Come To Life von Medusa ================================================================================ Kapitel 4: Kapitel 4 -------------------- Mittlerweile war es kurz nach zwei Uhr. Eline fragte sich, was Belle alles in sich hinein geschüttet hatte, denn nur Wasser war es definitiv nicht gewesen. Ihre Laune war schon fast unerträglich gut, auch wenn sie davon kaum etwas zu spüren bekam. Das ständig alberne Gelächter der Französin und ihre peinlichen Flirtversuche im angetrunkenen Zustand waren Qual genug für die Brünette. Einige Menschen schienen einfach keine Selbstachtung zu haben, statt dessen wäre Eline am liebsten vor Fremdscham im Boden versunken. Stur sah Eline in das Spülbecken oder nach links, wo Jules im unglaublichen Tempo einen Cocktail nach dem anderen mixte. Den Blick nach rechts vermied sie, bevor sie noch auf die Idee kam Belle klar zu machen, wie furchtbar sie sich gerade verhielt. Der Barkeeper schien solche Verhaltensweisen bereits zu kennen und machte sich einen Spaß daraus, ebenso wie einige der Clubbesucher. Für manche schien Belles offene Art wohl auch der Grund für einen Abend in St. Andrews zu sein. “Du solltest dich daran gewöhnen”, Jules reichte ihr ein großes Cocktailglas, doch Eline verstand nicht sofort und sah ihn nur fragend an, “für dich. Keine Sorge, absolut alkoholfrei.” Die Dunkelhaarige zögerte einen Moment. Sie war sich nicht sicher, ob sie dem Barkeeper schon soweit vertrauen konnte, doch sie konnte sich kaum vorstellen, dass er sie anlügen und ihr Alkohol untermischen würde. Bisher verstand sie sich mit ihm wirklich gut und ohne seine Hilfe hätte sie die bisherigen vier Stunden sicherlich nicht so gut überstanden. Nicht nur, dass er ihr einige angetrunkene und aufdringliche Kerle vom Hals gehalten hatte, ohne ihn hätte sie auch kaum jemandem zum Reden gehabt, denn Belle und sie sprachen kein Wort miteinander. Die Französin warf ihr höchstens tödliche Blicke zu oder grinste zufrieden, wenn sie Eline einen Haufen neuer Gläser zum Spülen hinstellen konnte. “Denkst du, dass ich den Job bekomme?”, letztlich nahm sie den alkoholfreien Cocktail mit einem dankbaren Lächeln an. So viel Wasser, wie in den letzten Stunden, hatte sie in ihrem ganzen Leben wohl noch nie an einem Tag getrunken und langsam schmeckte es nicht mehr. Der fruchtige Geschmack war eine angenehme Abwechslung und ließ sie für einen Moment vergessen, wie unangenehm das Gefühl der klebenden Kleidung auf ihrer Haut war. “Wieso solltest du nicht? Ich denke, dass Samuel ganz froh sein wird, wenn er einen etwas ruhigeren Pol hinter der Theke hat. Du hast sicher schon mitbekommen, dass auch er nicht unbedingt immer mit Belles Art zurecht kommt”, Jules schien überzeugt, dass er Eline bald als neue Kollegin neben sich stehen haben würde. Auch für den jungen Mann war es eine angenehme Abwechslung, denn er konnte nicht behaupten, dass die Französin unbedingt seine beste Freundin war. Er ertrug ihre Art während der Arbeitszeit und war froh, wenn endlich der Feierabend kam und er bis zum nächsten Abend seine Ruhe hatte. Glücklicherweise hatte er nicht immer mit der Schwarzhaarigen Dienst. “Es ist mir aufgefallen, ja. Aber wenn es so schwierig mit ihr ist und ihm ihre Art auch nicht wirklich zusagt, warum sucht er sich nicht eine neue Bedienung?”, Eline nutzte die ruhigen Minuten und nippte an ihrem Cocktail, während Belle gerade einige Tische abräumte und Bestellungen aufnahm. Somit war es eine gute Möglichkeit ungestört mit Jules zu sprechen. “Nun ja, so schwierig Belle auch sein mag, sie ist ein Grund für einige Männer herzukommen. Vor allem macht sie ihre Arbeit nicht schlecht. Sie ist sehr offen, wenn auch auf eine recht spezielle Art, und quält die Gäste ja nicht mit ihrem Seelenleid. Das muss lediglich das Team ertragen”, er grinste und wandte sich einem Gast zu, der gerade an die Theke gekommen war. Eline schwieg zu dem Thema und widmete sich wieder dem Spülbecken. Ihre Finger fühlten sich mittlerweile ganz aufgeweicht an und der Geruch des Spülmittels wurde unangenehm. Jetzt wusste sie, warum sie sich Zuhause immer grundsätzlich vor dem Abwaschen drückte und die Erfindung namens Spülmaschine liebte. Dennoch war die Arbeit im Club eine gelungene Ablenkung für die Brünette. Sie beobachtete die Gäste, unterhielt sich mit einigen, wenn der Alkoholpegel noch angemessen war und verstand sich mit Samuel und Jules bisher wirklich gut, auch wenn sie ihren vermeintlichen Chef bisher noch nicht wieder gesehen hatte. Die kurze Ruhe rief ihr das Bild des fremden Mannes wieder ins Gedächtnis und Eline presste die Lippen aufeinander, hielt für einen Augenblick den Atem an. Schon den ganzen Abend schien sie dieses Augenpaar zu verfolgen. Dieses Braun, diese Tiefe... - sie konnte es noch immer nicht fassen, dass sein Blick sie so aus dem Konzept gebracht hatte. Allein bei dem Gedanken schien ihr Herz für den Moment etwas schneller zu schlagen und unbewusst stellte sie das saubere Glas etwas härter ab, als sie geplant hatte. Jules fragenden Blick ignorierte sie allerdings; am Ende würde er ihr nur Fragen stellen und die ehrliche Antwort wäre ihr unangenehm, im lügen war sie allerdings nicht unbedingt die Beste, wenn es um solche Dinge ging. Sie war etwas frustriert, dass sie ihn die letzten Stunden nicht mehr gesehen hatte. Er konnte sich doch nicht wirklich so lange mit diesem einen Cocktail begnügen. Aber wahrscheinlich rannte Belle bei jeder Gelegenheit zu seinem Tisch und fragte, ob es neue Bestellungen gab. Eline konnte sich nicht vorstellen, dass ihr solch ein Mann entgangen war, wenn Jules sogar schon seinen Namen kannte und wusste, was er bestellen wollte. “Ist er öfter hier?”, der Gedanke war unverschämterweise laut über ihre Lippen gekommen und im selbigen Moment bereute sie die Worte schon, denn Jules Grinsen verleitete sie dazu ihm den Rest ihres Cocktails ins Gesicht zu schütten. Er sollte sie nicht so ansehen! Es war doch einfach nur eine Frage gewesen; eine verdammt dumme Frage, wie sie sich selbst eingestehen musste. Wie sah das denn aus? “Wen meinst du?”, der Barkeeper versuchte das Grinsen zu unterdrücken und sie fragend und unwissend anzusehen. Ob er selbst wusste, dass es ihm absolut misslang? Eline war sich nicht sicher, aber sie würde ihn darauf aufmerksam machen. “Du weißt ganz genau, wen ich meine”, sie stieß ihm ihren Ellenbogen leicht in die Seite und schürzte etwas nachdenklich die Lippen, “ich dachte ja immer, ich sei eine schlechte Lügnerin, aber du bist eindeutig miserabel.” Jules fand die Reaktion der Studentin amüsant und gab somit nach, als er ungeniert grinste. “Hey, nicht gleich frech werden. Ich kann dir nicht viel über ihn erzählen. Er kommt öfter vorbei, ich hab mich vor einigen Wochen kurz mit ihm unterhalten, daher weiß ich auch, wie er heißt. Da hört mein Wissen allerdings auch schon fast auf”, gestand der Barkeeper und schenkte sich selbst ein Glas Wasser ein. “Fast. Du hast eben fast gesagt. Also, was weißt du noch?”, so leicht gab sie sich nicht geschlagen, wenn sie sich sowieso schon mit der dummen Frage lächerlich gemacht hatte. Was machte da eine zweite Frage schon noch aus? Sie wollte etwas über den jungen Mann wissen und Jules war momentan ihre einzige Möglichkeit. Wer wusste schon, wann sie ihn wiedersah und selbst wenn es noch in der Nacht sein würde, am Ende bekam sie sowieso wieder kein Wort hinaus. Am besten sie verschwand, wenn er an die Bar kam, um sich nicht wieder lächerlich zu machen. “Er ist 25 Jahre alt und kommt gebürtig aus England, mehr kann ich dir wirklich nicht sagen. Ach, wie dir vorhin sicherlich aufgefallen ist, sein Lieblingscocktail ist der Swimming Pool”, er lächelte sie einen Moment an und schien noch etwas sagen zu wollen, als einige Gäste kamen und etwas bestellen wollten. Wahrscheinlich hing Belle wieder an den Lippen von irgendeinem Kerl und vergaß die Bestellungen aufzunehmen. Eline traute der Französin einiges zu, wenn sie ehrlich war. Die bisherigen Stunden hatten ihr Bild von der jungen Frau keineswegs verbessert. “Eline. Was für eine Überraschung dich hier zu treffen”, die Männerstimme riss die Brünette aus ihren Gedanken. Ihre Augen weiteten sich schockiert und für einen Moment hatte sie das Gefühl, dass ihr jemand den Boden unter den Füßen wegzog. Ihre Knie wurden weich und sie drohte wegzusacken, hielt sich jedoch am Rand der Theke fest. Fassungslos sah sie in das harte Männergesicht vor sich; wünschte sich, dass sie umgehend aus diesem Albtraum aufwachte und irgendein unbekannter Gast vor ihr stand. Der Magen der Dunkelhaarigen zog sich unweigerlich zusammen und sie bereute es den fruchtigen Cocktail getrunken zu haben, der sie nun quälte. “Was willst du hier?”, kam es endlich, wenn auch mit ungewohnt dünner Stimme, über ihre Lippen, die sie kurz darauf fest aufeinander presste. Sie hatte gehofft und gebetet, dass sie ihn nie wiedersehen würde. Nun wurde ihr bewusst, warum sie kaum einen Schritt vor die Tür gewagt hatte. Diese Konfrontation hatte sie sich ersparen wollen. Egal wie lange es her war, sie konnte seinen Anblick nicht ertragen. “Du siehst nicht sehr erfreut aus mich zu sehen”, das Grinsen in dem Gesicht des Mannes wirkte alles andere als amüsiert. Es zeigte viel mehr sein Vergnügen über die Erschrockenheit der jungen Frau. Ihm schien ihre Reaktion sehr zuzusagen und somit nahm er auf dem Barhocker platz und lehnte sich etwas über die Theke, während er Eline keine Sekunde aus seinem Blick entließ. “Verschwinde, bevor ich mich vergesse”, das Glas, welches sie hatte abspülen wollen, fand auf unsanfte Art den Weg in das Wasserbecken, während die hellen Augen ihren Gegenüber wütend anfunkelten. Auch Jules war der plötzliche Stimmungswechsel deutlich aufgefallen und etwas besorgt beobachtete er die Situation zwischen den beiden, wollte sich jedoch nicht sofort einmischen. “Mit dem Benehmen wirst du hier aber nicht lange arbeiten. Ich wusste überhaupt nicht, dass du so etwas nötig hast. Hast du das Studium in den Sand gesetzt, weil dich mein Freispruch so aus der Bahn geworfen hat?”, er schien diesen Moment in vollen Zügen zu genießen. Jede Regung in Elines Gesicht entlockte ihm ein Grinsen, welches sie ihm gerne austreiben würde. Doch die Brünette brachte kaum ein Wort über ihre Lippen; hatte das Glas mittlerweile so fest umfasst, dass die Gelenke ihrer Finger weiß hervortraten. “Halt den Mund”, war lediglich ihre schwache Antwort, bei der sie nicht einmal das Zittern ihrer Unterlippe verbergen konnte. Hätte sie gekonnt wäre sie in diesem Augenblick einfach davon gelaufen. Sie ertrug seinen Anblick nicht. Er widerte sie an; löste nur Wut, Hass und Ekel in der jungen Frau aus, die sich ihm gegenüber so hilflos fühlte. Nie hatte Eline sich so schwach, wie in den Momenten, in denen sie ihn sehen musste. Sein Freispruch hatte jegliche Hoffnung zerstört, dass es aufhören würde. Tief in ihrem Inneren hatte sie gewusst, dass sie ihm nicht ewig entkommen konnte. “Schwache Antwort, Kleines. Und nun schenk mir einen Wodka ein”, er war mehr als zufrieden mit sich und machte auch keinen Hehl daraus. Es widerte sie an, dass sie genau das tat, was er wollte. Er hatte auf solch eine Reaktion von ihr gewartet. Mit zitternden Finger griff die Dunkelhaarige nach einem sauberen Glas und hatte Mühe die durchsichtige Flüssigkeit nicht daneben zu schütten. Sie hatte ihren Körper kaum noch unter Kontrolle. Jemand schien ihr die Luft zum Atmen abzuschnüren; wie ein schwerer Stein drückte es auf ihre Lunge. Jegliche Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen und sie fröstelte; ihre Finger waren eiskalt, als sie das Glas vor dem Mann abstellte. Bevor sie ihre schmalen Finger wegziehen konnte, umfasste er es und berührte sie. Als hätte er sie schmerzhaft angefasst hätte, zog sie erschrocken ihre Hand zurück und hielt sich die Finger, während sie ihn keine Sekunde aus den Augen ließ. “Du wirkst fast so, als hätten dich die letzten Monate ernsthaft mitgenommen”, stellte er amüsiert fest und trank zufrieden einen Schluck von seinem Wodka. “Armes, kleines... -“ Er kam nicht weiter. Eine Hand hatte sich auf seine Schulter gelegt und er hatte seinen Blick von Eline abgewandt, als er den Kopf umdrehte. “Dorian, dich sieht man also auch noch mal.” “Natürlich. Und wie ich leider sehen muss weißt du noch immer nicht, wie man sich jungen Damen gegenüber verhält”, seine Gesichtszüge wirkten ernst. Eline versuchte einen Blick in die braunen Augen zu erhaschen, während sie noch immer die Finger ihrer rechten Hand umfasste, doch der Dunkelhaarige sah lediglich auf den jungen Mann hinab, der an der Bar saß. “Ich hatte nicht den Eindruck, dass ich sie irgendwie unsittlich berührt habe oder beleidigend war”, ihre Hoffnung, dass er sich einschüchtern ließ, verflog sofort wieder. Dennoch hatte die Tatsache, dass die beiden sich zu kennen schienen, einen bitteren Beigeschmack für die Studentin. “Braxton, ich warne dich genau dieses eine Mal: Lass die Finger von ihr, in jeglicher Hinsicht”, Dorian nahm dem anderen das Wodkaglas aus der Hand, reichte es einem der Freunde seines Gegenübers, den er dann auch ansah, “verschwindet an euren Tisch.” Seine Stimme ließ keinen Widerspruch zu und sein Blick unterstrich das Ganze. Die Situation war angespannt; spürbar für alle Anwesenden. Auch Jules beobachtete das Spektakel recht skeptisch und vergaß dabei völlig die Cocktails weiter zu mixen, die bestellt wurden. Die Reaktionen der Männer, die beide nicht das erste Mal im Club waren, waren ungewöhnlich. Vor allem dem Gespräch zwischen Braxton und Eline konnte er nicht folgen. “Ist ja gut, keine Panik. Ich werde dein neues Opfer schon nicht kaputt machen, bevor du an der Reihe warst, Dorian”, Braxton grinste amüsiert und stand auf, während er seinem Kumpel das Wodkaglas abnahm und sich zurück zu seinem Tisch bewegte. Ihre Stimme fand die Brünette dennoch nicht wieder. Vielmehr hatte sie noch immer das Gefühl, dass ihre Beine jeden Augenblick nachgaben und der Blick aus den dunkelbraunen Augen verbesserten es nicht. Nicht einmal ein ‘Danke’ brachte sie über ihre trockenen Lippen. Ohne ein weiteres Wort blickte Dorian erwartungsvoll zu Jules, der wie in Trance den Cocktail über den Tresen schob, den er gerade endlich in das Glas gefüllt hatte. Es war nicht einmal ein Swimming Pool, aber das war dem Barkeeper gerade wohl entgangen. Dorian nahm es einfach hin und verschwand wieder in den oberen Bereich des Clubs. “Opfer?”, kam es dann atemlos über Elines Lippen. Sie wusste nicht, wie lange sie nicht geatmet hatte. “Was soll das heißen?”, unsicher blickte sie zu Jules hinüber, der nur mit den Schultern zuckte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)