Der Vollmondfluch von Gisi ================================================================================ Kapitel 6: ----------- Antoinette wusch die Wäsche. Der Regen hatte erneut begonnen, doch die Regentropfen störten sie wenig. Wo sie doch ihre eigenen Tränen mit wegwuschen, wenn sie ihr aufs Gesicht tropften. Seit wann war ihr Leben nur so kompliziert? Ihren Grübeleien und ihren Tränen hingebend ließ sie die Arme sinken, sodass eines von Monsieur Roziers weißen Hemden in den Dreck fiel. Antoinette beachtete dies gar nicht. Sie wünschte sich zurück in ihr Leben. In ihr Leben als Tochter eines Bauern. Zurück in die Zeit von vor 14 Jahren. Sie schlug sich dir Hände vor Gesicht und weinte bittere Tränen. Sie sehnte sich in Leonards Arme zurück oder in die des Prinzen. Beide wären für sie da und würden sie verstehen, da war sie sich sicher. Ihre Gedanken kreisten um Leonard. Wer war er nur wirklich? Und konnte sie ihm überhaupt vertrauen? „Antoinette?“ Madam Roziers Stimme hallte wie von weitem und durch Watte an ihr Ohr, „Mädchen, was treibst du denn hier?“ Sie zog Antoinette in ihre Arme. Die junge Frau zitterte. Sie fror und weinte bitterlich. „Komm ins Haus. Ich mache dir einen Kräutertee.“ Ohne Widerrede folgte die junge der alten Frau ins Haus. Gedankenverloren starrte Antoinette die Wand an. Sie war wie in Trance und bekam nicht mit was um sie herum geschah. Erst der dampfende, duftende Tee, holte sie in die Realität zurück. „Nun trink, mein Kind.“ Die Alte hatte sich neben Antoinette gesetzt und strich ihr liebevoll durchs nasse Haar. „Es ist viel passiert, nicht wahr? Das ist alles zu viel für dich. Du musst dich ausruhen. Bald wird es dir schon viel besser gehen.“ Antoinette nickte stumm und Madam Rozier lächelte, während sie Antoinette beobachtete. Leonard ließ sich auf sein Bett fallen. Alles um ihn herum schien ihm so irreal. Er rieb sich die Augen und verschränkte dann die Arme hinter seinem Kopf. Noch immer trommelte der Regen auf die Dächer und der Wind wehte eine leichte, kühle Brise ins Zimmer. Sobald Leonard die Augen schloss sah er unzählige Gesichter vor sich. Er seufzte. Der Mond schien durchs Fenster, wenn die Wolken ihn ließen. Böse funkelte er den Mond an. Wie er ihn hasste. Leonard erinnerte sich daran, wie seine Mutter und er vor dem Haus gestanden hatten und sie ihm die Sternbilder gezeigt hatte und en großen, schönen Mond. Seine Mutter war früh gestorben und ihr Tot hatte ein großes Loch in seinem Leben hinterlassen. Ihm fiel auf das er seit Jahren nicht mehr über sie nachgedacht hatte. Er rief sich ihr Gesicht in die Erinnerungen und schlief mit diesem Gesicht vor den Augen ein. Am nächsten Morgen ging Antoinette wieder auf den Markt. Als sie dastand und ihre Ware feil bot, fühlte sich ihr Leben beinahe wieder normal an. Thomas saß zu ihren Füßen und malte Bilder im Sand. Viele Marktbesucher waren dieselben wie früher und so wurde sie mit Fragen überhäuft und freudig begrüßt. An diesem Tag nahm sie mehr Geld ein als an gewöhnlichen Tagen und trotzdem war sie am Abend nicht glücklich. Wie sehr musste sie sich verändert haben, wenn sie ein Tag wie dieser nicht mehr glücklich stimmte? Monsieur Rozier saß da und kratzte sich mit dem Federhalter am kahlen Kopf, als Antoinette die Küche betrat. Er grübelte über den Inhalt eines Briefes an seine Schwester. „Oh pardon, ich wollte Sie nicht stören“, sagte sie Schuldbewusst. „I wo, du störst mich niemals Antoinette“; lachte er daraufhin, „vielleicht kannst du mir sogar helfen.“ Er grinste schelmisch wie ein kleines Kind, „ ich weiß doch nicht was meine Schwester von mir wissen will.“ Antoinette versuchte zurück zu lächeln, aber die gute gemeinte Geste kam ihr nicht über die Lippen. „Was bedrückt dich, dass du nicht einmal mehr über die Witze eines alten Mannes lachen kannst, mein Kind?“ „Nicht Monsieur, es geht mir gut.“ Er zog eine Augenbraue hoch, schüttelte den Kopf und stand auf. Er stellte sich direkt vor Antoinette. „Antoinette, du kannst mir alles sagen, das weißt du. Ich habe dich und deinen Bruder nicht umsonst hier her eingeladen, ich wollte das es euch gut geht und jetzt sieh dich an.“ Antoinette sah zu Boden. „Ich weiß nicht was mich bedrückt. Ich- ich weiß es einfach nicht. Es kommt mir alles so- so falsch vor. Ich wünschte so sehr, wie noch nie zuvor, Vater sei noch am Leben.“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen und sie schlug die Hände vors Gesicht. Beruhigend legte Monsieur Rozier seine Hände auf ihre Schulter. „Ja das glaube ich gerne. Mir geht es ähnlich. Dein Vater war ein guter, ehrlicher Mann, er hat so ein Schicksal nicht verdient und du genauso wenig Antoinette. Am besten ruhst du dich ein wenig aus.“ Sie nickte und ging in ihr Zimmer. Monsieur Rozier war so ein guter, liebevoller, vertrauenswürdiger Mann. Leonard versorgte die Pferde. Langsam war wieder Normalität in sein Leben eingetreten, aber er wusste das es sich schon bald wieder ändern würde, denn bis Vollmond waren es nur noch knapp 1 ½ Wochen. Eine viel zu kurze Zeit, aber er war sich sicher, dass es das letzte Mal sein würde das Antoinette und Thomas in einer Vollmondnacht in Gefahr sein würde. Was auch immer die Alte vorhaben sollte, er würde da sein und allem ein Ende machen. Das schwor er bei seinem Leben. „Leo?“ Baptiste stand in der Tür. „Baptiste?“ „Es tut mir leid, es tut mir wirklich leid, dass ich so- so blöd zu dir war.“ „Nicht schlimm, wir waren wohl beide gleich schuld“, meinte Leonard und sah seinen Freund an. „Ich weiß nicht was in deinem Leben gerade passiert, aber ich will diese gute Freundschaft nicht aufs Spiel setzten, ich hoffe sehr das du mir verzeihst.“ Leonard lachte. Zum ersten Mal seit langer Zeit freute Leonard sich wieder. Er schloss seinen Freund in die Arme und klopfte ihm auf den Rücken. „Was ist mit Antoinette und Thomas? Warum sind sie wieder weg? Das ergibt keinen Sinn.“ „Frag nicht mon frére, du würdest es nicht verstehen.“ Baptiste zog eine Augenbraue hoch, sagte aber nichts. Leonard war froh, dass Baptiste von sich aus gekommen war, auch wenn er sich selbst für viel schuldiger hielt als ihn. Der letzte Tag vorm nächsten Vollmond begann mit strahlendem Sonnenschein. Antoinette fühlte sich müde und ausgelaugt. Sie rieb sich die Augen und stand vorsichtig von ihrem Bett auf. Die Vögel sangen ihr Morgenlied und versuchten scheinbar Antoinette den Tag zu versüßen. Doch schon seit einiger Zeit hatte Antoinette keine Freude mehr empfunden. Sie hatte das Gefühl seit vielen Jahren nicht mehr gelacht zu haben. „Antoinette?“, die raue Stimme der alten Madam Rozier drang durch die Türen ihres Zimmers. „Ah du bist schon wach schön. Es gibt Frühstück. Thomas ist auch schon wach.“ „Oh bonjour Madam, ich komme sofort.“ „Hetz dich nicht, wir haben doch alle, alle Zeit der Welt“, die Alte Frau lächelte sie an. „Danke sehr.“ Die Alte lachte leise und verließ das Schlafgemach. Thomas baumelte mit den Beinen. Er saß, wie immer, auf der Kante des großen Brunnen in der Mitte des Marktplatzes auf dem Antoinette ihre Waren feil bot. Er summte vor sich hin, als ein paar Reiter auf ihn zu kamen. Als er die Reiter erkannte, sprang er auf und lief ihnen entgegen. „Leonard, Baptiste.“ Die Reiter stiegen vom Pferd. Leonard strich Thomas durchs Haar. „Na Thomas, wie geht es dir mon frére?“ Er grinste, „Gut.“ „Wo ist denn Antoinette?“ Leonards Blick ging Hoffnungsvoll, beinahe Sehnsüchtig durch die Menge. „Dort drüben Leo“, flüsterte Baptiste und zeigte unauffällig zu einem Stand. Ein Lächeln ging über Leonards Gesicht. Thomas und Baptiste unterhielten sich während Leonards Füße ihn immer näher zu Antoinettes Stand führte. Tief in seinem Innersten wusste er, dass es keine gute Idee wäre zu ich zu gehen, doch sein Herz führte ihn Schritt für Schritt näher zu ihr, bis er jemand anderes am Stand erkannte. Jemanden den er sehr gut kannte. Der Prinz, der Älteste, stand vor ihrem Stand. Der Prinz begutachtete die Früchte und das Gemüse ihres Standes. „Wollt Ihr- wollt Ihr nur meine Früchte ansehen, oder vielleicht auch etwas kaufen.“ „Geht es dir wirklich gut Antoinette?“ „Ich weiß nicht was sie meinen euere Majestät?“ „Antoinette“, der Prinz ging so nahe an sie heran, wie es der Stand erlaubte, „ich denke wirklich das es nicht gut war das du und Thomas das Schloss verlassen habt.“ „Macht Euch keine Sorgen, bitte.“ Der Prinz strich ihr sanft übers Gesicht. „Nun, es ist alles deine Entscheidung, aber du weißt doch noch was ich dir versprach und das gilt immer noch.“ „Ja, ich weiß es noch. Danke sehr.“ Leonard sah den Prinzen und erkannte, dass es keinen Sinn haben würde, wenn er nun zu Antoinette gehen würde. Seine Hände kribbelten beim Anblick des Prinzen, doch er riss sich zusammen und wandte sich von ihr ab. „Leo?“, Baptiste war hinter ihn getreten und hatte ihm seine Hand auf die Schulter gelegt. Leonard zuckte zusammen. „Entschuldige mon ami, ich wollte dich natürlich nicht erschrecken, ich wollte wissen ob wir weiter ziehen wollen.“ Leonard sah noch einmal zu Antoinette und nickte dann. Die beiden jungen Männer verabschiedeten sich von Thomas und ritten davon. „Grande Soeur?“ Thomas lief zu seiner Schwester. „Hast du gesehen, dass Baptsite und Leonard auf dem Markt waren?“ Antoinette sah ihn an. „L- leonard war auf dem Markt? Nein ich habe sie nicht gesehen.“ Thomas verschränkte die Hände hinter seinem Kopf. „Ich glaub sie wollten zu dir, aber sie haben dich wohl nicht gefunden.“ Antoinette war im Gedanken. Wenn Leonard wirklich nach ihr gesucht hatte, dann hätte er sie gefunden. Plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen, der Prinz hatte Leonard zurück gehalten. Leonard musste sich schuldig fühlen, ein schlechtes Gewissen haben, das ihm vor dem Prinzen zurück schrecken ließ. Langsam ging die Sonne unter und Antoinette und Thomas gingen heim. In einer Vollmondnacht waren sie beide nicht erpicht darauf länger als nötig im Dunkeln zu bleiben. Als sie im Haus der Roziers ankamen, war Monsieur noch nicht zurück. Er war am Morgen früh aufs Land gegangen und hatte eine späte Rückkehr angekündigt. Einzig Madam Rozier war noch im Haus. „Madam? Fürchtet Ihr nicht zu später Stunde im freien zu sitzen?“ Madam lächelte. „Ich fürchte mich nicht. Ich fürchte mich schon lange nicht mehr vor der Dunkelheit.“ „Na wenn Sie meinen“, sagte Antoinette, „aber bitte erkälten Sie sich nicht.“ „Mach dir keinen Sorgen mein Kind.“ Antoinette ging mit Thomas ins Haus. Sie brachte ihn ins Bett. Als sie ihr eigenes Zimmer betrat leuchtete der Mond ihr ins Gesicht. Unweigerlich musste sie an Leonard denken und daran das sie keine Ahnung hatte welcher ihrer gegangenen Schritte richtig und welcher falsch gewesen war. Sie rieb sich das Gesicht. „Du siehst gestresst aus Mädchen“, die alte Stimme erklang von der Tür. „Es geht mir gut“, sagte Antoinette. „Schön das zu hören“, sagte Madam Rozier, „aber ich bin mir nicht so sicher ob es noch lange so bleiben wird.“ Madam ging auf Antoinette zu. „Der Mond leuchtet heute in seinem schönsten Licht, findest du nicht Antoinette.“ Antoinette sah sie fragend an. „Weißt du eigentlich wie lange ich schon auf diesen Moment warte? Der Mond und du, die letzte Erbin des Vermächtnisses, oder besser die Freundin des Verräters.“ „W- was meint Ihr?“ Madam Rozier legte ihre Hand auf Antoinettes Schulter. Langsam krallte Madam Rozier sich fest. Ihre Finger waren längst zu schmutzigen Krallen geworden. Ihre Haut war aschgrau und fahl. Ihr Gesicht lag im Halbdunkeln des Raumes trotzdem leuchteten ihre Augen bedrohlich. „Sie- sie sind…?“ Antoinette schluckte. „Nette Überraschung, nicht wahr Mädchen?“ Baptiste war auf Leonards bitten hin zum Schloss vorgeritten. Er war gerade aus Leonards Sichtfeld verschwunden, als seine Verwandlung einsetzte, doch noch bevor die Verwandlung vollständig vollzogen war wurde Leonard vom Vampirklan umzingelt. „Du bist also wirklich nicht auf meinen Rat eingegangen, also bedeutet dir die Kleine wirklich nichts?“ Maxime stand direkt vor Leonard und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Leonard funkelte ihn böse an, seine Augen leuchteten vor Hunger und Gier. „Rat, dass ich nicht lache. Ich traue dir nicht Maxime.“ Eleonore trat aus der Gruppe hervor. Sie sah zu Boden. Vorsichtig nahm sie seine Hand. „Maxime hat die Wahrheit gesagt. Ganz ehrlich. Du solltest zu ihr. Rette sie, sie kann dir mehr geben als ich.“ Leonard sah sie an, eine Träne tropfte auf den Boden. „Geh schon“, hauchte sie noch einmal. Leonard ließ sich das nicht zweimal sagen und ritt sofort davon. Madam Roziers Krallen durchbohrten Antoinettes Schulter. Langsam lief das leuchtend, rote Blut die nackte Schulter herunter du tropfte zu Boden. „Wie gut du riechst“, zischelte die Alte, wie eine Schlange. Antoinette biss die Zähne zusammen um ein zittern zu vermeiden. Die Alte bläkte die Zähne. „So lange warte ich schon darauf.“ Mit ihrer Zunge leckte sie die Wunde. Langsam stießen ihre Saugzähne hervor und genauso langsam nähert sie sich Antoinettes Kehle. Ihre Zähne berührten gerade die dünne, weiche Haut, als Leonard durchs Fenster sprang. „Lass sie los du Hexe“, rief er und stieß Madam Rozier zur Seite. „Du willst mich aufhalten, meine lang geplanten Plänen zu Nichte machen?“ Sie lachte. „Ein Knirps, wie du, ein Jungspund, der noch keinerlei Erfahrung mit diesem Leben hat.“ „Wenn du Rache üben willst, Hexe, dann nicht an ihr. Hörst du?“ „Oh Leonard, du taumelst von einem Mädchen zum Anderen und du glaubst wirklich, dass sie jetzt die Richtige ist?“ „Was willst du mit all diesem erreichen? Was bringt es dir Antoinette zu töten?“ Die Alte packte Leonards Arm. Ihre Krallenfinger bohrten sich in seine Haut. „Du weißt nicht was ich durch gemacht habe. Ohne mich gäbe es dich nicht, oder- oder Eleonore. Du warst immer ein Teil meines Racheplanes für Maxime.“ Ihr Gesicht war dem von Leonard so nahe, das dieser ihren Atem spüren konnte. „Riechst du das? Du kannst es alles haben und Eleonore auch noch. Ist es nicht das was du willst?“ Leonard riss sich los. „Halt Eleonore aus deinen Racheplänen raus und Antoinette auch.“ „A- antoinette? Leonard?“, die verschlafene Stimme Thomas’ drang durch das Streitgeschrei zwischen Leonard und Madam Rozier. Antoinette hastete zu ihm. „Geh, geh schnell wieder schlafen, mein Kleiner, mein lieber süßer…“ „Wie herzig“, Madam Rozier lachte kalt, „was für eine Freude das der Kleine auch noch hier ist, dann können wir ihn uns auch noch zu Gemüte führen.“ Sie grinste Leonard böse an. „Lassen Sie das, lassen Sie Thomas daraus, er hat nichts damit zu tun. Er ist noch ein Kind.“ „Oh ja und Kinder mag ich besonders gerne.“ Die Alte ging auf Antoinette und Thomas zu. „Zum letzten Mal Hexe, lass sie in Ruhe.“ Sie verdrehte die Augen. „Leonard, wie kannst du dich nur so gegen deine Natur währen, du riechst es doch, das Blut und es macht die ganz wahnsinnig, vor allem weil du heute noch nichts gehabt hast, nicht wahr? Ich überlass dir das Kind, es sollte reichen.“ „Mach keine bösen Witze Hexe. Ich werden ihnen kein Haar krümmen.“ „Schon klar, du machst dich für ihr Leid schuldig. Oh ja und wenn man es genau bedenkt, dann bist du ja auch schuldig.“ „Du.“ Leonard griff Madam Rozier an. Trotz ihres, doch recht hohen alters, war sie wendig und schnell wie eine Schlange. „Du kannst mich nicht töten. Ich bin stärker als du und du weißt das.“ Ohne auf die Worte der Alten zu achten griff Leonard sie erneut an. Antoinette umklammerte ihren Bruder so, dass weder er noch sie Leonard und Madam Rozier sehen mussten. „Was, was passiert hier? Was ist mit Madam und warum ist Leonard hier?“ „Nein, es ist… Bitte mach dir keine Sorge Thomas, bitte.“ Antoinette liefen Tränen über die Wangen. Thomas sah sie an. „Grande Soeur“, Thomas schüttelte sie, „was, was ist hier los? Antoinette?“ Thomas zitterte, doch Antoinette zitterte mehr. Sie klammerte sich an ihren Bruder, sie weinte, zitterte und sie schien mehr Angst zu haben als ihr Bruder. Leonard warf immer wieder einen Blick auf das verängstigte Häufchen. Er hatte Angst das Antoinette und Thomas etwas passieren könnte und er wusste das er sich nicht mehr lange zusammen reißen könnte. Der Geruch ihres Blutes machte ihn so wahnsinnig, das er nur schwer die Kontrolle über sich behalten konnte. Er nahm das Fenster ins Visier, wenn er es nur schaffte da durch zu kommen, dann wären Antoinette und Thomas in Sicherheit. Er musste es schaffen und er hatte nur einen Versuch. Er konzentrierte sich nur noch auf die Öffnung in der Wand. Erst als er hindurch war atmete er auf. Er sprintete fort, so weit und so schnell er konnte weg vom Haus. Ein kalter Wind pfiff um ihn herum, eine erste Ankündigung des Herbstes, der schon bald vor der Tür stehen würde. Hinter den Schlossmauern kamen die ersten Sonnenstrahlen zum Vorschein und mit ihnen begannen Leonard und Madam Rozier sich zu verwandeln. „Dieses Mal hast du mich noch aufhalten können Leonard, aber du weißt dass es dir nicht noch ein zweites Mal gelingen würde.“ „Mag sein, aber ich hab immer noch nicht verstanden warum du hinter Antoinette her bist. Was hat sie dir getan?“ Leonard drehte sich zu der alten Frau um, diese lächelte ihn an. „Welche Ironie“, sagte sie, „wenn du wüsstest wie ähnlich du deiner geliebten Eleonore bist. Doch auch du wirst meine dunklen Pläne nie verstehen und deshalb bin ich auf der sicheren Seite.“ Mit diesen Worten drehte sie sich von ihm weg und verschwand in der aufgehenden Sonne. Antoinette und Thomas liefen auf Leonard zu. Die Müdigkeit hatte ihn eingeholt und er sackte in sich zusammen. „Leonard“, Antoinettes Stimme war gebrochen, sie schluchzte. Sie hockte sich zu ihm und strich ihm die, vom Schweiß verklebten, Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Ist alles in Ordnung? Geht es dir gut?“ Er sah sie an, so gut er noch konnte und nickte schwach. „Ich bin froh“, schluchzte sie und fiel ihm um den Hals. Er erwiderte ihre Umarmung und drückte sie so fest er noch konnte an sich. „Ich auch“, hauchte er, „ich hatte Angst das dir und Thomas etwas passieren könnte.“ Antoinettes Tränen tropften auf Leonards Gesicht. „Madam. Ich. Ich wusste nicht, ich wollte nicht…“, Antoinette rang um ihre Stimme, doch Leonard schüttelte nur mit dem Kopf. „Lass gut sein. Es ist nicht deine Schuld“, sagte er und flüstere: „Nein du bist wohl die, die am wenigsten Schuld trifft.“ Er schloss die Augen. „Thomas“, sagte Antoinette, „hol schnell dein Pferd. Wir müssen Leonard zum Schloss bringen. Er braucht Hilfe.“ Thomas tat was seine Schwester ihm auftrug und holte Coeur Sauvage. Zusammen hiefften sie Leonard auf das Pferd. „Setzt dich zu ihm, Thomas und sorg dafür, dass er nicht vom Pferd fällt.“ „Ist gut Grande Souer.“ Sehr langsam machten sich Antoinette und Thomas auf zum Schloss. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)