Das bewegte Leben der Lady Oscar von LadyRose (Warum sie zu einer stolzen Rose wurde) ================================================================================ Kapitel 7: Zuckerbrot und Peitsche ---------------------------------- Es ist bereits Oktober und der Herbst klopft mit seinen starken Windböen gegen Türen und Fenster. Es ist stürmisch draußen. Die Bäume um die Akademie herum sehen kahl und dürr aus. Die Temperaturen sind für Oktober sehr kalt. Oscar kann durch den lauten Sturm in dieser Nacht kaum schlafen, obwohl sie den Schlaf dringend gebrauchen kann. Die letzten Wochen waren sehr anstrengend. Oscar musste viel lernen und trainieren um den Anforderungen ihrer Lehrer genügen zu können. Jeden morgen steht sie früher auf, um ihr Morgentraining mit dem Degen zu absolvieren, abends geht sie später ins Bett um die schriftlichen Aufgaben zu bearbeiten,die sie am Tag nicht geschafft hat. Die Lehrer stellen Oscar immer mehr Aufgaben als den anderen und fordern auch bessere Leistungen in der Kampfkunst. Sie muss sich immer noch beweisen und zeigen, dass sie als Mädchen das Zeug hat ein guter Offizier zu werden. Viele Offiziere und Lehrer waren zu Beginn sehr belustigt von der Idee, dass ein Mädchen auf die Offiziersschule gehen soll und schienen alles daran zu setzen Oscar an ihre Grenzen zu bringen. Aber Oscar dachte war nicht so leicht zu vertreiben. Zudem hatte sie seit dem Sieg ihrer Gruppe bei der Duelliermeisterschaft die Unterstützung ihrer Gruppe, die ihr teilweise auch halfen und Gruppenarbeiten abnahmen, damit Oscar mehr lernen und trainieren konnte. Mit Bernard kam sie besonders gut aus. Er forderte sie im Degenkampf. Keiner schenkte sich beim Training etwas, obwohl Oscar in der Regel immer als Siegerin herausging. Bernard war ein großer Junge mit braunen Haaren und braunen Augen. Sein Vater war der Herzog de Charles, ein sehr einflussreicher Mann, der dem König der nah stand und sich somit vorwiegend in Versailles aufhielt um seinen Einfluss geltend zu machen. Er hatte in vielen Belangen ein großes Mitsprachrecht, wie zum Beispiel Besetzung bestimmter Posten und die Vergabe von Aufträgen. Bernard selbst schien sich wenig für Versailles und die Politik zu interessieren. Er erzählte viel lieber von den vielen Reisen, die er mit seiner Mutter unternahm und den beeindruckenden Menschen, die er getroffen hatte. Fechten und Reiten gehörten auch zu seinen Lieblingsaktivitäten. Oscar hörte ihm gerne zu, wenn er von den Reisen sprach und die Städte und Landschaften beschrieb, die er besuchte. Es beeindruckte sie sehr und weckte ihre Neugier die Welt sehen zu wollen. Sie träumte viel davon mal nach England zu reisen und das Land zu besuchen, welches eines der schönsten Sprachen der Erde beherbergte, interessante Schriftsteller hervorbrachte und von dessen Landschaft Mr. Brighten immer schwärmte. Es waren jedoch nur Träumereien. Ihr war bewusst, dass sie kaum die Zeit haben werde irgendwann mal viel zu reisen, da ihr Vater eine andere Zukunft für sie vorgesehen hatte. Oscar wälzte sich in ihrem Bett immer noch hin und her. Damals als sie noch zu hause gelebt hat, ist sie in solchen unruhigen Nächten immer zu Andres Zimmer geschlichen und hat ihn durch das Klopfen an der Tür wach gemacht. Dann sind sie gemeinsam auf den Dachboden des Hauses gegangen und haben ihr „geheimes Zimmer“ aufgesucht. Es war ein kleiner Raum mit vielen alten Kisten und Gerümpel, dessen Eingang nur Oscar und Andre kannten, da die ganzen Jahre ein großer Schrank davor stand. Nur durch Zufall hatte Oscar bemerkt, dass eine Tür hinter der Schrankwand versteckt war. Von diesem geheimversteck erzählten sie niemandem. Es war ihr ganz persönliches Geheimnis. In stürmischen Nächten nahmen sie immer 2-3 Kerzen mit, ein paar Decken und Bücher mit Gruselgeschichten. Sie lasen gegenseitig die Geschichten vor und um es gut vorstellen zu können machten sie Grimassen der Leute nach, die in dem Buch beschrieben waren. Meistens schliefen sie dann dabei ein. Am Morgen mussten sie sich immer beeilen, sodass niemand bemerkte , dass sie die Nacht nicht in ihren Betten verbracht hatten. Oscar erinnerte sich in dieser Nacht an diese besonderen Momente mit ihrem besten Freund und ihr traten die Tränen in die Augen. Sie vermisste ihn so sehr und sie war bitter enttäuscht, dass bis heute kein einziger Brief von ihm kam. Noch nicht einmal eine Antwort auf ihren Brief, den sie ihm vor 4 Wochen geschrieben hat. Nun rannen die Tränen über ihre Wangen. Sie kämpfte dagegen an, aber die Tränen suchten sich ihren Weg. Nach einiger Zeit schlief sie weinend ein. Es war soweit. Ein neuer Tag brach an. Draußen war es düster und nebelig. Der Ausblick aus Oscars Fenster war trist. Nach einem großen Seufzer stand Oscar auf. Sie ging zu ihrer Waschschale und sah in den Spiegel. Ihre Augen waren rot und aufgequollen vom Weinen. Einen Moment starrte Oscar in ihr Spiegelbild und fragte sich, ob es wirklich sie war, den sie da sah. Dann schloss sie die Augen, schüttelte kurz den Kopf, atmete tief durch und machte sich frisch. Sie wollte keine weiteren Gedanken an letzte Nacht verlieren. Nachdem sie sich zurecht gemacht hatte nahm sie ihren Degen und ging hinaus. Sie war schon etwas spät dran, denn Bernard wartete bereits einige Minuten vor der großen Eiche, an der sie immer trainierten. „Guten Morgen Oscar!“, rief er ihr zu „na bist du nicht aus dem Bett gekommen“ neckte er sie. „Guten Morgen. Ich habe nur wenig geschlafen und bin deswegen etwas spät dran. Entschuldige.“ antwortete Oscar mit einem traurigen Ton in der Stimme. Bernard bemerkte, dass etwas nicht stimmte. „Alles in Ordnung?“ „Ja klar“ erwiderte Oscar energisch und zog ihren Degen „ich bin bereit und du?“ Bernard grinste. „Aber immer doch.“ Sie trainierten hart. Nach 1 Stunde waren beide verschwitzt und am Ende ihrer Kräfte. „Du wirst immer besser. Ich muss langsam aufpassen“ sagte Oscar nachdem sie wieder genug Luft zum Reden bekam. „Du aber auch. Du wirst immer schneller in deinen Reaktionen und auch unberechenbarer“, erwiderte Bernard. „Es scheint den Lehrern aber nicht auszureichen“ sprach Oscar vor sich her. „ Das glaube ich nicht. Du bist mit Abstand die beste Fechterin aus unserer Gruppe. Und vergiss nicht du hast es sogar Girondel gezeigt. Das hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Sie wollen nur wissen wie weit sie dich fordern können. Jeder, der neu herkommt wird erst einmal ausgetestet. Warte nur das Überlebenstraining ab. Danach wird es besser“ versuchte Bernard Oscar aufzumunter. //Das Überlebenstraing..... oh nein//dachte Oscar //das habe ich ganz verdrängt. Es sind ja nur noch 1 Woche bis dahin...// Als wenn Bernard Oscars Gedanken lesen konnte sagte er „Mach dir da keinen Kopf drum. Bis jetzt hat es jeder überlebt...“ und grinste. Oscar empfand es alles andere als belustigend und warf ihm einen vernichtenden Blick zu. Das Überlebenswochenende war eine Prüfung. Man wurde 1 Woche an einen bestimmten Ort in den Bergen gebracht. Nur 1 Leib Brot und etwas Wasser bekam man als Verpflegung mit, sowie ein paar wenige Umziehkleidung, eine dicke Decke, eine Plane und ein Messer. In den 7 Tagen musste man eine bestimmte Route durch die Berge durchqueren. Als Beweis war an jedem Zielpunkt ein Gegenstand präpariert, den man mitnehmen musste. Oscar graute es vor dieser Aufgabe, denn sie ahnte, dass ihre Aufgaben hart und schwierig waren. Zudem war es gerade vor allem im November häufig sehr regnerisch und kalt. Normalerweise wurde das Überlebenstraining immer im April veranstaltet, aber aus irgendeinem Grund, den Oscar nicht erfahren hat musste sie es im November machen. Oscar und Bernard gingen nach dem Training in ihre Zimmer, zogen sich um und gingen zum Frühstück. Die anderen warteten schon auf die beiden. Der Vormittag verging ziemlich schnell. Sie hatten den ganzen Tag Englisch bei Mr. Brighten, weil einige Offiziere erkrankt waren. Eine schreckliche Erkältungswelle zog sich durch die gesamte Schule. Einige Anwärter waren auch erkrankt und kämpften zum Teil mit schweren Lungenentzündungen. Oscar war der Englischunterricht nur recht. Sie liebte diese Sprache und verstand sich besonders gut mit Mr. Brighten. Er war der einzige Lehrer, der zufrieden mit ihren Leistungen war. Immer wieder erzählte er von den wunderschönen Wäldern, den beeindruckenden Bauten und der Sitten und Bräuche, die in England typisch waren. Zur gleichen Zeit war Andre gerade auf dem Rückweg von der Schule zum Anwesen der Jarjayes. Er musste sich ein wenig beeilen, denn nach dem Unterricht hatte Cecil, eine Mitschülerin mit Andre noch ein paar Aufgaben besprochen, bei denen er Probleme hatte. Dabei hat er die Zeit vergessen. Nun musste er zügig heim, um seine Arbeit zu schaffen. Auf dem Rückweg kam er an dem See vorbei, an dem er und Oscar immer gespielt hatten und wie jeden Tag, wenn er gerade diese Stelle passierte dachte er an Oscar und es machte sich Traurigkeit in ihm breit. Seit über 2 Monaten hat er nichts von seiner besten Freundin gehört. Lediglich der General hatte mal erwähnt, dass sie gute Leistungen bringen würde. Sophie und Madame de Jarjayes hatten jedoch auch nichts weiter von ihr gehört. Auch Oscars Mutter bedrückte es sehr, dass ihr einzig verbliebenes Kind so weit weg war und sie nicht wusste wie es ihr erging. Der General hatte seiner Gemahlin untersagt Oscar zu schreiben, damit sie kein Heimweh bekommt. Als der General einen Brief Emilies an Oscar vor 1 Woche entdeckte, der noch nicht ganz fertig war, wurde er sehr wütend und es kam zu einem großen Streit. Seitdem sprachen die beiden Eheleute nicht mehr miteinander. Andre hatte großes Mitleid mit Madame de Jarjayes. //Wie gut, dass ich meine Briefe direkt versende. Der General hat es bisher noch nicht mitbekommen// dachte er. Was er nicht ahnte war, dass der General auch an der Schule angewiesen hat, dass Oscar die Briefe die sie zugesendet bekam erst im Dezember ausgehändigt werden sollen. Solange werden sie dort verwahrt. Als Andre am Anwesen ankam, merkte er, dass irgendetwas anders war. Die Kutsche stand nicht mehr im Stall. Es war viel weniger Personal im Haus als sonst üblich. //Was ist bloß los hier?// Er suchte seine Großmutter. Wenn jemand wusste was hier vor sich ging, dann sie, denn sie war die gute Seele im Haus, die alles koordinierte. Aber auch sie war nicht aufzufinden. Andre ging zuletzt in die Küche. Dort traf er auf die Küchenhilfe Anna. Als sie Andre erblickte sprudelten die Worte nur so aus ihr heraus „Andre mein Junge. Gut das du da bist. Du wirst es nicht glauben, was passiert ist. Der General und seine Frau...... ach Junge ..... das war ein Spektakel, dass kannst du dir ja gar nicht vorstellen..... es kam mal wieder zu einem riesen Streit, als der General nach Hause kam und da hat doch Madame einfach heimlich ihre Sachen gepackt, ließ die Kutsche vorbereiten und ist weggefahren. Als der General bemerkt hat, dass sie weg war ist er wahnsinnig wütend geworden und hat seine Rotweinflasche gegen seine Zimmertür geworfen. Sie ist in tausend Einzelteile zerbrochen...... Wenn du nur wüsstest wieviel Arbeit es macht die Sauerei wegzumachen....“ „Aber was ist denn nun mit Madame de Jarjayes? Wo ist sie denn hin? Und wo ist meine Großmutter?“ ging Andre aufgeregt dazwischen. Nie hätte er gedacht, dass es zu so einem Eklat im Hause der Jarjayes kommen konnte. Denn Oscars Mutter war immer eine sehr zurückhaltende Frau, die sich ihrem Mann bisher nie widersetzt hatte. „Ja ist ja schon gut. Ich erzähle ja weiter“ sagte Anna etwas verärgert „Deine Großmutter ist mit Madame mitgefahren. Niemand weiß so recht wohin. Der General wies einige Bedienstete an zu seinen verheirateten Töchtern zu reiten und sich zu erkundigen, ob sie bei einer von ihnen ist. Er selbst ist kurz danach auch davongeritten, aber niemand weiß wohin.“ Andre musste sich erst einmal setzen und das eben erzählte begreifen. Nach einer kurzen Zeit stand er auf und ging Richtung Stall. Er hatte ja auch noch eine Menge Arbeit vor sich und diese lenkte ihm von allem anderen ab. Am Abend ging er wieder ins Haus. Noch immer keine Spur von Madame und seiner Großmutter. Er machte sich auf in sein Zimmer. Dort angekommen entdeckte er einen kleinen Brief auf seinem Bett. Er war von seiner Großmutter. Lieber Andre, ich werde für einige Tage mit Madame de Jarjayes fort sein. Sei nicht besorgt. Wir werden bald wiederkommen. Mach mir bitte keine Probleme und bereite mir keine Schande. Gib dem General bitte keinen Anlass zur Verärgerung. Deine Großmutter Sophie Andre atmete etwas erleichtert auf. Nun wusste er, dass seine Großmutter ja bald wiederkommen werde. //Dann kann allles ja nicht ganz so schlimm gewesen sein// dachte er. Von all dem Ärger zu Hause ahnte Oscar nichts. Sie fiel an dem Abend erschöpft ins Bett und schlief sofort ein. Aber auch in der kommenden Nacht schlief sie schlecht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)