen sie in Lille ein. Eigentlich sollte die Ankunft um 18Uhr erfolgen, nun war es bereits schon 21Uhr. Als die Kutsche zum Stehen kam, stürmte Clement raus und verschwand in dem großen Gebäude. Clement war bereits das 3.Jahr in der Offiziersschule und kannte die Wege. Oscar blieb zurück. Der Kutscher brachte die Koffer herein. //Wo soll ich nun hin?// fragte sich Oscar. Unsicher ging sie langsam in Richtung Haupteingang. Bevor sie noch vor der Tür stand kam ein Unteroffizier auf sie zu. „Oscar de Jarjayes?“ fragte er in strengem Ton. „Ja, das bin ich“ antwortete Oscar leise und verunsichert. „Du bist zu spät. Deine Ankunft hatten wir bereits früher erwartet. Das Abendessen hast du verpasst. Mein Name ist Robèrt de Jus. Ich werde dir dein Zimmer zeigen. Morgen früh wird dir das Gelände gezeigt.“ Der Unteroffizier ging voraus. Oscar folgte ihm. Im Gebäude war es bereits sehr dunkel. Sie stiegen mehrere Treppen herauf. In der 3. Etage angekommen blieb de Jus plötzlich vor einem Zimmer stehen.“Das ist dein Schlafplatz. Normalerweise gibt es nur Mehrbettzimmer, aber angesichts der besonderen Lage bekommst du ein eigenes. Sonst ist es nur besonders herausragenden Schülern vorenthalten. Morgen früh um 5Uhr erwarte ich dich in der Eingangshalle. Deine Uniform liegt im Zimmer bereit. Bis Morgen.“ Er wandte sich ab und ging. Oscar war über diesen schroffen Umgang sehr verwundert und blickte zuerst noch eine Weile im Flur umher. Dann betrat sie das Zimmer. Es war klein aber gemütlich eingerichtet. 2 Uniformen hingen im Kleiderschrank. Oscar setzte sich aufs Bett. //Was meinte er wohl mit „der besonderen Lage“? Weil ich ein Mädchen bin? Den werde ich es schon zeigen, dass ich so gut wie ein Junge sein kann.// Dann fiel ihr das Geschenk ein, dass Andre ihr mit auf die Reise gab. Sie holte es aus ihrer Tasche und öffnete es. Oscar war von dem wunderschönen Holzpferd, dass sich in dem braunen Packpapier befand fasziniert. //Ist das schön.// Sie lächelte und dachte an den Abend am See nach. Nach einiger Zeit merkte Oscar, dass sie von der Fahrt doch sehr müde war. Sie machte sich frisch, legte sich ins Bett und schlief rasch ein. Oscar konnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen, was in der Offiziersschule für Schwierigkeiten und Intrigen auf sie warteten. Kapitel 3: Der Ernst des Lebens beginnt --------------------------------------- Es war früh am Morgen, als Oscar durch ein lautes Klopfen aus dem Schlaf gerissen wurde. „Sofort aufstehen!“, rief jemand. Oscar erschrak. Die Sonne war bereits aufgegangen. //Oh je, ich habe verschlafen. So ein Mist.// Sie rannte wild im Zimmer umher und zog sich schnell an. Dann lief sie die Treppe herunter zum Exerzierplatz. Als sie dort ankam standen die Offiziersanwärter bereits in Reih und Glied. Alle starrten sie an. Sofort viel ihr Clement auf, dessen Blick sich bei ihrem Eintreffen sofort verfinsterte. „Oscar Francois de Jarjayes?“ rief ein älterer Herr in Uniform. Oscar nickte. „Wenn ich etwas frage, dann erwarte ich gefälligst eine Antwort“ schrie dieser. „Ja, das bin ich. Mein Name ist Oscar Francois de Jarjayes“, antwortete sie. „Du bist zu spät. Das ist absolut inakzeptabel. Stell dich sofort in deine Gruppe. Die Bestrafung für dein Fehlverhalten wird die ganze Gruppe tragen. So etwas wird dir dann wohl nicht noch einmal passieren“ ermahnte er sie mit bitterer Miene. Oscar war wie gelähmt. Sie verstand nicht, was gerade hier vor sich ging. //Welche Gruppe? Wohin gehöre ich denn?// „Oscar du gehörst zu Gruppe D. Nun reihe dich ein“ sprach eine ihr bekannte Stimme. Es war die des Unteroffiziers de Jus. Oscar gehorchte und stellte sich zu ihrer Gruppe. Missbilligende Blicke fielen auf sie. Und so begann die morgendliche Inspektion. Oscar beobachtete die anderen. Alle waren größer und mindestens 1-2 Jahre älter als sie. Ihre Gesichter waren von einem bitteren Ernst gezeichnet. Kein Lächeln, kein freundlicher Blick waren zu erkennen. Nachdem die Inspektion beendet war kam ein Junge ihrer Gruppe auf sie zu. „Mein Name ist Bernard de Gauche. Ich bin der Gruppenführer dieser Truppe. Wie es aussieht hat dich noch niemand mit den Regeln vertraut gemacht, die hier herrschen. Dafür muss die gesamte Gruppe eine Strafarbeit erledigen.“Ein kurzer Moment der Stille trat ein. Als Oscar ansetzen wollte etwas darauf zu erwidern sprach Bernard weiter „du kannst dir wohl vorstellen, dass es kein besonders freudiger Einstand ist. Dafür wirst du eine Konsequenz von mir erhalten. Wie du bestimmt weißt schützt Unwissenheit vor Strafe nicht. Aber bevor wir uns damit befassen, werde ich dich kurz einweisen, damit es nicht noch einmal zu so einem Fauxpas kommt“ sagte er missbilligend. Die anderen Gruppenmitglieder schauten verärgert drein. „Bevor ich dir das Gelände zeige, stell ich dir kurz die Truppe vor. Wir bestehen aus 8 Männern. Jean, Claude, Gerard, Auguste, Maximilien, Henry, Jules und meiner Wenigkeit.“ Die Jungen nickten als ihr Name fiel, sagten jedoch keinen Ton. „Komm mit. Ich zeige dir nun den Rest“, befahl Bernard. Oscar folgte ihm. Das Gelände der Offiziersschule war sehr weitläufig. Viel Feld und Wald umgaben die 5 Nebengebäude und das Haupthaus. 4 Nebengebäude waren die jeweiligen Gruppenunterkünfte. „Du hast das Privileg in Haus A zu wohnen. Dies ist normalerweise nur sehr ausgezeichneten Schülern gestattet“ bemerkte er abwertend, als er sie in Haus D herumführte. „Von daher wirst du wohl eher weniger hier bei uns sein“ schlussfolgerte er. Oscar registrierte seine Worte zwar, aber ließ ihnen kaum Bedeutung zukommen. Als nächstes führte Bernard sie zum Haupthaus. Es war beträchtlich groß und die Eingangshalle war pompös eingerichtet. „Hier befinden sich die Arbeitszimmer der Offiziere. Wir werden jetzt zu Oberst Flaubert gehen, um die Bestrafung in Erfahrung zu bringen, die du uns aufgebürdet hast“ bemerkte er schroff. Sie gingen in die 2. Etage. Oscar wurde nervös. //Ich dachte es kann schon nicht mehr schlimmer werden. Hoffentlich wird die Bestrafung nicht so hart ausfallen.// Als sie beim Arbeitszimmer des Oberst Flaubert ankamen, klopfte Bernard an der Tür. Oscars Herz schlug immer schneller. Sie betraten den Raum. Der Oberst saß hinter seinem Schreibtisch und schrieb etwas. Er blickte hoch. „Ah, da seid ihr ja. Oscar de Jarjayes ich hoffe du bist dir deines Fehlverhalten bewusst?!“ fragte er sie. „Jawohl, Oberst. Ich bitte um Verzeihung für mein Benehmen.“ „Na gut. Ich erteile euch die Aufgabe bis morgen früh alle Ställe zu misten und die Sättel zu reinigen. Solltet ihr dieser Verpflichtung nicht nachkommen, werdet ihr 1 Woche Stalldienst haben.“ Bernard und Oscar nickten und verließen das Zimmer. Normalerweise gab es genügend Stallburschen, welche die Pferde versorgten und sich um die Ställe kümmerten, aber heute hat es Oscars Gruppe erwischt. „So Jungs nun hört mal her“, rief Bernard den übrigen Gruppenmitgliedern zu, die vor der Tür des Oberst gewartet haben „wir haben heute die Aufgabe die Sättel zu polieren und die Ställe auszumisten. Wir beginnen gleich nach dem Mittagessen, damit wir es rechtzeitig fertig bekommen, schließlich ist heute Abend wieder Duelliergemeinschaft .“ Alle anderen schauten finster drein, aber sie wussten, sie würden um all die Arbeit nicht herum kommen. Es war Zeit zum Mittagessen. Bernard und die Gruppe gingen in Richtung Speisesaal. Oscar ging ihnen einfach nach. Noch nie hatte sie sich so verlassen und alleine gefühlt, als in diesem Moment. Sie schweifte mit ihren Gedanken zu Andre. //Was er wohl gerade macht?// Klong…..!!!! Und dann war es plötzlich passiert. Oscar war so in Gedanken verloren, dass sie nicht mehr darauf achtet wo sie hinging und sie hatte Clement umgerannt. „Das kann doch wohl nicht wahr sein. Wie kann man nur so ein Tollpatsch sein“ schrie er Oscar an. Sie erstarrte. Was sollte sie auch sagen. Es tat ihr zwar leid, aber Clement hatte sie schließlich so gekränkt, dass sie sich nicht dafür entschuldigen wollte. //Immerhin hat es den richtigen getroffen. Ich kann ihn eh nicht leiden// dachte Oscar. Nachdem sie einmal tief durchgeatmet hatte ging sie einfach weiter und setzte sich zu ihrer Gruppe. Alle schauten sie an, aber sie ließ es an sich abprallen. Was hatte sie auch schon für eine Wahl?! Nach dem Mittagsessen ging es an die Arbeit. Es gab schließlich 60 Pferdeboxen zu misten und 60 Sättel zu putzen. Alle packten tatkräftig an, denn am Abend stand noch die monatliche Duelliermeisterschaft an. Bernard erklärte Oscar den Sinn und die Bedeutung dieser Duelliermeisterschaft. „Also es ist so, dass alle Gruppen sich einmal im Monat treffen und sich duellieren. Jedoch darf die Gruppe immer nur 3 Soldaten in das Duell schicken, die die gesamte Gruppe vertreten werden. Die Gewinnergruppe hat bis zum nächsten Duell gewisse Privilegien. Sie sind von Sonderaufgaben befreit. Diese werden von der Verlierergruppe erledigt. Das Hauptziel ist jedoch am Ende des Schuljahres die meisten Siege eingefahren zu haben. Dann gibt es nämlich eine Auszeichnung für besondere kämpferische Leistungen für jeden in der Gruppe.“ Bernards Erzählungen haben das Interesse und die Neugier Oscars geweckt. Sie ist schon sehr gespannt auf die Duelle am bevorstehenden Abend. Am Liebsten würde sie selbst gleich zum Degen greifen, aber es sind bereist 3 Leute aus ihrer Gruppe ausgewählt worden. Bei der nächsten Gelegenheit wird sie den anderen schon beweisen, wie gut sie mit dem Degen umgehen kann und sich den Platz bei den Meisterschaften sichern. Schließlich hat sie ihrem Vater versprochen der Familie Ehre zu machen und keine Schande über sie zu bringen. Kapitel 4: Das Duell -------------------- Es ist soweit. Alle Offiziersanwäter, Unteroffiziere und Offiziere finden sich am Trainingsplatz ein. Es ist bereits Abend, aber die Sonne scheint immernoch rötlich dämmernd über den gesamten Schauplatz und richtet seinen Schein mitten auf die die gesamte Menschenmenge. Nach und nach ordnen sich alle Anwärter in ihren jeweiligen Gruppen auf dem Platz in Reih und Glied ein. Der Oberst hält eine kleine Ansprache. Der Wettkampf kann beginnen. Oscars Gruppe hat Bernard, Claude und Jean ausgewählt, die sich sichtlich nervös am Rande aufgestellt haben. Die restlichen der Gruppe nehmen auf den vorgesehen Stehplätzen rund um die sogenannte Arena platz. Oscar tummelt sich mal wieder irgendwo dazwischen und beobachtet das bunte treiben mit Verwunderung. // Wow. Kaum zu fassen wie viele Menschen hier sind. Auch von außerhalb sind Offiziere gekommen um sich diese Meisterschaft anzusehen.......Ob sie vielleicht schon ein Auge auf die talentiertesten Kämpfer werfen, um sie für ihre Einheit zu gewinnen???! Oh da ist ja der Graf de Lambaire... und Graf de....// Oscar wird aus ihren Gedanken gerissen....“Oscar nun komm endlich her und reih dich ein. Es gibt sonst Ärger“, rief Maxim ihr zu. Schnurstraks stand sie nun bei ihrer Gruppe. „ Entschuldigt. Es ist so aufregend und interessant hier. Ich wollte mir nur nen Überblick verschaffen“ entschuldigte Oscar sich bei der Gruppe. Die Gesichter der anderen sprachen Bände. Sie waren immer noch sehr verärgert über die Strafaufgabe, die sie Oscar zu verdanken hatten. Hinzu kam jedoch auch ein Groll, den sie gegen sie hegten, weil sie ein Mädchen war. Wie konnte es nur dazu kommen, dass ein Mädchen auf eine Offiziersakademie ging? Und auch noch in ihre Gruppe kam? So konnten sie die Jahresmeisterschaft nie gewinnen. Wo sie beim im letzten Jahr auch nur 1 Sieg davon entfernt waren. Dieses Unbehagen nahm Oscar gar nicht weiter wahr. Sie konnte sich kaum vorstellen, dass irgendjemand (außer der ungehobelte Clement) ein Problem damit hatte, dass sie theorhetisch ein Mädchen ist. Bald sollte sie es aber zu spüren bekommen. Die Meisterschaft begann. Die Degenkämpfe waren überaus beeindruckend. Jeder gab sein bestes. Oscar nahm nichts weiter um sie herum wahr, sondern konzentrierte sich nur auf die beeindruckenden Kämpfe vor ihrer Nase. //Bernard ist ein ausgezeichneter Fechter. Er ist kraftvoll und schnell. Er wäre eine Herausforderung. Claude und Jean scheinen im Kampf manchmal mehr Glück zu haben. Ihr Können ist nur mittelmäßig. Die würde ich locker schlagen.// dachte Oscar. Nach 12 Kämpfen stand es Gleichstand zwischen der Gruppe Oscars und der Gruppe A, angeführt von Clement de Girondel. „Was passiert nun?“ fragt Oscar neugierig Maxim. „Nun treten die Gruppenführer gegeneinander an. Und somit wird entschieden wer den Monatssieg erhält.“ Noch spannender konnte es nicht sein. Bernard und Clement stehen sich gegenüber. Das Duell beginnt. Bernard ist im deutlich überlegen. Er reagiert schnell und kontert sofort. Er hat ein sehr offensives Vorgehen. Alles sieht nach einem eindeutigen Sieg für ihn aus..... Bis plötzlich ein kleines Erdloch zu Bernards Verhängnis wird und er stürzt. Clement nutzt den schwachen Moment seines Gegners und entwaffnet ihn. Das Duell ist entschieden. // Wie kann man nur so ein Pech haben. Clement ist ein miserabler Kämpfer. Niemals hätte er ohne diese Stolperfalle das Duell für sich entschieden//Oscar wurde immer impulsiver. „ Das kann doch nicht sein.“ Rief sie verärgert. „Den Sieg hat er doch gar nicht verdient.“ Alle starrten die kleine blonde Oscar an. Nicht nur die eigene Gruppe, sondern auch die anderen mitsamt der Offiziere. „Das war wohl etwas zu laut....“ flüsterte sie vor sich hin. Das war eben Oscar. Sie war immer schon ein sehr direkter Mensch und hat ihren Gedanken in der Regel freien Lauf gelassen. Sie kannte es nicht sich zurücknehmen zu müssen oder etwas einfach hinzunehmen. Zu Hause hatte sie diesbezüglich viele Freiheiten genossen. Der Oberst kam auf Oscar zu „Du bist also der Meinung, dass dieser Sieg nicht verdient gewonnen wurde?“ Sie war plötzlich so eingeschüchtert, dass sie keinen Ton hinausbrachte. „Ich höre nichts“ sagte der Oberst scharf. Alle starrten sie an, gespannt was als nächstes passiert. Und plötzlich ergriff Oscar gefasst und bestimmt das Wort „ ja genau. Clement de Girondel hat den Sieg nicht verdient. Lediglich eine glückliche Fügung verhalf ihm zum Sieg und nicht sein Können. Sie starrte nun in fassungslose Gesichter. Selbst der Oberst hätte mit so einer Antwort nicht gerechnet. Ihm fehlten die Worte. Und dann plötzlich stürmte Clement de Girondel zu Oscar, packte sie am Kragen „Was bildest du Weibsbild dir eigentlich ein.....!“ „Sofort aufhören“ schrie plötzlich der Oberst. „Es reicht. Sie beide kommen sofort in mein Arbeitszimmer mit.“ Er schritt eiligen Schrittes voran. Oscar und Clement waren zuerst verunsichert folgten nach kurzer Starre jedoch schnellen Schrittes. Die übrigen blieben zurück und starrten ihnen hinterher. //Oh je. Jetzt schicken sie mich wieder nach hause. Ich habe es verpatzt// schoss es Oscar durch den Kopf als die auf den Weg zum Arbeitszimmer des Oberst waren. Dort angekommen setzte sich der Oberst zuerst in seinen Sessel. Die beiden anderen Beteiligten standen vor dem Schreibtisch. „ So etwas ist in meiner 30 jährigen Laufbahn nicht vorgekommen. Oscar Francois de Jarjayes was glauben sie eigentlich wo sie hier sind?“ Sein Ton wurde schärfer. „ Sie sind hier in einer der angesehensten Militärakademien Europas, wenn nicht sogar der Welt. Hier werden keine Entscheidungen in Zweifel gezogen. Weder in Gedanken noch wird so etwas ausgesprochen. Es empört mich, dass ihr Vater sie scheinbar so erzogen hat. Kann ich mir kaum vorstellen, denn ich kenne ihn gut. Wäre er nicht einer meiner engsten Freunde würdest du jetzt schon längst wieder zu Hause sein.“ Seine Stimme ist in ein schreien übergegangen. Oscars Kopf sinkt nach vorne. Sie schaut auf den Boden und wirkt etwas blass um die Nase. „ Und nun zu dir Clement.“ Fuhr der Oberst fort und drehte sich in seine Richtung.“ Dieses Betragen ist jawohl kaum das eines Adligen angemessen.“ „Aber sie hat mich beleidigt Oberst. Ich habe versucht meine Ehre zu vertei.....“ erwiderte Clement aber bevor er den Satz beenden konnte wurde er durch den Oberst wieder unterbrochen „ es ist mir vollkommen egal was ihr wolltet. Hier geht es nach meinen Regeln. Und wie jeder, der sich nicht an meine Regeln hält bekommt ihr eine Strafe.“ „Aber....“Clement wollte wieder ansetzen, aber der Oberst ließ ihn nicht zu Wort kommen „Kein ABER. Was erlaubst du dir eigentlich? Ihr beide werdet beim nächsten Turnier gegeneinander antreten und zwar alleinig für eure Gruppe. Sollte einer von euch bzw. auch beide verlieren, werdet ihr nie wieder einen Degen in die Hand nehmen, solange ihr hier seit. Und eure Gruppen können den Jahressieg vergessen. Habt ihr mich verstanden?“ „Jawohl Oberst“ antworteten beide zeitgleich. „Und nun verschwindet aus meinen Augen.“ Die beiden verließen das Arbeitszimmer. Kaum war die Tür geschlossen packte Clement Oscar am Kragen „nun hör mir mal gut zu. Du wirst es mir büßen und zwar so sehr, dass du dir wünschen würdest der Oberst hätte dich heute nach hause geschickt.“ „Das werden wir ja sehen“ erwiderte Oscar und befreite sich aus seinem Griff. Ihre Blicke trafen sich eisig. Dann gingen beide getrennte Wege in ihre Schlafgemache. Oscar schloss die Tür hinter sich. Lehnte an diese und rutschte zu Boden. Tränen standen ihr in den Augen. Noch nie hat sie sich so allein und verlassen gefühlt. Inmitten dieser eiskalten Umgebung kann sie doch nicht noch Monate und Jahre verweilen. Alles ist so neu und fremd. Hier hat sie niemanden zum Reden und zum Spielen. Und plötzlich kullerten Tränen über ihre Wange, denn sie musste an Andre denken, den sie so sehr vermisst. Sie schloss ihre Augen und dachte an ihren letzten gemeinsamen Ausritt, ihren Abschied und an das wunderbare Geschenk, dass Andre ihr gemacht hatte. //Das Geschenk.// Oscar ging zur Kommode, nahm das Holzpferd heraus und setzte sich damit auf ihre Bettkante. Es war ein kleiner Trost. Lange saß sie da und hing ihren Gedanken nach. Dann legte sie sich hin und hielt das Pferdchen in ihren Händen. Schnell schlief sie ein. Jedoch wurde sie bereits nach kurzer Zeit wieder wach. Draußen war es bereits dunkel und menschenleer. Man hörte nur die leichte Windbrise, die die Blätter in den Bäumen zum Tanzen brachte. Zur selben Zeit war auch Andre nach schlafen zumute. Er saß unter seinem Lieblingsbaum im Garten. Er konnte erst gar nicht einschlafen und die extreme Hitze des Sommerabends machte ihm in seinem kleinen Zimmer zuschaffen, sodass er draußen etwas Abkühlung suchte. //Was Oscar jetzt wohl macht? Wahrscheinlich sitzt sie mit ihren neuen Freunden zusammen und reden über die Schule und die Ausbildung; das reiten und fechten. All das was wir sonst immer gemacht haben. Ob sie mich schon vergessen hat?// In Andres Gesicht zeichnet sich Enttäuschung und Traurigkeit ab. Seitdem sie weg ist fühlt er sich genauso allein, wie nach dem Tod seiner Eltern vor einigen Jahren. Es war der schlimmste Schicksalsschlag, den er in seinem noch jungen Leben erleiden musste. Zuerst der Unfalltod des Vaters und dann der plötzliche Tod der Mutter. Bis heute weiß er nicht genau woran sie verstorben ist. Seine Großmutter hüllt sich in Schweigen. Es hat sehr lange gedauert bis man Andre ein Lächeln entlocken konnte. Nur Oscar hatte es geschafft ihn aufzubauen und ihm das Gefühl gegeben nicht allein zu sein. Durch sie hatte er einen Teil Lebensfreude widererlangt, nie hätte er gedacht diese empfinden zu können. Tränen laufen ihm über die Wangen, ganz still und heimlich. Hätte er sich jemals vorstellen können, dass auch Oscar sich zur gleichen Zeit nach ihrer Zweisamkeit sehnte?! Kapitel 5: Ein steiniger Weg ---------------------------- Es ist bereits 1 Woche auf der Offiziersschule vergangen. Nach dem katastrophalen 1. Tag dachte Oscar es könne nicht mehr schlimmer kommen. Aber sie hatte sich getäuscht. Nachdem sie sowohl dafür verantwortlich war, dass ihre gesamte Gruppe bestraft wurde; sie mehrfach Widerworte gegenüber dem Oberst geäußert und zu guter Letzt auch noch Clement de Girondel gekränkt hatte mit der Konsequenz, dass Oscar bei der nächsten Dueliermeisterschaft alleine die ganze Gruppe vertreten sollte und davon der gesamte Jahressieg ihrer Gruppe abhing; wurde sie ausgegrenzt. Die anderen trauten ihr nicht über den Weg. Für alles nicht gut verlief wurde sie verantwortlich gemacht. Beim Training wurde sie ausgegrenzt. Niemand dachte auch nur im entferntesten daran, dass das kleine blonde Mädchen mit dem Degen umgehen konnte und somit war für alle anderen klar: Die Dueliermeisterschaften werden sie auch dieses Jahr nicht gewinnen und gaben einzig und allein Oscar die Schuld. Sie spürte den Unmut der anderen und zog sich mehr und mehr zurück. Kaum einer redete mit ihr, nur Bernard sprach das nötigste, was er als Gruppenführer mitteilen musste. Auch die Vorgesetzten schauten sie im vorbeigehen seltsam von der Seite an. Am Abend saß Oscar auf ihrem Bett und grübelte wieder vor sich hin. //Wie soll ich es nur 4 Jahre durchhalten? Das schaffe ich nicht. Ich habe keinen Trainingspartner, kann meine Können nicht zeigen und mich auch nicht verbessern......Es ist alles so anders hier.// Tränen kamen traten in ihre Augen. //Was würde Andre wohl sagen? Ich vermisse ihn so sehr. Noch nie hab ich mich so allein gefühlt.// Obwohl sie gegen die Tränen ankämpfte entschwanden sie ihrem Auge und rannen an den Wangen herunter. Oscar griff nach dem Holzpferd in der Schublade und betrachtete es in ihren Händen Sie stellte sich gerade vor, wie er vor ihr stehen würde und ihr sagt, dass sie alles schaffen kann was sie möchte. Ja so war ihr bester Freund. Er war immer überzeugt davon, dass Oscar alles schaffen konnte. Und er hatte Recht. Die Tränen auf Oscars Wangen trockneten. //Ja ich kann es schaffen. Ich werde es allen beweisen. Sie werden schon sehen, dass ich nicht nur ein Mädchen bin, sondern ein guter Soldat werden kann. Ich werde meinen Vater stolz machen. Die werden noch staunen.// Auf ihrem Gesicht zeichnete sich ein verschmitztes Lächeln ab. Sie stand auf, nahm ihren Degen aus dem Holzschrank, ging raus ins Freie und trainierte allein abseits der Schule mit dem Degen. Zur gleichen Zeit im Hause der Jarjayes. Es war sehr still geworden, seitdem Oscar abgereist war. Andre war wie in den letzten Tagen im Stall und kümmerte sich um die Pferde. Eigentlich war er mit seinen Arbeiten schon durch, aber er übernahm mehr Aufgaben, damit ihm nicht langweilig wurde. Denn jedes Mal wenn er fertig war und nichts zu tun hatte vermisste er Oscar sehr. Aber auch für ihn wird sich in Zukunft einiges ändern. Heute teilte ihm seine Großmutter Sophie mit, dass er ab nächster Woche die Schule im nächsten Dorf Ville d`Avray besuchen soll. Der General war so zufrieden mit seiner Arbeit, dass er beschlossen hatte, dass Andre weiter lernen soll wo er ja nun auch nicht mehr mit Oscar gemeinsam am Unterricht teilnahm. Sophie war sehr erfreut darüber. Für Menschen ihres Standes war es ein Privileg die Schule besuchen zu dürfen. Natürlich musste Andre weiter ihm Stall arbeiten, aber er war ja immer sehr fleißig gewesen, sodass er es ohne Probleme schaffen werde, meinte Sophie. Einerseits war Andre froh zur Schule gehen zu können und nicht den ganzen Tag auf dem Anwesen der Jarjayes nach Beschäftigung zu suchen, aber andererseits machte ihm diese Aussicht auch ein wenig Angst. //Was werden das wohl für Kinder sein, mit denen ich zusammen in einer Klasse bin? Ob sie auch alle die Kinder von Bediensteten sind?.... Ich werde sehen.// Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. //Auf jeden Fall werde ich viel lernen und später vielleicht ja auch einen ganz tollen Beruf wählen und viel Geld verdienen. Dann kann ich mit Oscar auch ganz viel Urlaub in Arras machen.// Er fing an zu pfeifen und hing seinen Träumen nach. Andre hatte keine Ahnung welche Wendungen das Leben der beiden noch bereithielt und vor allem wie schwer und kompliziert es wird wenn man erwachsen ist. Einige Zeit verstrich. Es war bereits September. Die Tage wurden schon merklich kürzer und die Nächte länger. Trotzdem war es noch angenehm warm draußen. Oscar war bereits seit 5 Wochen in Lille an der Offiziersschule. Sie trainierte weiterhin allein und hatte keinen Anschluss an die anderen gefunden, was aber daran lag, dass die anderen sie mieden. Nicht nur weil die ein Mädchen war, sondern es lag vor allem an ihrer Auseinandersetzung mit Clement de Girondel. Er gehörte ja schon zu den Älteren Anwärtern und jeder wollte in seiner Gunst stehen, da seine Familie sehr Einflussreich war. So nutzte er seine Macht und seinen Einfluss aus, um Oscar das Leben schwer zu machen. Im Gruppenraum der Gruppe A, der Clement angehörte saßen alle beieinander. Sie unterhielten sich über das bevorstehende Duell. „Der kleinen Göre werde ich schon zeigen wo sie hingehört bzw. eher wo sie nicht hingehört. Und zwar hierher“ sprach Clement. Alle um ihn herum nickten und grinsten. „Es wundert mich, dass sie überhaupt solange durchgehalten hat. Ich hätte erwartet, dass sie bereits nach einigen Tagen ihre Sachen packt und nach Hause fährt.“ „Ja du hast recht“ stimmte Jaques, der beste Freund Clements, ihm zu „ aber sie scheint nicht so schnell aufzugeben. Ich habe sie bereist mehrfach abends trainieren sehen. Sie scheint wirklich zu denken sie hätte eine Chance.“ Was Jaques Clement jedoch nicht verriet war, dass er selbst sehr erstaunt war wie gut das blonde Mädchen mit dem Degen umgehen konnte. Sie war flink, schnell und besonders einfallsreich. Er beobachtete sie schon eine Weile bei ihrem abendlichen Training. // Soll er es doch selber sehen, wenn er ihr gegenübersteht. Er wird schon merken, dass sie nicht so einfach zu schlagen ist. Vielleicht kann sie es tatsächlich schaffen Clement zu schlagen. Dann ist er vielleicht nicht mehr so überzeugt von sich und führt sich weiter auf wie ein Prinz// dachte Jaques. Von den Gedanken seines besten Freundes ahnte Clement nichts. Am Abend kehrte Oscar zum Gelände der Offizierschule zurück. Sie hatte nochmal fleißig trainiert, denn morgen war es soweit. Sie hatte viele Kämpfe zu bestreiten und allen zu zeigen, dass sie hier hergehörte. Oscar selbst hat sich in der kurzen Zeit sehr verändert. Das ausgelassene, fröhliche Mädchen, das auch gerne viele Streiche gespielt hatte war nun sehr verschlossen, still und anderen gegenüber sehr reserviert. Sie baute eine Mauer auf, so wie es scheinbar alle anderen Anwärter auch machten. Nur das die anderen nicht ganz alleine waren, sondern auch Freundschaften innerhalb der Gruppen pflegten. Gefühle zeigen war hier fehl am Platz. Man musste sich zurücknehmen und vor allem gehorchen. Einige Male hatte sie in den letzten Wochen ihre Meinung geäußert, die manchmal der Ansicht der Vorgesetzten widersprach. Dies hatte Konsequenzen. Oscar hatte viele Strafarbeiten erledigen müssen, die ihr wiederum wenig Zeit zum trainieren ließen. Also hielt sie sich jetzt sehr zurück. Es war schon eine große Umstellung, aber es viel ihr zunehmend leichter. Zuhause musste sie nur wenn der General anwesend war darauf achten was sie sagte und machte. Da er die meiste Zeit, teils Tage und auch Wochen in Versailles war hatte sie meistens Narrenfreiheit. Zumindest wenn Sophie das nicht mitbekam. Aber auch Sophie ließ sich immer um den Finger wickeln. Oscar saß nun an ihrem Schreibtisch und wollte ihre Aufgaben für den Unterricht in Kriegskunde fertigstellen, aber ihre Gedanken schweiften ab. // Noch 3 Monate bis ich wieder nach Hause kann. Das ist noch sehr lange hin. Hoffentlich haben sie mich nicht vergessen. Ich habe noch keinen Brief erhalten. Weder von Maman, noch von Sophie oder Andre. Dabei hat Andre mir doch versprochen zu schreiben.// Es war als wenn ein schwerer Stein auf Oscars Herzen lag. Sie hatte niemandem, dem sie sich mitteilen konnte. Weder hier noch scheinbar Zuhause. Zur selben Zeit arbeitete Andre noch im Stall. Da er heute spät von der Schule heim gekommen ist war er mit seinen Aufgaben bis jetzt noch nicht fertig geworden. In der Schule hat er sich nach anfänglichen Schwierigkeiten gut eingelebt. Die anderen Kinder waren sehr nett und freundlich. Sie kamen auch alle aus bürgerlichen Familien. Oft sind die nach der Schule noch an den See gegangen und haben gespielt. Andre war am 1. Tag sehr verwundert darüber,wie viele Schüler von einem einzigen Lehrer unterrichtet wurden. Es waren 42. So musste er auch selber mehr daran arbeiten dem Unterricht zu folgen und wenn er etwas nicht verstand zuhause nacharbeiten. Da er aber viele Sachen bereits während des gemeinsamen Unterrichts mit Oscar durchgenommen hatte, die jetzt in der Schule drankamen, machte ihm das keine Probleme. Das einzige was ihm Sorgen bereitet, ist die Tatsache, dass er immernoch keine Antwort von Oscar bekommen hatte. Bereits 2 Briefe hatte er ihr geschrieben. Selbst seine Großmutter hatte keine Information, wie es Oscar auf der Schule erging. //Wahrscheinlich hat sie viele neue Freunde gefunden und uns hier vergessen?// dachte er und war sehr traurig. Denn jeder Tag an dem er keine Antwort bekam gab ihm das Gefühl nicht mehr als Freund gebraucht zu werden. Kapitel 6: Siege und Niederlagen -------------------------------- Die Sonne ging langsam auf. Die Morgenröte verzauberte den Himmel. Es sah so aus, als würde dieser brennen. Lichtstrahlen bohrten sich durch den Vorhang an Oscars Fenster. Sie öffnete die Augen. //So nun ist es soweit. Heute wird sich alles entscheiden// dachte sie. Oscar musste gewinnen. Sollte sie heute eine Niederlage einstecken müssen, hatte sie sich entschieden nach Hause zu fahren. Dann sei sie es nicht würdig an der Offiziersakademie weiter zu studieren. Nachdem Oscar sich frisch gemacht hatte zog sie sich an und betrachtete sich im Spiegel. //Ich kann das. Ich schaffe es. Ich werde es allen beweisen. Und meinen Vater stolz machen.// Sie straffte ihre Schultern, zog sich an und ging in den Essenssaal. Dort setzte sie sich wie jeden morgen an den Tisch ihrer Gruppe, jedoch saß sie allein am anderen Ende. Alle Blicke fielen auf sie. Es wurde viel getuschelt. Wetten wurden abgeschlossen, nach denen Clement ganz klarer Favorit war. Oscar nahm das alles gar nicht wahr. Sie dachte an zu Hause und an die schönen Zeiten mit Andre. Ihre Ausflüge in den Wald, an den See und auch die vielen Streiche, die sie vor allem Sophie spielten. Es war ihre Art hier durchzustehen. Nach dem Frühstück ging es in die Unterrichtsstunden, sie sich lange hinzogen. Der Tag wollte nicht vergehen. Auch die anderen hatten Interesse an dem bevorstehenden Duell und beteiligten sich nur sehr wenig in den Unterrichtsstunden. Aber nun waren die letzten 2 angebrochen. Englisch stand auf dem Stundenplan. Es war eines von Oscars Lieblingsfächern, denn die Sprache gefiel ihr sehr. Zudem hatte sie ein Talent Sprachen zu erlernen und obwohl sie erst seit 5 Wochen hier war, hat sie die anderen in diesem Gebiet bei weitem überholt. Sie sprach bereits so fließend und schnell, dass alle anderen kaum hinterherkamen. Der Lehrer Mr. Brighten, ein Mann Ende 60 mit grauen Haaren und einem gebeugten Kreuz, war überaus angetan von Oscars Fähigkeiten. „ Wenn sie so weitermachen Mademoiselle Oscar dann sprechen sie bereits in wenigen Monaten wie eine echte Engländerin. Ihr Akzent hört sich bereits sehr gut an“, lobte er sie nachdem alle anderen gegangen waren und Oscar noch ihre Bücher zusammenräumte. „Vielen Dank Mr. Brighten. Die Sprache gefällt mir auch sehr gut. Das macht es mir einfach sie zu erlernen.“ „Nur weiter so. Lassen sie sich nicht aufhalten. In keinerlei Hinsicht Mademoiselle....Nur weil man jemandem etwas nicht zutraut, heißt es nicht, dass man etwas nicht schaffen kann“, Mr. Brighten lächelte und Oscar verstand worauf er hinauswollte. „Danke“ sagte sie und ging hinaus in Richtung ihres Zimmers. Oscar konnte es kaum fassen, dass jemand an sie glaubte und der Meinung war sie könnte es schaffen. Ein Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit. Als sie in ihrem Zimmer angekommen war ging sie hinein und schaute sich um. Irgendetwas war anders als heute Morgen beim Verlassen des Zimmers. Oscar hatte ein merkwürdiges Gefühl, als wenn jemand hier gewesen war. Sie schaute sich weiter um. Es fehlte nichts. Sie hatte nun auch keine Zeit mehr sich weiter Gedanken darüber zu machen, schließlich musste sie in 30 Minuten antreten. Sie zog ihre Anwärteruniform an, nahm ihre beiden Degen und ging hinaus in Richtung des Trainingsplatzes. Kurz bevor sie dort ankam versperrte Bernard ihr plötzlich den Weg. „Halt Oscar. Ich muss noch etwas mit dir besprechen“ sagte er laut und hielt seinen Arm vor sie, damit sie dort stehenblieb. „Was gibt es denn Bernard?“ „Ich wollte dir nur mitteilen, dass wir, also ich meine die gesamte Gruppe, dir alles Gute wünschen und hoffen, dass du uns nicht allzuschlecht dastehen lässt.....“ er zögerte kurz „ andernfalls wirst du komplett ausgeschlossen“ So nun war es raus. Man sah, dass es Bernard viel Überwindung gekostet hat Oscar vor so ein Ultimatum zustellen. Natürlich hatte er wie die anderen auch in den letzten Wochen den Kontalkt zu Oscar stark eingeschränkt und war am Anfang sogar sehr wütend über Oscars Verhalten bei den letzten Meisterschaften, aber mit der Zeit hat er auch gesehen, dass sie sich für ihn eingesetzt hatte. Das erforderte ne Menge Mut. Auch wenn es nicht ihre klügste Entscheidung war, da sie die Konsequenzen nicht bedachte. Zudem findet er es sehr anmutig, dass sie sich heute vor all den ganzen Leuten ihren Gegnern zu stellt und für ihre Entscheidung eintritt, obwohl sie kaum eine Chance haben wird. Oscar war verärgert über Bernards Äußerungen, schlug seine Hand weg und konterte „du wirst es schon sehen. Ich werde dieses Turnier für mich entscheiden“. Dann ging sie schnellen Schrittes an ihm vorbei und ließ ihn dort stehen. Bernard schaute verdutzt hinter ihr her. //Die kleine hat Mut, dass muss man ihr lassen.// dachte er sich. Die Uhr schlug 19 Uhr. Alle waren am Turnierplatz versammelt. Die Zuschauer säumten den Bereich um die Kampfzone und sahen gespannt auf die Kämpfer. Gruppe A und Gruppe D wurden, wie bereits der Oberst entschied nur von einem Anwärter vertreten. Clement und Oscar. Gruppe B und C stellten jeweils 3. Oscar stach aus der Reihe heraus. Sie war die kleinste unter ihnen, aber den Anmut den sie ausstrahlte übertraf den der anderen. Während der Oberst wieder seine kleine Eröffnungsrede hielt und den Zuschauern und Anwesenden die Besonderheit des heutigen Turniers erläuterte, sah Oscar zu den anderen und betrachtete sie eindringlich. // Das sind also meine Gegener. Puhh... ganz schön groß die anderen..... Naja dafür aber wohl nicht so schnell wie ich//, sagte sie sich. Nun ertönte ein Schuss. Der Eröffnungsschuss. „Lasst das Turnier beginnen“ sprach der Oberst. Die ersten Kämpfe bestritt Clement gegen jeden einzelnen der Gruppe B. Er gewann sie alle haushoch bereits nach wenigen Minuten. Nun war Oscar an der Reihe. Sie hatte jetzt alle 3 Gegner der Gruppe C gegen sich. Sie schritt in die Mitte. Der Anfang machte ein großer, ziemlich üppiger Junge. Er war gut 2 Köpfe größer als Oscar. Als er in die Mitte schritt grinste er hämisch. „Na, willste vielleicht doch vorher das Handtuch werfen?“ fragte er sie spöttisch als er vor ihr stand. „Na warte ab. Wir werden ja sehen wer von uns beiden der Bessere ist“ entgegnete Oscar. Der Junge grinste nur. Oscar machte diese Reaktion wütend und als der Beginn des Kampfes offiziell eröffnet wurde stürmte sie auf ihren Gegner zu. Der Junge konnte kaum so schnell gucken und schon hatte Oscar ihn entwaffnet. Er starrte sie fassungslos an. Nie hätte er mit ihrer Schnelligkeit gerechnet. So entschied Oscar den 1. Kampf für sich. Der 2. Wurde etwas schwieriger. Die anderen merkten, dass sie Oscar unterschätzt haben und passten gut auf. Sie setzten viel Kraft ein. Aber trotzdem hatten auch die anderen Kämpfer der Gruppe C keine Chance gegen sie. Die Zuschauer waren verblüfft und so zog Oscar alle Aufmerksamkeit auf sich. Selbst der Oberst und die anderen Offiziere staunten nicht schlecht. Hätte doch keiner dem kleinen blonden Mädchen auch nur ein Sieg zugetraut. Nun durfte Oscar erstmal pausieren. Clement kämpfte gegen Gruppe C und gewann gegen alle. Danach war Oscar wieder dran. Diesmal gegen Gruppe B. Auch diese Kämpfe entschied sie für sich. Clement und Oscar standen nun nebeneinander am Rand und betrachteten die weiteren Kämpfe unter den anderen Gruppen. Clement flüsterte: „Wenn du glaubst mich besiegen zu können hast du dich getäuscht. Ich werde dich nicht gewinnen lassen, so wie die anderen. Du wirst sehen wie es ist mit einem Meister der Degenkunst zu kämpfen.“ „Das glaubst auch nur du. Ich habe die anderen besiegt weil ich besser war als sie. Das wirst du auch zu spüren bekommen“ entgegnete Oscar. Clement war erstaunt von soviel Arroganz und Selbstbewusstsein Oscars. Er würde alles daran setzen sie zu besiegen bzw. etwas hat er ja nun schon in Bewegung gebracht. Bei dem Gedanken, an seinen Plan fängt er an zu Grinsen, dass in lauthalses Lachen endet. Oscar schaut ihn irritiert an. //Was hat er denn bloß? Irgendetwas stimmt nicht!// Nun war es soweit. Das Finale stand an. Keiner hatte es für möglich gehalten, aber Clement und Oscar sind die Finalisten. Die Spannung zwischen den Zuschauern, aber vor allem in den Gruppen war zum greifen nah. Bernard trat nochmal zu Oscar. „Viel Glück.“ „Danke Bernard“, Oscar war erstaunt über diese Worte, aber sie machten ihr Hoffnung. Scheinbar ist Mr. Brighten nicht der einzige der an sie glaubt. Fürs Finale holte Oscar den Degen ihres Vaters hervor. Es war ihr Lieblingsstück. Nur selten hat sie ihn beim Training verwendet und auch bisher beim Turnier nicht, aus Angst er könne Schaden nehmen. Aber jetzt empfand sie es als den angebrachten Zeitpunkt ihn zu benutzen. Nun standen Oscar und Clement sich gegenüber. Er grinste, als wäre er ein Clown. Der Startschuss fiel und Clement verschwendete keine Zeit. Er ging gleich zum Angriff über. Oscar wich ihm aus und konterte. Die Klingen prallten aufeinander. Immer und Immerwieder. Sie waren schnell, sehr schnell. Keiner von beiden schenkte dem anderen etwas. Oscar hatte die leichte Überhand. Sie war flinker und schneller als Clement. Im entscheidenden Moment, als Oscar mit ihrer Degenspitze in den Griff von seinem Degen gelang und sie ihn entwaffnen wollte geschah ein Unglück. Oscars Degen brach entzwei. Sie war überrascht und konnte kaum fassen was gerade passiert war, doch viel Zeit zum denken hatte sie nicht. Clement nutzte den Moment und griff an. In letzter Sekunde konnte Oscar ausweichen, drehte sich herum, trat auf ihn zu, stand nur wenige Zentimeter hinter ihm und noch bevor er sich zu ihr umdrehen konnte entwaffnete sie ihn mit dem halben Degen, der ihr geblieben war. Alle waren perplex. Besonders Clement konnte nicht fassen was gerade passiert war. //Das kann nicht sein. Ihr Degen ist gebrochen. Er hat das gemacht was er sollte. Warum hat sie es trotzdem geschafft mich zu besiegen? Das kann nicht sein. Nein. Das geht nicht.// Clements Miene verfinstert sich, doch bevor er etwas Unbedachtes tun konnte trat der Offizier auf beide zu und verkündete den Sieger. Oscar!!! Sie hatte es tatsächlich geschafft. Sie konnte es ja kaum selbst glauben. Die Kameraden aus ihrer Gruppe stürmten auf sie zu und gratulierten. „Super gemacht Oscar.“ „Wir wussten du schaffst es“ „Herzlichen Glückwunsch“ .... solche Floskeln kamen aus jedem Munde. Oscar aber konnte sich über ihren Sieg nicht so richtig freuen, schließlich ist ihr Degen entzwei. //Wie konnte das nur passieren?//, dachte sie. Die Degenspitze hob sie auf und steckte sie ein. „Komm Oscar, jetzt müssen wir feiern!“ riss Bernard Oscar aus ihren Gedanken, nahm sie am Arm und zog sie hinter sich und den anderen her. Am Abend saßen alle aus der Gruppe zusammen im Gruppenraum, tranken Saft, erzählten Witze und freuten sich über den Sieg. Jetzt hatte es Oscar geschafft. Sie wurde akzeptiert und endlich als Teil der Gruppe gesehen. Im Laufe des Abends besserte sich ihre Laune und sie verdrängte die Gedanken an den Degen. Als die Turmuhr Mitternacht läutete machten sich alle auf den Weg in ihre Zimmer, immerhin war morgen wieder Unterricht. Auch Oscar ging schnell über den Hof und kaum das sie angekommen war schmiss sie sich auf ihr Bett und schlief sofort erschöpft ein. Am nächsten Morgen erwachte Oscar schon sehr früh. Sie hatte schlecht geschlafen, weil sie merkwürdige Träume hatte von Degen und Kämpfen. Jetzt erinnerte sie sich wieder an den Degen und schaute sich die zwei Einzelteile an. Sie ging die Bruchkanten mit dem Finger entlang. //Merkwürdig. Die Bruchkannte ich auf der einen Hälfte ganz glatt. Normalerweise müsste sie rauh sein// Sie runzelt die Stirn. Dann kam ihr plötzlich ein Verdacht. Jemand hat vielleicht absichtlich den Degen manipuliert. Sie hatte gestern ja das Gefühl, dass jemand im Zimmer war. Vielleicht stimmte es. //Aber wer könnte bloß so etwas tun?!// Sie grübelte weiter vor sich her. Es gab nur einen Menschen, dem sie es zutrauen würde so fiese und hinterhältige Tricks anzuwenden: Clement de Girondel. Aber sie hatte bisher ja keine Beweise. // Dem werde ich auf den Grund gehen. Wenn er denkt er kommt damit durch, dann hat er seine Rechnung ohne mich gemacht.// Kapitel 7: Zuckerbrot und Peitsche ---------------------------------- Es ist bereits Oktober und der Herbst klopft mit seinen starken Windböen gegen Türen und Fenster. Es ist stürmisch draußen. Die Bäume um die Akademie herum sehen kahl und dürr aus. Die Temperaturen sind für Oktober sehr kalt. Oscar kann durch den lauten Sturm in dieser Nacht kaum schlafen, obwohl sie den Schlaf dringend gebrauchen kann. Die letzten Wochen waren sehr anstrengend. Oscar musste viel lernen und trainieren um den Anforderungen ihrer Lehrer genügen zu können. Jeden morgen steht sie früher auf, um ihr Morgentraining mit dem Degen zu absolvieren, abends geht sie später ins Bett um die schriftlichen Aufgaben zu bearbeiten,die sie am Tag nicht geschafft hat. Die Lehrer stellen Oscar immer mehr Aufgaben als den anderen und fordern auch bessere Leistungen in der Kampfkunst. Sie muss sich immer noch beweisen und zeigen, dass sie als Mädchen das Zeug hat ein guter Offizier zu werden. Viele Offiziere und Lehrer waren zu Beginn sehr belustigt von der Idee, dass ein Mädchen auf die Offiziersschule gehen soll und schienen alles daran zu setzen Oscar an ihre Grenzen zu bringen. Aber Oscar dachte war nicht so leicht zu vertreiben. Zudem hatte sie seit dem Sieg ihrer Gruppe bei der Duelliermeisterschaft die Unterstützung ihrer Gruppe, die ihr teilweise auch halfen und Gruppenarbeiten abnahmen, damit Oscar mehr lernen und trainieren konnte. Mit Bernard kam sie besonders gut aus. Er forderte sie im Degenkampf. Keiner schenkte sich beim Training etwas, obwohl Oscar in der Regel immer als Siegerin herausging. Bernard war ein großer Junge mit braunen Haaren und braunen Augen. Sein Vater war der Herzog de Charles, ein sehr einflussreicher Mann, der dem König der nah stand und sich somit vorwiegend in Versailles aufhielt um seinen Einfluss geltend zu machen. Er hatte in vielen Belangen ein großes Mitsprachrecht, wie zum Beispiel Besetzung bestimmter Posten und die Vergabe von Aufträgen. Bernard selbst schien sich wenig für Versailles und die Politik zu interessieren. Er erzählte viel lieber von den vielen Reisen, die er mit seiner Mutter unternahm und den beeindruckenden Menschen, die er getroffen hatte. Fechten und Reiten gehörten auch zu seinen Lieblingsaktivitäten. Oscar hörte ihm gerne zu, wenn er von den Reisen sprach und die Städte und Landschaften beschrieb, die er besuchte. Es beeindruckte sie sehr und weckte ihre Neugier die Welt sehen zu wollen. Sie träumte viel davon mal nach England zu reisen und das Land zu besuchen, welches eines der schönsten Sprachen der Erde beherbergte, interessante Schriftsteller hervorbrachte und von dessen Landschaft Mr. Brighten immer schwärmte. Es waren jedoch nur Träumereien. Ihr war bewusst, dass sie kaum die Zeit haben werde irgendwann mal viel zu reisen, da ihr Vater eine andere Zukunft für sie vorgesehen hatte. Oscar wälzte sich in ihrem Bett immer noch hin und her. Damals als sie noch zu hause gelebt hat, ist sie in solchen unruhigen Nächten immer zu Andres Zimmer geschlichen und hat ihn durch das Klopfen an der Tür wach gemacht. Dann sind sie gemeinsam auf den Dachboden des Hauses gegangen und haben ihr „geheimes Zimmer“ aufgesucht. Es war ein kleiner Raum mit vielen alten Kisten und Gerümpel, dessen Eingang nur Oscar und Andre kannten, da die ganzen Jahre ein großer Schrank davor stand. Nur durch Zufall hatte Oscar bemerkt, dass eine Tür hinter der Schrankwand versteckt war. Von diesem geheimversteck erzählten sie niemandem. Es war ihr ganz persönliches Geheimnis. In stürmischen Nächten nahmen sie immer 2-3 Kerzen mit, ein paar Decken und Bücher mit Gruselgeschichten. Sie lasen gegenseitig die Geschichten vor und um es gut vorstellen zu können machten sie Grimassen der Leute nach, die in dem Buch beschrieben waren. Meistens schliefen sie dann dabei ein. Am Morgen mussten sie sich immer beeilen, sodass niemand bemerkte , dass sie die Nacht nicht in ihren Betten verbracht hatten. Oscar erinnerte sich in dieser Nacht an diese besonderen Momente mit ihrem besten Freund und ihr traten die Tränen in die Augen. Sie vermisste ihn so sehr und sie war bitter enttäuscht, dass bis heute kein einziger Brief von ihm kam. Noch nicht einmal eine Antwort auf ihren Brief, den sie ihm vor 4 Wochen geschrieben hat. Nun rannen die Tränen über ihre Wangen. Sie kämpfte dagegen an, aber die Tränen suchten sich ihren Weg. Nach einiger Zeit schlief sie weinend ein. Es war soweit. Ein neuer Tag brach an. Draußen war es düster und nebelig. Der Ausblick aus Oscars Fenster war trist. Nach einem großen Seufzer stand Oscar auf. Sie ging zu ihrer Waschschale und sah in den Spiegel. Ihre Augen waren rot und aufgequollen vom Weinen. Einen Moment starrte Oscar in ihr Spiegelbild und fragte sich, ob es wirklich sie war, den sie da sah. Dann schloss sie die Augen, schüttelte kurz den Kopf, atmete tief durch und machte sich frisch. Sie wollte keine weiteren Gedanken an letzte Nacht verlieren. Nachdem sie sich zurecht gemacht hatte nahm sie ihren Degen und ging hinaus. Sie war schon etwas spät dran, denn Bernard wartete bereits einige Minuten vor der großen Eiche, an der sie immer trainierten. „Guten Morgen Oscar!“, rief er ihr zu „na bist du nicht aus dem Bett gekommen“ neckte er sie. „Guten Morgen. Ich habe nur wenig geschlafen und bin deswegen etwas spät dran. Entschuldige.“ antwortete Oscar mit einem traurigen Ton in der Stimme. Bernard bemerkte, dass etwas nicht stimmte. „Alles in Ordnung?“ „Ja klar“ erwiderte Oscar energisch und zog ihren Degen „ich bin bereit und du?“ Bernard grinste. „Aber immer doch.“ Sie trainierten hart. Nach 1 Stunde waren beide verschwitzt und am Ende ihrer Kräfte. „Du wirst immer besser. Ich muss langsam aufpassen“ sagte Oscar nachdem sie wieder genug Luft zum Reden bekam. „Du aber auch. Du wirst immer schneller in deinen Reaktionen und auch unberechenbarer“, erwiderte Bernard. „Es scheint den Lehrern aber nicht auszureichen“ sprach Oscar vor sich her. „ Das glaube ich nicht. Du bist mit Abstand die beste Fechterin aus unserer Gruppe. Und vergiss nicht du hast es sogar Girondel gezeigt. Das hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Sie wollen nur wissen wie weit sie dich fordern können. Jeder, der neu herkommt wird erst einmal ausgetestet. Warte nur das Überlebenstraining ab. Danach wird es besser“ versuchte Bernard Oscar aufzumunter. //Das Überlebenstraing..... oh nein//dachte Oscar //das habe ich ganz verdrängt. Es sind ja nur noch 1 Woche bis dahin...// Als wenn Bernard Oscars Gedanken lesen konnte sagte er „Mach dir da keinen Kopf drum. Bis jetzt hat es jeder überlebt...“ und grinste. Oscar empfand es alles andere als belustigend und warf ihm einen vernichtenden Blick zu. Das Überlebenswochenende war eine Prüfung. Man wurde 1 Woche an einen bestimmten Ort in den Bergen gebracht. Nur 1 Leib Brot und etwas Wasser bekam man als Verpflegung mit, sowie ein paar wenige Umziehkleidung, eine dicke Decke, eine Plane und ein Messer. In den 7 Tagen musste man eine bestimmte Route durch die Berge durchqueren. Als Beweis war an jedem Zielpunkt ein Gegenstand präpariert, den man mitnehmen musste. Oscar graute es vor dieser Aufgabe, denn sie ahnte, dass ihre Aufgaben hart und schwierig waren. Zudem war es gerade vor allem im November häufig sehr regnerisch und kalt. Normalerweise wurde das Überlebenstraining immer im April veranstaltet, aber aus irgendeinem Grund, den Oscar nicht erfahren hat musste sie es im November machen. Oscar und Bernard gingen nach dem Training in ihre Zimmer, zogen sich um und gingen zum Frühstück. Die anderen warteten schon auf die beiden. Der Vormittag verging ziemlich schnell. Sie hatten den ganzen Tag Englisch bei Mr. Brighten, weil einige Offiziere erkrankt waren. Eine schreckliche Erkältungswelle zog sich durch die gesamte Schule. Einige Anwärter waren auch erkrankt und kämpften zum Teil mit schweren Lungenentzündungen. Oscar war der Englischunterricht nur recht. Sie liebte diese Sprache und verstand sich besonders gut mit Mr. Brighten. Er war der einzige Lehrer, der zufrieden mit ihren Leistungen war. Immer wieder erzählte er von den wunderschönen Wäldern, den beeindruckenden Bauten und der Sitten und Bräuche, die in England typisch waren. Zur gleichen Zeit war Andre gerade auf dem Rückweg von der Schule zum Anwesen der Jarjayes. Er musste sich ein wenig beeilen, denn nach dem Unterricht hatte Cecil, eine Mitschülerin mit Andre noch ein paar Aufgaben besprochen, bei denen er Probleme hatte. Dabei hat er die Zeit vergessen. Nun musste er zügig heim, um seine Arbeit zu schaffen. Auf dem Rückweg kam er an dem See vorbei, an dem er und Oscar immer gespielt hatten und wie jeden Tag, wenn er gerade diese Stelle passierte dachte er an Oscar und es machte sich Traurigkeit in ihm breit. Seit über 2 Monaten hat er nichts von seiner besten Freundin gehört. Lediglich der General hatte mal erwähnt, dass sie gute Leistungen bringen würde. Sophie und Madame de Jarjayes hatten jedoch auch nichts weiter von ihr gehört. Auch Oscars Mutter bedrückte es sehr, dass ihr einzig verbliebenes Kind so weit weg war und sie nicht wusste wie es ihr erging. Der General hatte seiner Gemahlin untersagt Oscar zu schreiben, damit sie kein Heimweh bekommt. Als der General einen Brief Emilies an Oscar vor 1 Woche entdeckte, der noch nicht ganz fertig war, wurde er sehr wütend und es kam zu einem großen Streit. Seitdem sprachen die beiden Eheleute nicht mehr miteinander. Andre hatte großes Mitleid mit Madame de Jarjayes. //Wie gut, dass ich meine Briefe direkt versende. Der General hat es bisher noch nicht mitbekommen// dachte er. Was er nicht ahnte war, dass der General auch an der Schule angewiesen hat, dass Oscar die Briefe die sie zugesendet bekam erst im Dezember ausgehändigt werden sollen. Solange werden sie dort verwahrt. Als Andre am Anwesen ankam, merkte er, dass irgendetwas anders war. Die Kutsche stand nicht mehr im Stall. Es war viel weniger Personal im Haus als sonst üblich. //Was ist bloß los hier?// Er suchte seine Großmutter. Wenn jemand wusste was hier vor sich ging, dann sie, denn sie war die gute Seele im Haus, die alles koordinierte. Aber auch sie war nicht aufzufinden. Andre ging zuletzt in die Küche. Dort traf er auf die Küchenhilfe Anna. Als sie Andre erblickte sprudelten die Worte nur so aus ihr heraus „Andre mein Junge. Gut das du da bist. Du wirst es nicht glauben, was passiert ist. Der General und seine Frau...... ach Junge ..... das war ein Spektakel, dass kannst du dir ja gar nicht vorstellen..... es kam mal wieder zu einem riesen Streit, als der General nach Hause kam und da hat doch Madame einfach heimlich ihre Sachen gepackt, ließ die Kutsche vorbereiten und ist weggefahren. Als der General bemerkt hat, dass sie weg war ist er wahnsinnig wütend geworden und hat seine Rotweinflasche gegen seine Zimmertür geworfen. Sie ist in tausend Einzelteile zerbrochen...... Wenn du nur wüsstest wieviel Arbeit es macht die Sauerei wegzumachen....“ „Aber was ist denn nun mit Madame de Jarjayes? Wo ist sie denn hin? Und wo ist meine Großmutter?“ ging Andre aufgeregt dazwischen. Nie hätte er gedacht, dass es zu so einem Eklat im Hause der Jarjayes kommen konnte. Denn Oscars Mutter war immer eine sehr zurückhaltende Frau, die sich ihrem Mann bisher nie widersetzt hatte. „Ja ist ja schon gut. Ich erzähle ja weiter“ sagte Anna etwas verärgert „Deine Großmutter ist mit Madame mitgefahren. Niemand weiß so recht wohin. Der General wies einige Bedienstete an zu seinen verheirateten Töchtern zu reiten und sich zu erkundigen, ob sie bei einer von ihnen ist. Er selbst ist kurz danach auch davongeritten, aber niemand weiß wohin.“ Andre musste sich erst einmal setzen und das eben erzählte begreifen. Nach einer kurzen Zeit stand er auf und ging Richtung Stall. Er hatte ja auch noch eine Menge Arbeit vor sich und diese lenkte ihm von allem anderen ab. Am Abend ging er wieder ins Haus. Noch immer keine Spur von Madame und seiner Großmutter. Er machte sich auf in sein Zimmer. Dort angekommen entdeckte er einen kleinen Brief auf seinem Bett. Er war von seiner Großmutter. Lieber Andre, ich werde für einige Tage mit Madame de Jarjayes fort sein. Sei nicht besorgt. Wir werden bald wiederkommen. Mach mir bitte keine Probleme und bereite mir keine Schande. Gib dem General bitte keinen Anlass zur Verärgerung. Deine Großmutter Sophie Andre atmete etwas erleichtert auf. Nun wusste er, dass seine Großmutter ja bald wiederkommen werde. //Dann kann allles ja nicht ganz so schlimm gewesen sein// dachte er. Von all dem Ärger zu Hause ahnte Oscar nichts. Sie fiel an dem Abend erschöpft ins Bett und schlief sofort ein. Aber auch in der kommenden Nacht schlief sie schlecht. Kapitel 8: Ein Kampf auf Leben und Tod -------------------------------------- Eine Woche ist wieder vergangen. Es ist früh am Morgen als Oscar erwacht. Heute ist es endlich soweit, das Überlebenstraning beginnt. Oscar wird 7 Tage durch die Berge wandern und sich ganz allein in der Natur zurechtfinden müssen. Als Oscar aufsteht und ans Fenster tritt schaut sie eine lange Zeit einfach nur raus ohne speziell etwas zu beobachten. Es scheint fast als starre sie ins Leere. Sie ist ganz tief in Gedanken. //Hoffentlich schaffe ich das. Wer weiß was mich da erwartet?// Oscar zweifelt daran, diese Aufgabe bewältigen zu können. Zudem fühlt sie sich seit 2 Tagen nicht ganz wohl. Halsschmerzen und Husten haben sie die letzte Nacht gequält. //Es wird schon gut gehen. Andre hat mir auf unseren Ausflügen soviel über die Pflanzen und Tiere etc. beigebracht, da werde ich das jawohl alleine packen.// Schnell dreht sie sich um und macht sich fertig. Sie braucht nichts packen außer 1 mal Wechselkleidung, der Rest wird ihr heute morgen erst ausgehändigt. Kurz bevor sie das Zimmer verlässt dreht sie sich nochmal um und geht zu ihrer Kommode. //Fast hätte ich es vergessen. Mein Glücksbringer muss mit.// Sie ergreift das kleine hölzerne Pferd, welches ihr Andre geschenkt hat. Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht als sie dieses Andenken betrachtet. //So, aber nun muss ich aber los. Sonst komm ich noch zu spät. // Im Büro des Kommandanten meldet sich Oscar pünktlich. Es werden ihr die restlichen Sachen ausgehändigt: sie hat ein Taschenmesser, ein Kompass, eine Plane, eine Decke, etwas Brot und eine gefüllte Wasserflasche bekommen. „So Oscar de Jarjayes. Es ist soweit. Unten wird der Soldat de Jus auf sie warten und an einen Ort in den nahe gelegenen Bergen bringen. Er wird ihnen dort eine Karte aushändigen, auf dem die 7 Ziel-und Kontrollpunkte eingezeichnet sind. Diese müssen sie passieren und als Beweis die jeweilige Fahne, die dort angebracht ist mitnehmen“ sprach der Kommandant „ sollte ein Notfall auftreten, dann senden sie bitte SOS-Rauchzeichen. Es wird immer jemand in einem ausreichenden Radius anwesend sein, der sie im Notfall wieder zurückbringt... Natürlich bedeutet es, dass sie an dieser Aufgabe dementsprechend gescheitert sind und die Akademie verlassen müssen.“ Oscar erschrack. Mit dieser Konsequenz hätte sie nicht gerechnet. //Oh je. Ich muss es also schaffen.// „Haben sie mich verstanden?“ hackte der Kommandant nach. „Ja, Kommandant. Ich habe sie verstanden“ antwortete Oscar. „Sie können jetzt gehen. Viel Erfolg.“ Oscar entfernte sich aus dem Zimmer und begab sich direkt nach unten. Der Unteroffizier de Jus erwartete sie bereits mit 2 Pferden. Sie stieg auf und nun begaben sich auf den Weg. Sie ritten fast 4 Stunden über Wiesen und Wälder bis sie an eine Lichtung im Wald kamen. Es war eine sehr abgelegene Gegend. Das letzte Dorf hatten sie vor 2 Stunden bereits passiert. „So wir sind nun da“ stellte de Jus fest. Er stieg ab, holte aus seinem Rucksack die Karte heraus und überreichte sie Oscar. „Ich werde jetzt mit den Pferden aufbrechen. Sollten sie dringend Hilfe benötigen, dann wissen sie ja wie sie sich bemerkbar machen sollen, oder?“ Er schaute sie misstrauisch an, denn ihr Husten ist ihm auf dem Weg hierher nicht entgangen. Ihm war nicht ganz wohl bei der Sache Oscar alleine zulassen, aber die befehle seines Vorgesetzten waren eindeutig. „Ja natürlich“ entgegnete Oscar und atmete einmal tief durch. „Dann viel Erfolg“ Mit diesen Worten ließ er Oscar auf der Lichtung zurück. Oscar schaute sich um. Überall waren kahle Bäume zu sehen, dass Laub hatte sein Gewandt über den Boden ausgebreitet. Der Wind wehte und die Äste an den Bäumen bogen sich unter seiner Gewalt. Es war bereits sehr kühl. Oscar zog sich ihren Mantel nochmal fester um ihre schlanke Gestalt. Sie suchte Schutz vor den starken Windböen hinter großen Bäumen. Zuerst studierte sie die Karte und holte ihren Kompass heraus. Schnell wusste sie in welche Richtung sie zu gehen hatte und so begab sie sich auf den Weg. //Brrr ist das kalt. Hoffentlich werden die Nächte nicht so schlimm und es bleibt trocken// dachte sie. Und schon wieder musste sie stark husten, sodass ihr der ganze Brustkorb schmerzte. //Hoffentlich steh ich das durch.// Sie ging immer weiter. Ab und an hielt sie, um sich mit ihrer Karte und dem Kompass zu vergewissern, ob sie noch auf dem richtigen Weg war. Der Wind wurde immer stärker und am Himmel sammelten sich zunehmend dunkle Wolken. Es war bereits später Nachmittag. //Ich müsste es zum ersten Kontrollpunkt noch schaffen. Hoffentlich kann ich dort in der Nähe mein Lager aufschlagen.// Und so kämpfte sie weiter gegen die widrigen Wetterbedingungen an. //Hinter diesem Hügel müsste es sein.// Als sie den Hügel erklommen hatte sah sie bereits die Fahne, die sie als Beweis mitbringen musste, aber ihr Blick trübte sich plötzlich als sie den breiten Fluss erblickte, welcher sich zwischen ihr und der Fahne befand. Weit und breit war keine Brücke erkennbar. //Oh je, das wird ungemütlich und kalt.// Oscar hatte keine Wahl. Sie musste den Fluss überqueren, egal wie. Als sie ans Ufer trat erkannte sie,das die Strömung des Wassers durch den Wind schon sehr stark war. //Ob ich es dort rüber schaffe?! Ich habe noch nicht einmal ein Seil, womit ich mich sichern kann. Aber vielleicht ....// Sie erblickte, dass 10 Meter weiter der Fluss flacher schien.//Da müsste ich es schaffen// Sie zog ihren Mantel aus, verstaute ihn im Rucksack und ging langsam ins Wasser. Es stand ihr fast bis zum Hals. Den Rucksack hielt sie in die Höhe, damit die anderen Sachen nicht nass wurden. Schritt für Schritt tastete sie sich Richtung Flussmitte vor. Die Strömung war schon ziemlich stark und Oscar hatte alle Mühe sich auf den Beinen zu halten. Plötzlich fing es an langsam zu regnen. //Oh nein. Nicht das noch. Jetzt muss ich mich beeilen// Zwei Schritte weiter war Oscar plötzlich auf dem rutschigen Stein unter ihr ausgerutscht und stürzte ins Wasser. Sie trieb mit der Strömung und kämpfte mit all ihrer Kraft darum ans Ufer zu schwimmen. Nach mehreren Minuten schaffte sie es, sich an einem herabhängendem Ast eines am Ufer befindlichen Baumes festzuhalten und zog sich damit langsam an Land. Den Rucksack hielt sie ebenfalls mit dem Arm fest umklammert, denn ohne ihn und seinem wertvollen Inhalt würde sie es nicht schaffen zu bestehen. Endlich am Ufer angekommen klettert Oscar aus dem Wasser. Sie zitterte und fror am ganzen Körper. Der Wind blies seine Kälte unerbitterlich durch ihre nassen Kleider. Der Regen verstärkte sich auch zunehmends. Oscar suchte nach einer Möglichkeit, wo sie sich unterstellen konnte. Sie entdeckte eine kleine, heruntergekommene Hütte zwischen den dichten Bäumen des Waldes. Zuerst holte sie sich noch die Fahne und dann ging sie in die Hütte. //Was für ein Glück. Dort kann ich mich aufwärmen und habe einen Schutz vor dem Regen.// Nach kurzem anklopfen öffnete Oscar die Tür der Hütte und wie erwartet hielt sich keiner in ihr auf. Ganz im Gegenteil es sah so aus, als wenn schon sehr lange kein Mensch mehr hier gewesen war. Es war sehr dreckig und verstaubt. Das Dach war an einigen Stellen undicht und es regnete ein wenig herein. Sie schloss die Tür und sank dann zu Boden. Ihr Hautkolorit war weiß, ihr Körper zitterte, Wassertropfen rannen ihr über das Gesicht, den Oberkörper bis hin zu den Füßen. Eine kleine Pfütze bildete sich unter ihr. Oscars Gesichtausdruck verriet, dass sie am Ende ihrer Kräfte war. Sie blieb noch einen Moment so sitzen. //Brrrr ist das kalt..... und nass... und mir tut alles weh. Vor allem meine Zehen und meine Finger. Ich muss mich dringend aufwärmen. Und meine Kleidung muss trockenen...mal sehen, ob ich im Kamin etwas Feuer machen kann.// Sie blickte sich um denn sie benötigte Holz zum Feuermachen. Von draußen brauchte sie nichts holen. Es regnete jetzt in Strömen und mit nassem Holz kann sie kein Feuer machen. Sie entdeckte 2 alte Stühle, deren Lehnen schon durchgebrochen waren. //Super. Die wird wohl eh keiner mehr brauchen.// Und sie nahm die beiden Stühle und versuchte sie klein zu bekommen, was ihr mehr oder weniger auch gelang. Oscar fror und zitterte so sehr in ihren nassen Kleidern, dass es kaum noch möglich war das Holz zu bewegen um Funken zu erzeugen. Sie musste sich erst ihrer nassen Kleider entledigen, aber trockene im Tausch gab es nicht. Alle Sachen sind nass geworden, als die Strömung sie mitriss. Aber sie hatte jetzt keine Wahl. Um sich ein wenig zu trocknen und zu wärmen nahm sie einer der schäbigen Gardinen ab und wickelte sich darin ein. Nun versuchte Oscar sich wieder am Feuer machen. Nach wenigen Minuten gelang es ihr auch. Aus wenigen Fünkchen war ein loderndes Feuer geworden. Die Wärme verteilte sich langsam im Raum. Oscars Körper hörte mit dem Zittern auf, ihr Gesicht bekam wieder einen leicht rosigen Teint und ihre Glieder schmerzten nicht mehr so. In den Zehen und Finger verflog die Taubheit rasch. //Oh je. Das fängt ja alles schon gut an.// Oscars Magen fing an zu knurren, das Brot jedoch war kaum noch als solches zu bezeichnen, da es ebenfalls nass war. //Draußen finde ich auch nichts mehr zu Essen. Es ist schon dunkel geworden und der Regen hat sich verstärkt. Wahrscheinlich wird es die ganze Nacht durchregnen. Wenn ich nicht bloß so alleine wäre// dachte Oscar und erinnerte sich an ein Ereignis mit ihrem besten Freund. Andre und Oscar sind wandern gegangen, als sie Urlaub mit Oscars Familie in Arras machten. Sie haben die Zeit vergessen und erst als es dunkel wurde bemerkten sie, dass sie längst zu spät dran waren. Den Rückweg fanden sie zuerst nicht wieder. Sie verirrten sich. Die Nacht haben sie auch in einer kleinen Hütte verbracht, die sie gefunden hatten, da es anfing zu stürmen. In dieser Nacht hatte Andre das erste Mal erzählt wie sein Leben bei seinen Eltern war und wie sie ums Leben gekommen waren. Auch Oscar vertraute Andre ein Geheimnis an, dass noch kein anderer kannte. Sie hat mal einen Brief auf dem Dachboden ihres Elternhauses gefunden. Er war in einer alten Kiste versteckt, die ein Schloss trug. Da Oscar von vornherein sehr neugierig war, knackte sie kurzerhand das Schloss und schaute sich die Briefe an. Einer fiel ihr besonders ins Auge. Er war auf edlem Papier mit einem Monogramm, was sie zuvor noch nie gesehen hatte. In dem Brief stand: Mein guter Freund Reynier, ich bitte dich auf das Kostbarste aufzupassen, was Kathrin und ich haben. Wir werden nicht mehr viel Zeit haben und wir befürchten das schlimmste. Bei dir weiß ich sie in guten Händen. Leb Wohl Erik. Oscar dachte zuerst es sei ein Schatz und durchsuchte das ganze Haus, fand aber nichts. Als sie sich den Brief und den genauen Wortlaut nochmal ansehen wollte, war alles verschwunden. Jemand hatte die Kiste mitsamt der Briefe einfach dort weggenommen. Seitdem waren Andre und Oscar immer wieder auf Schatzsuche. Sowohl das Haus, als auch alle Nebengebäude wurden schon mehrfach von den beiden durchstöbert. Oscar grinste bei dieser Erinnerung. //Was Andre jetzt wohl macht? Bestimmt geht er Sophie mächtig auf die Nerven und nascht immer von ihren Plätzchen und ihrem Kuchen.// Und schon wieder meldete sich Oscars Magen zu Wort. Sie entschloss sich zu schlafen, da sie ziemlich erschöpft war. Nach kurzer Zeit schlief sie ein. Die 1. Nacht allein war für Oscar furchtbar. Nicht nur, dass es sehr stark stürmte und sie Angst hatte, dass die Hütte zusammenbrechen würde unter der Wucht des Windes, sondern auch ihr Gesundheitszustand verschlechterte sich. Ihr Husten war kaum zu bändigen, dazu hatte sie starke Kopfschmerzen und sie schien Fieber zu bekommen. Sie selbst hatte zwar das Gefühl zu erfrieren, weil sie so zitterte, aber sie war glühend heiß. Ihre Wangen waren sehr gerötet. Den Schlaf den sie so dringend brauchte war ihr versagt. Als der Sturm gegen Morgen nachließ konnte sie schließlich noch ein wenig zur Ruhe kommen. Erst die Sonnenstrahlen, die in die Hütte eindrangen weckten Oscar. Sie war zuerst irritiert, denn sie wusste nicht recht wo sie sich befindet. Es dauerte eine Weile. Das Aufstehen viel ihr schwer, denn ihre Glieder schmerzten und schienen ihr nicht zu gehorchen. Ihre Brust schien eng umschlungen zu sein, sodass sie schwerer Luft bekam. Aber es half nichts. Oscar musste weiter. Ihre Kleider waren getrocknet. Schnell zog sie sich an, denn es war sehr kalt in der Hütte. Das Feuer ist im Laufe der Nacht ausgebrannt und konnte Oscar keine Wärme spenden. Ihr erstes Interesse galt der Suche nach etwas Essbarem, denn ihr Magen knurrte stark. Im Herbst war es nicht besonders leicht etwas im Wald zu finden, aber Oscar hatte Glück. Sie fand einen Walnussbaum, der seine letzten Früchte am Boden liegen hatte. Es war zwar nicht viel, aber es reichte aus Oscars Hunger zu stillen. Danach nahm sie die Karte und plante ihren weiteren Weg. Der zweite Kontrollpunkt war weiter oben auf dem Berg. Dieser Weg erfordert viel Kraft und Stärke, da sie einige Höhenmeter überwinden muss. An beidem mangelte es ihr aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation, aber es hielt sie nicht auf. Flott machte sie sich auf den Weg. Der Regen hatte glücklicherweise aufgehört, aber der Wind war weiterhin so erbarmungslos und zehrte an ihren Kräften. //So, die Hälfte müsste ich geschafft haben. Jetzt brauch ich eine Pause.// Vollkommen erschöpft und außer Atem ließ sie sich an einem kleinen See nieder, um sich auszuruhen. //Es ist doch anstrengender als ich dachte. Ich muss es unbedingt schaffen. Ich kann doch nicht einfach aufgeben. Was würde Vater bloß sagen, wenn ich nach Hause geschickt werde?// Oscar war den Tränen nahe. Noch nie hat sie ihren Vater enttäuscht. Sie hat ihm immer alle Ehre bewiesen, aber nun schien sie es nicht zu können. Sie fühlte sich so alleine, verlassen und im Stich gelassen. Dieses Gefühl war ihr bisher unbekannt und lastete schwer auf ihrem Herzen. Einige Zeit später stand sie auf und machte sich weiter auf den Weg. Oscar war kein Mensch, der einfach einen Kampf aufgab. Nein sie nun wahrlich nicht. Am späten Nachmittag erklomm Oscar die letzten Meter zum Kontrollpunkt. Die dünne Luft machte ihr zusätzlich Probleme beim Atmen und in einem unachtsamen Moment verlor Oscar den Halt auf dem steinigen Pfad und stürzte an den Rand des Abhangs. Zuerst schlug sie mit dem Kopf auf einen Stein und danach folgte ihr Körper, der zu Boden fiel. Nur wenige Zentimeter trennten sie von der tödlichen Tiefe des Berges. Oscar rührte sich nicht. Eine Blutlache sammelte sich unter ihrem Kopf und es fing wieder an zu regnen. Die Dunkelheit, in der sie eingehüllt war ließ sie nicht los und überließ ihren Körper dem Schicksal. Kapitel 9: Auf Messers Schneide ------------------------------- Zeit ist in der Welt der Menschen ein bedeutsames Gut. Nicht jeder weiß sie zu schätzen. Seit gut einem Tag ist Oscar in ihrer Dunkelheit gefangen. Von außen sieht sie aus wie ein schlafendes Kind, aber in ihrem inneren lodert ein Kampf. Ein Kampf ums Überleben. Doctor la Motte untersuchte sie wieder, wie am Abend ihres Eintreffens und am Morgen danach. Keine Veränderung. //Dieses arme junge Mädchen. Was hat sie denn bloß bei dem Wetter auf dem Berg gemacht? Zumal sie so krank ist.// Er schüttelt mit dem Kopf. Als Monsieur Albert gestern mit dem jungen Ding im Arm bei ihm vor der Tür stand und ihm erzählte wo er sie gefunden habe konnte er es kaum glauben. Man wusste nicht wie lange sie schon dort auf dem Berg gelegen hat. Die Kopfverletzung war zudem sehr groß und je länger sie bewusstlos war desto mehr befürchtete er eine Schädigung des Gehirns. Zudem hatte sie Fieber und die Atmung war sehr angestrengt. Die Haut zog sich schon zwischen ihre Rippen, solche Atemnot hatte sie. Wer konnte so ein krankes Kind überhaupt aus dem Haus lassen? Der Arzt wusste nicht wer sie war. Ihr Gesicht hatte er noch nie zuvor gesehen. Er konnte keine Familie benachrichtigen, obwohl es so ernst um sie stand. Er befürchtete das schlimmste. Mademoiselle Lilly betrat das Zimmer. Sie war eine junge und hübsche Frau, die sich in dem kleinen Krankenhaus um Patienten kümmerte und sie pflegte. Der ernste und besorgte Gesichtsausdruck des jungen Arztes entging ihr nicht. „Was hälst du davon, wenn wir eine Nachricht an alle umliegenden Dörfer schicken mit ihrer Beschreibung?! Vielleicht finden wir so ihre Angehörigen?!“ schlug sie vor. Er nickte zustimmend. „Du hast recht, das sollten wir tun. Es ist unsere einzige Chance.“ Beide betrachteten das schwerkranke Kind. „Ich bleibe bei ihr. Schauen sie doch ruhig zu ihren anderen Patienten“ schlug Lilly mit einem zarten Lächeln vor. „Ja, sie haben recht. Ich werde jetzt mal nach den anderen schauen. Bitte benachrichtigen sie mich, sollte sich etwas verändern“ bat er. „Aber natürlich.“ Die elfenzarte Frau setzte sich zu Oscar ans Bett und nahm ihre Hand. Sie glühten fast und waren schweißgetränkt. Lilly nahm eine Schüssel mit Wasser und kühlte Oscars Körper etwas mit dem kühlen nass. //Oh je, das arme Ding. Hoffentlich finden wir jemanden.// Weitere 2 Tage vergingen und noch immer blieb die Situation unverändert. Oscars Zustand verschlechterte sich von Tag zu Tag. Immer mehr rang sie nach Luft. Das Fieber war selbst mit Chinin und kalten Wickeln kaum zu senken. Die Hoffnung auf eine Genesung sank von Stunde zu Stunde. Lilly wachte wie fast die ganze Zeit an Oscars Bett. Auch Doctor La Motte hatte sich zu ihr gesellt. Eine schwermütige Ruhe breitete sich im Zimmer aus. Plötzlich kam Albert herein. Jener Mann der Oscar gefunden hatte, als er auf dem Rückweg vom Gipfel war. „Doctor. Mademoiselle. Unten ist ein General, dessen Tochter seit einem Ausflug vermisst wird. Ich habe ihn auf dem Weg nach Lille getroffen. Die Beschreibung könnte passen“ sprudelte aus ihm heraus. „Ja dann holen sie den Herren doch bitte herein.“ Albert drehte sich um und nur 1 Minute später betrat General de Jaryes das Zimmer. Er erblickte Oscar und konnte es nicht fassen. „Oh mein Gott meine Tochter. Was ist bloß geschehen?“ Er kniete vor ihrem Bett nieder und rüttelte an ihr in der Hoffnung sie würde wach werden. Aber sie tat es nicht. „Monsieur, bitte lassen sie es. Sie können sie nicht aufwecken“, ging Doctor La Motte dazwischen. Der General wandte sich zu ihm und sah ihn wütend an. „Was ist mit meiner Tochter? Wie ist das denn passiert? Wird sie wieder gesund?“ Der General durchbohrte mit deinem Blick den Arzt. Dr. La Motte erklärte wie Oscar hier hergekommen sei, und das es ein Glück war, dass Albert sie gefunden habe. Wie es zu der Kopfverletzung kam konnte er nicht sagen, aber sie hatte zudem eine schwere Lungenentzündung gehabt, die sie wohl schon einige Zeit mit sich rumschleppen müsse, so schlecht wie ihre Lunge derzeit sei. Der General traute seinen Ohren nicht. Habe man ihm doch berichtet Oscar sei bei einer Übung verschollen, vermutlich weggelaufen und das keiner wisse warum. Sie sei schließlich gesund, munter und guten Mutes gewesen. Es staute sich Wut ihn im auf. Er sei auf dem Weg zur Akademie gewesen, um die Gemüter zu besänftigen, damit Oscar dort weiterlernen kann. Er dachte Oscar wolle ihn ärgern und einen Streich spielen. Oh je, wie sehr er sich jetzt dafür schämt jemals so etwas von seiner Tochter gedacht zu haben. „Herr Doctor, wie steht es um meine Tochter? Wird sie wieder gesund?“ sprach er nach einigen Minuten des Schweigens. „Ich weiß es nicht. Es liegt jetzt nunmehr in Gottes Hand. Wir haben alles Menschenmögliche getan. Mehr können wir nicht tun. Vielleicht sollten sie die Familie dazuholen“, diese Aussage sprach Bände. Der General wusste plötzlich wie ernst die Situation war. Nach kurzer Zeit an Oscars Bett ging er nach unten vor das Krankenhaus. Dort warteten einige seiner Soldaten. Er gab ihnen den Auftrag auf dem schnellsten Wege seine Frau zu benachrichtigen und sie herzubringen. Zudem schrieb er einige Zeilen an den Kommandanten der Offiziersakademie, der ausgeliefert werden sollte. Die Nacht brach herein. Noch immer kämpfte Oscar mit dem hohem Fieber. Ihr Bett war schweißgetränkt. Ihr Körper wurde schwächer. Ihr Vater saß seit gut 12 Stunden an ihrem Bett und wich ihr nicht von der Seite. Immer wieder fragte er sich wie es zu alledem kommen konnte, aber er bekam keine Antwort. Verzweifelt schlief er auf dem Stuhl neben Oscars Bett ein. Es war bereits morgens als der General aus seinem Schlaf schreckte. Die Sonne war schon aufgegangen. Zuerst überzeugte er sich davon, dass Oscar noch am Leben war. Sie sah schlechter aus, als am Tag zuvor, aber sie atmete. Gegen Mittag hielt endlich die lang ersehnte Kutsche vor dem Hospital. Madame de Jarjayes stieg aus und lief schnellen Schrittes in das große Gebäude. Sophie folgte ihr, aber auf die letzen Meter konnte die alte Dame nicht schritt halten. Oscars Mutter stürmte zu ihr. Tränen füllten sich in ihren Augen und suchten sich ihren Weg über die Wangen. Reynier stand hinter seiner Frau, nahm sie in den Arm und versuchte sie zu trösten. Die Stunden danach waren unerträglich. Emilie wich nicht von der Seite ihrer Tochter und der General konnte die Situation nur mit einem Whiskey aushalten und saß am Fenster. „Ich hatte so viel vor mit ihr. Sie hatte so großes Potenzial. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es sein wird, wenn sie nicht mehr ist“ sprach der General. Seine Frau glaubte nicht was sie da vernommen hat. Nach kurzer Zeit drehte sie sich um und schrie ihn an „Potenzial? Das ist doch wohl nicht dein ernst Reynier. Es ist nur deinem POTENZIAL zu verdanken, dass es Oscar so schlecht geht. Es war deine Idee, dass sie auf diese Akademie geht und dass das alles passiert ist. Du bist schuld, wenn sie....“ ihre Stimme brach „wenn sie sterben sollte“ ergänzte sie flüsternd. Der General war so erschrocken von der Reaktion seiner Frau, dass er dazu nichts erwidern konnte. Er selbst gab sich auch eine Teilschuld. Die Nacht ist bereits hereingebrochen und Oscars Eltern kauerten neben ihrem Bett. Der General hatte seinen Kopf in die Hände gelegt und schien zu schlafen. Seine Frau kniete vor Oscars Bett und schien ebenfalls eingeschlafen zu sein, jedoch wurde sie geweckt. Und zwar nicht von ihrem Mann, sondern von Oscars Versuch, die Hand ihrer Mutter zu greifen. „Ma....Ma...Maman...“ kam es leise von dem erschöpften Mädchen. „Oh mein Gott. Oscar du bist wach. Oscar mein Schatz du bist wach“ rief sie freudig, so dass auch ihr Mann wach wurde und ah was geschehen war. „Oh mein Kind. Wie froh ich bin, dass du endlich wach bist.“ Er ging sofort los den Arzt holen. Emilie schloss ihre Tochter ganz doll in die Arme und wollte sie nicht mehr loslassen. Erst als der Arzt Oscar untersuchen wollte ließ Emilie von ihr ab. „Oscar ist noch nicht über dem Berg. Sie ist zwar wach, aber sie hat immer noch hohes Fieber und ihre Lunge ist weiterhin sehr krank“ erklärt Dr. La Motte den besorgten Eltern. „Wichtig ist, dass sie ausreichend trinkt und wenn möglich auch etwas ist. Sie darf sich nicht anstrengen oder aufregen. Bitte überfordern Sie sie nicht. Sie braucht viel Ruhe, wenn sie die Krankheit überstehen soll.“ Der General nickte und fragte „Was meinen wie lange wird es dauern bis wir sie in unser Palais mitnehmen können? Wir haben dort eine ausgezeichnete ärztliche Betreuung.“ Der Doktor schaute ihn etwas unglaubig an. „ Monsieur General de Jarjayes ich weiß nicht ob ihre Tochter die nächsten Tage überlebt, geschweige denn einen Transport. Und glauben sie mir. Sie ist hier in sehr guten Händen.“ „Ja sie haben Recht. Es wäre mir nur lieber, wenn ich sie bei mir hätte. Meine Verpflichtungen rufen mich zurück nach Versailles. Ich lasse meine Tochter nur ungern zurück. Aber da habe ich wohl keine Wahl.“ In diesem Moment bemerkt der General das entsetzte Gesicht und der durchdringende Blick seiner Gattin auf ihn. //Seitdem ich Oscar weggeschickt habe benimmt sich meine Frau auch unmöglich. Fehlt nur noch, dass sie jetzt auch noch ihr Kommentar dazu gibt. So etwas hätte sie damals nie gemacht. Wird Zeit, dass ich mehr durchgreife. Schließlich bin ich das Oberhaupt der Familie.// Der General ist sehr verärgert. Es läuft alles nicht so wie er es gern hätte. Kaum ist der Arzt gegangen und die zwei sind unter sich redet Madame de Jarjayes auf ihren Mann ein. „Reynier das kann doch wohl nicht dein ernst sein, dass du in dieser Situation nach Versailles zurückreist. Schließlich geht es hier um deine Tochter. Sorgst du dich denn kein bisschen um sie? Ich werde hierbleiben und mich um sie kümmern.“ „Emilie bitte, es gibt Dinge die ein Mann tun muss. Ich habe Verpflichtungen und wenn du dich noch einmal wagst mich und meine Entscheidungen in Frage zu stellen, dann ....“ „Dann was?“ erwidert Emilie. Und plötzlich packt der General sie und hält sie fest. Sein Griff um ihre zierlichen Arme schmerzen. „Das willst du lieber nicht erleben Emilie“, droht ihr der General. Sie kann nichts erwidern. Sie wirkt wie versteinert. Noch nie hat sie ihren Mann so erlebt. Ja er kann durchaus mal jähzornig sein, aber gegenüber ihr war er nie grob oder handgreiflich geworden. Ihr verängstigter Blick lässt seinen Griff lockern. „Ich werde jetzt losreiten, damit ich morgen am Königshof ankomme. Vorher werde ich noch nach Lille reiten um zu klären wie es zu diesem Unglück kommen konnte. Sollte es Neuigkeiten geben verlange ich sofort Nachricht zu bekommen“, sagt er ganz sachlich, dreht sich um und geht. In beiden brodelt es vor Wut. Emilie schüttelt kurz ihren Kopf, atmet tief durch und begibt sich zu ihrer Tochter. Oscar redet viel wirres Zeug, kann sich kaum orientieren wo sie ist und warum sie da ist. „Es liegt am Fieber. Wenn es runter geht, dann sind ihre Gedanken auch klarer“, beruhigt Lilly Madame de Jarjayes. „Ja vielen Dank ich weiß. Ich habe mehrere Kinder und kenne es, wenn sie hohes Fieber sind.“ „Kann ich ihnen noch etwas anbieten? Was halten sie davon einen Tee mit mir einzunehmen? Oscar schläft und ich glaube sie bräuchten auch mal eine kleine Stärkung“ , schlug Lilly vor. „Nein vielen Dank. Ich möchte gern hierbleiben“ erwiderte sie. „Na gut, dann bringe ich Ihnen etwas her.“ Damit verließ sie das Zimmer. Kaum war Lilly draußen wurde Oscar wach, fasste sich an den Kopf und schrie vor Schmerzen. Sie wühlte sich im Bett hin und her. Lilly und der Arzt hörten es sogar unten und kamen herbeigeeilt. „Oscar was ist denn nur?“ redete ihre Mutter auf sie ein. „Madame bitte lassen sie mich“ drängelte sich der Arzt dazwischen. Und versuchte Oscar zu untersuchen, aber sie wehrte alles ab. „Bitte Madame gehen sie raus. Lilly hol bitte das Chloroform.“ „Aber natürlich“ antwortete die junge Frau und eilte aus dem Zimmer. Madame de Jarjayes stand immer noch neben Oscars Bett. „Bitte Madame verlassen sie das Zimmer. Wir kümmern uns um sie.“ „Aber was ist denn nur mit ihr?“ fragte sie. „Das erkläre ich ihnen später. Bitte gehen sie jetzt.“ Dann kam auch schon Lilly wieder, reichte dem Arzt das Chloroform, nahm Madame de Jarjayes an den Schultern und führte sie nach draußen. „Bitte warten sie hier. Wir kümmern uns um Oscar“ erklärte sie und setzte ein schwaches Lächeln auf. Dann ging sie zurück ins Krankenzimmer. Zurück blieb eine verängstigte Frau, die um das Leben ihres Kindes bangte. Zum Ersten mal kam sie sich absolut hilflos vor. Nun stieß Sophie zu ihr. Sie hatte sich auf der Reise selbst eine schlimme Erkältung zugezogen, weswegen sie sich den Tag über ausgeruht hatte. „Madame, denken sie immer daran. Oscar ist eine Kämpferin. Sie ist hier in guten Händen“ versuchte sie beruhigend auf Madame einzuwirken. Bei diesem Satz traten ihr jedoch auch die Tränen in die Augen. Nun warteten sie auf das was kommen sollte. Keiner sagte ein Wort. Sie saßen einfach nur still beieinander. Zur gleichen Zeit im Anwesen der Jarjayes machte auch Andre sich Sorgen um Oscar. Er wusste nicht wie schlecht es um sie stand. Als er von der Schule kam, wurde ihm nur mitgeteilt, dass Madame und seine Großmutter auf dem Weg zu Oscar seien, weil sie krank ist. Das es etwas Schlimmeres sein musste hatte er sich gedacht, sonst würden sie nicht so übereilt losfahren. Er saß an ihrer Lieblingsstelle am See und hoffte,dass seine beste Freundin wieder gesund werden würde, auch wenn sie scheinbar nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte, denn kein Brief wurde beantwortet. Traurig blickte er an diesem kühlen Herbsttag auf den See und beobachtete wie der Wind mit den Wellen spielt. Mit den Gedanken aber ganz und gar bei Oscar und an ihre schöne gemeinsame Zeit. Nicht nur Andre machte sich Sorgen, auch Oscars große Schwester Elisabeth hat die Nachricht erhalten, dass Oscar krank sei. Sie hat sich ganz überstürzt auf dem weg von Versailles in das kleine Städtchen gemacht, in dem Oscar um ihr Leben ringt. Als Beth eintrifft, sieht sie ihre Mutter und Sophie völlig aufgelöst auf einer Bank im Flur. Sie ahnt, dass es nicht gut um Oscar bestellt ist. Elisabeth und Oscar hatten immer ein sehr enges Verhältnis. Auch wenn Oscar wie ein Junge erzogen wurde und nach außen auch so wirken möchte, war sie in ihren Augen immer ihre Schwester. Keiner der beiden war imstande zu erklären was passiert ist. Somit setzte sie sich zu ihnen und fing an zu beten. Der General ahnte von der Verschlechterung nichts als er in Lille an der Offiziersakademie ankam. Der zuständige Kommandant erwartete ihn bereits. Kapitel 10: Warten und Bangen ----------------------------- Oscars Zustand war weiter unverändert. Sie hatte starke Kopfschmerzen, Fieber und ihre Atmung war insuffizient. Die meiste Zeit schlief sie, da sie kaum Kraft hatte wach zu bleiben. Zu erschöpft war ihr Körper. Madame de Jarjayes saß gemeinsam mit Sophie und Elisabeth ununterbrochen an dem Krankenbett. Dr la Motte vermutet, dass Oscar aufgrund ihrer Kopfverletzung eine Schwellung im Kopf hat, schlimmstenfalls auch eine Hirnblutung, aber das könnte er derzeit noch nicht sicher sagen. Die nächsten Tage werden entscheidend sein. Oscars Mutter weinte. Sie fühlte sich verantwortlich für alles was passiert ist, denn sie hätte sich nie darauf einlassen dürfen ihre Tochter als Sohn erziehen zu lassen. Im Laufe der Jahre waren ihr immer wieder Zweifel aufgekommen, aber seit dem Ereignis bereute sie es zutiefst. General de Jarjayes war bereist an der Offiziersakademie angekommen und verlangte eine prompte Erklärung für dieses Unglück. Wütend stand er vor dem zuständigen Kommandanten. „ So ich höre, wie konnten sie nur ein krankes Kind bei diesem Wetter allein in den Bergen aussetzen?...Sind sie von allen guten Geistern verlassen? Das wird ein Nachspiel haben, glauben sie mir.“ Sein Gesicht war vor Wut ganz rot. Sein Gegenüber jedoch verlor das letzte bisschen rosigen Teint. Blass und zitternd suchte er nach einer Erklärung. „General de Jarjayes bitte glauben sie mir. Ihre Tochter wirkte nicht krank bei ihrer Abreise. Außerdem hatte sie jederzeit die Möglichkeit Hilfe zu rufen, wenn ein Notfall eintreten oder sie sich nicht mehr im Stande fühlen sollte die Aufgabe zu bewältigen. Das hat sie aber nicht getan. Wir hätten diesen Verlauf ja nicht erahnen können. Ich bedaure diesen Vorfall zutiefst, aber es war ein Unglück. Keinem trifft Schuld, außer...“ der Kommandant zögert, blickt nervöse zwischen Boden und dem General hin und her „naja, ich meine...“! Den Satz konnte er nicht beenden, der wutentbrannte General ließ ihn nicht aussprechen „Sie wagen es nicht meinem Sohn die Schuld an dem Vorfall zu geben. Was maßen sie sich eigentlich an? Na warten sie..“ Mit dieser Drohnung kehrte er dem Kommandanten den Rücken zu und stürzte aus dem Zimmer. Zornig hetzte er die Treppe runter, als ihm einer seiner Soldaten entgegenkam. „General, sie haben neue Nachrichten aus dem Hospital.“ Er überreichte seinem Vorgesetzen ein Schreiben von Sophie, indem sie von der gesundheitlichen Verschlechterung Oscars berichtete. Die Gesichtszüge des Generals blieben weiterhin ernst und versteinert. Dann steckte er den Brief ein und begab sich zu seinem Pferd. Ohne zu überlegen oder zu zögern gab er seinen Männern den Befehl nach Versailles aufzubrechen. Auf dem Anwesen der Jarjayes machte auch Andre sich weiter große Sorgen. Er ist nicht zur Schule gegangen, denn er fühlte sich nicht gut. Seine Gedanken kreisten nur um Oscar. //Hoffentlich kommt sie bald gesund nach Hause.// Der Vormittag wollte nicht vergehen. Diese Ungewissheit war für Andre unerträglich. Er beschloss etwas zu schnitzen, ein Geschenk für Oscar. So machte er sich eifrig an die Arbeit und bereits am Abend hatte er einen wunderschönen Schwan geschnitzt. Stolz hielt er sein Kunstwerk in die Höhe und betrachtete es. //Ja, das wird ihr gefallen.// Er lächelte. Oscars Verschwinden blieb auch in der Akademie nicht verborgen. Bernard und seine Kameraden machten sich zunehmend Sorgen. Auf Nachfrage, ob Oscar etwas passiert sei wurde ihm keine Auskunft erteilt. Dies beunruhigte die sie noch mehr. Drei weitere Tage zogen ins Land. General de Jarjayes nahm in Versailles wieder seine militärischen Aufgaben war, ließ sich jedoch jeden Tag Nachricht über den Gesundheitszustand Oscars kommen. Andre schnitzte fleißig weitere Figuren. Und Madame de Jarjayes saß mit ihrer größeren Tochter und Sophie an Oscars Krankenbett. Oscar hatte nicht mehr gesprochen. Nur ihre Schmerzen äußerte sie durch lautes Stöhnen. Das Fieber war bereits abgeklungen. Aber Oscars Körper war sehr geschwächt. Ihr Gesicht war eingefallen, ihre Augen lagen tief und es entstanden dunkle Ränder um sie. Der ganze Körper schien noch zarter zu sein, als vorher. Ihre Haut war sehr blass. Die Atmung war weiterhin angestrengt, aber schon etwas besser. Jede kleinste Verbesserung ließ in allen die Hoffnung auf einen guten Ausgang wachsen. Dr. la Motte war mit dem bisherigen Verlauf noch nicht sehr zufrieden, denn wenn sie nicht bald voll zu Bewusstsein kommt, dann wird sie austrocknen. Sie benötigte dringend Wasser. Am nächsten Morgen wurde Madame de Jarjayes geweckt. Zuerst erschrak sie, denn sie war im Sitzen mit einem Buch in der Hand eingeschlafen. „Maman...“ kam ganz leise von der geschwächten Oscar. „Oh mein Liebling...“ kam es mit zitternder Stimme von ihrer Mutter. Dann stürzte sie zu ihrer Tochter um sie in den Arm zu nehmen. „Du bist wach. Oh mein Gott du bist wach...“ sagte sie immer wieder. Tränen liefen der glücklichen Mutter über die Wangen. „Oh sie ist ja wach“ kam es von Dr. la Motte, der das Zimmer betrat „Gott sei dank.“ Er trat näher und begann gleich Oscar zu untersuchen. Sie hatte zwar immernoch leichte Kopfschmerzen, aber ihre Augenreaktion war wieder normal und Oscar konnte zwar nur schwerfällig, aber ansonsten unauffällig antworten. Nach der Untersuchung atmete Dr. la Motte einmal tief ein. „Ich glaube wir haben das schlimmste überstanden“, stellte er fest. Madame de Jarjayes war überglücklich. Sie konnte kaum fassen, dass sie eine 2. Chance erhielt ihre Fehler der Vergangenheit zu korrigieren. Sofort ließ sie nach Beth und Sophie schicken, damit diese auch von der wunderbaren Nachricht erfuhren. „ Aber Madame bitte bedenkt, ihre Tochter braucht viel Ruhe und Zeit sich zu erholen. Zudem muss sie jetzt trinken und essen“ fügte Dr. la Motte hinzu. „Aber natürlich. Ich danke ihnen vielmals Herr Dr.! Ohne sie wäre meine Tochter nicht mehr am Leben. Vielen lieben Dank.“ „Danken sie Gott. Dafür, dass solch glückliche Fügung sie zu uns brachte und das sie so um ihr Leben gekämpft hat. Das ist nicht selbstverständlich. Ich habe bereits viele Kinder sterben sehen, die nicht so krank waren wie ihre Tochter.“ „Ja das werde ich. Vielen Dank“ erwiderte Madame de jarjayes. Sophie und Elisabeth waren ebenso glücklich über diese Wendung. Als sie ins Zimmer traten redeten sie sofort auf Oscar ein bis Madame de jarjayes sie rauswarf. „Meine Lieben ihr wisst, Oscar braucht Ruhe. Außerdem könntet ihr euch nützlich machen und veranlassen, dass die Nachricht über Oscars Genesung meinen Mann erreicht“ sprach sie zu den beiden Damen, die nun vor der Tür standen. Am Abend war Oscar bereits schon wieder kaum im Bett zu halten. Obwohl sie weiterhin sehr geschwächt war diskutierte sie schon fleißig mit Sophie, dass sie ja mal aufstehen möchte um ihrer Mutter und Schwester beim Essen Gesellschaft zu leisten. Aber Oscar hatte bei Sophie keine Chance. „Mademoiselle, was glauben sie eigentlich. Sie sind krank. Kranke gehören ins Bett und nicht an den Essenstisch. Also wirklich.“ Oscar gab sich geschlagen und schlief erschöpft ein. Beim Abendessen unterhielten sich Beth und ihre Mutter über die Geschehnisse. „Mutter, Oscar hat heute noch nicht darüber gesprochen, was genau passiert ist. Das ist doch merkwürdig, oder?“ „Mein Kind, vielleicht braucht sie auch noch etwas Zeit. Sie wird es uns bestimmt noch erzählen. Und außerdem ist das wichtigste erst einmal, dass sie wieder gesund wird.“ Ein Lächeln huschte dabei über ihr Gesicht. „Ja, du hast recht Maman“ erwiderte Beth. Die Nachricht erreichte spät in den Abendstunden das Anwesen der Jarjayes. Der General ging mit dem Brief in sein Arbeitszimmer und las ihn in aller Ruhe. Wieder und wieder. Dann legte er ihn weg, fuhr sich mit den Händen durchs Gesicht und atmete tief durch. Tränen sammelten sich in seinen Augenwinkeln. Er rang um Fassung. So glücklich war er über diese Wendung. //Wenn sie gestorben wäre. Das hätte man mir nie verziehen//, ging es ihm durch den Kopf. Nach einer kurzen Weile stand er auf, blickte kurz in den Spiegel und ging hinunter in den Saloon. Er gönnte sich ein Glas Wein vor dem warmen Kamin. Zudem ließ er Gerard, den Kutscher kommen. „Ihr fahrt morgen in das Hospital um meine Familie dort abzuholen und nach Hause zubringen. Ich erwarte, dass ihr morgen Abend wieder hier seid. Einer meiner Soldaten wird euch ein Stück des Weges begleiten, denn er muss an die Akademie und ein Schriftstück abgeben. Danach wird er wieder zu euch stoßen, um die Sicherheit meiner Familie auf der Rückreise zu gewährleisten. Habt ihr verstanden?“ „Ja General de Jarjayes. Ich werde mich gleich morgen in aller früh auf den Weg mache“ antwortete Gerard und entfernte sich. Der Soldat sollte einen Brief an die Akademie bringen, in dem vom König persönlich angeordnet ist, dass der zuständige Kommandant entlassen ist, der für Oscars Unglück verantwortlich ist. In der Nacht schliefen alle tief und fest. Alle, außer Oscar. Sie drehte sich im Bett hin und her. Es quälten sie Schuldgefühle. // Oh nein, Vater wird außer sich sein vor Wut. Wie konnte ich ihn nur so enttäuschen.// Tränen rannen über ihre Wangen. //ich werde ihm nie mehr unter die Augen treten können. Ich habe versagt. Wie kann ich das jemals wieder gut machen?// Sie vergrub ihr Gesicht im Kissen. Nach einiger Zeit schlief auch Oscar erschöpft ein. Der nächste Tag brach an. Gerard hatte sich bereits auf den Weg gemacht, um rechtzeitig die Familie Jarjayes nach Hause zu bringen. Der General war auch schon früh nach Versailles aufgebrochen, damit er am Abend zur Begrüßung im Anwesen sein konnte. Madame de Jarjayes stand auf und fühlte sich selbst besser. Der Schlafmangel in den letzten Tagen hatte ihr sehr zugesetzt. Sophie war ebenfalls schon auf den Beinen und diskutierte gerade mit der Köchin über die Zusammensetzung von Oscars Frühstück. Sophie wollte, dass Oscar mehr Obst bekommt und eine größere Auswahl an Aufschnitt, die Köchin jedoch meinte ihre Kreation sei absolut ausreichend. Keiner von beiden wollte nachgeben. Beth war bereits bei Oscar und hoffte, sie könne etwas mehr über das Unglück erfahren. Immerhin hatten beide ein sehr enges Verhältnis zueinander. Bisher zumindest, denn auch Beth ist nicht entgangen ,dass Oscar verschlossener wirkte als sie ihre kleine Schwester sonst kennt. Beth zögerte merklich. Sie wusste nicht, wie sie ihre Frage verpacken sollte. Oscar merkte die leicht Anspannung ihrer Schwester und fragte: „Was ist denn los mit dir? Du wirkst heute sehr nervös?“ „Oscar, ich muss dich mal was fragen......und zwar.... wie konnte es zu alledem kommen? Ich habe von Mutter schon gehört, dass du eine Prüfung zu bestehen hattest, aber warum hast du sie nicht abgebrochen als du bemerkt hast, dass du so krank warst? Und wie konnte es zu deiner schweren Kopfverletzung kommen?“ platzte es aus Beth heraus. Oscar blickte in ihre Hände. Kein Wort ging über ihre Lippen. Beth wusste nicht recht, ob sie es nicht erzählen wollte oder nicht wusste wie! Sie wartete ab, aber auch nach einer Weile blieb Oscar stumm. „Bitte nun sag es mir. Was ist passiert Oscar?“ fragte sie nochmal und schaute ihr dabei eindringlich in die Augen. Oscar nahm wahr, dass sie keine Fluchtmöglichkeit hatte sich diesem Thema zu entziehen. Stotternd begann sie „also, dass Wetter war einfach sehr schlecht und naja da bin ich eben nass geworden und habe mich wohl erkältet. So einfach ist das.“ Oscars tont wurde abweisend. Beth wusste, dass sie etwas zu aufdringlich war und beließ es dabei. Wenn sie weiter nachgebohrt hätte, dann hätte Oscar alles abgeblockt. So war sie eben. Stolz und sehr sturr, wie ihr Vater. Beth musste bei diesem Gedanken grinsen. Zur selben Zeit im Anwesen der Jarjayes erfuhr Andre, dass Oscar am Abend nach Hause kommen wird und es ihr schon viel besser ging. Er freute sich. So sehr hat er um sie gebangt und gedacht er würde seine beste Freundin nie wieder sehen. Er wuselt den ganzen morgen ganz nervös im Haus umher. Seine Arbeit im Stall hat er nur halb erledigt, weil er mit seinen Gedanken wieder bei Oscar und seinem Geschenk für sie war, dass er alles stehen und liegen ließ. Es herrschte so ein Trubel im Anwesen, dass es aber keiner so wirklich wahr nahm. Gegen Mittag traf die Kutsche am Hospital an. Madame de Jarjayes war sehr überrascht, denn sie hatte nicht damit gerechnet, dass ihr Mann veranlasst sie nach hause zu holen. Zumal sie ihre Bedenken hatte. Oscar ging es zwar schon besser, aber sie war noch nicht gesund und war noch sehr schwach. Sie grübelte. Dr. la Motte riet ihr ebenfalls davon ab schon heute zu fahren, lieber solle sie noch einen Tag warten. Emilie wusste, wenn sie heute nicht nach hause fuhren, dann wird reynier ihr das sehr nachtragen. Er würde wahrscheinlich irrsinnig wütend sein. Nicht nur auf sie, sondern auf alle, also auch Oscar. Was sollte sie nur tun? Als dann aber noch ein Soldat angekommen war, um die Familie zu ihrem Anwesen zu begleiten blieb ihr keine Wahl. Sie werden heute alle fahren. Sophie und Beth waren darüber nicht begeistert, aber konnten die Beweggründe verstehen. Sie kannten den General und seine Eigenheiten. Als sie Oscar mitteilten, dass sie heute nach hause fahren werden, wurde sie plötzlich ganz stumm. Sie verlor das letzte Fünkchen rosigen Teint auf ihren Wangen. Ihr Herz hämmerte. //Oh nein. Heute schon. Heute geht es nach hause. Was soll ich nur tun? Ich kann Vater so nicht unter die Augen treten. Es geht nicht. Was mach ich nur?// Tränen sammelten sich in ihren Augen. Sie versuchte sie jedoch zu unterdrücken, denn sie war nicht allein und wollte nicht, dass jemand nachfragt, was mit ihr los ist. „Oscar in 1 Stunde brechen wir auf. Ess vorher bitte noch dein Mittag essen. Wer weiß wo wir unterwegs etwas bekommen“ bat ihre Mutter und verließ das Zimmer, um ihre restlichen Sachen zu packen. Und so ergab sich Oscar ihrem Schicksal. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)