Kirschblütenschauer von PenAmour ([Sorato/Koumi/Kenyako]) ================================================================================ Kapitel 1: Erster Blütenakt --------------------------- Erster Blütenakt *** Schmelzende Schokoherzen Dankbar griff sie nach dem Papiertaschentuch und versuchte den Abschiedsschmerz beiseite zu wischen. Seine eisblauen Augen ruhten auf ihrem Gesicht, während er ihr ein aufmunterndes Lächeln zuwarf. Sein Blick war voller Wärme und Ruhe, doch auch er konnte ihr schlechtes Gewissen nicht beiseite wischen. Schließlich würde sie ihn verlassen und das brach ihr das Herz. Doch ein kleiner Teil von ihr freute sich bereits auf das große Unbekannte – und das war viel schlimmer. Sie hatte sich redlich bemüht Haltung zu bewahren, aber als Miyako Daisuke in den Schwitzkasten nahm, nachdem er sie als dumme Gans betitelt hatte und alle in schallendes Gelächter ausbrachen, konnte sie die Tränen einfach nicht mehr aufhalten. Besorgt ließ Miyako Daisuke, der sich daraufhin melodramatisch auf die Picknickdecke fallen ließ und ein heiseres Röcheln von sich gab. „Alles in Ordnung, Sora?“ Ihre kirschroten Haarsträhnen wippten im Wind, während sich das Mädchen zu ihr beugte. „Falls du dir Sorgen um den Hornochsen machst…“ Miyako schnipste dem stöhnenden Daisuke mit der Fingerspitze gegen die Nase, woraufhin dieser erschrocken zusammenzuckte und sie mit wütenden Augen anfunkelte. „…er lebt noch!“ Sie lachte, während die Tränen sich weiter ihren Weg über ihr Gesicht bahnten und Daisuke ein empörtes Knurren vernehmen ließ. Ach, wie würde sie all das vermissen. „Da hast du es, Miyako. Mit deinem Jähzorn und dieser furchtbaren Neigung zu Gewaltausbrüchen verschreckst du die anderen vollkommen. Und das an Soras letztem Tag…“, tadelte Daisuke sie und verschränkte die Arme vor der Brust, während die Gläser der Fliegerbrille, die er auf dem Kopf trug, im Sonnenlicht schelmisch aufblitzten. Miyako quittierte dies nur mit einer Kopfnuss und ließ sich neben Ken auf den Boden fallen. Der Junge mit den seidig schwarzem Haar seufzte leise und öffnete wortlos eine Kekspackung, die schon bald die Runde machte. Der Shinjuku Central Park erstrahlte im blassrosa der Kirschblüten, die von den Ästen der Yoshino-Bäume hingen. Überall hatten sich Menschen versammelt, um den Kirschblüten bei ihrem Tanz im Frühlingswind zuzusehen, während sie durch den Central Park spazierten und es sich auf Picknickdecken oder Parkbänken gemütlich machten. Das bunte Getümmel um sie herum verblasste jedoch im Angesicht des ihr bevorstehenden Abenteuers. In wenigen Stunden würde sie die Kirschblüten gegen Weinberge und das Tokioter Regierungsgebäude, welches über die rosa Baumwipfel hinaus ragte, gegen den Eifelturm eintauschen. Sie fuhr aus ihren Gedanken, als ihr jemand die Schokokekse unter die Nase hielt. „Schokolade macht glücklich“, raunte er und fuhr sich durch das kastanienbraune streichholzkurze Haar. Sie hatte sich immer noch nicht daran gewöhnen können, dass er sich von seiner Löwenmähne getrennt hatte. „Mein Kopf fühlt sich jetzt wesentlich leichter an“, hatte er gemeint und schief gelächelt, wie nur Taichi es eben konnte. „Außerdem wurde es einfach mal Zeit…“ Er hatte den Satz nicht zu Ende geführt, aber sie wusste genau, was er meinte. Die Schokolade schmolz auf ihrer Zunge und eine wohlige Wärme breitete sich in ihr aus, während sie die Kekskrümel von ihrer Hose wischte. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie sich Hikari mit dem Rücken an Takeru lehnte, der die Augen geschlossen hielt, während er sein Gesicht der Sonne zuwendete. „Das Wetter ist einfach herrlich.“ Er legte einen Arm um die schmalen Schultern von Taichis kleiner Schwester und drückte sie für einen kurzen Moment an sich, bevor er Taichis Geduld überstrapazierte. Die Wintermonate waren sehr kalt gewesen, es hatte zwar nicht geschneit, wie einige Jahre zuvor, aber die klirrende Kälte zog sich bis in die Knochen – doch jetzt strahlte die Sonne von oben auf sie herab und alles schien perfekt, während die Kirschblüten sie in ihren zeitlosen Traum einhüllten und den Alltag auszuschließen vermochten. Piyomon schmiegte sich an sie, während es V-mon und Patamon dabei beobachtet, wie sich gegenseitig Daisukes Fußball zustießen und über die Wiese tollten. Einige der Parkbesucher warfen nervöse Blicke zu den spielenden Digimon, als hätten sie sich immer noch nicht an die Tatsache gewöhnen können, dass die digitalen Monster wirklich existierten. Andere störten sich nicht weiter an dem Anblick und setzten unbeirrt ihren Spaziergang fort. „Wenn man bedenkt, dass wir sie früher noch als unsere Kuscheltiere ausgeben mussten…“ Jyou rückte seine Brille zurecht, während Gomamon seinerseits auf den Ball zuhechtete. Sie musste lachen, während sie daran dachte. Ja vieles war einfacher geworden, seit sie Belial Vamdemon besiegt hatten und die Menschen langsam akzeptierten, dass es noch eine andere Welt gab, andere Lebensformen und unzählige Kinder, die nun aufbrachen um diese fremde Welt zu erkunden und entdecken. „Dafür haben wir all die Jahre gekämpft“, meinte Taichi schlicht und ließ seinen Blick über die Parkanlage streifen, die sich so friedlich vor ihnen erstreckten. „Wenn ich bedenke, dass bald schon die Schule wieder los geht…“, murrte Daisuke, während der Ball gegen sein Knie stieß und er ihn zu den Digimon zurück warf. „Immerhin wechselst du endlich die Schule“, erwiderte Iori, woraufhin Daisuke ihn frech angrinste. „Das hätte ich fast vergessen, der Kleine ist ja schon Mittelschüler.“ Iori duckte sich, bevor der Junge mit der Igelfrisur ihn zu fassen bekam. Iori war in den letzten Monaten gut einen Kopf gewachsen, doch die ernsten Gesichtszüge, die er schon als Neunjähriger hatte, waren unverändert geblieben, während er nun ungerührt von dem laut lachenden Daisuke wegrückte und sich ein Stück Wassermelone nahm. Erneut kullerte der Ball auf die Decke zu. Kurzerhand griff Daisuke nach dem Leder zog den verdutzen Ken mit sich schoss den Ball hoch in die Luft. „Du und ich.“ Herausfordernd baute er sich vor Ken auf, auf dessen Gesicht sich ein Grinsen stahl, bevor er den Ball mit der Brust annahm. Wortlos nahm sie seine warme Hand und drückte sie, während ihm das blonde Haar ins Gesicht fiel und er Daisukes dabei beobachtete, wie er Ken den Ball abluchste. Sie strich mit der Fingerspitze über das krause Haar, überrascht drehte er den Kopf zu ihr und Wehmut breitete sich in ihr aus, während sie in seinen Eisaugen versank, die ihr Herz nach wie vor zum Schmelzen brachten. Die Zeiger ihrer Armbanduhr rückten unerbittlich voran. 16 Uhr und 3 Minuten. Doch eine andere Hand legte sich über die Uhr und verdeckte das Zifferblatt. Taichi schüttelte kaum merklich den Kopf und klopfte seinem besten Freund aufmunternd auf die Schulter, bevor er sich umdrehte und sich zusammen mit Agumon und Gabumon über die restlichen Kekse hermachte. Sie spürte, wie sich seine Arme um sie schlossen und das vertraute Gefühl von warmen Sommernächten weckte. „Ein bisschen Zeit haben wir noch“, flüsterte er. *** Unberechenbar Er fühlte sich völlig überrumpelt. Dabei hatte er sich nichts dabei gedacht, als er die Tür geöffnet hatte. Es hatte geläutet und wie jeder normale Mensch war er aufgestanden, um nachzusehen, wer auf der anderen Seite zu finden war. Mit einem leisen Knarren öffnete sich die Tür, das blasse Licht des Hausflures flackerte und warf flimmernde Muster auf das Bucheparkett. Da stand sie, mit einem riesigen grell rosa Koffer, in einem quietschgelben, strahlenden Regenmantel und großen karamellfarbenen Augen. Und ehe er sich versah, hatten sich ihre Arme um seinen Hals geschlungen und ein zarter Duft von Kokosnuss umhüllte ihn, während seine Hände fassungslos in der Luft klebten und ihr überschwängliches Lachen ihn ganz unvorbereitet traf. Er spürte, wie ihre Locken seine Wange streiften, während nur noch ihre Zehenspitzen den Boden berührten und der sonnige Regenmantel den grauen Hausflur des Mehrfamilienhauses merklich erstrahlen ließ. „Da bin ich, Hiro-kun.“, meinte sie, als würde das irgendetwas erklären, entließ ihn aus ihrer Umarmung und war bereits mit ihrem sperrigen Gepäckstück in der Wohnung. Sprachlos folgte er ihr, die Tür fiel mit einem leisen Klicken ins Schloss, als sie ihren Mantel aufknöpfte, ihn an die Garderobe hing und sich anschließend auf einen der Stühle in der Küche fallen ließ. „Du ahnst gar nicht, was ich alles hinter mir habe…“ Sie streckte die Beine von sich und er sah den Riss in der ausgewaschenen Jeans oberhalb ihres Knies. „Am Flughafen in New York war die Hölle los – dabei sollte man meinen, dass die Leute mitten im März besseres zu tun hätten, als durch die Welt zu fliegen…“ Langsam folgte er ihr in die Küche. „Und das Flugpersonal war furchtbar unfreundlich.“ Sie schüttelte den Kopf, so dass die honigfarbenen Locken um ihr Gesicht tanzten. „Es ist ja nicht so, dass ich nach Diamanten verlangt hätte, ich wollte einfach nur keine Pilze auf meinem Pilzrisotto, das wird ja wohl noch erlaubt sein….“ Es war kaum möglich ihrem Geplapper zu folgen, welches wie ein warmer Regenguss auf ihn einprasselte. „Mit dieser Airline fliege ich kein zweites Mal“ Sie klatschte in die Hände und nahm, unter seinen beobachtenden Blicken, ein Glas aus dem weißen Hängeschrank über der Spüle.„Es hat ewig gedauert, bis ich dann an meinen Koffer konnte, bestimmt eine Millionen Jahre…“ Das Wasser in ihrem Glas sprudelte und schäumte, während sie es auf den Tisch stellte und etwas davon auf der Tischplatte verschüttete. Rasch griff er nach einem Trockentuch. „Oh, ja danke, Hiro-kun. Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, die Taxifahrt. Ich sage dir, Hiro-kun, das war vielleicht abenteuerlich.“ Sie hatte ihn überrascht, überfallen, einfach überrollt. Und nun war er ihr hilflos ausgeliefert, es schien, als wäre er verstummt, er fand einfach keine Worte, die er hätte erwidern können, während er ihr dabei zusah, wie sie ihm wild gestikulierend alle Details der Taxifahrt mitteilte, sich mit den blau lackierten Nägeln durch die langen Locken fuhr und sein Herz ihm bis zum Hals schlug. „Ach es ist so schön, wieder hier zu sein…“ Sie erhob sich vom Stuhl und baute sich vor ihm auf mit ihrem zuckersüßen Lächeln bei dem die Küche urplötzlich in ein gleißendes Licht getaucht wurde, was physikalisch überhaupt nicht möglich war und allen Gesetzen des Universums widersprach. Sie reichte ihm gerade einmal bis zu den Schultern. Ihre Hände berührten seinen Arm und ihm wurde schwindelig. „Ich hab dich vermisst, Hiro-kun“, flüsterte sie. „Was machst du hier?“ Das waren die einzigen Worte, die er mit krächzender Stimme hervorbrachte. Entrüstet verschränkte sie die Arme vor der Brust. „Da fliege ich abertausende von Meilen und das ist alles was du dazu zu sagen hast?“ Ja, das war alles, was er herausbringen konnte. Sie war wie aus heiterem Himmel vor ihm aufgetaucht und sein Verstand schien sich in dem Moment verabschiedet zu haben. „Freust du dich gar nicht mich zu sehen?“ Hakte sie nach und fing seinen nervösen Blick auf, mit dem er die Küche nach potenziellen Notausgängen absuchte, und ließ ihn nicht wieder frei. „Ähm…“ Mit einer fahrigen Handbewegung fuhr er sich durch das Haar, versuchte Zeit zu gewinnen auf der Suche nach einer passenden Antwort, die sie zufrieden stellte. „Dein Besuch kommt etwas unerwartet, Mimi…“, versuchte er sich zu erklären, während sie ihn böse anfunkelte, und er sich so unwohl fühlte, wie noch nie in seinem Leben zuvor. Es war einfach unmöglich, sie zu verstehen. Nichts was sie tat war logisch. Sie war unberechenbar und schrecklich laut und er fühlte sich in ihrer Gegenwart wie ein Volltrottel. „Glaubst du etwa…“ Sie stieß ihm mit dem Zeigefinger gegen die Brust. „…dass ich mich nicht von Sora verabschiede? Was wäre ich nur für eine Freundin, wenn ich sie ohne ein Wort nach Paris ziehen ließe…“ „Ja, aber…“ Er schluckte und verbot sich ihr zu widersprechen. Mimi folgte ihren eigenen ihm unerklärlichen Gesetzen. Und auch wenn sie seit fast fünf Jahren auf einem anderen Kontinent lebte und Sora in all der Zeit kaum zu Gesicht bekommen hatte, würden diese Argumente an ihr abprallen, wie an einer Mauer. Auch, dass er es für schieren Wahnsinn hielt, dafür nach Tokio zu fliegen, ließ er unausgesprochen. Stattdessen fiel sein Blick auf die Küchenuhr. 16 Uhr und 3 Minuten. „Dann sollten wir wohl los“, räusperte er sich und deutete auf die voranschreitenden Zeiger. Doch erst nachdem Mimi für eine geschlagene Viertelstunde im Bad verschwunden war, und er seiner Mutter eine Nachricht hinterlassen hatte, auf der er das Auftauchen des riesigen Gepäckstücks zu erklären versuchte, verließen sie die Wohnung. Mimi hatte die Jeans und das bunt gepunktete Shirt gegen eine zitronengelbe Bluse und einen kaminroten Faltenrock ausgetauscht, der nun im Wind flackerte, während sie gemeinsam zur U-Bahn-Station liefen. Ihre Locken wirbelten hin und her und ihre Wangen waren leicht gerötet als das Schild der Daiba-Station in ihr Blickfeld gelangte. „Warum bist du nicht direkt zum Central Park gefahren“, keuchte er, während der Einstieg zur U-Bahn sichtbar wurde. „Dummkopf“, hörte er sie, während sich ihre Schritte verlangsamten. „Der ganze Weg nach Odaiba hinaus, das ist doch ein totaler Umweg…“, meinte er verständnislos und drehte sich zu ihr um. Mimi war mittlerweile stehen geblieben. „Ich wollte aber erst zu dir.“ Sie senkte den Blick und er spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss, während sie fortfuhr. „Ich hab dich vermisst, Hiro-kun.“ Sie flüsterte, ganz sacht und für sie völlig untypisch leise. „Ich dich auch…“ *** Knisternde Luft „Klar würde ich die Schule sausen lassen, wenn ich dafür bei einem Topverein spielen könnte. Das ist eine einmalige Chance“, antwortete Daisuke und balancierte den Lederball weiterhin auf seiner Fußspitze. „Na die letzten Jahre auf der Oberschule werden wir wohl noch über die Bühne bringen“, hörte sie Takeru neben sich unter der Mütze murmeln, die er sich über das Gesicht gezogen hatte, während er die Arme unter dem Kopf verschränkte und sich von Sonnenstrahlen berieseln ließ. Patamon hatte sich auf seinem Bauch zusammen gerollt und gab ein lautes grunzendes Schnarchen von sich. „Ich weiß nicht…“ Sora malte mit ihren Fingerspitzen über das bunte Blumenmuster der Picknickdecke. „…Bei so einer einmaligen Chance sollte man einfach zugreifen. Bevor man eines Tages aufwacht….“ Ihre nussbraunen Augen ruhten auf Yamato. „…und sich fragt, was wäre wenn?“ Sie strich sich eine der roten Haarsträhnen aus dem Gesicht und seufzte leise. Doch Jyou schüttelte vehement den Kopf, so dass ihm die Brille abermals von der Nase rutschte. „Ohne vernünftige Schulbildung sind die Chancen minimal“, erklärte er und hob dabei unbewusst den Zeigefinger, während er streng in die Runde schaute. Sie schmunzelte und fing den belustigten Blick ihres Bruders auf, der an diesem Tag ungewöhnlich still wirkte, während Yamato Jyou freundschaftlich den Ellbogen in die Seite stieß. „Das Medizinstudium hat dir wohl eine Gehirnwäsche verpasst.“ Jyou wollte etwas erwidern, doch seine Antwort ging im lauten Gelächter unter. Er grinste sie aufmunternd an und fuhr sich mit der Hand über das kurz geschorene Haar, dass immer noch so fremd wirkte und gar nicht dem Taichi ähnelte, den sie kannte und der ihr Bruder war. „Huhu!“ Ein schriller Schrei riss sie aus ihren Gedanken und in der Ferne tauchten zwischen den Kirschblüten zwei Gestalten auf, die die Arme winkend in die Höhe reckten. Und als Palmon mit einem verzückten Quieken aufsprang und auf eine der beiden Gestalten zusprintete, erkannte auch sie, zu wem die honigfarbenen Locken gehörten, die im Wind wehten während sie das Pflanzendigimon in ihrer Arme schloss. Die andere Gestalt fiel mit seinen rostroten Haaren zwischen den Kirschblüten gar nicht so sehr auf und dennoch handelte es sich unverkennbar um Koushiro, der die Hände in die Hosentaschen vergrub und sich mit gewohnt bedachten Schritten näherte. „Mimi!“ Sora umarmte das Mädchen stürmisch. „Bonjour allerseits“, begrüßte Mimi Tachikawa sie und ließ sich zwischen der jubelnden Miyako und dem verdutzten Jyou nieder, während Koushiro Taichi und Yamato mit einem Handschlag begrüßte. Mimi hatte sich natürlich verändert. In ihrem Haar glänzten kleine bunte Glitzerhaarspangen und die himmelblau lackierten Fingernägel blitzten zwischen den braunen Locken auf, während sie sich durch das Haar strich und dem sprachlosen Jyou auf die Schulter klopfte. Aber es war nicht Mimi allein die sich verändert hatte. Seit einer Weile hatte sie nun schon nichts mehr von Koushiro gehört; wenn es etwas zu bereden gab, hatte er sich an Taichi gewandt und die Patrouille in der Digiwelt absolvierte sie meisten mit Takeru oder Miyako. Das einzige Lebenszeichen war der wöchentliche Newsletter mit dem er die Digiritter aus aller Welt über Neuigkeiten und Patrouillenschichten auf dem Laufenden hielt. Das Netzwerk der Digiritter hatte sich in den letzten Jahren enorm vergrößert, so dass die Arbeit aufgeteilt und organisiert werden musste. Es schien als wäre Koushiro in der letzten Zeit um einiges gewachsen, zumindest war er beinahe so groß wie ihr Bruder, aber etwas an Koushiro selbst musste sich verändert haben, dachte sie bei sich, als er lachend die Köpfe mit Taichi zusammensteckte und immer wieder mit Mimi verstohlene Blicke austauschte. Und obwohl sie nun alle wieder beisammen waren, wollte sich das vertraute Gefühl nicht recht einstellen. Die Veränderungen waren spürbar, sie knisterten in der Luft und flüsterten ihr all die Ängste ins Ohr, die sie nicht hören wollte. In einigen Stunden würde Sora das Ende einer Ära einläuten, sobald sie in den Flieger gestiegen war, um ein neues Leben in Paris zu beginnen, wäre nichts mehr wie es einmal war. Das stand in Großbuchstaben auf den Gesichtern ihres Bruders und Yamato geschrieben, die mit angespannten Mienen auf den letzten Glockenschlag warteten. Der ungeöffnete Briefumschlag der Universität Kyoto auf Taichis Schreibtisch tat sein Übriges, um ihre Angst zu schieren, während er ungeduldig auf diesen einen finalen Moment zu warten, und wenn er es endlich wagte, ihn zu öffnen, finge auch für ihn ein neues Leben an. Auch Yamato schien zu glauben, dass das Leben mit jedem Abschied leichter würde. Sie hatte das Zugticket in seiner Hand gesehen, als er es Taichi gezeigt hatte, und ihn nach seiner Meinung gefragt hatte. „Schon so spät?!“ Jyou war aufgesprungen und deutete panisch auf das Zifferblatt seiner Uhr. 16 Uhr 43. „Meine Schicht beginnt in gut einer Stunde…“, erklärte er, während er seine Jacke vom Boden aufhob und hastig in die Ärmel schlüpfte. „Ich wünsche dir alles erdenklich Gute, liebe Sora…“ Doch bevor er seine feierliche Rede fortsetzen konnte, hatte die Rothaarige ihn in die Arme geschlossen. Tränen kullerten ihre Wangen herunter, während Jyou ihr unbeholfen den Rücken tätschelte. „Den sehen wir so schnell nicht wieder“, scherzte Taichi, während Jyou und Gomamon zwischen den Kirschbäumen verschwanden. „Das war das erste Mal seit Monaten, dass ich ihn zu Gesicht bekommen habe…“ Yamato grinste. „Unser lieber Jyou ist eben ein sehr fleißiger und rechtschaffener Student!“ Unterdessen hatte sich Iori aufgerichtet und starrte hinüber zu einer sich nähernden Gruppe, die über die grüne Parkanlage schritt. Als die Umrisse deutlicher wurden, erkannte sie unter ihnen Noriko, das kleine Mädchen, welches sie seinerzeit von der Saat der Finsternis befreien konnte, die mit ihrem Digimonpartner, einem Elecmon über die Wiese rannte. Dicht gefolgt von einem hoch gewachsenen Junge mit langem braunen Haar, einer giftgrünen Weste und einem DORUmon an der Seite, dessen fliederfarbener Schweif aufgeregt auf und ab hüpfte, während das Drachendigimon mit einem Lalamon spielte, dass zu einem dunkelhaarigen Jungen gehörte, welcher eine Brille trug und seinen Laptop auf dem Rücken schulterte. Das Schlusslicht bildete ein verträumt dreinschauendes Mädchen mit einer knallroten Baseballkappe, auf der es sich ein wespenartiges Kunemon gemütlich gemacht hatte. Iori winkte ihnen zu, während sich sein Gesicht zu einem fröhlichen Lächeln verzog. „Ja, also wir wollten in der Digiwelt patrouillieren“, erklärte er sich und richtete seine Aufmerksamkeit auf Sora, die ihm verständnisvoll zunicke, bevor er und Armadillomon zu den fremden Digirittern aufschlossen. „Sie schlagen sich gut“, hörte sie Taichi, der seinen Stolz nicht verbergen konnte, als er auf die fünfköpfige Gruppe blickte, die über die Wiese stapfte mit einem lachenden Iori in ihrer Mitte. In den letzten Jahren waren immer wieder neue Digiritter auf der Bildfläche aufgetaucht. Neue Gesichter auf denen sie die gleiche Abenteuerlust erkannte, die sie vor so vielen Jahren erfasst hatte. Neue Digimon, die neue Partnerschaften eingingen und viele unterschiedliche Teams, die dafür sorgten, dass der Frieden der Digiwelt bestehen konnte. Es waren andere Digiritter, Freidenker auf der Suche nach Abenteuern und Spaß, die keine ernsthaften oder lebensbedrohliche Kämpfe austragen mussten. „Hikari-chan.“ Takerus weiche Stimme hinterließ ein Prickeln auf ihrer Haut, während er sie bei der Hand nahm und das unheimliche Knistern für einen Augenblick verstummte. *** Author’s Note: Mimi is back! Ich liebe das Mädel ja sehr, und es war eine gar köstliche Vorstellung, wie sie Koushiro völlig überrumpelt. Außerdem vergöttere ich ihren Hang zum Melodrama. Nichts ist spannender als einer Drama-Queen bei ihren Geschichten zu lauschen! Der erste Akt ist noch recht gruppenlastig, wird aber ab dem nächsten Kapitel immer weiter aufgedröselt und individueller. Dennoch war es eine schöne Aufgabe für mich, die Gruppendynamik einzufangen. Daisuke und Miyako sind einfach goldig. Aber es geht in erster Linie um Veränderungen. Die Kirschblüte ist schließlich das Symbol für Schönheit, Aufbruch und Vergänglichkeit. Und so lässt es sich nicht vermeiden, dass die Gruppe sich zunehmend auflöst und die Digiritter ihre eigenen Wege gehen, sich von etablierten Haarfrisuren trennen und das Feld einer neuen Generation überlassen. So was kann natürlich Angst machen… Tja, bleibt nur die Frage, was Taichi in gut zwei Stunden dazu veranlasst, sie zu verabschieden, nicht wahr? Nun abwarten und Tee trinken. Bis dahin PenAmour Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)