Schwarz, wie die Hoffnung von MarySae (- Wenn es nichts mehr gibt, was dich auffängt - [leichtes NamiXRuffy]) ================================================================================ Kapitel 6: Wenn das Herz in tausend Stücke bricht ------------------------------------------------- Kapitel 6 – Wenn das Herz in tausend Stücke bricht Die Totenstille, welche in diesem Moment in dem kleinen Raum des Schiffes herrschte, war unerträglich. Die Anspannung, die in der Luft lag, war beinahe greifbar. Eine seltsame Atmosphäre drückte wie Blei auf die Köpfe der Piraten. Niemand wagte es einen Blick auf den Kapitän zu werfen. Er strahlte etwas Bedrohliches aus, was seine Freunde sichtlich einschüchterte. Erst ein lauter Knall ließ die Piraten aus ihrer Starre erwachen. Sanji war wieder hinter seinem Tresen hervorgekommen und hatte mit beiden Fäusten auf das Holz eingeschlagen. Ein großes Loch klaffte auf der Ablage und feine Rinnsäle aus Bluten tropften auf die Trümmer. Sein Gesicht war von Wut verzerrt, was das kleine Rentier zurückweichen ließ. „SEID IHR NOCH ALLE GANZ DICHT?“ Sein Schrei erfüllte die Küche und wurde ungewöhnlich laut von den Wänden wiedergegeben. „Ich habe keine Ahnung, was da vorhin genau passiert ist, aber ich bin mir sicher, dass Nami einen vernünftigen Grund für all das hatte!“ Sein Blick fiel nun auf den Schwarzhaarigen, der diesen ruhig erwiderte. Ruffy sah den Hass gegen ihn, der in den Augen des Blonden aufblitze. Es versetzte ihm einen Stich seinen Freund so leiden zu sehen, doch er hatte einen Entschluss gefasst und würde diesen nun durchziehen. „Nami wusste doch, dass dir eine Kugel nichts anhaben kann! Sonst hätte sie niemals auf dich geschossen, verdammt!“, zischte er weiter, nachdem er sich zwei Geschirrtücher um die blutenden Hände gewickelt hatte. Ruffy warf einen kurzen Seitenblick auf den Schiffsarzt und sah, wie er mit sich kämpfte. Einerseits schien er die Wunden behandeln zu wollen, aber auf der anderen Seite, traute er sich nicht näher an den wütenden Sanji heran. „Und was war mit dem Messer?“, mischte sich plötzlich Franky ein. Doch er schien es nicht zu wagen die beiden Streithähne direkt anzusehen. Sein Blick fiel starr auf seine übergroßen Hände, mit welchen er die Tischkante umklammerte. „Sie hätte Strohhut wirklich verletzen können.“ Seine Stimme verlor sich zum Ende hin fast. Der Koch stockte kurz. Damit hatte Franky wohl den wunden Punkt getroffen. Selbst Sanji schien sich diese Reaktion nicht erklären zu können. Gedankenverloren wanderte eine Hand des Schwarzhaarigen an seinen Bauch, wo er den weichen Verband spüren konnte, welcher seine Wunde verdeckte. Doch irgendwie hatte er das Gefühl, als würde das Messer noch immer tief in ihm stecken. „Aber… Wir können sie doch nicht einfach zurücklassen!“ Fassungslos blickte der Blonde in die Gesichter der anderen. „Wohin wollen wir dann als nächstes, Käpt’n?“ Sanji hielt in seiner Predigt inne. Wie in Zeitlupe drehte er seinen Kopf zu der einzigen Frau im Team. „Was hast du gesagt, Robin?“ Er war so außer sich, dass er sogar vergaß seine üblichen Verniedlichungen an ihren Namen anzuhängen. „Der Käpt’n hat gesagt, er will nicht nach ihr suchen, also müssen wir einen neuen Kurs bestimmen. Eine Weile könnte auch ich das Navigieren der Sunny übernehmen, solange sich der Herr Schiffszimmermann um die Steuerung kümmert. Aber auf Dauer werde ich diesen Posten nicht übernehmen können. Wir brauchen also bald einen neuen Navigator.“ In dem Raum war es erneut totenstill. Niemand wagte es sich zu rühren. Nicht einmal ein Atemgeräusch schien in dieser endlosen Stille zu ertönen. Mit leeren Augen starrten sie Robin an; unfähig etwas zu sagen. Hatte die Archäologin ihre Freundin so schnell aufgegeben? War es ihr egal, dass Nami sich einer Bande von Dieben angeschlossen, ihre Freunde verstoßen und sogar versucht hatte, Ruffy zu töten? „Aber Robin-chan! Das kannst du doch nicht ernst meinen! Sie ist doch auch deine Freundin!“, meinte Sanji entsetzt. „Sie haben Recht.“, mischte sich nun auch Zorro ein, welcher noch immer neben der Tür saß. „Zorro!“, protestierten Chopper und Lysopp gleichzeitig. „War ja klar, dass der Grünschädel wieder seinen Senf dazu geben muss!“, zischte der Koch wütend. Der Schwertkämpfer zuckte gefährlich mit den Augenbrauen. „Und es war ja klar, dass du Aushilfskoch wieder nichts kapierst!“, gab er provozierend zurück. „Was sagst duuuu…?“, kreischte der Blonde und ließ seine Fäuste gefährlich knacken, wodurch noch mehr Blut die Tücher durchnässte. Doch sein Gegenüber ließ sich nicht provozieren. Ruhig blickte er zu seinem Freund hinüber. Der Rest der Crew verfolgte die Auseinandersetzung gespannt. „Wir können ihr nicht mehr vertrauen! Das ist nicht das erste Mal gewesen, das diese geldgierige Zicke uns verraten hat! Erst klaut sie das Schiff, schmeißt uns von ihrer Heimatinsel und für Geld würde sie uns jeder Zeit an den Pranger stellen! Bis jetzt haben wir immer auf Ruffy gehört und ihr noch eine Chance gegeben. Doch dieses Mal ist sie zu weit gegangen. Sie war bereit unseren Kapitän umzubringen! Sie hätte seinen Tod in Kauf genommen, nur weil sie sich wieder irgendwas in den Kopf gesetzt hat! Nami hat es nicht mehr verdient zu uns zu gehören.“ Er warf einen Blick auf den Schwarzhaarigen, der sichtlich damit kämpfte, nicht gleich auf seinen Freund loszugehen. „Und selbst wenn der Kapitän sie wieder zurücknehmen würde… Wir als Crew dürfen das nicht mehr zulassen.“ Sanji verstummte. Die Crew starrte geschockt zu Boden. Zorro sah den inneren Kampf seiner Freunde, als sie seine Worte noch einmal in ihrem Kopf Revue passieren ließen. Sie schienen wirklich abzuschätzen, was sie nun tun sollen. Alles, was Ruffy und Zorro gesagt hatten, schrieben ihnen die quälenden Fragen quasi auf ihr Gesicht. Wie viel konnte eine Freundschaft verzeihen? Wie viel waren sie bereit für jemanden zu geben, dem das Leben ihrer Freunde scheinbar nichts mehr bedeutete? Konnten sie ihr immer noch vertrauen? Erst als Robin sich aufrichtete schienen die anderen aus ihrer Starre zu erwachen. Fragend blickten sie zu der Schwarzhaarigen hoch. „Käpt’n, dürfte ich einen Vorschlag machen?“ Ihre Stimme war leise, aber ruhig. Sie sah ihrem Freund lange in die Augen, woraufhin dieser nickend zustimmte. „Es ist schon spät und wir sind alle müde. Außerdem sollten wir möglichst bald einen Kurs einschlagen, damit wir nicht zu weit abdriften und uns nicht mehr zurecht finden.“ Sie blickte abwartend in die Runde. In ihren Gesichtern erkannte sie ihre Zustimmung. „Ich würde sagen, wir steuern die nächste Insel an und kümmern uns erst einmal um unsere Vorräte. Auf der letzten Insel hatten wir ja nicht die Gelegenheit dazu. Lasst uns noch einmal über das Geschehene schlafen und einen klaren Kopf kriegen. Diese Diskussion hilft uns nicht weiter.“ Als Robin verstummte blickte sie jedem ihrer Freunde einige Sekunden lang ins Gesicht. Sie sah die Müdigkeit und Verwirrung deutlich in ihren Zügen. In diesem Zustand konnten keine wichtigen Entscheidungen getroffen werden. Ruffys müdes Stöhnen ließ auch die anderen etwas entspannen. „Hey Leute. Ich denke Robin hat recht. Ich will nicht auch noch, dass wir uns in die Haare kriegen. Ich habe keinen Bock auf streiten. Außerdem könnte ich noch was zwischen die Zähne vertragen.“ So schwer es ihm in diesem Moment auch fiel, das Lächeln, welches auf seinem Gesicht erschien, war echt, was auch seinen Freunden nicht entging. Auch Sanji versuchte sich wieder zu beruhigen und wickelte die inzwischen blutgetränkten Handtücher wieder von seinen Händen ab. „War ja klar, dass du wieder nur ans Essen denkst.“, seufzte der Blonde und warf einen Blick auf Chopper. „Chopper? Würdest du mir bitte mal zur Hand gehen?“ Fast hätte er über seinen eigenen schlechten Witz gelacht, doch der Schmerz über Namis Verrat saß noch zu tief. Der Schiffsarzt ließ sich nicht lange bitten. Er verschwand schnell in seinem Zimmer und kehrte mit Verbandsmaterial und einigem Zubehör wieder zurück. Auch Franky versuchte sich abzulenken und nahm die von Sanji zerstörte Theke unter die Lupe. Stöhnend wandte er seinen Blick ab. Mit einem „Mach ich Morgen…“ verschwand der große Cyborg, gefolgt von Lysopp, aus der Küche. Der kalte Wind der bereits hereingebrochenen Nacht strömte in den Raum und vertrieb einen Teil der stickigen Luft. Auch Robin wandte sich der Tür zu. „Ich werde dann mal gucken, wo sich die nächste Insel befindet und eine neue Route berechnen. Ich bin in der Bibliothek, falls mich jemand sucht.“ Ruffy lächelte ihr zu. „Klar, danke Robin!“ „Robin- swan! Soll ich dir nachher einen Kaffee vorbeibringen?“ Sanjis Augen leuchteten und die Schwarzhaarige sah ihm an, dass er ziemlich mit sich kämpfen musste, um nicht gleich zur Kaffeemaschine zu rennen, denn immerhin verband Chopper gerade noch seine Verletzungen. „Ja gerne“, lächelte diese zu zurück und trat aus der Tür hinaus. Für einen Moment stand sie einfach nur still da und sah hinauf in den Himmel. Sie vermisste ihre Freundin sehr. Und auch wenn sie am liebsten sofort aufgebrochen und nach ihr gesucht hätte, wusste sie doch, dass sie richtig gehandelt hatten. Wenn Ruffy beschlossen hatte stark zu sein, dann musste sie das auch. Langsam schlenderte sie die Treppen herunter und ging in Richtung ihres Schlafzimmers. Kurz vor der Tür hielt sie inne. Ihre Hand ruhte bereits auf der Klinke. Doch sie schaffte es nicht, sie zu bewegen. Etwas in ihr sträubte sich dagegen. Sie wusste genau, was sie erwarten würde. Ein leerer Raum. Und viele Dinge, die sie an das Vergangene erinnern würde. An ihre beste - und einzige - Freundin. Ob es ihr damals genau so erging? Damals, als sie sich an die CP9 verkauft hatte, um ihre Freunde zu retten? Hatte sie auch dieses leere Gefühl in ihrem Herzen, welches es zu zerbrechen drohte? Doch Nami hatte nicht gezögert. Sie hatte alles getan, um Robin zu retten. Und sie wusste: Ihre Freunde hatten ihre Navigatorin noch nicht ganz aufgegeben. Schnell öffnete sie die Tür und trat ein. Das Licht des Mondes fiel durch den Spalt und tauchte einen schmalen Streifen in ein gespenstisches Licht. Der größte Teil ihres Zimmers lag jedoch noch immer im Dunkeln und trotzdem konnte sie jede Einzelheit dieses Raums sehen. Sie hatte ihn so oft betreten, dass sich jedes Detail bereits tief in ihrem Kopf verankert hatte. Und trotzdem fehlte etwas. Die lächelnde Frau, deren langes, orangefarbenes Haar im Licht der Lampen glänzte, während sie voller Begeisterung ihre Seekarten zeichnete. Sie war es, die diesem Zimmer sonst immer Wärme gegeben hatte. Doch nun lag er kalt und verlassen da. Ihr Bett war unangerührt, der Stuhl kalt und auch der Duft ihrer Orangen, welche sie täglich genüsslich verspeist hatte, hatte sich längst verzogen. Zurück blieb nur ein leerer Raum inmitten eines großen Schiffes, dem gewaltsam der Wind aus den Segeln genommen wurde… Schnell lief sie hinüber zu Namis Kartenstapel, der auf ihrem Schreibtisch thronte, wo sie sich das oberste Blatt Papier herunter nahm und sorgsam zusammenrollte. Robin hatte gesehen, wie Nami die Karte dieses Gebiets genau dort abgelegt hatte, als sie sie vor wenigen Stunden zum Essen gerufen hatte. Damals, als das Lächeln noch nicht verblasst war. Sofort ging sie den Weg zurück und verließ sie dieses Zimmer wieder, ohne sich noch einmal umzusehen. Ihr war klar, dass es lange dauern würde, bis sie sich dort wieder wohlfühlen könnte. Die kalte Nachtluft umfing sie wieder, als sie auf das Grasdeck hinaustritt. Robin atmete tief ein und schloss die Augen. Sie konnte hören, wie die leichten Wellen gleichmäßig gegen das Schiff schwappten und fühlen, wie sich der Untergrund dadurch sanft bewegte. Dieses Geräusch beruhigte sie innerlich und es zeigte ihr wieder einmal, warum sie das Meer so liebte. Wie sehr hatte sie es doch vermisst, als sie die meiste Zeit auf Alabasta verbracht hatte. Die Wüste war ihr einfach immer unheimlich gewesen. Ein leises Geräusch ließ die Archäologin aufhorchen. Sie wandte sich der Treppe zum vorderen Teil des Schiffes zu und stieg diese hinauf. Oben angekommen wanderte ihr Blick auf eine schwarze Gestalt, die neben dem Löwenkopf über dem Geländer lehnte. Traurig blickten seine Augen auf die schwarzen Massen, die sich vor der Sunny teilten und mit einem lauten Rauschen zur Seite gepresst wurde. Sein schwarzes Haar wehte im sanften Abendwind. Ein angestrengter Ausdruck lag auf seinem Gesicht, welches selbst in dem weißen Licht des Mondes rot leuchtete. Er schien sich wirklich den Kopf zu zerbrechen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht, als sie sich hinter ihn stellte. „Du willst doch nach ihr suchen, habe ich jetzt?“ Ruffy fuhr zusammen, als er die Stimme so nah hinter ihm vernahm. Ihm hätte klar sein müssen, dass Robin ihn durchschaut hatte. Deshalb hatte sie auch so schnell reagiert. Ein leises Seufzen entwich ihm. Er sah zu ihr herüber. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und blickte ihn ruhig an. Ein leichtes Lächeln zierte ihr Gesicht. Sie schien ihn in diesem Moment genau zu beobachten, was Ruffy sich etwas unwohl in seiner Haut fühlen ließ. „Natürlich. Ich will noch einmal mit ihr reden. Ich weiß, dass Nami einen triftigen Grund für das hatte, was sie da eben getan hat.“ Er sah seine Freundin durchdringend an. Ihr Lächeln war verschwunden. „Ich weiß, dass ich nicht das Recht habe so etwas zu sagen, aber…“ „Ja, sie hat noch eine Chance verdient.“, fiel der Schwarzhaarige ihr ins Wort. Er wandte sich wieder dem friedlichen Meer zu. Wie konnte die Welt nur so ruhig sein, wenn sich für ihn alles in wenigen Stunden auf den Kopf gestellt hatte? „Aber du willst den anderen nichts sagen?“ Er schüttelte den Kopf. „Nein. Sie sollen es nicht wissen. Nami hat heute keinen Moment gezögert mich zu verletzen. Ich will die anderen nicht in Gefahr bringen. Ich bin der Käpt’n. Es ist meine Aufgabe mich um meine Crew zu kümmern.“ Robin zuckte kaum merklich zusammen, als sie Ruffys Blick bemerkte. Es lag so viel Ernsthaftigkeit darin, dass es der Archäologin kalt den Rücken runter lief. Er faszinierte sie immer wieder. Mal benahm er sich schlimmer als ein kleines Kind und im nächsten Moment war er erwachsener, als jeder, den sie kannte. Sie fand es überaus interessant ihren Kapitän zu beobachten. Schon damals, als er sie trotz allem, was sie ihm und seinen Freunden angetan hatte, gerettet hatte. Das war auch einer der Gründe, weshalb sie sich der Strohhutbande anschließen wollte. Ein leichtes Lächeln huschte erneut über ihr Gesicht. „Ich verstehe.“, meinte sie bloß und wandte sich zum Gehen. „Ich studiere dann mal die Karten und überlege, wo wir als nächstes anlegen können. Wenn du so weiter futterst, brauchen wir ganz dringend neue Vorräte.“ Robin vermied es Nami oder den Vorfall auf der letzten Insel zu erwähnen, um es dem Schwarzhaarigen leichter zu machen. Sie wusste, wie sehr er litt. „Gute Nacht.“ „Gute Nacht.“, gab er leise zurück und warf einen kurzen Blick über die Schulter, ehe er sich wieder dem Meer widmete. Sein tiefes Seufzen war nicht zu überhören, als sie die Treppe zum Grasdeck nahm und in der Dunkelheit verschwand. Automatisch wanderte seine Hand an seinen Rücken, wo er gleich das Gesuchte ertastete. Das raue Gefühl, welches das feine Stroh auf seinen Fingern zurück ließ, kam ihm nur allzu bekannt vor. Er nahm seinen Hut in beide Hände und betrachtete ihn. Sofort sah er ihr Gesicht vor sich. Den Augenblick, als sie sich damals auf Kokos entschlossen hatte, ihm zu vertrauen. „Oah, verdammt!“, zischte er, drehte sich um und ließ sich an der Reling hinunter gleiten. Das graue Holz drückte sich in sein Fleisch. „Was ist bloß passiert? Warum kannst du nicht mehr mit mir reden, Nami?“ Langsam schloss er die Augen. Dieser Tag zählte nun offiziell zu den schlimmsten seines Lebens. Und er konnte gar nicht erwarten, bis er endlich ein Ende nahm… ***** Noch immer starrte sie an die weiße Decke ihres neuen Zimmers. Das fahle Licht des Mondes drang durch die Löcher der zerrissenen Vorhänge und malte verzerrte Muster auf Wände und die Decke. Schon seit Stunden hatte sie sich nicht mehr bewegt. Es war so viel passiert, dass es ihr schwer fiel, alles zu verstehen, es zu begreifen. Es fühlte sich noch immer wie ein Albtraum an. Ein Traum, aus dem sie einfach nicht erwachen konnte. Seit sie hierhergekommen war, lag sie nun auf diesem einfachen Holzbett. Die Matratze war unbequem und schon durchgelegen. Das harte Rost drückte gegen ihren Rücken. Die Bezüge waren dreckig und stanken. Viel Wert auf Hygiene wurde hier nicht gelegt. Außer dem Bett bestand das kleine Zimmer sonst nur aus einem alten Schreibtisch mit Stuhl, welcher fast an das Bett angrenzte, sowie einem Kleiderschrank, der bisher nichts enthielt. Sie hatte ja auch nichts aus ihrem alten Leben mitgenommen. Ihr altes Leben? Ein trauriges Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. Ihr altes Leben existierte nicht mehr. Das Mädchen, welchem all diese Erinnerungen gehörten, die in ihrem Kopf rumspukten, war tot. Sie war in diesem Moment gestorben, als sie ihrem besten Freund ein Messer in den Unterleib gerammt hatte… Langsam hob sie ihre zitternden Hände und betrachtete diese. Das Blut war weg. Und auch der beißende Gestank der roten Flüssigkeit war verschwunden. Doch es schmerzte sie. Sie hatte ihre Freunde mehr als nur verraten. Wahrscheinlich hassten die anderen sie nun. Ob sie schon einen neuen Navigator hatten? Oder trieben sie vielleicht planlos auf dem Meer? Schnell schlug sie ihre Hände vors Gesicht. Sie wollte nicht mehr daran denken. Es ging einfach nicht mehr. Es würde bald soweit sein. Sie würde durchdrehen, es war nur eine Frage der Zeit. Aber… ob es ihm gut ging? Konnte Chopper ihm helfen, bevor er ernsthaft Schaden nehmen konnte? Mit einem Ruck setzte sie sich auf. Es konnte ihr doch egal sein. Sie hatte ihn ausdrücklich gebeten einfach abzuhauen und hat er es getan? Nein, natürlich nicht. Wie hatte sie das nur denken können? Er ist und bleibt nun mal ein Vollidiot. Und zwar einer, der immer versuchte stark zu sein und anderen zu helfen, oftmals aber sich selber dabei verletzte. Er würde nie lernen was ‚nein’ bedeutete. Sein kindlicher Beschützerinstinkt war genau das, was ein Pirat nicht haben durfte. Sie alle waren jahrelang einer Illusion nachgelaufen. Einem Tagtraum. Sie alle hatten jeden Tag auf ein Wunder gehofft. Doch das einzige Wunder, was ihnen unterlaufen war, war, dass sie immer noch am leben waren. Und trotzdem war Ace tot. Es gab einfach keine Garantie für das Überleben. Und Kinder sollten nicht mit Dingen spielen, von denen sie keine Ahnung hatten… Ein Klopfen an der Tür riss sie aus ihren Gedanken. „Ja?“, antwortete sie der Tür monoton und wartete auf das, was der Besucher antworten würde. „Besprechung in 10 Minuten. Der Chef will dich dabei haben“, meinte eine dunkle Männerstimme und entfernte sich wieder, bevor er eine Antwort bekommen hatte. Das war keine Bitte, sondern ein Befehl, das wusste sie. Sie würde sich daran gewöhnen müssen. So lief das nun mal auf der Welt. Jetzt war es wohl soweit. Nun würde sie in den nächsten Raubzug eingeweiht werden. Alles in ihr schrie und sie hoffe, dass nicht bald wieder das Blut Unschuldiger an ihren Händen kleben würde… Ein letzter prüfender Blick in den kleinen Handspiegel, welcher bis eben noch auf ihrem Schreibtisch gelegen hatte, verriet ihr, dass ihr orangefarbener Zopf perfekt saß. Schnell zupfte sie noch das schwarze Top und die kurze dunkelblaue Hose zurecht und stand dann von ihrem Bett auf. Leise klackerten die Absätze ihrer schwarzen Stiefel auf dem Holzfußboden ehe sie den Raum verließ und in der Dunkelheit verschwand. ****** „Herr Kapitän? Herr Kapitän?“ Eine leise Stimme drang zu ihm hindurch und er spürte, wie eine Hand auf seiner Schulter lag. Müde öffnete er die Augen und sah direkt in Nico Robins lächelndes Gesicht. „Guten Morgen, Kapitän.“, begrüßte sie ihn und richtete sich wieder auf. Es dauerte einige Momente bis Ruffy begriff. Er war wohl tatsächlich draußen auf dem Deck eingeschlafen. Schnell rieb er sich über die Augen und versuchte richtig wach zu werden. „Morgen“, gab er zurück, als der Schwarzhaarige sich an der Reling auf die Beine zog. Er fühlte sich grausam. Sein ganzer Körper tat weh und irgendwie war ihm kalt. Draußen an ein Geländer gelehnt zu schlafen war wirklich eine blöde Idee. Sein Blick fiel auf den noch immer dunklen Himmel. Nur über dem Horizont war bereits ein kleiner Teil der aufgehenden Sonne zu erkennen. Wieso hatte sie ihn so früh geweckt? Robin schien seine Gedanken gelesen zu haben, denn ihr Lächeln wurde breiter. „Es musste so früh sein, damit wir unseren Kurs nicht ganz verlieren. Ohne Lockport wird das Navigieren etwas schwieriger.“ Und wieder spürte er einen kleinen Stich in seiner Brust, doch er schob ihn einfach weg. Er musste sich wohl erstmal daran gewöhnen. Genauso wie die Stiche, die ihn schon sein Leben lang verfolgten. „Weißt du, wo wir hinfahren müssen?“, setzte er das bisher eher einseitige Gespräch fort. „Ich weiß zumindest wo eine nahegelegene Insel sein müsste. Ob ich richtig liege werden wir wohl bald erfahren“, lächelte sie und sah für einen Moment auf die aufgehende Sonne und dann wieder auf ihn. „Ich war so frei den Herrn Schiffszimmermann die neue Richtung zu geben. Wir sollten in wenigen Stunden dort ankommen. Es bleibt gerade noch genug Zeit für ein Frühstück.“ Nun konnte auch Ruffy sein Lächeln nicht mehr zurückhalten. Robin versuchte alles, um alles normal erscheinen zu lassen, also musste auch er sein Bestes geben. Sein gewohnt breites Lachen erschien auf seinem Gesicht, mit dem er sie freundlich anstrahlte. „Früüüühstück! Hunger!“, kreischte er lächelnd und wandte sich in Richtung Küche. Robin folgte ihm und war froh, ihn lachen zu sehen. Auch wenn sie den Schmerz noch immer in seinen Augen sah. Ob er wohl am Anfang seiner Reise gedacht hätte, dass es so schwierig werden würde? Ob er geahnt hätte, dass ihm so viel passieren würde, was ihn an seinem Traum zweifeln lässt? Und ob er wohl gewusst hat, dass seine Freunde zu seinen größten Feinden werden können? Wie lange konnte so ein naiver Junge in so einer Welt bestehen? Robin war klar: sie als seine Freunde waren alles, was ihn noch am Leben hielt und dafür mussten sie alle stark sein. Selbst, wenn es darum ging, die eigene Freundin zu bekämpfen… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)