I wish to get my Angel back von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 16: Die Zeit wird kommen... ----------------------------------- Francis sah auf und erblickte Lioba, die ihn ansah, nicht gerührt, aber voller Verständnis. Sie näherte sich seinem Gesicht und küsste die Tränen weg, er war wie eingefroren und starrte sie an. Sie sagte kein Wort, sondern beugte sich noch weiter zu ihm und nahm ihn in den Arm. Es war ein merkwürdiges Gefühl. Vollkommen fremd waren sie sich und gleichzeitig kam sie ihm so vertraut vor. Irgendwann packte sie seine Hand, zog ihn mit sich aufs Bett, schubste ihn mit sanfter Gewalt auf die Matratze und legte sich neben ihn. Sie strich ihm kurz über die Wange, über seine schon recht männlichen Schultern und gab ihm einen sanften Kuss auf die Stirn, bevor sie ihn wieder in ihre Arme zog und so verharrte. Sie taten sonst nichts, lagen nur so da und als Francis endlich seine Gefühle irgendwie zur Ruhe gebracht hatte schlief er auch so ein. Umschlungen und getröstet von ihr, das Ohr ganz nah bei ihrem beruhigenden Herzschlag. Kyle war eine Weile nicht in der Lage zu Antworten und er schubste sogar Rovan aus seinem Kopf als dieser versuchte Kontakt herzustellen, er war fieberhaft am nachdenken. Irgendwann seufzte er und sagte: "Also, vollkommen logisch ist mein Schluss nicht und es gibt eine Menge ungeklärte Fragen, aber hört euch einfach mal an, was ich hier vorlese..." Er legte sich die Schriftrolle auf die Oberschenkel und begann vorzulesen. ">Gott für Gott mag schwach sein, aber vereint können wir auch Unseresgleichen zerstören. Als einzelnes Phantom der menschlichen Einbildung sind wir nur Staub im Wind, aber gemeinsam können wir ein Sandsturm sein. Gemeinsam besitzen wir die Kraft über unsere Gesetze hinaus zu wachsen. Wenn wir wollten, dann könnten wir all dem ein Ende setzen...< Das ist die Mitschrift einer Rede die Svantovit gehalten hat. Für die, dies nicht wissen, Svantovit ist mittlerweile tot, er war ein slawischer Gott, eigentlich genauer gesagt ein Gott der Elbslaven und dort auch hauptsächlich nur der Gott der-" Igot unterbrach den Hexer: "Komm auf den Punkt." "Ähm ja, also er hat diese Rede gehalten, warum ist nicht so wichtig, Tatsache ist aber, dass er zum Ende hin noch folgende Worte hinzugefügt hat, die hier nicht stehen, sie sind nur in einer Randnotiz vermerkt. >Diese Überlegungen sind in der Praxis nicht durchführbar, es besteht das Risiko das Gefüge der Zeit nicht nur noch stärker zu verwirren, sondern es vollständig aufzulösen. Man hätte zwar die potentielle Macht dadurch ein unsterbliches Wesen zu töten, aber um den Preis der gesamten Welt, somit aller anderen Wesen. also lieber nicht ausprobieren, es kann nur schief gehen.<" Rovan ächzte: "Ein seltsamer Humor finde ich." Kyle nickte: "Aber vielleicht nicht vollkommen unangemessen das ganze humorvoll zu behandeln, sonst kann man die Vorstellung kaum aushalten. Versucht es einen Moment. Versucht einen Moment euch wirklich vorzustellen, dass Zeit nicht existiert." Igot schüttelte den Kopf: "Das kann ich gar nicht." Kyle nickte: "Eben, es geht auch gar nicht, Leben ohne Zeit ist nicht möglich, Existieren ohne Zeit ist nicht möglich. Aber es erklärt wofür irgendjemand die Götter benötigen könnte. Die Fragen sind nur immer noch, wie die Götter verschwinden und wer da versucht jemand anderen umzubringen und dumm genug ist diese Methode zu verwenden." Rovan packte Kyle am Arm: "Greifst du nicht ein bisschen weit vor? Ich gebe zu, dass ist die bisher beste Theorie, aber mehr auch nicht, eine Theorie. Meinst du nicht, dass der Zeitstrom ein wenig durcheinander geraten würde, wenn jemand darauf hinarbeitet?" Der Hexer nickte nachdenklich. "Dann sollte ich vielleicht nachsehen." Michael, Lucifer und Nyx stand auf eine Anhöhe von der man das gesamte Szenario überblicken konnte. Der Anblick war ebenso atemberaubend, wie fürchterlich. Eine Schlacht, Engel gegen Engel, Bruder gegen Bruder, Schwester gegen Schwester, Schwester gegen Bruder, Gabriel gegen Uriel. Michael bebte: "Sie wenden überhaupt keine Taktiken an, keine Strategien. Sie sind wie Kinder die mit Sand werfen, ihr könnt euch nicht vorstellen wie Grausam dieser Anblick für mich ist." Lucifer biss sich auf die Lippen: "Es sind Engel, sie sind stark, als ob sie sich die Mühe machen würden, zu lernen wie man im Krieg kämpft." "Du hast ja recht, aber der Anblick ist trotzdem..." Nyx wollte seinen Satz beenden: "qualvo-", doch dann war sie weg. Die beiden Engel sahen sich fassungslos an. Es hatte kein Geräusch gegeben, keine Vorwarnung und auch keinen Nachhall, von jetzt auf gleich war sie verschwunden, wie aus der Welt gerissen. Lucifer fand als erstes die Sprache wieder: "Das war...das Unerwarteste was ich, seit mehr als viertausend Jahren erlebt habe." Michael nickte. Eine Weile noch standen sie so da. Irgendwann war vom Schlachtgetümmel ein Horn zu hören und dann ein weiteres, die Fronten schoben sich auseinander und die beiden Parteien zogen sich zurück. Der Schwarzhaarige traf die Entscheidung: "Jetzt ist keine Zeit Nyx zu suchen, das hier muss ein Ende nehmen, alles andere muss warten. Wir sollten mit ihnen sprechen und herausfinden was geschehen ist. Ich gehe zu Gabriel und du zu Uriel." "Das halte ich für keine so gute Idee. Uriel hasst mich." Michael seufzte: "Aber Gabriel und ich waren befreundet." "Eben, mich als deinen Partner wird sie vielleicht nicht angreifen und mit Uriel wirst du wohl noch fertig." "Stimmt, also gehst du zu Gabriel und ich zu Uriel." "Ja, also dann." Michael zögerte: "Also dann." Sie küssten sich kurz, hauchten ein "Ich liebe dich" auf die Lippen des anderen und gingen getrennter Wege. Als Francis wieder aufwachte lag er Arm in Arm, mit dem fremden Mädchen, da und sie hatte ihn eng an ihren Busen gezogen. Es war ein angenehmes Gefühl so nah bei einem warmen Körper zu liegen und seine offene Zuneigung zu spüren, irgendwie kam es ihm vor, als seien sie von klein auf miteinander vertraut gewesen. Sie öffnete die Augen und lächelte ihn an, sagte aber nach wie vor nichts. Er auch nicht, sie sahen sich nur an und er konnte nicht umhin, ebenfalls zu lächeln. Dann fuhr sie ihm mit einem Finger über den Nasenrücken und er traute sich in ihre kurzen Haare zu fassen. Da sie so ungewöhnlich waren hatte ihn das von Anfang an gereizt. Sie waren hauptsächlich rostrot aber einige der vorderen Strähnen waren weiß und ihre Augenbrauen waren so hell, dass man sie kaum sah. Er versuchte ihre Iris genauer zu ergründen, sie war schlitzförmig, goldgelb und ungewöhnlich groß, wie bei einem Reptil. Sie zuckten zusammen, als sie Gepolter hörten und erschreckten sich auch ein bisschen, als Igot von oben hereinplatzte und sagte: "Kommt hoch, wie brauchen euch." Sie sahen sich verwundert an und standen auf, während Igot sie beide mit einem dezent fragenden Blick beobachtete. Zu dritt begaben sie sich nach oben ins Arbeitszimmer unterm Dach wo Rovan und Kyle sich stritten. "Sag mal ist dir die Definition des Wortes Wahnsinn bekannt?" Rovan schrie förmlich. Kyle fauchte zurück: "Wenn wir es aber doch sonst nicht genau wissen, dann mach ich`s halt und du hältst mich von gar nichts ab. Ich habe es geschafft dich zurückzuholen, dann schaffe ich auch das hier." Lioba fragte zaghaft: "Was ist denn los?" Kyle ächzte: "Ich will einen Blick in unsere Zukunft werfen." Rovan schnaubte: "Wie gesagt, Wahnsinn." Francis überlegte, ob es klug war wieder raushängen zu lassen, dass er von nichts eine Ahnung hatte, aber als Lioba kurz sanft seine Hand drückte ermutigte ihn das, auch wenn er sich fragte, woher sie von seiner Unsicherheit gewusst hatte. "Warum ist das denn Wahnsinn? Gibt es nicht ziemlich viele Wahrsager?" Die beiden streitenden beruhigten sich und Kyle versuchte eine befriedigende Antwort zu geben. "Viele Menschen stellen sich die Zeit als linearen Ablauf vor der vorgegeben ist und sich einfach nur abspielt, aber das stimmt nicht. Du kennst doch die Frage nach Gott." Der Junge nickte: "Ja, aber da ich jetzt weiß, dass es im Grunde alle Götter gibt, dachte ich diese Frage sei geklärt." Die Anwesenden verneinten beinah unisono und Igot erklärte weiter. "Die Frage nach den klar definierten Göttern der Menschen ist damit erklärt, aber nicht alles. Zum Beispiel weiß keiner, woher die Welt gekommen ist, das gesamte Universum und all die anderen Universen, wir existieren in einem riesigen Multiversum, umgeben von weiteren Multiversen. Es gibt zwar in beinah jeder Religion eine eigene Idee, wie die Welt entstanden ist aber keine davon trifft zu, die Welt ist um einiges älter als Götter oder Menschen. Soweit klar?" Francis nickte: "Das beantwortet aber noch nicht warum es Wahnsinn wäre in die Zukunft zu sehen." Rovan nahm den Faden auf: "Genau. Es ist Wahnsinn, weil man wahnsinnig dabei werden kann. Wir haben ja schon gesagt, dass die Zeit nickt linear verläuft, die Frage ist natürlich wie sie dann verläuft. Und das hängt mit der Gottfrage zusammen. Die Antwort auf die Gottfrage ist so weit klar, dass es ein Wesen gibt, welches diese Welt erschaffen hat, und auch immer noch erschafft. In Jeder Sekunde die wir hier sitzen erschafft das Gottwesen diese Welt. Es kann dabei beliebig in unserer Zeit springen und Dinge verändern, die vorher nicht da waren, aber wir können das nicht mitbekommen, weil es in unseren Köpfen einfach umgeschrieben wird. Es ist ungefähr so, als würde das Gottwesen unsere Welt malen. Vielleicht hat es dir ursprünglich grüne Haare gemalt, das war für dich vollkommen normal solange du sie hattest, aber dann fand das Gottwesen diese rote-blonden Zotteln besser und hat die grünen Haare weg radiert. Du hast jetzt also andere Haare als zuvor, aber für dich ist es so, als hättest du sie schon immer gehabt, weil die andere Farbe nicht nur geändert sondern ausgelöscht wurde. Aus diesem Grund, weil das Gottwesen jeder Zeit eingreifen kann, um etwas zu verändern ist unser Zeitstrang nicht linear sondern absolut variabel. Wenn man jetzt also versucht einen Blick in die Zukunft zu werfen, oder in die mögliche Zukunft, dann bedeutet das, dass man einen kurzen Blick in den Geist dieses Wesens wirft. Ein Geist der um einiges komplexer ist als der von uns. Denn wir entstammen quasi allesamt aus seinen Gedanken, nichts existiert in dieser Welt, was sich das Gottwesen nicht erdacht hat. Ich nehme an, du hast jetzt eine gewisse Vorstellung davon, was man riskiert, wenn man einen Blick in ein so allwissendes und allmächtiges Wesen wirft. Es ist Wahnsinn die Gedanken des Gottwesens lesen zu wollen. Und nur wenige sind dazu in der Lage es öfter als einmal zu riskieren." Damit endete die Erläuterung und Francis versuchte das zu erfassen. Irgendwann räusperte er sich: "In Ordnung, irgendwie habe ich das so halbwegs verstanden, aber ich frage mich schon, was das für ein Wesen ist. Ich meine, wie sieht es aus und ist es das einzige seiner Art. Ist es das letzte Gottwesen, sozusagen der endgültige Schöpfer oder naja..." Lioba schmunzelte: "Das wissen wir nicht. Rein theoretisch ist es möglich, dass auch dieses Wesen nur von einem höheren Wesen erschaffen wurde. Das werden wir vielleicht niemals wissen. Und da wir es vielleicht niemals wissen werden spielt es auch keine Rolle. Wir können schließlich nur dann mehr darüber erfahren, wenn das Wesen will, dass wir etwas erfahren und wenn es das will, dann wird es wohl auch so geschehen." Das befriedigte Francis nicht wirklich: "Damit findet ihr euch ab?" Kyle schmunzelte: "Die meisten, es gibt natürlich immer welche die mit dem Kopf durch die Wand wollen. Aber jetzt erst mal sollten wir über einfachere Dinge nachdenken. Ich bin immer noch der Meinung, dass ein Blick in die mögliche Zukunft die einzige Möglichkeit ist." "Ich halte es nach wie vor für Wahnsinn, aber ich kann dich eh nicht aufhalten." Der Hexer griff kurz nach der Hand des Halbnymphen und lächelte: "Stimmt, das kannst du nicht." Gabriel saß abseits der anderen, die sich eine Weile ausruhen wollten. Sie hatte sich bewusst etwas abgegrenzt und versuchte sich all die Dinge die in letzter Zeit geschehen waren logisch zu erschließen. Gott hatte sie in dieser Krise im Stich gelassen, manche munkelten sogar schon, dass er die Flucht ergriffen habe, weil seine Religion langsam an Macht verlor. Zufällig fanden Michael und Lucifer ausgerechnet dann wieder zusammen als Raphael und Uriel endlich zugestimmt hatten, Michael anzubieten zurück zu kommen. Und nun war sie zum Mittelpunkt des dritten Engelskrieges geworden, sie hatte schon fünf fürchterliche Schlachten geschlagen, alle gegen Uriel, zu Beginn noch mit Raphaels Unterstützung, aber sie war sich nicht sicher, ob auch nur einer von ihnen die nächste Schlacht gut überstehen würde. Frustriert und ratlos zupfte sie ein bisschen des Grases heraus. Es war so frisch und grün und voller Lebenskraft, dass es unwirklich wirkte. War es möglich zu himmlisch zu sein? Zurzeit wirkte alles für sie wie ein Film, den sie auf einer Leinwand sah. Sie warf das Grasbüschel weg und ächzte, als sie ihre schmerzende Schulter spürte, Uriel hatte sie unschön getroffen. "Ihr seid Verletzungen wohl immer noch nicht sehr gewohnt." Erschrocken drehte sie sich zu dem Sprecher um. Vor ihr stand Lucifer, mit einer Miene aus grimmigem Ernst auf seinem Gesicht den man sonst so nicht kannte. Der Gefallene machte eine abschätzige Geste: "Eine angespannte Lebenssituation bringt in mir den groben Zyniker zum Vorschein, bei dir offensichtlich den Miesepeter. Du siehst aus, als hätte der böse Nachbarsjunge dir deine Barbie geklaut und den Kopf abgerissen." Sie war immer noch ein Bisschen zu perplex, um irgendetwas antworten zu können. Sie hatte ihn nicht gespürt. Sie hatte nicht gespürt, dass er das Himmelreich betreten hatte, ihren eigenen älteren Bruder! Dieser schüttelte nun seinen Kopf. Seine braunblonden Haare waren länger, als das letzte Mal, als sie ihn gesehen hatte, langsam wuchsen sie ihm über die Schultern. Seine hellen Augen fixierten sie. "Warum...?" Das war das erste, was sie sagen konnte. "Warum ich hier bin? Naja, eigentlich wollten Michael und ich, die Sache ein für alle Mal mit euch klären, damit alle ihren Frieden haben, aber so wie ich das verstanden habe ist Dad nicht hier und ihr zankt euch, weil euer Sandkasten zu klein ist." Sie spürte Röte die ihr ins Gesicht schoss. "Du hältst das für verdammt komisch, du hattest schon bei den früheren Kämpfen viel zu viel Spaß, du hast Michael immer zu diesen falschen Dingen verführt." Lucifer seufzte: "Du liegst falsch, aber das wirst du mir wohl niemals glauben." Sie stand auf und verschränkte die Arme: "Ich bin gespannt." Er seufzte erneut und holte Atem. Dann schloss er kurz die Augen und begann es ihr zu erklären. "Michael und ich sind den Menschen am nächsten. Keiner von uns hat den anderen verführt, oder wenn überhaupt, dann haben wir das gegenseitig getan. Er hat mir das leidenschaftliche Kämpfen nahe gebracht und ich ihm das leidenschaftliche Lieben. Er ist aus freien Stücken bei mir und ich werde ihn jederzeit gehen lassen, wenn er das wirklich will. Ich liebe ihn wirklich mehr als Gott, oder die Vorstellung endlich zu sterben, mehr als diese ganze Welt. Glücklich wären wir beide, wenn wir dem gemeinsam ein Ende setzen könnten, aber sich bis dahin zu lieben ist sicher nicht verkehrt." Gabriel schlug die Augen nieder und hatte um Beherrschung zu kämpfen. Dann sah sie wieder zu ihm auf, ein wenig verzweifelt. "Wie geht es ihm?" Lucifer schmunzelte: "Vor ein paar Minuten, als wir uns verabschiedeten ging es ihm noch recht gut, er dürfte mittlerweile bei Uriel sein." Sie strich sich ein paar rote Strähnen aus dem Gesicht: "Bei Uriel?" "Genau." Orimiel sah ihrem Vorbild Uriel bei den Übungen zu und seufzte hingebungsvoll, sie versteckte sich hinter einigem Gestrüpp. Sie verstand Leidenschaft in keinster Weise, aber sie glaubte, wenn es jemanden gäbe für den sie eine solche empfinden konnte, dann wäre es dieser aufbrausende, unberechenbare Mann. Und auch wenn sie wusste, dass sein Herz mit irgendetwas oder womöglich irgendjemandem angefüllt war, verehrte sie ihn nur noch mehr. Sie betrachtete, wie jeder einzelne Muskel des Erzengels vom sanften Schein der Fackeln, die im Kreis aufgestellt waren abgemalt wurde. Dann trat aus der Dunkelheit, der nahe gelegenen Bäume ein Schatten, keiner bemerkte es, denn der Übungsplatz für Uriel war etwas abseits des eigentlichen Lagers. Aufgeregt versuchte sie die Erscheinung zu identifizieren. Er war dünn und hatte eine schwarze Mähne, aber bleiche Haut und in der Gegenwart dieser Person erschauerte sie, obwohl sie fast zwanzig Meter entfernt hockte. "Du übst immer noch jeden Tag Uriel? Findest du nicht, dass das verschwendete Mühe ist?" Orimiel schnappte nach Luft, wie konnte diese Person es wagen, so unverhohlen zu ihrem Meister zu sprechen?!? "Michael." Zischte der große Mann und nahm eine abwehrende Haltung ein. Der Schwarzhaarige schmunzelte und setzte sich vollkommen gelassen in den Fackelkreis, während Uriel stehen blieb, angespannt, wachsam. "Beruhig dich doch, ich werde dir nichts tun und ich habe auch niemand anderen dabei, der sich hinter mir in den Büschen versteckt, das würdest du doch spüren, oder nicht?" Uriels Gesicht war eine wütende Maske: "Natürlich, aber ich traue deinen Worten nicht." Michael zuckte mit den Schultern: "Dann nicht, ich kann auch so mit dir reden." "Was sollte ich mit dir bereden wollen? Du bist hier dran doch schuld! Schlimm genug, dass du unten immer wieder Kriege angezettelt hast, aber du hättest es niemals nach hier oben tragen dürfen!" Michael zuckte mit den Schultern: "Es gab auch zuvor schon Kriege, an denen sich Engel beteiligt haben, mit denen ich nichts zu tun hatte. Zugegeben, das sind keine Kriege zwischen Engeln gewesen aber...ich hoffe, dass du mir zumindest dieses eine glaubst, Lucifer und ich haben nichts mit dem Verschwinden unseres Vaters zu tun. Irgendetwas anderes ist hier im Gange und sich gegenseitig zu bekämpfen, wird die Situation nicht besser machen. Auch wenn es mir schwer fällt, das vorzuschlagen, das Beste, was wir in diesen verwirrenden Zeiten tun können ist uns zu verbünden um die Situation zu klären." Uriel schnaubte: "Tatsächlich fällt es mir sehr schwer das zu glauben." Michaels Gesicht blieb gelassen und kühl: "Uriel, Bruder, bist du so dumm oder nur so blind? Unser Vater ist verschwunden, wie hätten Lucifer und ich das tun sollen? Und noch viel wichtiger, wie können wir ihn festhalten, wenn wir jetzt doch beide hier sind? Mal abgesehen davon, dass ich das Gefühl habe, dass Jehowa nicht der einzige Gott ist, der verschwunden ist." Uriel wurde aufbrausend: "Er IST der einzige Gott!" Jetzt wirkte Michael nicht mehr ganz so gelassen: "Also bitte, Uriel, stell dich nicht blöd, auch wenn du bisher nur selten diese Zuckerwattewolken-und-Lollibaum-Welt verlassen hast, du weißt ebenso gut, wie jeder andere Engel, dass unser Vater nur ein Gott von vielen ist, sogar ein Gott, der seine Macht auf der anderer Götter aufgebaut hat. Seine Behauptung, der einzige Gott zu sein ist schlichtweg arrogant gewesen und heuchlerisch, so wie Vater es nun mal immer war." Jetzt hatte der größere genug, er rief: "Sprich niemals so über Vater!", und griff den schwarzhaarigen Knaben an. Orimiel wollte nicht hinsehen, sie wusste, was Uriel tun konnte und auch wenn dieser dürre Bursche anscheinend der legendäre Michael war, gegen Uriel konnte er einfach keine Chance haben. Gleichzeitig spürte sie ungeahnte Aufregung, sie hatte offenbar einen Funken in sich, der dafür sprach, dass Michael, dieser ruhige Junge, Uriel eine Lektion erteilen würde. Sie erbebte vor Scham, wie konnte sie ihrem Meister so eine Schmach nur wünschen? Uriel packte den noch sitzenden Michael und wollte ihm eben einen Kinnhaken verpassen, da wurde seine Faust schlaff und er sackte auf die Knie. Michael hielt nur einen Finger ausgestreckt: "Das beantwortet wohl meine Frage von eben, du bist immer noch dumm, schade. Im Übrigen rede ich über Vater wie es mit passt." "Scheißkerl...", ächzte Uriel und der Schwarzhaarige grinste: "Na, na...solch ein böses Wort aus dem Mund eines Erzengels...nun ja, da du grade so schön hier vor mir kniest, dann können wir unsere Unterhaltung auch zu Ende führen." "Lös erst die Starre." "Greifst du mich dann wieder an? Unter anderen Umständen wär das lustig, aber im Moment stört es ein bisschen und kostet uns auch wertvolle Zeit." Ein kurzes Zögern, dass murrte Uriel ein: "Na gut.", und Michael löste die Starre. Uriel setzte sich bequemer hin. "Das bedeutet immer noch nicht, dass ich dir traue." Michael nickte: "Im Moment weiß ich aber nicht, wie ich dir meine Aufrichtigkeit beweisen soll...also lass uns erst mal reden. Jehowa ist nicht der einzige Gott, der verschwindet. Ich weiß nicht, ob wir schon eine Verbindung ziehen sollten, aber vorhin ist Nyx direkt vor mir ins Nichts verschwunden und die Gottheit Vishnu scheint auch verschwunden zu sein. Ich habe Freunde in der Menschenwelt die vielleicht mittlerweile mehr darüber wissen, zumindest, wenn sie sich weiterhin mit dem Verschwinden dieses Vishnus befasst haben, wie sie sagten. Ich habe außerdem eine Frage, wie kam es zu eurer, wirklich sehr abwegigen Vermutung, dass Lucifer und ich etwas mit dem Verschwinden zu tun hätten?" Uriel runzelte die Stirn. "Als Vater verschwand schlugen einige Leute vor, dass man dir anbieten könnte zurück zu kehren. Wir wussten von unseren Kundschaftern, dass du und dieser...dass du und Lucifer keine Beziehung zueinander hattet, euch auseinander gelebt hattet, euch nur bekämpftet, wenn ihr aufeinander traft, es schien ein guter Augenblick um diesen Versuch zu wagen, für einige zumindest." "Du warst natürlich nicht dafür mich zurück zu holen." "Nein, war ich nicht.", Uriel verzog den Mund missbilligend. "Schon ok, ich verstehe das.", Michael grinste über jede Missgunst erhaben. Uriel setzte an, zu einer kurzen Erläuterung: "Nun, unsere Botin wurde von dir verdammt, wir erfuhren, dass du und Lucifer offenbar dabei wart, wieder zueinander zu finden. Dann seid ihr geflohen und wart nicht auffindbar, die meisten wussten nicht, was sie davon halten sollten. Aber für mich sah das danach aus, als hättet ihr Angst vor Strafe. Strafe für was? Ihr habt die Folgen eurer Taten ja bereits verbüßt, indem ihr dort unten wandeltet. Irgendetwas hattet ihr also vermutlich getan, was uns erzürnen würde, etwas wie zum Beispiel die Entführung unseres Schöpfers. Als ich diese Vermutung äußerte, war ich mir noch nicht sicher, aber es stimmten mir viele zu und so kam ich zu dem Schluss, dass es wohl die plausibelste Erklärung ist. Nur Gabriel mit ihrem riesigen, vor Trauer um dich blutenden Herzen hat dich weiterhin beschützt und verhindert, dass wir mit aller Härte gegen euch vorgingen. Daraus wurden zuerst Handgreiflichkeiten, dann ausgewachsene Prügelleien und schließlich haben sich die Fronten vollends verklärt und es wurde zu den Schwertern gegriffen." Michael seufzte: "Furchtbar, alles nur wegen dieses Missverständnisses. Ihr hättet niemals Ezra schicken dürfen, es gibt keinen Engel, den ich mehr verabscheue. Geflohen sind Lucifer und ich doch erst, weil ihr uns diese Schlange geschickt habt, wir dachten ihr hättet etwas gegen unsere Wiedervereinigung." "Dass ich nichts dagegen habe, kann ich auch nicht behaupten." "Jaja, ich weiß schon, Sünde blabla unverzeihlich blabla abscheulich blablabla...lassen wir das, darüber werden wir uns nicht einig werden können." "Und worüber willst du reden?" Uriel wirkte immer noch angespannt, aber nicht mehr so sehr wie zu Beginn. Orimiel sah mit Erstaunen, dass selbst ihr Meister nicht vor der außerordentlichen Aura dieses Engels gefeit zu sein schien und erst recht nicht vor seinen Worten. Sie hatte schon mehrmals den Versuch unternommen, sich loszureißen und zurück zu ziehen, weil das Risiko entdeckt zu werden, groß war und es sie ängstigte, aber sie konnte einfach nicht, sie war wie verwachsen mit dem Gras unter ihren Knien und Fingern. "Worüber kann ich schon reden wollen? Über Krieg natürlich. Präziser ausgedrückt will ich darüber reden, wie man diesen außerordentlich sinnlosen Krieg beenden kann." Uriel blieb einen Moment stumm, dann seufzte er und machte eine ergebene Geste. "Nun gut, dann rede weiter." _______________________________ Soo...endlich wieder ein Kapitel, ich hoffe es gefällt euch. Ich bin froh, dass ich Fran endlich ein bisschen Salbe auf die Wunden gönnen konnte...für den Augenblick. Für die, die sich fragen was der Titel denn nun eigentlich sollte...er ist eine kleine Erinnerung an mein Versprechen falls jemand den Bösewicht findet bevor die Zeit dazu kommt...und gleichzeitig auch eine Art Hinweis ;-) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)