I want to sing von woaini ================================================================================ Kapitel 1: I met him -------------------- Wenn es um Musik geht sagt man, dass ich ein Genie bin. Meine Stimme wäre so klar. Meine Liedtexte wären so emotionsgeladen. Doch wenn es um das Menschliche geht, falle ich glatt durch. Ich bin launisch, rechthaberisch, egoistisch und, bis vor kurzem, auch noch eingebildet. Ich bin von meinem hohen Ross runtergekommen, als mein Vater mich aus der Wohnung schmiss, mein Manager meine Karriere erstmal auf Eis legte und mir verbot alleine zu singen. Aus dem ‚Ich’ sollte ein ‚Wir’ werden. Ich sollte mindestens einen Sängerkollegen bekommen. Das war wie ein Schlag ins Gesicht. Aber mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt und verstehe warum. Der plötzliche Ruhm ist mir einfach zu Kopf gestiegen. Wenn alle Scheinwerfer nur auf eine Person gerichtet sind, fällt es schwer auf dem Boden zu bleiben. Bei zwei Sängern ist man selber nicht 24 Stunden im Scheinwerferlicht, da ist mal der eine, mal der andere dran oder beide zusammen. Dennoch ist es nicht so einfach einen Kollegen zu finden. Zum einem mein Alter. Ich bin gerade mal 16 Jahre alt. Dann meine Klangfarbe, meine Stimme, dass was mich ausmacht, sie ist schwer zu synchronisieren mit einer anderen. Sprich, ich konnte bisher nicht im Duo singen, weil es sich scheiße anhörte. Zum anderen ist mein Charakter so schwierig, dass die meisten nicht mit mir zusammen arbeiten wollen oder ich sie so vor den Kopf stoße, dass sie weglaufen. Wenn das so weiter geht, kann ich nie wieder singen. Dabei fallen mir gerade jetzt die besten Songs ein. Es ist zum Mäuse melken. Ich will doch nur singen. Was bleibt mir auch schon übrig? Meine Familie ist immer noch sauer auf mich, Freunde habe ich keine und alles wofür ich lebe, ist Musik. Ich hätte nie gedacht, dass mir das Stargetue mal so zu Kopf steigt. Nun habe ich nichts mehr. Niemand unterstützt mich wirklich. Weil ich selbst Schuld bin an meiner Misere. Ich musste mich ja auch wie der allerletzte Idiot aufführen. Mein Kopf landet auf dem Schreibtisch. Ich brauche frische Luft! Ich verlasse mein Musikstudio, schlendere erst vor mich her, ich habe schließlich kein Ziel, bis mich etwas inne halten lässt. „I need dollar, dollar, dollar is what I need! Hey, hey!” Ich lausche. Bin überrascht, wie weich diese Männerstimme doch klingt, obwohl sie doch so tief ist. Ich folge der Stimme. Erwarte eigentlich einen Mann im mittleren Alter, da die Stimme so klingt, als hätte die Person so einiges hinter sich. Doch vor mir steht ein Junge in meinem Alter, mit einem Baseballcap und einem Fußball, den er immer wieder hoch titschen lässt. Seine Haut ist braungebrannt und groß gewachsen ist er auch noch. Während er mit dem Fußball spielt, singt er also. Und es klingt auch noch gut. Ich schleiche näher. Es klingt immer noch gut. „I need dollar, dollar, dollar is what I need! So help me!”, singt er plötzlich hell und klar, als wäre es so einfach als Mann diesen hohen Ton zu treffen. Okay, den will ich! Mit einem Lächeln auf den Lippen gehe ich zu ihm. Sofort hört er auf zu singen. „Hallo!“, beginne ich und bin gespannt, was da kommt. „Hn. Hallo!“, grummelt er leise vor sich hin, spielt weiter mit seinem Ball. „Ich kam gerade hier vorbei und habe dich singen gehört! Bist du in einer Band oder so etwas?“ Vielleicht ist er ja schon bei der Konkurrenz. Genervt schnaubt er, titscht den Ball noch einmal fester in die Luft, um ihn dann mit dem Kopf wieder hoch hüpfen zu lassen. „Ich habe keine Band! Und wie du siehst, bin ich beschäftigt!“ Ich bemühe mich nicht los zu schreien. Ich halte mich wirklich zurück. „Ich arbeite bei dem Plattenlabel hier um die Ecke und bin selbst Sänger. Hast du vielleicht mal Lust bei uns vorzusingen?“ Er hört auf Fußball zu spielen. „Wer will schon einen Namenlosen singen hören?“ und geht. Er lässt mich stehen. Und anstatt wütend zu sein, bin ich verwirrt. Am nächsten Morgen gehe ich wieder zur gleichen Zeit in den Park. Tatsächlich sitzt am gleichen Ort ein Junge und macht vermutlich gerade seine Hausaufgaben. Heute fällt mir auf, dass er Sachen trägt, die ihm zu groß, die ausgewaschen sind und an manchen Stellen mehr als einmal geflickt wurden. Ich setze mich neben ihn und esse mein Pausenbrot. Er sieht nicht mal auf. Wie fange ich jetzt am Besten ein Gespräch an? Ich bin nicht geübt darin. Ich starre ihn ein wenig gedankenverloren an. Bin überrascht, als er sich zu mir umdreht und mich direkt ansieht. Nicht nur seine Haut ist braun, seine Augen sehen auch aus wie herrliche Schokolade. „Starrst du immer die Leute an?“, fragt er scheinbar genervt. „Ich habe mich nur gefragt, wieso du so ein hässliches Teil auf dem Kopf trägst!“, gebe ich spitz zurück. Für eine winzige Sekunde lächelt er, ehe er die Mundwinkel missmutig nach unten verzieht. „Ich hatte halt nichts Schickeres für eure Durchlaucht!“ „Dann zieh die doch gleich aus, wenn sie dir nicht gefällt!“, ich reiße ihm seinen Hut vom Kopf und bin selber ganz erstaunt. Einem Busch gleich stehen ihm die braunen Haare zu Berge, aber so schlecht sieht es gar nicht aus, eher im Gegenteil. Zornige, braune Augen blitzen mich an. Irgendwie mag ich ihn ja. „Ist mir egal, ob du ein Popsternchen bist oder nicht, aber niemand klaut mir meine Kappe!“ Schneller als ich will, hat er seine Mütze wieder auf dem Kopf und versteckt seine ganzen Haare darunter. „Du weißt also wer ich bin?“, murmele ich immer noch verwirrt. „Die aus meiner Klasse kennen dich. Das reicht mir schon!“ „Dann haben die ja gar nichts mehr zu mir zu sagen im Moment…“ Es tut weh nicht mehr singen zu können. „Kein Problem. Mir persönlich ging dein ‚Ich-bin-der-Größte’- Getue eh auf den Zeiger, aber die aus meiner Klasse finden genau das toll an dir!“ Ich muss lachen. „Was ist denn so toll daran, wenn man sich wie ein Arschloch benimmt?“ Er klappt seine Unterlagen zu. Richtet sich zum Gehen. „Gleich und gleich gesellt sich nun mal gern. Die aus meiner Klasse sind auch Arschlöcher!“ Wieder geht er und lässt mich im Regen stehen. Vielleicht sollte ich aufgeben. Er singt gut, aber er mag mich wohl nicht so sehr. Am nächsten Tag regnet es. Kein Mensch ist im Park. Nur er sitzt wieder und hat nicht mal einen Schirm dabei. „I’m singing in the rain… Just singing in the rain…“, singt er leise. Heute trägt er keine Kappe. Der Regen tut sein übriges, seine Haare hängen wie ein nasser Mopp herunter. Aber er sieht nicht traurig aus. Nicht mal das blaue Veilchen unter seinem Auge scheint seine Laune zu trüben. „I’m singing in the rain, just singing in the rain…“, fängt er wieder an. „… What a glourious feeling, I’m happy again…“, singe ich weiter und setzte mich so neben ihn, dass er sich halb unter meinem Schirm befindet. „Kein Sauwetter dieser Welt hält dich wohl davon ab hier herzukommen, oder?“, fragt er amüsiert. „Dich hält es ja auch nicht ab her zu kommen!“ Eine Weile sitzen wir stumm nebeneinander. „Was ist mit deinem Auge passiert?“ „Bin in die Faust eines Mitschülers gelaufen…“ „Klingt ja als hättest du Spaß in deiner Klasse…“, meine ich sarkastisch und schließe meine Augen. Ich höre ihn leise lachen. „Mit den eingebildeten Typen? Hätten deren Daddys nicht so viel Geld, würden die schön alt aussehen!“ „Also gehst du auf eine Reichenschule…“ Ich bin neugierig. Er ist schon seltsam. Einerseits genauso abweisend wie ich, andererseits sitzt er hier so allein im Regen. Ich glaube, ich mag ihn einfach. „Was genau willst du eigentlich von mir?“ „Deine Stimme…“, flüstere ich leise und starre dumpf auf die Pfütze links von mir. „Ich will aber keinen Prinzen am Strand heiraten!“, antwortet er und steht auf. „Bevor du gehst, sag mir wenigstens deinen Namen!“ „Namaeshi*“ und fort ist er. Auch die nächsten Tage erscheine ich an unserem Treffpunkt. Nur Namaeshi ist nicht da. Es ist doch seltsam. Ich kenn den Typen nicht mal. Trotzdem weiß ich, dass diese Bandgeschichte nur mit ihm funktionieren würde. Seine Stimme passt und ich mag ihn. Am vierten Tag sitzt er wieder auf seiner Bank. „Heute keine Mütze?“ „Sie gehörte mir nicht…“, antwortet er und beißt in einen Apfel. „Wer nennt sein Kind eigentlich Namaeshi?“, frage ich während ich mich neben ihn setze. „Na ja, so nennt man ein Kind, dass mit einer Woche im Heim in einem Gebüsch gefunden wurde. Und das keinen Namen hatte.“ „Du wurdest im Heim abgegeben?“ Das erklärt seine Klamotten. „Konnte man dir keinen besseren Namen geben?“ Irgendwie tut er mir leid. „Sie wollten nicht. Also nennt man mich Namaeshi!“ Schulterzuckend steht er auf. „Haust du schon wieder einfach ab?“ Er dreht sich verwundert um. „Ich habe noch Unterricht! Wenigstens einmal die Woche gehe ich zum Fußball, wenn ich den Rest vom Sport schon schwänze.“ Ich folge ihm einfach. Bin sein Schatten. Die Saint Claire Schule ist wirklich eine Reichenschule. Wenn er im Heim lebt, wieso geht er dann hier auf diese Schule? Ich setze mich auf die Tribüne, während er zu seiner Klasse geht. Tatsächlich sitzen hier eine handvoll Leute mit abgetragenen Klamotten. Sie fallen sofort auf unter den Edelklamottenmarken. Das Spiel ist langweilig. Namaeshi wird auch gar nicht erst eingewechselt, obwohl er echt gut spielt. Er spielt alleine am Rand des Feldes mit seinem Ball. Und seine Mannschaft spielt echt beschissen. Ich verstehe nicht, warum sie ihn nicht einsetzen. Am nächsten Morgen hat er eine aufgeplatzte Lippe. „Wieder in eine Faust gelaufen?“, frage ich ihn und setze mich wieder einmal neben ihn. „Wohl eher in Fäuste…“, seufzt er und hält sich ächzend den Bauch. „Soll ich dich zum Arzt bringen?“ Er lacht leise. „Was willst du? Wieso willst du mit einem Namenlosen reden?“ Ich schüttele den Kopf. „Du bist vielleicht Namenlos, aber doch nicht Gesichtslos! Ich finde es nun mal nett mich mit dir zu unterhalten, das ist alles!“ Er sieht mich verwundert an. „Du bist seltsam!“, ist seine schlichte Antwort. „Um ganz ehrlich zu sein, will ich dich immer noch überreden mit mir eine Band zu gründen.“ Er kratzt sich am Kopf. „Du willst ein Waisenkind ohne Namen in eine Band kriegen? Hast du Fieber oder was?“ „Ist doch egal, ob du Eltern hast oder nicht! Und wegen deinem Namen: Wenn du noch keinen hast, dann mach dir doch einen mit unserer Band!“ Er sieht mich ein paar Sekunden lang stumm an. „Und wie soll ich das machen? Ich habe Schule und tanzen kann ich auch nicht!“ Ich überlege einen Moment. „Komm morgen mit deinem Fußball hierher, dann bringe ich dir das Tanzen schon bei!“ Dieses Mal gehe ich vor ihm fort. Lächel still in mich hinein. Am nächsten Tag kommt er zu spät. Aber er hat seinen alten Fußball dabei. Grinsend sehe ich ihn an. „Ich dachte, wir machen einen Deal: Du und ich werden eine Band gründen und öffentlich singen und ich komme auf deine Schule und zeige deinen Neureichen Arschlöchern, wie wichtig unser Namaeshi ist und das es ganz gemein ist, wenn man ihn verprügelt!“ „Du bist nicht nur seltsam, sondern auch verrückt!“ Und ich muss lachen. „Glaub mir, ein bisschen Eigennutz ist schon dabei!“ Fragend sieht er mich an. Dann zuckt er mit den Schultern. „Warum sollte ich jetzt mit einem Ball auftauchen?“ „Ganz einfach, du sollst singen und dabei mit deinem Ball spielen!“ Er zieht eine Augenbraue hoch. „Das ist alles?“ Ich lache erneut. „Ab und an gebe ich dir eine Anweisung und du kannst dann daraus machen, was du willst!“ Am Anfang sieht es noch etwas steif und nach Nichts aus. Erst bei der zweiten Strophe von ‚Hot and Cold’ blüht er auf, bewegt sich mehr. Selbst der dämliche Fußball sieht gut aus. Jemanden das Tanzen mit einem Fußball beizubringen, dass mach mir mal einer nach! Stolz wie Oskar sehe ich ihn an. Es ist dunkel geworden. Zum Schluss habe ich ihm einfache Tanzschritte ganz ohne Ball beigebracht. „Und wofür war jetzt das ganze Herumgehüpfe?“, fragt er und wischt sich den Schweiß von der Stirn. „Damit ich meinen Manager was von dir zu erzählen habe!“ Er sammelt seinen Ball auf, wischt ihn sauber. Beinahe liebevoll streichelt er den Ball. „Steht unser Deal?“ Fragend sieht er mich an. Kopfschüttelnd setze ich mich, fächere mir Luft zu. „Du und ich bilden eine Band, ich bin dein Freund und komme auf deine Schule. Klingt das fair?“ Mein Gott, dann werden wir eben Freunde! Ich kann ihn ja gut leiden und so. „Das klingt, als wolltest du mich einkaufen, wie ein Päckchen Kaugummi im Supermarkt!“ Wie vor den Kopf gestoßen sehe ich ihn an. Und er lacht. „Da du eh nicht der erste wärst, der das macht… Okay, ich stimme vorerst deinem Deal zu!“ Und er geht. Immer noch lachend. Während er leise vor sich hinsummt. „Bye, bye Hollywood Hills! I’m gonna miss you…“, singe ich passend zu seinem Gesummten. *Namaeshi=Namenlos Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)