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Interview

Alles begann im Ligusterweg.
von

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Interview

Rita Kimmkorn war eine vielbeschäftigte Frau. Manch einer würde sagen, dass dies an ihrer charakterlichen Veränderung lag – die, wenn man genau hinsah, nur sehr klein war, aber wer achtete schon auf solche Kleinigkeiten? – doch das stimmte nicht ganz, da ihre Karriere schon vor Jahren von Erfolg gekrönt gewesen war. Der einzige Unterschied zu damals, als sie gehässige Artikel über Harry Potter und seine Freunde geschrieben hatte, war jedoch gravierend: schweren Herzens hatte sich Rita von ihrer flotten Schreibfeder verabschiedet. Der Chefredakteur des Tagespropheten glaubte fälschlicherweise, dass sie auf dem Grund der Themse lag und Rita hielt es auch nicht für nötig, ihn darüber aufzuklären, dass sie mit diesem ‚Abschied‘ lediglich das sichere Verstauen in ihrer Handtasche gemeint hatte. Es zählte immerhin der gute Wille!

Wie bei einem Entzug, war es der Zeitungsredakteurin anfangs unheimlich schwer gefallen, ihre Notizen mit einer regulären Feder zu verrichten, aber mittlerweile kam sie damit klar. Sie vermisste die guten, alten Zeiten zwar, aber es war immer noch dieses vorlaute Granger-Mädchen, das ihr das Leben zur Hölle machte.

Ein dunkler Schatten huschte über das Gesicht der Frau, als sie einen Blick auf die Uhr warf. Sie hoffte, dass dieses Balg nicht zusammen mit Potter auftauchen würde, mit dem sie in zehn Minuten verabredet war, denn sonst würde sie ihr Vorhaben nicht in die Tat umsetzen können. Es ging ihr auf die Nerven, wie sehr diese Besserwisserin sie in der Hand hatte und Rita wollte dem ein für allemal Einhalt gebieten. Das konnte sie jedoch nur, wenn sie zeigte, dass sie ihre Fehler eingesehen hatte sich bessern wollte. Lange hatte sie überlegt, wie sie es anstellen sollte, um nicht mehr von Granger erpresst zu werden – aus irgendeinem Grund weigerte sich Rita noch immer, sich als Animagus registrieren zu lassen – und letztendlich war ihr die grandiose Idee gekommen, es mit ihrem größten Talent zu versuchen: dem Schreiben.

Einen Titel hatte sie für das biografische Buch, das sie über Potter schreiben wollte, noch nicht, aber vorerst waren die Aussagen des Jungen wichtiger. Ungeduldig wippte Rita mit dem Fuß, während ihre scharfen Augen weiterhin die tickende Uhr fixierten. Noch fünf Minuten. Sich bereits genügend Pergament bereitlegend, tauchte die Journalistin ihre Feder ins Tintenfass, als es an der Tür klopfte.

„Herein“, bat sie mit gespielt erfreuter Stimme und setzte ein zuckersüßes Lächeln auf. Sobald sie mit dem Buch über den Helden der magischen Welt auf allen Bestsellerlisten stand, würde Granger endlich einsehen müssen, dass Rita ihr heimtückisches Spiel weit hinter sich gelassen hatte. Inwiefern das stimmte, war fraglich, aber fest stand, dass sie danach weitaus vorsichtiger mit ihrer magischen Feder umgehen musste. Um endlich wieder fesselnde Artikel schreiben zu können, nahm die zukünftige Autorin diese Einschränkung in Kauf.

Das Lächeln auf den rot geschminkten Lippen verblasste, als sie sah, dass es nicht Potter war, der ihr Büro betrat. Es war eine blonde Frau, die Rita noch nie gesehen hatte. Irritiert zog sie die Augenbrauen in die Höhe.

„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte sie. „Haben Sie einen Termin? Oh, vermutlich hat eine der Sekretärinnen etwas im Terminplaner durcheinander gebracht… Es tut mir leid, aber ich bin bereits verabredet. Mr Harry Potter sollte jeden Moment erscheinen.“ Den Namen des berühmten Zauberers wisperte Rita beinahe, um einen Eindruck bei ihrem unbekannten Gast zu hinterlassen. Man konnte sich nie genug um das eigene Image kümmern!

Die Frau ließ sich nicht beirren, sondern schloss vorsichtig die Tür hinter sich und trat langsam näher. „Ich vertrete Mr Potter“, sagte sie sachlich und ließ Rita erschrocken das Gesicht verziehen, sodass ihr die Brille ein wenig von der Nase rutschte.

„B-bitte was?“, fragte sie schrill, augenscheinlich nicht wissend, ob sie sich verhört hatte oder ob dies ein Scherz sein sollte.

„Es handelt sich um seine Biografie, nicht wahr? Nun, dann versichere ich Ihnen, dass ich bestens informiert bin.“ Ein beschwichtigendes Lächeln erschien auf den Lippen der Fremden, doch Rita wirkte noch immer skeptisch. Schließlich räusperte sie sich, denn ihr Professionalismus verbot ihr, ihre Verwirrung und Enttäuschung allzu deutlich zu zeigen. Sie richtete sich die Brille und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück.

„Sie kennen Mr Potter?“, fragte sie scharf und erweckte nicht den Anschein, als würde sie nach der Feder greifen wollen, um die Aussagen der Unbekannten aufzuschreiben.

„Oh ja, das tue ich.“ Wieder dieses Lächeln. Irgendetwas erschien Rita seltsam – und sie war weiß Merlin nicht die beste Menschenkennerin! Sich nervös über die trockenen Lippen leckend, strich sie sich eine blonde Locke hinters Ohr.

„Wieso kann er nicht selbst kommen?“ Noch wollte sich die Reporterin nicht geschlagen geben. Sie hatte Wochen gebraucht, um Potter überhaupt zu erreichen und ihn dazu zu bringen, einen Termin mit ihr auszumachen! Diese Frau ruinierte all ihre wundervollen Pläne! Andererseits… Unauffällig glitt Ritas Blick zu ihrer Krokodilhandtasche, in der ihre Lieblingsfeder lag. Vielleicht konnte sie die Situation ja doch zu ihrem Vorteil wenden.

„Nun, in gewisser Weise ist er hier…“, versuchte die andere Frau zu erklären, doch als sie den perplexen Ausdruck auf Ritas Gesicht sah, gab sie es auf und zuckte nur mit den Schultern. „Ich versichere Ihnen, dass ich alles über Harry weiß.“

Rita hatte genug der Zeitverschwendung. Mit einer einladenden Geste bot sie der Frau den Stuhl vor ihrem Schreibtisch an.

„Setzen Sie sich, Mrs…?“

Fragend sah Rita auf und kramte bereits in ihrer Handtasche. Die giftgrüne Feder kam zum Vorschein.

„Rowling“, antwortete die Angesprochene und erneut huschte ein freundliches Lächeln über ihre Züge.

„Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich diese Feder benutze, oder? Mr Potters Lebensgeschichte ist… ereignisreich und ich möchte mein Handgelenk schonen.“ Ritas Augen blitzten vorfreudig auf, doch ihr selbstsicheres Lächeln flackerte, als sie den wissenden Blick der Frau bemerkte. Sie konnte doch unmöglich wissen, dass…? Nein, völlig unmöglich, sie sah Gespenster.

Als sich ihre Blicke trafen, nickte ihr Gegenüber völlig neutral.

„Nur zu.“

Lautlos atmete Rita aus und schenkte ihrer Gesprächspartnerin ein ermutigendes Lächeln.

„Sie haben meine vollste Aufmerksamkeit“, versicherte sie.

„In Ordnung. Alles fing damit an, dass Albus Dumbledore den Ligusterweg betrat…“



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Kerstin-san
2017-09-01T13:19:10+00:00 01.09.2017 15:19
Hallo,
 
okay, das hatte ich jetzt wirklich nicht erwartet, aber es ist ein ziemlich cooler Einfall! Rita fand ich ziemlich originagetreu dargestellt. Etwas gehetzt, ziemlich überheblich, immer auf der Suche nach einer guten Story und mit dieser bemerkenswerten Art, wie sie die Welt um sich herum sieht. Ihre Gedankengänge fand ich herrlich. Ich meine, sie war nie ein Chara, dem ich viel abgewinnen konnte, aber so wie du sie dargestellt hast, hat mich das auf jeden Fall sehr gut unterhalten.
 
Ich kann mir vorstellen, dass Rita sich die Hände danach ablecken würde eine Biografie über Harry zu schreiben und hab mich die ganze Zeit gefragt wie zum Teufel er sich darauf einzulassen kannn und vor allem warum er das tut, aber dann kam ja alles ganz anders. Gefiel mir sehr, wie Rita versucht hat ihre Verwirrung zu überspielen und dann doch nicht widerstehen konnte ihre Flotte Schreibfeder herauszukramen. Und als sich die mysteriöse Besucherin dann zu erkennen gegeben hat, war ich vollends baff. Wirklich eine überraschende Wendung.
 
Liebe Grüße
Kerstin
Von: abgemeldet
2012-01-25T12:40:14+00:00 25.01.2012 13:40
Hey!

Ich muss ja sagen, zuerst war ich ein wenig skeptisch, weil ich finde, dass es sehr schwer ist, Rita originalgetreu zu treffen (ich kämpfe bei meiner Kurz-FF selbst jedes Mal damit! xD) und weil dieser OS so kurz ist - aber diese Idee ist echt GENIAL und ich binb froh, den OS gelesen zu haben! ♥

Himmel, als die blonde Fremde reingekommen ist, habe ich mein Hirn nach einem naheliegenden Charakter durchforstet - aber ich wäre natürlich NIE IM LEBEN auf Rowling gekommen! Wirklich, das war genial. Also hat nicht sie die 7 Bücher geschrieben, sondern Rita ... tja, wenn die Gute wüsste, wie viel Geld Rowling damit gemacht hat, würde sie sich sicher grün und blau ärgern. xDDD

Tolle Idee, wirklich - ich bin begeistert! Ich habe deine FF auf meinem Steckbrief verlinkt; dort sammle ich alle HP-FFs, die ich besonders gut finde. Ich hoffe, das ist okay für dich? =D

Allerliebste Grüße! ♥
Von: abgemeldet
2011-09-11T21:57:50+00:00 11.09.2011 23:57
Ahhh, wie bist du bitte auf diese geniale Idee gekommen? Herrlich, einfach nur herrlich! :D


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