Das Märchen das kein Märchen ist~ von FunkyHeart (HaruHaru) ================================================================================ Kapitel 1: HaruHaru ------------------- ~Mein Leben war ein Märchen. Keines im eigentlichen Sinne, aber wie für viele Kinder schien das Leben für mich ein sanftes Wiegenlied zu sein. In dem Väter Helden sind, die dich vor allem Unheil beschützen und Mütter sich um dich sorgen und dein Leben mit Liebe und Fröhlichkeit erfüllen. Doch irgendwie…an einem bestimmten Punkt im Leben eines jeden Kindes, scheint das Wiegenlied zu verklingen. Die Realität holt dich ein und du musst dich den Tatsachen stellen. So etwas wie Märchen gibt es nicht. ~ Die Kälte der Nacht war in das Zimmer gekrochen und füllte es fast so aus, wie die hereinbrechende Dunkelheit. Das Stöhnen meines Freiers war verstummt und er lag neben mir und schnarchte leise. Ich deckte ihn zu und sah aus dem Fenster. Meine erste Nacht als Frau. Der Mond schien hell durch das Fenster. Das Fenster eines Hauses des Rotlichtmilieus, ein paar Kirschblütenblätter wurden in die Luft gehoben, tanzten durch die schwarze, bodenlose Nacht. Ich zog den Yukata wieder an, es war viel zu kalt, um hier noch länger herum zu sitzen und ich hatte meine Arbeit getan. Es hatte weh getan und schön war es auch nicht gewesen. Beides Sachen, auf die ich nicht vorbereitet worden war. Leise und behutsam öffnete ich die papierene Schiebetür. Mit nackten Füßen schlich ich auf den Gang hinaus und trat wenig später vor das Gemach der Hausherrin. Überall war das lustvolle Stöhnen von Männern und Frauen aus den umliegenden Zimmern zu hören. Gerade als ich etwas sagen wollte, um mich bemerkbar zu machen, schob die Chefin die Tür von Innen auf. „Haru? Solltest du nicht bei deinem Gast sein?“, sie klang freundlich und auch ihr Lächeln war liebevoll, doch ihre Augen waren kalt und passten nicht zu dem Rest und ich wusste, dass ein Fehler gewesen war hier her zu kommen. „I-ich…“, ich brach ab, als ihr kalter Blick über mich streifte. „Du hast heute gute Arbeit geleistet und einen guten Preis erzielt. Den Höchsten den dieses Haus bisher verschreiben durfte. Gut gemacht.“ Ihr Lob rührte mich auf grausame Art und Weise. Ich hatte heute Nacht meine Jungfräulichkeit verkauft und verloren und das im zarten Alter von 12 1/2. Ein paar Tränen glitten meine Wange herab und ein echtes Lächeln zeigte sich auf dem Gesicht der Herrin. „Komm rein und ruhe dich aus.“ Seit diesem Tag verkaufte ich meinen Körper fast jede Nacht an den Höchstbietenden, doch bereits nach einem Jahr ödete mich das Ganze an. Das Geld war zwar nicht schlecht, aber diese alten Männer waren einfach ekelhaft. Außerdem herrschte ein ständiger Streit zwischen den Mädchen des Hauses, alle wollten den reichsten und besten Freier haben. Doch ich war und blieb die Beliebteste und das machte mir auch einige Feindinnen. Ich hatte bald genug Geld, um mich selbst frei zu kaufen und diese Chance ergriff ich sofort, als mir das letzte Geld ausgezahlt wurde, dass ich brauchte. Leider wusste ich mit der neugewonnenen Freiheit erst nichts an zu fangen und ein Dach über dem Kopf hatte ich auch nicht. Wenn die Polizei mich hier alleine finden würde, dann würden sie mich mitnehmen und in ein Heim stecken, was so ziemlich das Letzte war, was ich wollte. „Hey!“ In meinen Gedanken versunken hatte ich nicht auf die vorbeieilenden Passanten geachtet und rempelte Jemanden an. Erschrocken sah ich mich um und erblickte einen Jungen. Seine Haare waren schwarz und zerzaust, sein Blick hasserfüllt. Ich verbeugte mich und entschuldigte mich. Schnell blinzelte ich die Tränen weg. Man darf sich niemals die Blöße geben. Ein Gesetz das ich im Haus von Frau Okihawa gelernt hatte. Der Junge musterte mich kurz, sah mir in die müden, verquollenen und blutunterlaufenen Augen, sah auf meine schlichte Kleidung und hörte meinen knurrenden Magen. Peinlich berührt lies ich den Blick sinken und entschuldigte mich erneut. Plötzlich ergriff der fremde Junge meine Hand und zog mich mit sich. Er schien sich in dem Gewirr der Häuser und in dem Netz der Straßen sehr gut aus zu kennen und wenig später standen wir in einem kleinen Laden, wo er vier Portionen Sushi bestellte. Ich war zu überrascht davon, dass er mich mitnahm, als das ich hätte etwas sagen können. Außerdem wusste ich so wie so nicht, wohin ich hätte gehen können. Nach dem Einkauf ging er mit mir immer weiter an den Stadtrand und die Häuser wurden ärmlicher, die Geschäfte schäbiger und selbst die Menschen verschlossener. Er hielt kurz vor einem kleinen, unscheinbaren grauen Haus und bedeutete mir keinen Laut von mir zu geben. Ich gehorchte und folgte ihm nach Drinnen, wo er mich direkt und ziemlich unsanft in einen kleinen Schrank schubste, da Schritte zu hören waren. „Kouhei! Du kleiner Bastard. Wo hast du dich rumgetrieben?“, es war die tiefe und heisere Stimme eines Mannes. Er sprach sehr laut und die Abscheu schwang in jedem Wort mit. Der Junge schwieg und kurz darauf hörte ich ein lautes Klatschen. Unwillkürlich zuckte ich zusammen. „Antworte gefälligst! Und sie mich nicht so an, Hundesohn!“ Jetzt erklang das freudlose Lachen des Jungen: „Schön wäre es. Lieber der Sohn eines Straßenköters, als deiner!“ Ich hörte wie die Einkaufstüte knisterte. „War einkaufen. Mittagessen!“ Mit angehaltenem Atem verharrte ich reglos zwischen den nach Zigarettenrauch riechenden Klamotten. In was für einen Haushalt war ich hier bloß hineingeraten? Irgendwann, es kam mir vor wie nach einer Ewigkeit wurde ich weiter gezogen, eine Treppe herauf, einen Flur entlang und in ein kleines, aber behagliches Zimmer. Es lagen unzählige Spielsachen auf dem Boden und in der Mitte saß ein kleines Kind, ein Mädchen und spielte mit einer Puppe. Der Junge schloss die Tür leise und trat an das Mädchen heran, nachdem er mich eingelassen hatte. Er ging in die Hocke und lächelte liebevoll zu dem Kleinkind herab. „Hallo Cha~chan. Ich habe uns was zu essen mitgebracht! Sushi.“ Die Kleine klatschte lachend in die Hände. „Sushi, Sushi! Ich liiiebe Sushi.“ Kouhei strich ihr durch das blonde Haar und nickte. „Ich weiß, Cha~chan.“ Mit diesen Worten setzte er sich auf den Boden, räumte ein paar Spielsachen zur Seite und sah mich erwartungsvoll an. „Na komm schon. Wenn ich hätte beißen wollen, dann hätte ich das längst getan.“ Umständlich befreite ich mich von dem kleinen Rucksack und meiner etwas zu großen Jacke, dann setzte ich mich zu den Beiden und er schob mir ein Packet Sushi hin. Er wiederum teilte Seines mit der Kleinen. Ich stocherte eine Weile unbeholfen in dem Essen herum. Sushi gab es im Haus Okihawa nur höchst selten, denn Fisch und besonders Lachs war teuer. „Ich heiße Haru.“, sagte ich leise und eher zu meinem Essen, als zu den Kindern. Cha~chan lächelte mich an. „HaruHaru~“ Mit ihrer fröhlichen, unbeschwerten Stimme entlockte sie mir ein Lächeln. Das erste Lächeln seit knapp zwei Jahren. »Dies war die Geburtsstunde meines Namens, meines neuen Lebens und meiner ersten Begegnung mit Ko. << Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)