About Blanc von Sengo-sun (MihawkxOC) ================================================================================ Kapitel 1: Prolog ----------------- Weiß bedeutete Klarheit und Tod. Es glich einem endlos erscheinenden Nichts, dessen Finsternis nicht dunkel und schwarz war, sondern blendend weiß. Selbst Eis veränderte sein Aussehen, sobald Licht es berührte und sich darin brach. Selbst Schnee veränderte sein Aussehen, wurde es warm schmolz er, stürmte es, wandelte er sich von der sanften Decke zum tobenden Ungeheuer im grauen Gewand. Doch jenes Weiß, welches seit Anbeginn ihre Haut durchzog, war ein Fehler der Natur und veränderte sich nicht. Es prangerte sie an und ließ sie schutzlos in der Sonne zurück. Rot, wie die Schlünde eines Dämons. Rot, wie der heißlodernde Rachen eines Drachens. Rot, wie neues, frisches Blut. Genauso rot starrte sie ihre eigenen Augen entgegen. Fehlende Farbpigmente in ihren Genen waren der Auslöser gewesen. Nicht nur für ihr Aussehen, sondern für ihr gesamtes Leben. Sie war verdammt, bevor sie überhaupt fähig gewesen war bewusst zu denken. Man schob sie in ein Nichts, bevor sie sich dagegen auflehnen konnte. Man verleugnete ihr Dasein, bevor sie überhaupt wusste, wie sich der erste Frühlingstag im Jahr anfühlte. Sie verkroch sich in den schwarzen Flecken ihrer Existenz, um keinerlei Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Doch ihre Eltern sahen sie, obwohl sie alles daran taten, das Aussehen ihrer missgestalteten Tochter zu beeinflussen, blieb sie weiß. Ein Albino, von seiner äußerlichen Abscheulichkeit gleichgesetzt mit einem Fischmenschen. Müde betrachtete sie ihr Spiegelbild. Ihre völlig farblosen Haare hatten ungewollt unter einer Schere gelitten und lugten nur noch vereinzelt unter einer Kappe hervor. Die Möwe auf der Vorderseite der Mütze stach ins Auge, obwohl sie recht klein war. Verdunkelte Gläser schirmten die Augen vor dem Licht ab, waren sie zu empfindlich und schwächlich um sich dagegen zu wehren. Prüfend zupfte sie an der Uniform der Marine. Die ungewohnte Blässe ihrer Haut passte sich dem weißen Hemd an. Während ihr Spiegelbildnis sie hinter getönten Brillengläsern anschaute, konnte sie kaum glauben, dass sie eigentlich zur weiblichen Sorte Mensch gehörte. Traurig lächelt das Spiegelbild. Vor ihr, hinter dem Glas stand kein wirklicher Mensch, sondern ein einsamer Geist, der zu seinem eigenen Bedauern in einem Körper gefangen war, der nichts mit Schönheit zu tun hatte. Es gab viele Frauen, die wunderschön waren, einen Körper besaßen wie eine irdische Göttin, doch bei ihr zählten diese Vorsätze nicht. Sie wurden schlichtweg außer Kraft gesetzt und schienen sie nachsichtig zu belächeln. Denn wo, bei einer normalen Frau Kurven wenigstens ein bisschen den weiblichen Körper hervortaten, schlackerte bei ihr die Kleidung wild umher, als sei sie ein Mast, dessen Segel im Sturm zerrissen waren und geisterhaft vom Winde verzerrt wurden. Sie war schlicht und einfach ein Mensch mit einem schlaksigen Körperbau. Weiblichkeit schien bei ihr jegliche Macht zu verlieren. Selbst für einen Jüngling war sie zu schmächtig und dennoch durchschaute niemand ihr Schauspiel. Zu spielen man wäre jemand völlig anderes, als man selbst, war um einiges einfacher, als nach seinem wahren Ich zu suchen und daran festzuhalten, dachte sie jedes Mal, sobald sie erneut Bestätigung bekam, dass niemand auf die Idee kam, dass sich unter dem Hemd eine weibliche Brust verbarg. So spielte sie jene Maskerade eines jungen Marinesoldaten, der einfach eine gewisse Scheue vor dem Sonnenlicht hatte und sich beim Duschen für seine Hühnerbrust schämte. Bis vor kurzem war niemanden jenes Maskenspiel aufgefallen, dafür hatte sie ein zu nichtsagendes Gesicht und verhielt sich außerordentlich stark im Hintergrund. Es war ihre eigene Art und Weise mit jener persönlichen Abscheulichkeit umzugehen, die sie seit den ersten Atemzügen begleitete. Seufzend öffnete der Geist – der wieder einmal ihr eigenes Spiegelbild repräsentierte – den Mund, dann erst drückte sie die Schultern zurück, straffte ihre selbst in Männerkleidung mickrige Gestalt und versuchte sich leicht mit einem aufmunternden Nicken für den folgenden Tag vorzubereiten. Doch innerlich wusste sie, es half nichts. Der Schmerz tief in ihrem Herzen hatte sein eigenes Gomorrha aufgeschlagen und wütete mit rotglühendem Zorn in ihrer Seele. Weiß wie Schnee und innerlich tot, dachte sie verbittert, verzog den Mund ein letztes Mal zu einem absolut misslungenen Lächeln, ehe sie sich abwandte und aus dem Raum schritt. Kühle Morgenluft begrüßte sie und die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne. Kurz beobachtete sie, wie das morgendliche Licht sich träge zu räkeln schien, um anschließend mit einem leicht entrückten und müden Grinsen die Welt wach zu küssen. Leicht resignierend setzte sie ihren Weg fort. Durchstreifte die langen Gänge des Marinehauptquartiers und hörte wie das Gebäude langsam erwachte, sich streckte und seinen düsteren Schlund zum Gähnen weit öffnete. Noch ehe sie die Kantine erreichte, hörte sie das geschäftige Rumoren, das leise Fluchen der Köche und das muffelige Murren der ersten Soldaten, wie sie sich bereits um den frischgebrühten Kaffee zankten, mit dem Erfolg, den Lemminge besaßen, wenn sie versuchten mit reinster Willenskraft die Welt unter ihren Pfoten zu beherrschen, bis sie feststellen mussten, dass Wasser zwar weich sein konnte, doch ab einer gewissen Höhe leider tödlich endete. Mutlos lächelte sie, bevor sie fast lautlos in die Kantine ging. Das Aroma frisch gebrühten, köstlich dufteten Kaffees, die ebenfalls frisch gebackenen Brötchen und bratenden Eiern, sowie Pfannkuchen erfüllte die Luft, schwängerte sie um ein Gefühl zu gebären, das entfernte Heimat bedeutete. Schwer schluckend schlich sie beinahe schon auf einen Tisch zu und kämpfte gegen die Bilder an, welche sich energisch gegen ihren inneren Wall drängten und mit roher Gewalt versuchten diesen einzustürzen. Verbitterung nahm ihr den Hunger und hinterließ einen säuerlichen Geschmack in ihrem Mund. „Hey, Avis, was geht?“, erschrocken zuckte sie zusammen als eine schwere Hand auf ihrer Schulter landete und eine Tasse dampfenden und bitteren Kaffees vor ihren Augen auftauchte. Ein breit grinsender Johnson folgte der Tasse auf den Fuß und in Avis protestierte freundschaftliche Freude gegen das tyrannische Regime ihrer eigenen Verbitterung, rebellierte und stieß für kurze Zeit die düsteren Gedanken über ihr eigenes Selbst und ihre Fehlexistenz von ihrem Thron, machte sich ungeniert breit und grinste selbstzufrieden. Ein kaum merkliches Lächeln lockerte ihre angespannten Züge auf und sie nahm dankend die Tasse an. Johnson tippte gegen seine Kappe und ließ ein langgezogenes „Puh“ verlauten, während er kritisch seinen eigenen Kaffee musterte. „Heut ist wieder ne Sitzung mit den Samurais.“, plapperte Johnson los und würde für eine Weile nicht mehr damit aufhören. Erneut grinste die Freude in Avis auf, hob triumphierend den Daumen und nickte ihr aufmunternd zu. Vielleicht würde heute ein besserer Tag sein und mit ihm eine bessere Nacht folgen, dachte sie und beobachtete mit amüsiert erhobener Braue, wie Johnson den Mund bewegte und unentwegt Wörter hervorbrachte. Er war ein Phänomen, das schamlos allerlei Vorurteile über Männer und Frauen zur Seite wischte und sich dort breit machte um ein neues Gefüge im Universum zu erschaffen, welches völlig losgelöst vom vorherigen entstand und wie ein pulsierender Ball prall gefüllten Lebens wuchs. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)