Lichtbringer von MilliBee (Der Fall des Lichkönigs einmal anders...) ================================================================================ Kapitel 16: Das kalte Herz -------------------------- „Zunächst möchte ich allen für das schnelle Erscheinen zu dieser frühen Stunde des Tages danken.“ Fordring sah in die Runde. König Varian, Erzmagier Rhonin und selbst der überkorrekte Kallian von Seebrück, der anstelle Balinar von Breenan stellvertretend für den Orden der silbernen Hand anwesend war, hatten sich keine Zeit für eine Rasur genommen. In Muradin Bronzebarts knorrigem Gesicht zeichneten sich noch die Druckspuren seines Kopfkissens ab und Dame Jaina Prachtmeer hatte ihr Haar hastig zu einem schlechtsitzenden Knoten geschlungen. Die Mondpriesterin Daidanis Silberschatten und Waffenführer Lorieth Luchsklaue hingegen wirkten wie immer wie frisch aus dem Ei gepellt. Man stand um einen runden Tisch in dem kleinen Kaminzimmer neben dem großen Kartenraum, das Feuer brannte erst kurz und hatte den Raum noch nicht auf angenehme Temperatur hochgeheizt. Jaina Prachtmeer zog fröstelnd ihren Umhang enger um sich herum. Ganz anders Varian Wrynn, dessen dünnes Hemd auch noch halb offen stand. Völlig unbeeindruckt von der Kälte stemmte der König seine Hände in die Hüften und sah den alten Hochlord unverholen mißmutig an. „Nun, Hochlord Fordring, ich hoffe, das, was ihr uns mitzuteilen habt rechtfertigt die Dringlichkeit, mit der ihr uns zusammengetrommelt habt.“ Fordring sah ihn mit einem kaum merklichen Stirnrunzeln an. „Ihr werdet gleich verstehen, Majestät.“ Dann wandte er sich an Erzmagier Rhonin und nickte leicht. Rhonin ging zur Türe, öffnete und winkte einen sehr kleinen Mann mit struppigen, rabenschwarzen Haaren und einem ebenso schwarzen Spitzbart in den Roben der Kirin Tor herein. Der Gnom ließ seine dunklen Rattenaugen kurz durch den Raum blitzen, watschelte dann schnurstracks auf Fordring zu und verbeugte sich – was mit seiner kleinen Statur ein wenig albern aussah. Fordring erwiderte die Verbeugung und wandte sich wieder an die Runde. „Das, meine Herren ist Garollo Grünspan, Großmeister der Rimantik und Nekromantie, auf meinen Wunsch soeben aus Dalaran eingetroffen.“ Das ätherische, sonst so emotionslose Gesicht der Nachtelfe verfinsterte sich. „Ihr konfrontiert uns mit einem Schattenhexer, Hochlord?“ Erzmagier Rhonin beschwichtigte. „Ehrwürdige Daidanis, Großmeister Grünspan ist ein hochgeschätztes Mitglied der Kirin Tor. Seine Forschungen ermöglichen es uns erst, wirksame Zauber gegen die Magie unserer Feine zu entwickeln.“ „Es ist hilfreich, seinen Feind zu kennen,“ nickte Hochlord Fordring und wandte sich dann an den Gnom. „Großmeister Grünspan, ich danke euch, daß ihr so schnell kommen konntet. Bitte.“ Er trat zurück und hieß den kleinen Magier seinen Platz einzunehmen. Dieser legte den schweren Folianten, den er unter dem Arm trug auf den Tisch, zog einen Stuhl zurück und kletterte etwas umständlich auf die Sitzfläche. Immer noch nicht ganz auf Augenhöhe aber immerhin jetzt sichtbar für alle nickte er mit einem koboldhaften Lächeln in die Runde. „Guten Morgen, werte Streiter der Nordend-Offensive. Zunächst einmal möchte ich ihnen meinen Dank für das aussprechen, was sie hier leisten. Und es erfüllt mich mit Stolz, daß nun auch ich einen winzigen Beitrag dazu leisten darf.“ König Varian hatte seine Arme mittlerweile vor seiner Brust verschränkt und die Finger seiner rechten Hand begannen ungeduldig auf seinem Arm zu tippen. Grünspans kleine Rattenaugen blitzen ihn kurz an und sein Lächeln wurde noch etwas selbstgefälliger. „Keine Sorge, Majestät, ich komme sofort zur Sache.“ Dann verschwand sein Lächeln. „Meine Damen und Herren Anwesenden, einer der mächtigsten und schwierigsten Zauber der Nekromantie ist der Fluch des eisigen Herzens.“ Er beugte sich über den bereits sehr abgenutzten Folianten und schlug ihn im hinteren Teil auf. „Sozusagen die Königsklasse der Schattenmagie. Unseres Wissen nach erst ein oder zweimal vor sehr langer Zeit zum Einsatz gekommen. Gerüchten zufolge hat sich auch Medivh seiner bedient, das konnte aber nie bestätigt werden.“ Er sah wieder in die Runde und es war offenkundig, daß es ihm gefiel, sich hier in Szene zu setzen. Der Blick der Mondpriesterin hatte sich hingegen noch weiter verfinstert. „Was aber ist der Fluch des eisigen Herzens? Nun, nicht mehr und nicht weniger als die Schattenform der Unsterblichkeit. Damit keine Mißverständnisse aufkommen – wir haben es hier nicht mit Nekromantie zu tun. Es geht um den Erhalt von Leben. In einem sehr komplizierten Ritual wird der betreffenden Person zunächst das Herz aus dem Leibe geschnitten, welches dann mit einem mächtigen Schattenschutz versiegelt wird. Die während des Rituals gewirkte Schattenmagie bewirkt, daß die Verbindung bestehen bleibt. Der Schattenschutz um das Herz ist vergleichbar mit einem Eispanzer- ein Eispanzer, der jeden in kaltem Feuer verbrennt, der es berühren will.“ Wrynn verzog seinen Mund und sah ungehalten zu Fordring. „Was soll dieser kleine Exkurs in die Schattenmagie? Kommt zur Sache!“ „Wir sind dabei.“ Fordring nickte Grünspan zu und trat an seine Seite. „Ich glaube, jeder hat schon einmal diese pathetische Geschichte gehört, das Arthas sich nach dem Kampf mit Illidan das eigene Herz aus dem Leibe schnitt, um auch noch den letzten Rest Menschlichkeit in ihm zu vernichten. In Magierkreisen wird schon lange vermutet, das der Lichkönig den Fluch des eisigen Herzens angewendet hat, um sich unbesiegbar zu machen. Denn solange das Herz von dem Siegel umschlossen ist, ist auch der Körper nicht verwundbar.“ Fordring sah in die fragenden Gesichter der anderen. „Seid heute wissen wir, daß es stimmt. Arthas’ Herz wurde gefunden. Und nicht nur das. Das Siegel wurde gebrochen.“ Von allen überraschten Gesichtern war das von Erzmagier Rhonin wohl am verblüfftesten. Dann fasste er sich wieder und schüttelte vehement den Kopf. „Völlig ausgeschlossen. Ich kenne nur wenige Personen, die vielleicht dazu in der Lage gewesen wären – ich war es nicht und die anderen sind bereits alle tot.“ Fordring lächelte trocken. „Das Siegel wurde gebrochen, Rhonin, darüber gibt es keine Zweifel.“ Sein Blick wanderte ruhig über alle Anwesenden. „Unsere Spione berichten, daß man in Eiskrone dabei ist, das Herz zu bergen und in der schwarzen Kathedrale alles für das Ritual vorbereitet. Arthas wird versuchen, den Fluch des eisigen Herzens zu erneuern.“ Er sah wieder zu Grünspan. Dieser räusperte sich mit seiner fisteligen Stimme. „Und dazu bleibt ihm nicht mehr viel Zeit- das Schattenband, was ihn mit dem Herz verbindet und ihn am Leben hält wird schwächer. Reisst die Verbindung, stirbt der Körper.“ Ein geradezu diabolisches Grinsen breitete sich auf dem knubbeligen Gnomengesicht aus. „Schlecht für Arthas, daß das Ritual bestimmte Voraussetzungen braucht. Eine davon ist- Mitternacht. Der Punkt des Tages, an dem die Sonne am weitesten entfernt ist.“ „Das gibt uns ein Zeitfenster, in dem Arthas sterblich ist, wie jeder andere Mensch auch.“ Fordring holte tief Luft. „Wir können nicht bis übermorgen warten. Wir müssen sofort angreifen!“ „Moment!“ Mit ausgesprochen skeptischem Blick stützte sich König Varian auf den Tisch und beugte sich vor. „Ihr verlangt von uns in eine Schlacht zu ziehen ohne uns darüber in Kenntnis zu setzen, woher ihr diese so sichere Information habt?“ Muradin Bronzebart pflichtete Varian energisch nickend bei. Fordring sah den König von Sturmwind ruhig an. „Ja, das tue ich. Es ist für alle Beteiligten sicherer, so wenig wie möglich darüber zu wissen.“ Dann ließ der Hochlord seinen Blick langsam wieder über die anderen gleiten. Während Muradin Bronzebart, Lorieth Luchsklaue und Erzmagier Rhonin eher nachdenklich und besorgt wirkten, war sämtliche Farbe aus Jaina Prachtmeers Gesicht gewichen. Armes Mädchen. Für einen Moment suchte Fordring Blickkontakt mit der Magierein, die nur mit Mühe ihre Fassung waren konnte. Sie hat tatsächlich bis zuletzt gehofft, den Mann, den sie einst geliebt hat, in dem Lichkönig noch finden, vielleicht sogar zurückbringen zu können. Und begreift erst jetzt, daß es niemals Hoffnung gab. „Ihr alle habt mir das Vertrauen ausgesprochen, als ihr mich als Führer der Nordend- Offensive akzeptiert habt. Und im Angesicht des Lichtes bitte ich euch, mir auch jetzt zu vertrauen, denn unser aller Leben wird davon abhängen. Aber ich kann euch versichern – das Licht ist mit uns! Jetzt ist es an uns, die Chance zu nutzen, die wir erhalten haben!“ Mondpriesterin Daidanis schmales Gesicht hatte wieder diese maskenhafte Starre angenommen, dennoch spürte Fordring die deutliche Skepsis, die dahinter verborgen lag. „Ihr verlangt viel von uns, Hochlord.“ Fordring nickte. „Dessen bin ich mir bewußt, ehrwürdige Daidanis. Und ich würde es nicht verlangen, wäre ich mir nicht absolut sicher.“ Die Nachtelfe sah ihn mit ihren hellen, fast weißschimmernden Augen eindringlich an. Wie ein Lichtstrahl schien der intensive Blick die tiefsten Winkel seines Inneren zu erforschen und seine Spur hinterließ ein leises Kribbeln, als sie sich wieder abwendete. Dann wendete sie sich kurz an Waffenführer Luchsklaue. Sie wechselten ein paar geflüsterte Worte in Darnassisch und dann nickte Luchsklaue Fordring kurz zu. „Meine Bogenschützen werden an eurer Seite stehen.“ Muradin Bronzebart sah den Nachtelfen etwas verdrießlich an und schneuzte sich in ein großes, weißes Taschentuch. „Nun, wenn die Elfen dabei sind, werden die Zwerge sicherlich nicht zuhause bleiben. Ihr könnt auf meine Pioniere und Greifenreiter zählen, Fordring.“ König Varian schien etwas sagen zu wollen, besann sich dann aber. Nachdenklich wanderte sein Blick von einem Anwesenden zum Nächsten. Dann wurde seine Miene grimmig. „Nun gut. Treten wir dem Bastard also endlich vom Frostthron. Heute abend will ich seinen Kopf auf einer Lanze sehen!“ Jaina Prachtmeer sah Wrynn entsetzt an – und stürmte aufschluchzend aus dem Raum. Die Mondpriesterin sah ihr mit einem unverholen geringschätzigen Blick nach während Bronzebart dem König von Sturmwind mit einem vorwurfsvollen Kopfschütteln bedachte. Erzmagier Rhonin quittierte das Ganze mit einem Stirnrunzeln und nickte dann Fordring zu. „Diese Gelegenheit wird nicht wiederkommen. Die Kirin Tor sind vorbereitet.“ Fordring spürte deutliche Erleichterung. Ihm war von Anfang an klar gewesen, daß alle bereits über das Blutelfenmädchen informiert waren und auch wenn niemand hier wissen konnte warum, die Informationen über den Fluch des eisigen Herzens nur von ihr stammen konnten. Und da Blutelfen sich bei der Allianz üblicherweise keiner großen Beliebtheit erfreuten, hatte er mit weitaus mehr Skepsis und Widerstand gerechnet. Muradin Bronzebart räusperte sich. „Was ist mit Thrall und der Horde?“ „Ich habe Balinar als meinen persönlichen Vertreter zu Thrall geschickt. Er wird Ihnen die Nachricht überbringen, daß wir heute bereits angreifen.“ Varian runzelte die Stirn. „Als ihr Balinar schicktet wusstet ihr doch noch gar nicht, ob wir zustimmen würden.“ Fordring lächelte ihn kurz herausfordernd an. Mit einem undefinierbaren Grunzen verzog der König von Sturmwind seinen Mund, trat mit finster zusammengezogenen Augen einen Schritt zurück und verschränkte wieder die Arme über der Brust. Aber er schwieg. „Werdet ihr Thrall informieren?“ verlangte Rhonin zu wissen. Der Hochlord schüttelte den Kopf. „Nein. Das brauche ich nicht. Sie werden es in der Kriegshymnenfeste bereits wissen. Thrall wird kommen. Alle werden kommen. Und Arthas wird mit uns rechnen. Es wird kein schöner Kampf werden, denn er wird uns alles entgegenstellen, was er hat. Er muß das Ritual heute Nacht vollziehen und das wird ihn unter Druck setzen. Menschen unter Druck machen Fehler. Und das ist unsere Chance. Wenn es uns gelingt, das Ritual aufzuhalten, haben wir gewonnen.“ Nachdem die Türe zum Kaminzimmer sich hinter Muradin Bronzebart geschlossen hatte, drehte sich Varian Wrynn zu Tirion Fordring um. Er war als einziger zurückgeblieben und sah den Hochlord der Silbernen Hand nachdenklich an. „ Auch ich habe meine Quellen, Tirion. Ich weiß, von wem ihr diese Informationen habt. Diese Blutelfe war auf der Suche nach Bolvar in der Eiskronenzitadelle.“ Sein Blick wurde finsterer. „Sagt mir die Wahrheit, Tirion.“ Fordring erwiederte Varians unnachgiebigen Blick. Dann senkte er den Blick. „Es tut mir leid, Varian. Bolvar ist tot.“ Varian wandte seinen Kopf und sah aus dem Fenster. Eine ganze Weile lange schwieg er und schien nur die durch das dicke Butzenglas fallenden Sonnenstrahlen zu beobachten. Als er wieder sprach, war sein Blick immer noch auf das Fenster gerichtet. „Ich habe um ihn nach der Schlacht an der Pforte des Zorns getrauert. Als ich vor zwei Tagen erfuhr, daß er noch lebt und sich in Arthas’ Gewalt befindet war es, als liesse mich ein Albtraum nicht mehr los.“ Er drehte sich zu Fordring um und sein finsterer Blick war einem Ausdruck von Verletzlichkeit gewichen, der den alten Paladin überraschte. Der grimmige, jähzornige König gab selten Einblicke in sein wahres Gefühlsleben. „Und wisst ihr, was das Schlimmste daran war, Tirion?“ Varians Stimme war leiser geworden. „ Mein Verstand wusste, das Arthas in foltern würde, alles versuchen würde, um ihn zu brechen. Und es hat mich nicht berührt.“ Wieder schwieg der König. Er war nachdenklich geworden. „In meinem Kopf war Bolvar bereits tot, ich hatte um ihn getrauert, habe den Schmerz zugelassen als man mir die Nachricht nach der Schlacht brachte. Etwas in mir weigerte sich, all dies noch einmal durchleben zu müssen.“ Varian drehte sich wieder zum Fenster. Und ein trauriges, melancholisches Lächeln glitt über seine Züge. „Niemand stand treuer an meiner Seite als Bolvar. Er war meinem Sohn ein Vater, als ich nicht da war. Ein guter Vater. Und er hat das Reich für mich beschützt und zusammengehalten.“ Fordring nickte leise. „Ich weiß.“ „Wie ist er gestorben?“ „Sie hat ihn erlöst.“ Varians Gesicht verfinsterte sich wieder. „Ihr meint, sie hat ihn getötet.“ Wieder nickte Fordring. „Ja, sie hat ihn getötet. Auf seinen Wunsch. Es gab keine Möglichkeit für sie, ihn noch zu retten. Sie hatte nur die Wahl ihn weiterhin dem Martyrium des Lichkönigs zu überlassen oder ihn davon zu erlösen.“ „Das hat sie euch erzählt? Und ihr glaubt ihr? Es ist eine Blutelfe.“ Der alte Paladin sah den König an und konnte sich ein ironisches Lächlen kaum verkneifen. „Ich habe gute Gründe, ihr zu glauben. Bolvar hat mir kurz vor der Schlacht von ihr erzählt.“ Varian wirkte skeptisch. „Er hat sie mir gegenüber mit keinem Wort erwähnt. Wieso erzählt er es euch?“ „Das, mein König, habe ich mich damals auch gefragt. Aber jetzt verstehe ich es. Und das muß euch als Antwort reichen, denn mehr werdet ihr nicht erfahren.“ „Ich will sie sehen, Fordring.“ Der Hochlord schüttelte den Kopf. „Ich werde euch nicht zu ihr lassen. Nicht jetzt. Sie weiß selber nicht, was hier geschieht und darf es auch nicht erfahren. Wenn das Licht es so will, wird heute über unser Schicksal entschieden. Und wenn wir siegreich sind, werdet auch ihr verstehen!“ Varian schien nicht überzeugt. Fordring sah ihn versöhnlich an. „Bolvar hat dieses Mädchen geliebt, Varian. Er hat ihr unbedingt vertraut.“ Der König schüttelte den Kopf. „Ich traue niemanden, den ich nicht kenne, egal wie sehr mein bester Freund ihr vertraut hat.“ Er sah wieder zum Fenster und schien nachzudenken. Nach einer ganzen Weile drehte er sich wieder zu dem Hochlord um, der ihn die ganze Zeit still beobachtet hatte. „Aber ich vertraue euch, Tirion. Ich werde keine weiteren Fragen mehr stellen. Vorerst nicht.“ „Das beruhigt mich zu hören, Majestät. Denn es gibt noch etwas anders, was ich mit euch besprechen muß. Der Grund für Großmeister Grünspans Anwesenheit hier ist nicht die kleine Lektion in Schattenmagie von vorhin.“ Varians Brauen wanderten neugierig in die Höhe. „Das habe ich mir schon gedacht.“ „ Wir werden den ganzen Tag brauchen, um unsere Truppen vor Eiskrone in Stellung zu bringen. Ihr wisst selbst, wie verschwindent gering die Wahrscheinlichkeit ist, daß unsere Schlachtreihen vor Mitternacht schon bis zur schwarzen Kathedrale vorgedrungen sind. Deswegen wird Grünspan für einen kleinen Stoßtrupp unter meinem Kommando heute nacht einen Schattenriss in die Eiskronenzitadelle, genauer gesagt, in die Nähe der schwarzen Kathedrale öffnen. Wir werden versuchen, unbemerkt in die Kathedrale vorzudringen um dann im richtigen Moment während des Rituals das Herz zu vernichten, bevor es wieder versiegelt wird.“ „Das ist Wahnsinn!“ Der König sah den alten Hochlord entgeistert an. „Selbst, wenn euch das gelingt, werdet ihr das nicht überleben!“ Fodring nickte. „Die Wahrscheinlichkeit spricht gegen uns, ja. Aber wenn es uns gelingt, ist die Schlacht so gut wie gewonnen.“ Varian Wrynn schüttelte den Kopf. „Ihr werdet nicht auch nur in die Nähe der Kathedrale kommen, man wird Euch vorher entdecken, ihr Paladine tragt doch eure Aura des Lichts wie eine Signalfackel vor euch her!“ Fordring wirkte beinahe amüsiert. „Deswegen der Schattenriss. Niemand unsere Ankunft bemerken. Und darüber hinaus wird Grünspan einige erbeutete Roben der Schattenkultisten mit einem schattenmagischen Verschleierungszauber versehen. Ihr seht, unsere Chancen stehen so schlecht nicht.“ „Das kann ich nicht zulassen, Hochlord. Nicht ihr. Schickt jemand anderes, aber nicht ihr. Ihr werdet hier gebraucht, die Truppen erwarten Euch als Anführer in der Schlacht!“ „Gerade ich, Majestät. Diese Mission ist zu wichtig, als daß ich sie jemand anderem anvertrauen könnte. Wir dürfen diese einmalige Chance, Arthas zu töten, nicht verschenken. Auch wenn ich ein alter Mann bin, Varian- ich kann es noch mit den meisten von euch aufnehmen. Und wenn Arthas vernichtet ist, ist die Geißel führerlos und wir werden sie ausradieren! Meine Aufgabe hier ist dann erledigt. Und der alte Mann hat sein Leben bereits gelebt – wenn es dem Licht gefällt und es hier enden wird, so sehe ich diesem Ende gerne entgegen. Denn es wird euch einen neuen Anfang gewähren.“ Jetzt war es Fordring, der mit einem bitteren Lächeln aus dem Fenster sah. „Die Konsequenz unseres Scheiterns muß ich, glaube ich, nicht aufreissen.“ Varian schüttelte mit einem grimmigen Blick den Kopf. Der Hochlord hatte sich wieder umgedreht und sah ihn ruhig an. „Sollte ich nicht mehr zurückkehren, dann werdet ihr die Truppen zum Sieg führen und unsere Leute nach Hause bringen.“ Einen Moment lang beobachtete Fordring den hitzköpfigen Monarchen. Die tiefe Narbe, die von einem Jochbein zum anderen quer über das ganze Gesicht lief war das deutlichste Zeichen der bewegten Vergangenheit, die hinter dem noch relativ jungen König lag. Verrat hatte ihm seine Eltern genommen, Orkhorden hatten sein Land verwüstet, seine Frau war wärend einer Arbeiterrevolte ums Leben gekommen, er selbst durch Verrat entführt und nach Kalimdor verschleppt worden, wo man ihn unter härtesten Bedingungen in den Kampfarenen hatte bluten lassen. All dies hatte tiefe Spuren in seinem Geist hinterlassen. Wenn sie heute versagten, wenn er, Fordring, heute starb, würde alles an diesem Mann hängen – falls dieser die Schlacht überlebte. Der alte Paladin seufzte innerlich. Vielleicht war ein Heldentod heute doch nicht so erstrebenswert. Draußen war es schlagartig hektisch geworden. Eine lange Zeit noch nachdem der Hochlord der silbernen Hand den Raum verlassen hatte, war der Morgen mit einer gewissen Trägheit vorangeschritten. Teilnahmslos hatte Niamanee aus dem Fenster geschaut, die Stallburschen beim Fegen des Vorplatzes beobachtet, war den Burschen mit ihren Körben voll frischgebackenem Brot gefolgt, die zu der Burg geeilt kamen um die hohen Herrschaften zu versorgen, hatte mittlerweile zwei Wachwechsel gezählt und war doch eigentlich mit ihren finsteren Gedanken ganz woanders. Sie wusste, daß vor der Türe Wachen standen, sie hatte es gesehen, als Hochlord Fordring so schnell hinausgeeilt war. Aber es war ihr egal. Im leuchtenden Licht des nicht mehr ganz so jungen Morgens erschien ihr alles so unwirklich. Was war Traum, was war Wirklichkeit? Vielleicht lag sie immer noch in den eisigen Tiefen der Zitadelle mit zerschmettertem Körper zwischen diesen sonderbar leuchtenden Pilzen und all dies war nur noch das Sehnen ihres scheidenden Geistes. Die wunderbare Vorstellung, an der Seite von Hochlord Fordring gegen den Lichkönig zu ziehen und ihn für all seine Missetaten zur Rechenschaft zu ziehen, ihn für all seine Grausamkeiten büßen zu lassen! Allein daran zu Denken war ein gutes Gefühl gewesen – bis die ersten Signalhörner sie abrupt erinnerten, auf welcher Seite des Traumes sie sich befand. Auf dem Innenhof wimmelte es in kürzester Zeit von Menschen, von allen Seiten wurden jetzt aufgeregte Kommandos gebrüllt, dazwischen immer wieder der blecherne Klang der Signalhörner. Die Argentumsoffensive rief zur Schlacht! Niamanee wusste, dass sie der Grund dafür war. Zumindest das, was sie dem Hochlord erzählt hatte. Das kalte, nagende Gefühl unbestimmter Angst kroch langsam ihren Rücken hoch. Aber bevor sie weiter spekulieren konnte, was genau der Auslöser für all das da unten war, wurde es vor der Türe laut. Aus dem Stimmgewirr erklang deutlich eine wütende, weibliche Stimme, dann war Ruhe. Und kaum einem Moment später flog die Türe auf. Die hübsche Frau mit den weizenblonden Haaren, die sich strähnenweise aus einem schlecht sitzenden Knoten lösten, hatte Niamanee zwar noch nie zuvor gesehen, wusste aber ohne jeden Zweifel, wer es war. Auf Krücken und im Nachthemd fühlte sie sich unangenehm unterlegen, versuchte aber, einen gelassenen Eindruck zu machen. „Ihr seid es also, die sein Herz gefunden hat!“ Mit äußerster Geringschätzung stütze Jaina Prachtmeers die Hände in ihre schlanken Hüften. „Warum ausgerechnet ihr?“ Ihre rotgeränderten Augen zeigten deutlich, dass sie geweint hatte. Und ihre Fassungslosigkeit nahm Niamanee jedes Gefühl von Unsicherheit. Sie sah Jaina Prachtmeer ruhig an und machte keine Anstalten, den Sarkasmus in ihrer Stimme zu verbergen. „Vielleicht, Frau Magierin, wollte es von mir gefunden werden.“ Jaina sah sie einem langen Moment kühl, geradezu feindselig an. „Wisst ihr, was das bedeutet?“ Die Magierin, die etwas kleiner war als die Elfe kam ein paar Schritte näher. Niamanee nickte langsam. Den Menschen Arthas Menethil gab es nicht mehr. Und auf eine bizarre Art und Weise machte Jaina sie, die Überbringerin der Nachricht dafür verantwortlich. Verantwortlich dafür, dass sie ihr nun endgültig alle Hoffnung zunichte gemacht hatte. Niamanee wollte es nicht glauben– diese Frau hatte tatsächlich gehofft, das Arthas zu ihr zurückkehren könnte. Nach all dem, was er getan hatte! Und überhaupt – hatte sie ihn nicht wegen Prinz Kael’thas sitzen lassen und deswegen beinahe einen Bürgerkrieg in Quel Thalas heraufbeschworen? Niamanee beschloss, dass sie Jaina Prachtmeer nicht mochte. „Es bedeutet vor allem, dass wir den Lichkönig jetzt endlich besiegen können.“ Etwas überrascht sah Niamanee zu Hochlord Fordring, der mitten im Raum wie aus dem Boden gewachsen schien. Sie hatte ihn überhaupt nicht kommen sehen. Er wirkte sichtlich verärgert. „Frau Prachtmeer, ich dachte, ich hätte mich präzise ausgedrückt. Niemand, und ich meinte niemand darf meinen Gast besuchen ohne meine Einwilligung. Die Wachen vor der Türe zu versteinern zeugt von einer Respektlosigkeit, die ich gerade von Euch, einer der angesehensten Magierinnen von Dalaran, nicht erwartet hätte.“ Für seine Worte war seine Stimme erstaunlich ruhig und leise und doch schwang da etwas Bedrohliches mit, das ohne Worte deutlich machte, dass die Ignoranz seiner Befehle nicht ohne Konsequenzen bleiben würde. „Ihr werdet jetzt unverzüglich meine Wachen erlösen und dann gehen.“ Niamanee spürte leise Schadenfreude. Die Magierin sah den alten Paladin überheblich an und drehte sich dann zur Türe den beiden Wachen zu, von denen Niamanee nicht sehr viel mehr als den einen oder anderen, in der Bewegung erstarrten Arm sehen konnte. Jania Prachtmeer machte ein paar schnelle, merkwürdig anmutende Bewegungen mit ihren Händen und schnippte zweimal kurz. Für einen kurzen Moment flimmerte die Luft an der Türe, dann sanken die erstarrten Arme hinab. Kaum einen Augenblick später standen die aufgebrachten Wachen im Raum und machten Anstalten, Jaina zu ergreifen, die aber wich mit einem geschickten Sprung zur Seite aus. Entrüstet wandte sich eine der Wachen an Fordring. „Hochlord Fording, wir haben versucht, sie aufzuhalten, aber sie ist einfach durch und hat...“ Fodring winkte ab und beschwichtigte. „Es ist gut, Soldat. Ihr tatet, was ihr konntet.“ Dann wandte er sich an Jaina. „Frau Prachtmeer wollte auch gerade gehen.“ „Nein, das will sie nicht,“ entgegnete Jaina kühl. Dann entspannte sich ihr Ausdruck wieder und es schien als wolle sie einlenken. „Ihr müsst das verstehen, Hochlord, die Situation ist sehr schwierig für mich.“ Fordring sah sie ruhig und ohne jegliche Spur von Mitgefühl an. „Ihr müsst verstehen, dass diese junge Dame hier den Mann, für den sie tausende von Meilen zurückgelegt hat um ihn endlich wieder sehen zu können, gestern in der Eiskronenzitadelle töten musste weil es ihre einzige Chance war, ihn vor dem zu bewahren, was der Mann, den ihr immer noch meint zu lieben sonst angetan hätte.“ Jaina sah erst Fordring, dann Niamanee an und zog ihre Brauen hoch. „Das.... wusste ich nicht.“ Den zerknirschten Zug um den Mund nahm ihr Niamanee nicht ab. Die Magierin wandte sich wieder an den Hochlord. „Dann ist Fordragon also tot. Weiß Varian es schon?“ Fordring nickte schweigend. „Der arme Varian. Das muss schwer für ihn sein, er war sein bester Freund.“ Niamanee wurde das Gefühl nicht los, dass es Jaina Prachtmeer eigentlich nur um Varian Leid tat. Ihre Augen verengten sich. Das macht sie absichtlich. Hoffentlich schmeißt der Hochlord sie endlich raus. Aber das tat er nicht. Er sah sie gleichwohl skeptisch wie neugierig an und ließ sie weiterreden, während er zur Türe ging und sie schloss. „Es gibt etwas, das wir noch gar nicht angesprochen haben. Denn eigentlich wollte ich euren Gast-„ mit einem fast schon respektlosen Kopfnicken zu Niamanee fuhr Jaina fort –„etwas Wichtiges fragen.“ Fordring runzelte die Stirn. „Nun?“ „Ihr wisst doch von dem Hort der Seelen in der Eiskronenzitadelle. Auch oft als Reliquiar der Seelen bezeichnet. Das Herz der ganzen Festung, neben Frostgram die eigentliche Quelle der unendlichen Schattenmacht des Lichkönigs.“ Sie nennt ihn Lichkönig, stellte Niamanee abfällig fest. Als ob man das eine vom anderen trennen könnte. „Worauf wollt ihr hinaus, Frau Prachtmeer?“ Mit einem leichten Lächeln sah die Magierin den Hochlord an. „Euch wird es vielleicht gelingen Arthas zu töten. Nicht aber den Geist Ner’zhuls und solange dieser Zugriff auf den Reliquiar hat, ist seine Macht immer noch groß genug, dass es bald einen neuen Lichkönig geben wird. Es wird nie aufhören.“ Fordring nickte bedächtig. „Dessen bin ich mir sehr wohl bewusst. Natürlich werden wir den Reliquiar zerstören.“ „Wenn Ihr nur wüsstet, wo er wäre, nicht wahr?“ Wieder war da diese kühle Überheblichkeit in ihrem Lächeln. Fording blieb völlig unbeeindruckt. „Trotz der ganzen Apparaturen in Euren heiligen Hallen haben die Kirin Tor ihn auch noch nicht innerhalb der Zitadelle finden können, wenn ich mich nicht irre.“ Jaina nickte leicht und wies dann mit einer recht plötzlichen Bewegung auf Niamanee. „Habt ihr sie danach mal gefragt? Sie hat das Herz berührt.“ Irritiert zog die Elfe die spitzen Brauen hoch. „Wovon redet ihr? Meint ihr diese Maschinen im Inneren der Zitadelle von denen man mir erzählt hat?“ Fordrings Blick wechselte von Jaina zu Niamanee, er schien kurz zu überlegen, dann nickte er. „Ja. Wir vermuten, dass sich im Zentrum der Zitadelle eine riesige Anlage befindet, welche die Seelenströme der Verstorbenen zu einer Art Speicher lenkt. Ich hätte Euch in der Tat danach fragen sollen.“ „Und ich kann Euch keine Antwort geben. Ich habe euch alles erzählt. Nichts, was mir auf dem Weg zu den Kerkerzellen begegnet ist wies auch nur im Entferntesten auf eine derartige Anlage hin.“ Niamanee war sich nicht ganz sicher, worauf Jaina Prachtmeer eigentlich hinauswollte. „Frau Prachtmeer glaubt, dass ihr mit dem Herz in eine Art Verbindung getreten seid.“ Ein heißer Adrenalinstoß schoss durch Niamanees Rückenmark. Sie wussten es. Natürlich wussten sie es. Sie spielten nur mit ihr! Mit Mühe versuchte sie äußerliche Gelassenheit vorzutäuschen. „Ich habe es doch direkt wieder fortgeworfen. Und nein, ich hatte auch keine Visionen einer solchen Anlage.“ Die Magierin zuckte mit den Schultern. „Schade. Es hätte ja sein können.“ Niamanee war sich sicher, dass Jaina ihr nicht glaubte. Aber zumindest in Sachen Reliquiar hatte sie die Wahrheit gesagt. Jaina wandte sich wieder an Fordring und ihr Gesicht wurde sehr ernst. „Ich werde heute Nacht mitkommen.“ „Ich dachte mir schon, dass ihr im Bilde seid.“ Fordring Miene blieb ausdruckslos. Die Magierin lächelte selbstgefällig. „Natürlich, Hochlord. Wenn ihr einen Großmeister wie Grünspan holt, bin ich durchaus in der Lage, eins und eins zusammenzuzählen.“ Fordring sah zu Niamanee und deutete eine leichte Verbeugung an. „Ich muss mich entschuldigen. Wir reden hier und haben euch bisher noch gänzlich im Unklaren gelassen. Ich gebe zu, dass dies auch ursprünglich in meiner Absicht lag, denn ich vermute in der Tat, dass der Lichkönig mit euch in Kontakt steht. Aber nach der unbekümmerten Redseligkeit von Frau Prachtmeer können wir unsere Pläne auch gleich offen legen.“ Ein Anflug von Ärger huschte über Jainas Gesicht, sie besann sich aber und lächelte wieder. „Bei all den Spionen, die der Lichkönig hier bei uns in der Königfeste hat, dürfte auch ihm mittlerweile nicht verborgen geblieben sein, was ihr vorhabt. Auch Arthas wird eins und eins zusammenzählen.“ Einmal mehr fühlte sich Niamanee außen vor. Es war ihr mittlerweile egal, dass sie von seiner Stimme wussten. Denn wieder war sie Zentrum der Dinge, die um sie herum geschahen, jeder schien irgendetwas zu wissen – und alle schienen sie ausschließen zu wollen. Und das machte sie langsam wütend. „Ihr glaubt, dass ich mit dem Lichkönig in Kontakt stehe, lasst mich aber mit dem Aschenbringer alleine und tut so, als ob nichts wäre! Da ja sowieso schon alle im Bilde zu sein scheinen, würde auch ich dann gerne erfahren, was hier passiert!“ „Und ihr wähnt euch in der Position, dies zu fordern?“ fragte Jaina kühl. Ich habe den Splitter in den schwarzen Tempel gebracht. Nur mit meiner Hilfe konnte Illidan besiegt werden. Das da draußen, zur Schlacht gerufen wird, all dies geschieht wegen mir. Ich bin in einer Position, Magierin aus Dalaran, von der du überhaupt keine Ahnung hast. Niamanee war jetzt völlig ruhig. Ihr Blick wanderte fragend zu Fordring, der sie mit undurchdringlicher Miene beobachtete. Er schien der Einzige zu sein, der von dem Splitter wusste. Und sie ganz offensichtlich trotz der Stimme in ihrem Kopf nicht als Gefahr sah. Sonst wäre sie nicht hier. Der Hochlord nickte jetzt leicht. „Ich denke, Frau Nebeltänzer hat sehr wohl ein Anrecht darauf zu erfahren, was geschieht.“ „Aber der Lichkönig?“ warf Jaina Prachtmeer ein. „Kennt diesen Teil der Geschichte sowieso besser als wir alle zusammen.“ Fordring sah wieder zu Niamanee. „Bisher gingen wir immer davon aus, den Lichkönig bekämpfen zu können, zumindest den menschlichen Teil von ihm, vor allem nachdem wir an der Pforte des Zorns sahen, wie sehr die Seuche ihm zusetzte. Dank euch wissen wir nun, dass wir es nie geschafft hätten, da der Lichkönig an Arthas den Fluch des eisigen Herzen vollzogen hat. Wir vermuten, das Arthas nach dem Kampf mit Illidan am Frosthron schwer verletzt wurde. Da Schattenmagie und Heilen sich gegenseitig ausschließen, wendete der Lichkönig den Fluch an, bevor er sich mit ihm vereinigte. “ In kurzen Worten umriss der Hochlord das Ritual. „Die Krone der Macht kann nur von Lebenden getragen werden.“ Die Elfe rümpfte ungläubig die Nase. „Einen Menschen, dem das Herz entfernt wurde, kann man wohl kaum mehr als lebend bezeichnen.“ Fordring zuckte mit den Schultern. „Es ist sehr wenig über das Ritual bekannt. Soweit wir wissen, ist es für den Betroffenen, als würde die Zeit angehalten, der Köper altert nicht mehr und ist nahezu unverwundbar. Trotzdem beginnt er über einen längeren Zeitraum hinweg zu verfallen – irgendwann hat man es im wahrsten Sinne des Wortes mit lebenden Toten zu tun. Das Ritual ist unumkehrbar.“ Der Hochlord sah zu Jaina Prachtmeer. „Deswegen ist Frau Prachtmeer so außer sich. Ihr habt ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt.“ Niamanee konnte es nicht zurückhalten. Nach diesem überheblichen Auftritt der Magierin musste es einfach hinaus. „Abgesehen davon, dass ich in keiner Weise nachvollziehen kann, wie man für ein solches Monster noch Gefühle hegen kann – habt ihr Arthas nicht sowieso für Prinz Kael’Thas verlassen? Ich erinnere mich – es war eine große Hochzeit geplant, nicht wahr? Wieso der plötzliche Sinneswandel?“ Jaina sah sie abfällig an. „Das geht euch überhaupt nichts an. Aber ihr könnt ja gerne Arthas fragen, warum er mich verlassen hat!“ Ein sarkastisches Lächeln huschte über ihre Lippen. „Und was euren Elfenprinzen angeht – Kael’Thas war für mich in dieser Zeit ein weiser, guter Freund. Die Hochzeit war seine Idee und hat mich genauso überrascht wie euch. Ich hatte nie vor, ihn zu heiraten. Das dieses in eurem Reich für so einen Wirbel gesorgt hat, ist mir ausgesprochen unangenehm.“ Ihr Gesichtsausdruck war etwas milder geworden. „Arthas war nicht immer ein Monster. Im Gegenteil, er war einst ein sehr warmherziger Mensch.“ Niamanee verzog mit einem schrägen Lächeln ihren Mund. „Wie warmherzig muß ein Mensch sein, dass er hingehen kann um unschuldige Frauen und Kinder abzuschlachten.“ „Arthas hatte keine Wahl in Stratholme. Die Seuche hätte sonst alle Bewohner zu Kreaturen der Schatten gemacht! Es war Gnade, die Menschen mit einem schnellen Tod vor dem grauenvollen Dahinsiechen zu bewahren. Und er nahm diese Bürde auf sich.“ Der heisere Unterton in ihrer Stimme konnte kaum verbergen, wie wenig sie selbst von von ihren Worten überzeugt war. „Bei eurem Verständnis von Gnade möchte ich nur hoffen, das es niemanden gibt, der ihrer bedarf. Er war ein Paladin. Er hätte heilen können. Oder zumindest diejenigen versuchen zu retten, die noch nicht betroffen waren.“ Jetzt stand wieder dieser verächtliche Zug auf Jainas Lippen. „Was wisst ihr schon davon? Es gibt keine Heilung von der Seuche! Und überhaupt – was maßt ihr euch an, über mich zu urteilen? Ihr seid eine Blutelfe! Was wisst ihr von Liebe? “ Niamanees Gesichtszüge blieben starr. „Offensichtlich mehr als ihr. Ich weiß, wann man eine Liebe gehen lassen muss.“ „Es reicht.“ Fordrings raue Stimme war unerwartet scharf. „Dafür ist nun wirklich keine Zeit. Wir haben noch viel vorzubereiten.“ Jaina räusperte sich und als hätte es den Zwist zwischen ihr und der Blutelfe nie gegeben, wandte sie sich leutselig an Fordring. „Natürlich, Hochlord Fordring. Wie plant ihr vorzugehen?“ „Grünspan wird mich und zwei weitere Paladine heute Nacht kurz vor Ritualbeginn in die Nähe der schwarzen Kathedrale schicken. Wir werden uns in den Roben der Kultisten denen anschließen, die dem Ritual beiwohnen und das Herz im richtigen Moment zerstören. Was immer von dem Mann übrig geblieben ist, den ihr so geliebt habt – heute werden wir das, was Arthas einmal war, erlösen. Und so sehr ich verstehen kann, dass ihr dabei sein wollt, so sehr muss ich es verneinen. Es wird möglicherweise keinen Weg zurück geben.“ „Doch, wird es,“ entgegnete die Magierin. „Wenn ihr mich mitnehmt. Ihr werdet keinen besseren Portalmagier als mich finden. Hochlord, ich bin es Arthas schuldig. Ich muss dabei sein.“ Fordring sah Jaina prüfend an. „Ja, das könnte tatsächlich funktionieren. Unter diesen Umständen stimme ich zu. Ihr wisst um die Gefahr, Frau Prachtmeer und es ist eure Entscheidung.“ Die Offenheit, mit der Fordring über seine Pläne redete, irritierte Niamanee, aber bevor sie sich weitere Gedanken darüber machen konnte, klopfte es an der Türe. „Das wird Seyfried sein.“ Fordring wandte sich wieder an Niamanee. „Der Junge wird sich weiter um euer Bein kümmern, ich bin sicher, heute abend werdet ihr schon wieder ohne Krücken laufen können.“ Jetzt lächelte er. „Ihr habt großes Glück gehabt, das Seyfried ein so begnadeter Heiler ist – euer Bein sah gar nicht gut aus.“ Niamanee hob nachdenklich ihre Brauen. „Es war Seyfried, der mich geheilt hat?“ In ihrem Kopf sah sie wieder den hochgewachsenen, bärtigen Paladin an ihrem Bett stehen. Am liebsten hätte sie Fordring sofort nach diesem Mann gefragt, aber ihre innere Stimme riet ihr dringend, es nicht zu tun. „Ich hätte keinen anderen zu euch gelassen,“ bestätigte Fordring. Während er zur Türe schritt, drehte er sich zu Jaina Prachtmeer. „Kommt mit mir, wir besprechen die Einzelheiten der Aktion heute Nacht auf dem Weg zum Kartenraum.“ In der offenen Türe sah sich der alte Hochlord ein letztes Mal zu Niamanee um. „Ihr werdet hier bleiben, hier seid ihr vorläufig in Sicherheit.“ Und ihr vor mir, dachte Niamanee und begegnete Fordrings kühlen Blick mit einem kaum sichtbaren Kopfnicken. „Was mit euch letztendlich geschehen wird, hängt vom Ausgang der Schlacht ab.“ Auch dem war sich Niamanee sehr wohl bewusst. „Werde ich euch, bevor ihr zur Kathedrale aufbrecht noch einmal sehen? “ Fordring bejahte. „Ich denke schon.“ „Vielleicht könntet ihr mir vorher noch etwas zum Anziehen bringen lassen.“ Jetzt lächelte der alte Hochlord. Damit wandte er sich um und gab Seyfried Rotpfad die Klinke in die Hand. Der junge Paladin wirkte übernächtigt und ungekämmt, schien aber guter Dinge, Niamanee so wohlauf zu erblicken. Auch Niamanee war für einen Moment froh, den heiteren Rotschopf wieder zu sehen. Doch dann stockte ihr Atem. Vor ihr stand wieder das kleine rothaarige Mädchen und starrte angsterfüllt auf die bluttriefende Klinge. Und jetzt bekam die Person hinter dem Mädchen, die sie auch das letzte Mal schon im Habdunkel wahrgenommen hatte, ein Gesicht. Wie Schuppen fiel es Niamanee von den Augen. Sie konnte die Zukunft nicht mehr ändern. Denn diese Zukunft war bereits längst geschehen. Einen Augenblick sah sie Seyfried nur mit offenem Mund an. Dann griff sie sich die Krücken und humpelte so schnell sie konnte vorbei an dem völlig konsternierten Seyfried zur Türe und sah Hochlord Fordring gerade um die Ecke des Flures biegen. „Hochlord Fordring! Wartet! Ihr müsst mich mitnehmen!" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)