Sasori Holmes und Dr. Deidara von Galenhilwen (wenn klassische Literatur auf Anime trifft) ================================================================================ Kapitel 2: Der Schlaf der Gerechten ----------------------------------- Am folgenden Tag hatte Sasori sich in sein Arbeitszimmer zurückgezogen und deutlich betont, dass er so lange nicht gestört zu werden wünschte, bis sie sich die Leiche im Präsidium ansehen konnten. So blieb Deidara nichts anderes übrig, als sich mit der Literatur zufrieden zu geben, die unten im Salon zu finden war. Er wusste einfach aus Erfahrung zu genau wie ungehalten sein Freund werden konnte, sollte man seinen Wunsch missachten. Seit einer geschlagenen Stunde begutachtete der Doktor jeden Buchrücken, suchte nach etwas, das auch nur im Ansatz mit Ritualen und anderen Merkmalen dieses Mordes zu tun haben könnte. Eigentlich war ihm bewusst, dass es eine sinnlose Beschäftigung war. Hätte in einem dieser Werke auch nur in einem Nebensatz etwas über ähnliche Umstände gestanden, sein Kollege hätte sich daran erinnern können. Er seufzte, ließ sich auf die kleine Trittleiter sinken und sah bedrückt zum Fenster hinüber, an das, wie schon seit unzähligen Tagen, der Regen prasselte. Auch wenn Sasori mit Aberglauben und ähnlichem Hokuspokus nichts anzufangen wusste, für Deidara war es ein schlechtes Zeichen. Er mochte Doktor und Wissenschaftler sein, ein herausragender Spezialist für Sprengstoffe, aber er war auch Mensch. Er konnte seine emotionale Seite nicht einfach ausblenden und diese verkrampfte seinen Magen unangenehm, ließ Schweiß über seinen Rücken laufen und seine Hände zittrig werden. Etwas lag in der Luft. Weder Krankheit, noch Geister, noch Einbildungen. Nein. Der Blonde wusste, dass etwas Bösartiges sich in der Stadt verbreitete, sie schleichend einnahm und in den Höllenschlund selbst zu ziehen drohte. Entschlossen erhob sich der junge Mann und schritt durch den Flur, betrat die Küche, in der er Itachi, wie erwartet, vorfand. Der Butler erhob sich höflich und verneigte sich: „Wie kann ich Euch helfen, Master Deidara?“ - „Richten Sie Sasori doch bitte aus, falls er nach mir fragt, dass ich Forschungen in der Bibliothek anstelle. Falls ich nicht zeitig zurück bin, kann er mich dort gerne abholen.“ Wieder verneigte der Schwarzhaarige sich: „Natürlich, wie Ihr wünscht.“ Ohne ein weiteres Wort mit dem stets mürrisch wirkenden Butler zu wechseln kehrte der Blonde in den Flur zurück, griff nach seinem hellen Ulster(1), den er sich beim Verlassen des Hauses überzog, und marschierte unter seinem Regenschirm in Richtung Stadtzentrum. Nach einer halben Stunde betrat er das imposante und doch wie ausgestorben wirkende Gebäude, stellte ordentlich seinen Schirm in den Ständer neben der Tür, grüßte die Empfangsdame höflich und stieg umgehend in den ersten Stock hinauf. Noch war es hell genug. Auch wenn der Himmel bewölkt war schien ausreichend Licht durch die mehr als großzügigen Fenster. Und falls es doch zu düster werden sollte, standen an einigen Tischen Öllampen parat, um den Lesern ein wenig Helligkeit zu spenden. Deidara schritt einen breiten gefliesten Flur entlang, der Boden schwarz-weiß kariert, zu seiner Linken und Rechten allerdings keine Wände, sondern unzählige Reihen an Regalen, bis obenhin gefüllt mit wertvoller Literatur. Am Ende des Flures dann mündete der Weg in einen großzügigen Lesesaal, in dem man sich mit dem gefundenen Werk beschäftigen konnte. Über ihm hingen Schilder mit Beschriftungen, die dem Besucher seine Suche nach der gewünschten Kategorie und einer Einschränkung der Anfangsbuchstaben des Titels erleichtern sollten. Der Blonde hatte fast 2/3 des Flures hinter sich gebracht, als auf einem Schild endlich das stand, wonach er gesucht hatte: Okkultismus. Kurzerhand entschied sich der Doktor für die Reihe mit den Buchstaben R-Z, da er immerhin nach Ritualen zu suchen gedachte. Er betrat den Gang, suchte einen Augenblick nach den Anfangsbuchstaben „RI“ und wurde nach einer doch unerwartet langen Suche fündig. Hoffnungsvoll betrachtete, wie am Morgen bereits im Hause seines Freundes, jeden Buchrücken genau, las sich Titel und Untertitel durch und stellte zerknirscht fest, dass auch hier seine Suche wohl eher eine reine Zeitverschwendung sein würde. Nach einer geschlagenen halben Stunde lag sein Finger jedoch müde auf dem Rücken eines Buches, das sein Interesse weckte. In feinen Buchstaben war der Titel „Rituale bei unbekannten Sekten – Eine Sammlung brutaler Opfergaben“ zu lesen. Flink zog Deidara das Buch heraus und eilte in den Lesesaal, wo er sich umgehend auf den Inhalt stürzte und gierig jede Information verschlang. Es dämmerte bereits zum Abend, als es an der Tür des Arbeitszimmers klopfte. Verstimmt hob Sasori den Blick von seinem Blatt Papier, knurrte: „Ja, bitte?“ Die Tür öffnete sich und Itachi trat ein, verbeugte sich und murmelte: „Master Sasori, ich soll Euch mitteilen, dass eine Audienz in der Gerichtsmedizin möglich ist. Ihr werdet dort erwartet.“ Sasori nickte abwesend: „Danke, Itachi.“ - „Da ist noch etwas, Sir.“ Der Rothaarige hob eine Augenbraue. „Master Deidara hat mir gesagt, ich solle Euch ausrichten, dass er in der Bibliothek zu finden sei, solltet Ihr vor seiner Rückkehr ins Präsidium bestellt werden.“ Der Rotschopf nickte und folgte dem Butler aus dem Zimmer, händigte ihm seinen Morgenrock aus, um sich Sakko, seinen Inverness-Mantel(2) und seine Jagdmütze anzuziehen und dem Blonden zur Bibliothek zu folgen. Endlich ergriff der Doktor ein wenig Eigeninitiative und das erfüllte den kühlen Ermittler mit einer gewissen Portion Stolz. War schließlich er, Sasori, es gewesen, der sich des blonden Wirrkopfes angenommen hatte, nachdem er offiziell seine Arbeit als Sprengstoffexperte nicht mehr zu verrichten mochte. Ein Unfall in einem Bergwerk hatte zu seiner Entlassung aus dem Dienst geführt. Er selbst hatte die Untersuchungen durchgeführt, da viele den Verdacht geäußert hatten, es könne sich bei der immensen Explosion auch um einen Akt der Sabotage handeln. Und trotz der Widerlegung dieser Annahme, wurde es seinem Freund verwehrt seinen Dienst wieder aufzunehmen. Sasori konnte sich nicht mehr erinnern, wieso eigentlich, aber er hatte tiefes Mitgefühl damals bei der Gerichtsverhandlung empfunden und in einem Augenblick der Impulsivität dem Blonden ein Zimmer zum Wohnen und eine Stelle als Assistent angeboten. Das war nun bereits fünf Jahre her und nicht an einem Tag hatte er seine Entscheidung wirklich bereut. Zwar mochte er seinem Kollegen dies nie sagen, aber er konnte sich ein Leben in diesem Hause ohne Deidara nicht mehr vorstellen. Sie gerieten gerne und oft aneinander, waren selten einer Meinung und so manches Mal verzweifelte der Rothaarige an der fast schon erstaunlichen Lernresistenz seines Freundes. Und doch war es, als würde das Haus und er mit ihm endlich eine Spur Leben beherbergen. Leider konnte er dieses Gefühl nur still genießen. Selbst wenn der Ermittler es gewollt hätte, so war es ihm eine schier unüberwindbare Barriere, das Gefühl der Freundschaft und Zuneigung in Worte zu fassen, in Taten umzusetzen. Noch viel weniger, als bei anderen Emotionen auch. Während er die Treppen emporstieg musste Sasori innerlich lächeln. Er hatte Deidara seit dem ersten Tag studiert, beobachtet und war vielen emotionalen Äußerungen auf die Schliche gekommen. Trotz allem fehlte ihm das letzte Puzzleteil, er verstand einfach noch nicht WIESO der Blonde manches Mal reagierte, wie er es zu tun pflegte. Er schien es einfach zu tun. Wie er selbst damals, als er ihn einstellte. Und auch das entzog sich noch immer jeglichen Verständnisses, er wusste einfach nicht mehr, wieso er so gehandelt hatte. Seine Schritte hallten durch den Flur, sein Blick richtete sich auf den Lesesaal, in dem noch ein einsames Licht flackerte. Leicht lächelte der Rothaarige. Irgendwie wusste er schon jetzt, dass sein Freund wieder friedlich schlummernd auf der Lektüre liegen würde, da er sich überanstrengt hatte, seine Konzentration im Zaum zu halten. Deidara öffnete missmutig seine Augen, wer rüttelte ihn denn da so? Verschlafen blinzelte er und erkannte das Gesicht seines Freundes, der frech grinste: „Sie sind unverbesserlich, Doktor.“ Erschrocken sprang der Blonde auf und prustete aufgeregt: „Nicht doch schon wieder! Ich schaffe es einfach nicht, meine Augen offen zu halten.“ Sasori lächelte mechanisch: „So sind Sie wenigstens erholt genug, um mich zum Präsidium zu begleiten.“ Er hob eine Augenbraue: „Haben Sie wenigstens etwas gefunden?“ Zerknirscht schlug der Blonde das Buch zu und schüttelte den Kopf: „Nein. Ähnliches, aber irgendeine Sache stimmte dann doch nicht.“ Er lächelte gequält. „Aber so ist die Arbeit mit Recherchen nun einmal. Entweder man wird fündig oder nicht.“ Sie brachten das Buch wieder zu seinem Platz zurück und schritten gemeinsam den Flur entlang. Deidara sah seinen Kollegen von der Seite an: „Haben Sie wenigstens etwas erreichen können?“ Resignierend schüttelte der Rothaarige den Kopf: „Leider nicht. Wir werden uns damit abfinden müssen, dass es wohl weitere Tote geben wird, wenn es nichts gibt, das es über diese Rituale in Büchern gibt.“ - „Eine bittere Vorstellung.“ - „In der Tat, aber nur, weil wir uns darauf einstellen bedeutet dies nicht, dass es unbedingt so kommen muss. Suchen wir weiter, bald wird sich ein Anhaltspunkt finden.“ - Ich hoffe, dass Sie Recht behalten, mein Freund.“ Wieder beherrschten Dunkelheit und Regen die Stadt, als Sasori und Deidara die Treppen in die Kellerräume des Präsidiums hinabstiegen. Hier unten war es ruhig und kühl, einsam und voller Präsenz zugleich, leblos und gefüllt mit den sterblichen Hüllen verschiedener Leute. Deidara war es, als könne der die noch nicht beruhigten Seelen derer spüren, die hier ihre vorerst letzte Ruhestätte gefunden hatten. Der Tod war allgegenwärtig und greifbar. Sie betraten einen Raum, in dessen Mitte eine Art Tisch stand, auf dem die Leiche der jungen Frau lag, die gestern gefunden wurde. Verschiedene Gerätschaften standen herum, die dem Doktor befremdlich erschienen und aussahen, als seien sie nicht von dieser Welt. Ein Mann mit silbrig schimmerndem Haar stand hinter dem Tisch und war mit einem Zettel in der Hand über den Leichnam gebeugt, schaute jedoch auf, als sie den Raum betraten. Er grinste über das ganze Gesicht, als er die zwei Ermittler sah. Deidara lief es kalt den Rücken hinab, ein solcher Mensch schien hier zwischen den Verstorbenen gut aufgehoben zu sein. Der Mann wirkte für seine Größe und Statur im Gesicht doch recht jugendlich. Ein weißer Kittel mit roten Flecken kleidete seinen Torso und verschwand hinter dem Tisch aus dem Blickfeld der beiden Ermittler. Seine Präsenz war dem Blonden unheimlich. Er musterte die beiden, ehe er ihnen zunickte: „Sie müssen Sasori und Deidara sein, wenn ich mich nicht irre.“ Sasori trat an den Tisch heran, von seinem Freund dicht gefolgt, und nickte dem Gerichtsmediziner freundlich zu: „Dem ist so, ich freue mich Sie kennenzulernen. Verzeihen Sie, wenn ich ausnahmsweise nicht meine Hand zur Begrüßung reiche.“ Der Silberhaarige lachte auf und schüttelte den Kopf: „Keineswegs, Mr. Sasori. Erlauben Sie, mich vorzustellen. Mein Name ist Hidan und ich bin Gerichtsmediziner hier in London.“ Sasori wusste nicht genau wieso, aber er mochte den Arzt nicht. Er verschränkte die Arme und knurrte: „Sie haben uns sehr lange warten lassen, Doktor.“ - „Haben Sie Nachsicht mit mir, tagsüber unterrichte ich an der Universität. Ich bin nur als Aushilfe des Scotland Yard tätig, da zur Zeit kein anderer Gerichtsmediziner zur Verfügung steht.“ Der Rothaarige beschloss, nicht weiter auf diese Diskussion einzugehen, es gab Wichtigeres. Er sah auf den Leichnam hinab und murmelte neugierig: „Was können Sie uns denn über die Verletzungen sagen?“ Hidan verschränkte die Arme und erklärte: „Am Hals haben Sie ja gestern bereits die Einstichwunde entdeckt. Dort wurde dem Opfer Blut abgenommen, allerdings lebte sie zu diesem Zeitpunkt noch. Selbst die äußeren Verletzungen am Torso wurden ihr bei vollem Bewusstsein zugefügt.“ Er stutzte. „Das Einzige, was post mortem passierte war die Entnahme des Herzens. Wie Sie richtig vermuteten wurde es entfernt. Inspektor Kisame hatte mir erklärt, worauf ich achten solle.“ Dann grinste er breit: „Sie sind gut in dem, was sie tun, Sasori. Und doch habe ich noch etwas für Sie.“ Der Rotschopf hob eine Augenbraue: „Und das wäre?“ Der Gerichtsmediziner deutete auf die Haare der Toten und erklärte: „Es ist mir beim Säubern des Leichnams aufgefallen, als ihre Haare durchnässt waren. Ihr fehlt eindeutig eine Strähne.“ Interessiert beugte sich Sasori näher zu der angedeuteten Stelle, auch Deidara richtete seine Aufmerksamkeit dorthin. Dann nickte der Rothaarige zustimmend: „In der Tat. Und eine Beobachtung, die meine Vermutung weiter untermauert.“ Er stockte. „Wären Sie so freundlich und könnten mir eine Abschrift des Berichtes zukommen lassen, Doktor?“ Hidan nickte: „Gerne. Und auch falls ich neue Erkenntnisse erlangen sollte werde ich Sie selbstredend umgehend informieren.“ - „Ich danke Ihnen, Hidan. Hoffen wir, dass wir uns nicht allzu bald wiedersehen.“ Der Arzt verabschiedete sich von den beiden und widmete sich wieder seiner Arbeit, nachdem die Ermittler den Raum verlassen hatten. Während er und Sasori wieder die Treppe emporstiegen, raunte Deidara ungehalten: „Ein merkwürdiger Mensch, dieser Hidan.“ Sasori nickte nachdenklich, während er sich eine Pfeife anmachte und brummte: „Ausnahmsweise gebe ich Ihnen Recht, mein Freund. Mag sein, dass das Berufsfeld eine natürlich Kuriosität mit sich bringt, aber...“ - „Er ist unsympathisch.“ - „Wenn Sie es so nennen wollen, meinetwegen.“ - „Nein, doch meine Höflichkeit verbietet mir, weitere Worte darüber zu verlieren.“ Sasori kicherte leise und sah den Blonden an: „Seit wann kümmert es Sie?“ - „Seit ich Angst um mein Leben habe, sollte ich die verkehrten Worte über diesen Menschen verlieren.“ - „So weit würde ich nicht gehen, Deidara. Er ist unangenehm, aber Todesangst? Die Sorge scheint mir voreilig zu sein.“ - „Möglich. Und doch kann ich mich dessen nicht erwehren. Es ist eben ein Gefühl.“ Sasori lachte trocken auf: „Ich fürchte, ich werde Ihre affektive Gefühlswelt nie verstehen.“ - „Das ist auch nicht zwingend nötig. Viel wichtiger ist es, die Ihrige nicht aus den Augen zu verlieren.“ Wortlos durchquerten sie London durch eine dunkle und verregnete Nacht, nicht wissend, dass der Mörder wieder zuschlagen würde. Noch konnte man die leeren Gassen als die Ruhe vor dem Sturm bezeichnen; die beiden jungen Männer als Vorboten eines teuflischen Werks; den Regen als Tränen derer, die sich bereits im Jenseits verloren hatten; die flackernden Laternen als Mahnung, dass die Nacht ein tückischer Verbündeter war. (1) Ulster: Ein Ulster ist ein schwerer Mantel, aus beispielsweise Tweed, für Herren, der Ende des 19. Jahrhunderts sehr beliebt war. (2) Inverness-Mantel: Dieser Mantel ist mehr ein Überwurf, als ein richtiger Mantel. Er steht zusammen mit dem Reindeerstalker-Hut auf den meisten Abbildungen als typische Kleidung von Sherlock Holmes. Darunter wird in der Regel ein Sakko getragen und die Arme kann man durch zwei Löcher bequem mit dem Sakko aus dem Mantel gucken lassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)