Familienbande von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 14: Aufklärungsstunden und Popcornküsse ----------------------------------------------- XIV. Aufklärungsstunden und Popcornküsse Craig hatte seine alte Latzhose angezogen, die er früher für Montage-Jobs immer getragen hatte, und drückte mit einem mulmigen Gefühl im Bauch die Türklingel. Es dauerte einen kurzen Moment, dann öffnete Kinney… Brian die Eingangstür. Er trug Jeans und T-Shirt und sah eigentlich aus, wie ein ganz normaler junger Mann. „Craig!“ sagte er und reichte ihm die Hand. „Brian“, murmelte er zurück und ergriff sie. Eine kleine Gestalt drückte sich an das Bein des hochgewachsenen Mannes. Große braune Augen richteten sich auf ihn, die von langen dunklen Wimpern überschattet wurden. Das musste Brians Sohn sein… Justins Adoptivsohn… Gus. „Ist das Justins Papa?“ fragte er seinen Vater. „Ja“, sagte Brian ruhig, während er Craig hineinbat. Der Kleine schaute verwirrt. „Ist er dann mein… Opa?“ Craig zuckte zusammen. Was…? „Äh“, sagte Brian und klang auch leicht überfordert. „Bist du mein Opa?“ fragte Gus Craig direkt. Craig hatte das Gefühl, frontal von einem Zug getroffen zu werden. Er war doch viel zu jung, um ein Großvater zu sein! Und dieses Kind war leiblich nicht mit ihm verwand! Er schaute hinab. Ein Kinderblick voller Unschuld. Der kleine Junge konnte nichts für seine verworrenen Verhältnisse. Er könnte nein sagen, aber was würde es diesem Kind antun, das seine eigentlichen Eltern vor Kurzem verloren hatte? Offensichtlich hielt es Justin für seinen Vater. Und das machte ihn wahrscheinlich… „Mmm, ja, ich glaube schon“, murmelte er. Kinney schaute ihn überrascht an. Das hättest du mir wohl nicht zugetraut, was? Gus lächelte scheu und sagte: „Hallo Opa…?“ „Craig“, sagte er. „Hallo, Opa Craig“, sagte Gus höflich und streckte die kleine Hand nach ihm aus. Craig ergriff sie und sagte: „Hallo Gus.“ Er war ein Opa? Er war ein Opa?! Er fühlte sich leicht belämmert. „In welchen Raum sollen die Sachen?“ fragte er Brian. Brian nickte ihm stumm zu, ihn immer noch durchdringend musternd. Craig machte sich an die Arbeit, überprüfte die Stromkreisläufe, verlegte Kabel. Brian hatte sich entfernt. Plötzlich kam eine Stimme von hinten: „Was machst du da, Opa Craig?“ Er zuckte zusammen. Der kleine Junge schaute fasziniert auf das Kabelwirrwarr. Warum nicht? „Also Gus, weißt du eigentlich, warum der Fernseher, das Telefon, die Glühbirne eigentlich funktionieren?“ Gus schüttelte den Kopf. Kein Wunder. Justin mochte Malen können, Brian Geld scheffeln oder was-auch-immer, aber von Physik hatten die wahrscheinlich wenig Ahnung. „Okay“, sagte er, „Setzt dich hin. Ich zeige es dir.“ Die Zeit verflog. Gus hörte zu und stellte Fragen. Craig gab sein Bestes, in kindergerechten Bahnen zu bleiben, aber Gus verstand. Der Junge war intelligent. Sein leiblicher Vater war ja anscheinend auch nicht gerade blöde, wenn man sich das Haus so anschaute. War Justin sein Trophäen-Weibchen – deutlich jünger als er, blond? Er stellte sich seinen widerborstigen Sohn in dieser Rolle vor. Nein, entschied er, wohl eher nicht. Aber ein merkwürdiges Gefühl blieb zurück. Aber wie lief das bei denen, fragte er sich, während er Gus zwei Kabel zusammen stecken ließ. War Brian der Mann in der Beziehung? Er dachte an ihr berüchtigtes Telefonat und an die Szene, wie Brian Justin vor Jahren lüstern in den Hintern gekniffen hatte. Oder wie lief das bei denen? Er hatte keine Ahnung. Er musterte den kleinen Jungen. Ein niedliches Kind. Sah seinem Vater sehr ähnlich. Und er hielt ihn, Craig, jetzt für seinen Opa. Kurz hatte er das Gefühl, in Treibsand geraten zu sein. Aber er war ja freiwillig hinein gelaufen. Er hatte beschlossen, sich seinem Sohn wieder anzunähern. Und der Kleine da, der gehörte wohl irgendwie dazu. Wie war das gewesen? Justin hatte ihm seinen Namen gegeben? Wie war das geschehen… und wann? Brian betrat den Raum, als sie fast fertig waren. „Möchten Sie einen Kaffee?“ fragte er. „Ich will einen Kakao – aber Justin ist nicht da“, sagte Gus. „Okay“, sagte Craig. „Das bekomm ich schon noch hin, Sonnyboy“, sagte Brian. Gus musterte ihn misstrauisch. Brian bat Craig wortlos hinüber in die Küche, stellte die Kaffemaschine an und begann, Milch zu erwärmen. Craig schaute sich um. Geradlinig. Metall und Holz. Man spürte die Anwesenheit eines Kindes. Am Kühlschrank hing ein Bild, das einen bunt geringelten Drachen mit Brille und Bart zeigte. „Tante Debbie“ stand in Justins Handschrift darauf. Und daneben ein Foto von Justin und Brian in Anzügen, mit etwas verwirrtem Blick und mit Konfetti und Reis übergossen. Brian reichte ihm seine Tasse. Er trat näher und schaute genau hin. „Ist das Ihr Hochzeitsbild?“ fragte er Brian schließlich, während der seinem Sohn die heiße Schokolade hin schob und pustete. „Nichts Offizielles. Nur ein Schnappschuss von der Hochzeit, auf dem wir extra-vertrottelt aussehen. Hat Justin da aufgehängt.“ Irgendwie tat es weh. Sein Sohn an diesem Tag, und er war nicht dabei gewesen. Auch wenn er nicht gerade eine fesche Maid geheiratet hatte. Dass es ihm ernst gewesen war, daran bestand wohl kein Zweifel mehr. Und irgendwie sah es so… normal aus. Zwei junge Menschen, inmitten des Trubels, immer noch ein wenig fassungslos. „Auf unseren Hochzeitbildern hat Jenn überall hecktische Flecken. Ihr Kleid war mitten in der Zeremonie am Hintern geplatzt. Wir haben es mit Sicherheitsnadeln zusammen gehalten, damit es weiter gehen konnte.“ Brian grinste: „Das kann ich mir kaum vorstellen – Jennifer fett?“ „Tja, sie hat Justin mit sich herum geschleppt, das hat nicht gerade eine Wespentaille gemacht.“ „Dass Justin dick macht, habe ich auch schon festgestellt.“ „Wie…?“ „Er ist gnadenlos verfressen. Lässt überall Dickmacher rumliegen. Warum haben Sie ihn nicht zu einem Tofu-Jünger erzogen?“ „Meine Erziehung hat ja offensichtlich sowieso wenig ausrichten können“, antwortete Craig leicht bitter. „Das glaube ich nicht. Aber das, was sie hier andeuten, hat nichts mit Erziehung zu tun. Wenn das so wäre, wäre ich jetzt ein versoffener irischer Familienvater mit mindestens acht Bälgen.“ „Sie sind Ire?“ „Wie der Name schon sagt, von Haus aus Kartoffelfresser, ja.“ „Meine Familie ist vor Generationen aus Deutschland eingewandert, der Nachname wurde anglisiert. Jenns Vorfahren kommen aus Schweden.“ „Ich dachte immer, Sie seien Briten.“ „Nein, Briten haben wir nicht zu bieten.“ „Gut, denn Iren hassen Engländer.“ „Ich dachte, ich sei der mit den Vorurteilen.“ „Ich hab ihn trotzdem geheiratet – und Sie?“ Craig schloss gequält die Augen: „Ja, reiben Sie es mir ruhig unter die Nase. Ich konnte wirklich nicht damit umgehen. Und es tut mir leid, dass ich sie verletzt habe, mir sind alle Sicherungen durchgebrannt. Aber ich dachte, Sie würden meinen Sohn manipulieren und missbrauchen. Vielleicht haben Sie das auch. Aber jetzt… nicht mehr.“ „Unterschätzen Sie ihren Sohn nicht. Er ist niemand, der sich leicht manipulieren oder missbrauchen lässt. Eigentlich hat er das nie getan. Und in Hinsicht auf die andere Geschichte… können wir uns darüber einigen, dass Gras über die Sache gewachsen ist?“ „Okay“, sagte Craig langsam. ……………………………………………………………………………………………………………………………………………………………. Justin zog sich die Decke über den Kopf. Es war staubig in der Wohnung. Er war ein arbeitssamer Tag gewesen. Und jetzt lag er hier, wie in einer schlechten Erinnerung. Dabei war er am Anfang so euphorisch gewesen. Aber die Wohnung war einfach nur ein Raum geblieben. Er fühlte sich… inkomplett. Er wollte nach Hause. Er brauchte diese Bude nicht mehr. Wenn er nach New York musste, reichte ein Hotel. Ein Hotel hatte keine Erinnerung an die Einsamkeit. ……………………………………………………………………………………………………………………………………………………………. „Jaja, ich komme ja schon!“ fluchte Emmet und zog seinen Morgenmantel um sich fest. Carl war auf dem Revier, Debbie hatte Frühschicht im Diner – er hatte sich auf einen einsamen Verwöhn-Vormittag gefreut. Er öffnete die Tür und stütze verblüfft: „Äh – Papa Taylor… was machen Sie denn hier?“ „Darf ich reinkommen?“ fragte der aschblonde Mann etwas gepresst, während er Emmets hellvioletten Bademantel und seine Plüschpuschen musterte. Emmet schaute ihn großäugig an. „Okay“, sagte er schließlich und ließ ihn ein. Er bugsierte ihn auf die Wohnzimmercouch und pflanzte sich neben ihn. „Dass ihr Besuch eine Überraschung wäre, wäre ziemlich unterrieben zu sagen. Ich wusste gar nicht, dass Sie wissen, wo ich wohne.“ Craig umklammerte seine eigenen Knöchel so stark, dass sie weiß hervortaten. „Die Nummer stand auf ihrem Wagen. War nicht schwer“, murmelte er, während er beklommen Debbies Nippes-Sammlung studierte. „Nun, ich denke, dass sie nicht unbedingt daher vorbei kommen, um mir einen spontanen Freundschaftsbesuch abzustatten. Also: Was wollen Sie?“ „Ich will es wissen… verstehen…“ „Was? Das mit Justin und Brian? Niemand versteht es, vielleicht auch nicht sie selbst. Und vielleicht ist das auch gar nicht notwendig. Ist Liebe etwas Rationales? Wohl kaum. Mehr müssen Sie nicht wissen. Niemand von uns.“ „Nein… ich meine... ich weiß kaum was über… Homosexuelle…“ Emmet blickte ihn scharf an: „Haben sie kein Internet?“ „Schon… aber das bot mehr… Anschauungsvideos als Information. Und ich dachte, Sie könnten…“ „Ich soll Sie aufklären?“ fragte Emmet entgeistert. Craig krallte sich in die Polster: „So in etwa. Ich muss irgendwen fragen können. Und außer Ihnen ist da niemand. Niemand, der mir nicht sofort an die Gurgel ginge.“ „Ich fühle mich geehrt…? Was ist mit ihrer Ex-Frau?“ „Jenn weiß auch nicht alles.“ „Ich beginne zu ahnen, in welche Richtung das hier gehen soll – sie verstehen die Sache mit dem Sex nicht?“ „Äh…“ „Also erst mal: Man ist nicht bloß schwul, weil man Sex mit Männern haben möchte. Sondern auch, weil man sich in Personen des gleichen Geschlechts verliebt. Oder vielleicht, wenn man zu den Glücklichen gehört, lernt, einander zu lieben. Und das ist es letztendlich , was Ihren Sohn und Brian miteinander verbindet.“ „Ich begreife. Aber was…?“ Emmet stöhnte innerlich auf. Aufklärungsarbeit an einer älteren Hete war nicht so einfach. Die obendrein den eigenen Sohn wegen seiner sexuellen Orientierung verstoßen hatte. Aber der andere Mann versuchte es zumindest. Besser spät als nie. In einem sanfteren Tonfall sagte Emmet: „Okay, ich spiele jetzt Mal ihren Therapeuten. Kein Wort, das zwischen uns fallen mag, wird durch mich nach außen dringen. Fragen Sie.“ Er winkelte die Beine auf der Couch an und machte es sich bequem. Craig wand sich noch immer. „Okay, Vater Taylor, raus mit der Sprache“, forderte Emmet entschlossen. „Ist in einer… homosexuellen Beziehung… einer der Mann und einer die Frau?!“ „Sie haben Angst, dass Justin Brians Weibchen ist und brav die Beine für ihn breit macht?!“ „Äh…“ „Das werte ich Mal als ja. Eins vorab gestellt: Wir sind Männer. Egal, wie tuntig sich einige geben – ich will mich selbst da nicht unbedingt ausschließen – wir sind keine Frauen. Und wollen auch keine sein. Und ihr Sohn hat, mit Verlaub, nichts Tuntiges an sich.“ Craig lockerte sich ein wenig. „Wir alle sind, da wir nun anatomisch gleichartig sind, beidseitig bespielbar. Aber nicht jeder mag alles. Ist heterosexueller Sex immer gleich? Wohl kaum. Es gibt kuschelnde Teenager, Manager, die sich von Dominas in ihrer Freizeit den Hintern versohlen lassen, Ehefrauen, die nur im Krankenschwesterkostüm kommen. Das ist bei uns nicht anders. Es gibt keine pauschale Antwort.“ „Aber…“ „Sie wollen wissen, was Justin und Brian treiben? Ich weiß es nicht. Es geht mich auch nichts an. Und Sie auch nicht. Sie lieben sich, das weiß ich. Und Ihnen müsste es auch allmählich dämmern. Wie sie das praktisch umsetzten – wer weiß. Wie hätten Sie sich gefühlt, wenn Ihre Schwiegereltern nachgebohrt hätten, was Sie so im Ehebett treiben?“ Craig schwieg betroffen. Dann sagte er: „Ich verstehe, dass mich das nichts angeht. Und ich will es auch gar nicht wissen – aber ich will es bloß wissen…“ „Womit sie es tun haben?“ „Es muss doch weh tun wie die Hölle“ entfuhr ihm. „Darum geht es Ihnen? Dass sie so Bilder von schwulem Sex im Kopf haben, die Sie nicht in Einklang bringen können mit Ihrem Sohn? Ist das das Problem?“ „Es geht mir nicht darum, die Details zu wissen – ich will nur verstehen, was es bedeutet.“ „Sie haben Schiss, weil Sie denken, dass Justin kein richtiger Mann wäre, wenn er sich ficken ließe? Dass er brav den Schmerz herunter schluckt, um Brian zu gefallen zu sein?“ fragte Emmet kopfschüttelnd und rollte sich eine von Debbies Patchwork-Decken. „Äh…“ „ Papa Taylor, jetzt mal die Ohren gespitzt. Erst Mal ist jemand, der sich ficken lässt, noch lange nicht der Untergeordnete in der Beziehung. Oder wollen sie mit der Logik unterstellen, dass alle Frauen den Männern Untertan zu sein haben deshalb? Ich kenne da einige, die ihnen den Gedanken liebend austreiben würden. Und das nicht bloß mit Worten. Die Position im Bett hat nichts Zwingendes über die Position im Leben zu sagen. Außerdem ist die Praxis, auf die sie anspielen, keineswegs ein Privileg schwuler Männer. Zudem bedeutet der Umstand, dass man… am empfangenden Ende ist, noch lange nicht, dass man passiv ist oder sich unterwirft. Das ist Sex und keine Kneipenprügelei. Es gibt so manchen, der… uh… naja… äh… penetriert wird, und der dabei seinen Partner dennoch dominiert. Es gibt solche, die im Alltagsleben eher aggressiv sind und es dennoch lieben, sich im Bett dem anderen unterzuordnen. Um nur ein paar Beispiele zu nennen. Und wie die Konstellation ist, das mag sich obendrein bei jedem Mal ändern. Sex kann alles Mögliche seien, Triebbefriedigung, ein lustvolles Spiel aber auch ein sehr intimer Austausch zwischen zwei Menschen auf körperlicher Ebene, die viel mehr verbindet. Manchmal auch alles zugleich. Und Sex ist unendlich vielgestaltig und nicht selten unberechenbar. Wäre doch schade, wenn nicht. Sie müssen sich klar machen, dass, egal was Justin hier tut, es nicht vollständig begründet, wer er ist. Es ist ein Teil von ihm wie von jedem von uns. Aber gewiss nicht der Wichtigste. Und falls es Sie beruhigt: Justin hat Brian schon vor Jahren klar gemacht, dass er niemand ist, der sich rumschubsen lässt. Er ist nicht Brians 5oer Jahre-Eheweibchen-Ersatz. Brian mag älter sein, Brian mag rein physisch größer sein, Brian mag Justin durchaus auch… sie wissen schon – aber dass er das alleinige Sagen bei den beiden hat und Justin auf sein Kommando springt, ist ein völlig absurder Gedanke.“ Craig atmete tief durch. „Habe ich zu viel geredet?“ fragte Emmet mit gerunzelter Stirn. „Nein… danke. Danke.“ Craig ließ sich mit geschlossenen Augen in die Polster fallen. „Und um ihre eigentliche Frage zu beantworten: Glauben Sie, dass das jemand machen würde, wenn es bloß weh täte?“ ……………………………………………………………………………………………………………………………………………………………. „Ich wurde gefeuert.“ „Was?“ schreckte Brian auf und schaute Justin entsetzt an, der völlig ruhig in einem Katalog für Künstlerbedarf blätterte. Das Feuer im Kamin prasselte angenehm, der November hatte Kälte gebracht. Gus saß auf dem Teppichboden und baute mit Legosteinen. Er war inzwischen darüber hinaus, Erlerntes nachzuahmen, sondern probierte eigenständig herum mit dem Ansporn, Molly seine neuesten Erfindungen vorzuführen. „Ich sagte, ich wurde gefeuert“, sagte Justin wiederum, ohne eine Miene zu verziehen. „Könntest du mich bitte aufklären, was du damit meinen magst? Hat Katlin’s dich vor die Tür gesetzt?“ fragte Brian unruhig und setzte seine vermaledeite Lesebrille ab, mit deren Hilfe er gerade noch die Steuerunterlagen durchgeblättert hatte. „Nein, da ist alles Bestens. Sogar mehr als Bestens. Aber nachdem ich monatelang nicht mehr zur Arbeit erschienen bin, hat der Kunsthandel, in dem ich gejobbt habe, mir einen ziemlich bösen Brief geschickt.“ „Willst du mich in den Wahnsinn treiben? Ich dachte schon, es sei sonstwas!“ „Ne, reg‘ dich ab. Aber ich könnte schon einen neuen Job gebrauchen“, sagte Justin ohne hochzusehen. Er langte in eine Schale Popcorn, die er und Gus einmütig vertilgten, während Brian sich selbst kasteite und verzweifelt die Versuchung zur Hölle wünschte. „Wozu? Deine Bilder bringen doch inzwischen Geld ein, und ich dachte, darüber hinaus sei finanziell zwischen und alles geklärt?“ warf Brian ein und überschlug im Kopf die Kalorienzahl einer Hand Popcorn mit Butter im Verhältnis zu der Zeit, die man brauchte, um selbige auf dem Laufband zu verbrennen. „Es geht mir nicht um die Kohle. Aber ich muss auch mal raus aus dem Haus. Ich brauche, wenn du so willst, Input.“ Das konnte Brian nachvollziehen. „Willst du wieder ins Diner?“ „Ne, echt nicht. Keine Lust mehr auf Bratfett-Parfüm und Arschkniffe…“ „Wer hat dir in den Arsch gekniffen?!!!“ „Du, manchmal.“ „Aber nur, wenn keiner geguckt hat.“ „Das sind die Schlimmsten. Du hattest bloß Schiss vor Debbie.“ „Möglich…“ „Ich war am überlegen…“ „Oh, oh, jetzt kommst. War ja klar, dass du schon was ausgeheckt hast.“ „Ich bin eben zielstrebig und laufe nicht auf Wolken… Gus wird ja nächstes Jahr eingeschult“, Justin kaute genüsslich auf dem süßen Knabberkram herum. Brian rutschte an ihn heran, packte ihn am Nacken und küsste ihn, die Zunge tief versenkend. Justin verschluckte sich, während er sich reflexartig festkrallte. „Das… das ist Mundraub!“ keuchte er empört. „Wenn du Popcorn willst, nimm dir was, aber leck es mir nicht von den Mandeln!“ „Niemals! Mir war einfach danach, dich zu küssen…“ grinste Brian und leckte sich die Lippen. Justin machte immer noch eine grollende Miene, aber er lachte dabei. „Du bist einfach unmöglich!“ Brian hielt ihn noch immer am Nacken gepackt, aber der Griff war sanft und verwandelte sich in ein Kraulen. „Mmm“, murmelte Justin und schloss genüsslich die Augen. „Wenn ich geahnt hätte, wie leicht man dich so rumkriegt, hätte ich schon viel früher damit begonnen“, murmelte Brian und fuhr mit den Fingern durch Justins Haar. „Hast du doch, du hast es bloß nicht mitbekommen.“ „Das ist eine infame Lüge!“ fuhr Brian gespielt auf. „Ist es nicht. Ich wäre sonst nie bei dir geblieben, wenn es nicht ab und an aus dir herausgebrochen wäre und mir gezeigt hätte, wie sehr du mich liebst…“ schnurrte Justin. Früher wäre Brian jetzt davon gestampft. Jetzt zog er nur eine Augenbraue hoch: „Soso, das hast du dir also eingebildet…“ Justin lächelte: „Ja, habe ich. Ich Naivling ich…“ Brian küsste ihn noch einmal, obwohl es jetzt kein Popcorn mehr zu holen gab. Gus kommentierte: „Bäh! Knutschen!“ Justin lachte auf: „na, solange du so denkst, kann Papa ruhig schlafen…“ Brian rollte die Augen, musste aber dennoch lächeln. „Was hast du vorhin gesagt? Du hast einen Plan?“ „Ach ja“, sagte Justin, „also, wir müssen nächstes Jahr ja eine Schule für Gus finden.“ „Privat!“ stellte Brian fest. „Ja, schon klar. Und St. James ist raus. Aber die meisten privaten Schulen haben Kriterien, die über die Dicke des Geldbeutels hinaus gehen.“ „Was muss das Leben auch so scheiß-kompliziert sein?“ Gus warf ihm einen strafenden Blick zu. „Wir brauchen also eine, die Kinder gleichgeschlechtlicher Paare akzeptiert. Und ich dachte, ich könnte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, indem ich ihnen zusätzlich meine Dienste anbiete.“ „Du willst dem Direktor den Schw…?“ „Brian!“ „Äh, mit deinem Charme betören.“ „Nicht ganz. Ich dachte, ich biete an, dort Kunstunterricht zu geben.“ „Du willst Lehrer werden???“ „Du stehst doch auf Lehrer… oder wie war das damals nach dem Sportunterricht? Aber nein, eigentlich nicht. Aber ein Zeichenstunden könnte ich schon geben, ich habe schließlich Referenzen, wenn schon kein abgeschlossenes Studium.“ „Hast du da Lust drauf?“ „Ich stelle es mir ganz interessant vor. Warum es nicht ausprobieren?“ „Und… willst du dein Studium vielleicht noch abschließen, wo du doch wieder hier bist?“ fragte Brian vorsichtig. „Nö, nicht wirklich. Ich bin schon da, wo es hinführen sollte. Und aus der Schule oder Uni geschmissen worden zu sein, liest sich in eine Künstlerbiographie wie ein Qualitätssiegel. Verkanntes Genie… Querdenker… Kämpfertyp… die gängigen Künstlerklischees.“ Brian zog ihn an sich: „Oder einfach nur ein sturer Haufen Taylor. Mir tut jede Wand leid, die das Unglück hat, dir im Weg zu stehen.“ „Taylor-Kinney!“ protestierte Justin. „Was? Also ich bin die Sanftmut in Person!“ ……………………………………………………………………………………………………………………………………………………………. Justin schaute im duffen Licht des Mondes hinab auf Brian. Draußen heulte der erste eisige Wintersturm. Schnee war angesagt worden. Brian schlief tief und fest, die langen Beine entspannt ausgebreitet, eine Hand auf der Brust, die andere locker zu Justin hinüber ausgestreckt. Wie sehr er diesen – seinen – Mann liebte und begehrte. Er wusste, dass das ein seltenes Geschenk war, dass Liebe und Lust derart Hand in Hand gingen. Er ließ den Blick über die kräftige, bronzene Brust, die breiten Schulter, das schöne Gesicht mit dem sinnlichen Mund, den geschwungenen Wangenknochen, der geraden trotzigen Nase, den langen Wimpern und den störrischen Augenbrauen wandern. Und Brians weiches, kastanienfarbiges Haar… In seinem inneren brannte eine Glut, die jederzeit zu einem Feuer entfacht werden konnte. Aber nur von Brian. Wie sehr hatte er um ihn gekämpft, bis zur Verzweiflung, bis zur Resignation. Aber er war es wert gewesen. Brians Schönheit hätte dazu nicht gereicht. Vielleicht sah er sie auch nur so, weil er auch den Rest von Brian so sehr liebte. Brian war ein guter Mensch, so einfach war das. Kompliziert… sicher… aber gut. Klug, wortgewand, bescheiden, wenn es um die wesentlichen Dinge ging, und bis zur Grenze des Erträglichen selbstlos, wenn er für die handelte, die er liebte. Und Brian liebte ihn. Er hatte es schon lange gewusst. Und schließlich war er zu ihm gekommen, wie er es sich immer gewünscht hatte: wirklich frei. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)