Nostalgia von Chevelle (Bree & Diego) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Für , mein Schwallpartner♥ „It's there, I know it is, because when I look at you, I can feel it. And-and I look at you, and I... and I'm home. Please... I don't want that to go away. I don't want to forget.“ Finding Nemo Seufzend ließ ich mich auf dem nächstbesten Ast einer dichten Tanne nieder und meinen Blick in die dunkle und dennoch sternenklare Nacht gleiten. Der Ausblick an sich war nicht der schönste – ich hatte die Umgebung in Nordamerika, man konnte schon fast sagen, Kanada, noch nie trotz der Wälder und Seen noch für etwas Besonderes gehalten – und dennoch genoss ich sie. Ich vernahm lediglich das leise Rauschen des Windes, ansonsten herrschte an diesem Ort komplette Ruhe – und dies war mir weitaus wichtiger als ein schöner Ausblick auf das Meer, den Strand oder auf sonst einen noch so schönen Ort, wie solche immer auf Postkarten gezeigt wurden. Denn selbst diese wunderschönen Bilder auf den Postkarten waren ein Trugschluss. Sie existierten nicht. Mit der bloßen Betrachtung mochte man zwar sagen, dass diese Orte zu den Traumhaftesten der Welt gehörte, jedoch war ich besser informiert. Strände mit weißem Sand und glasklarem, blauen Wasser, exotische Inseln mit allerlei prächtigen Tieren und Wäldern, extravagante Großstädte mit kilometerlangen Shoppingways und einer atemberaubenden Skyline bei Nacht, zeigten solche Bilder, die zur Volksbefriedigung mit läppischen Preisen an Touristen verkauft wurden. Sie sollten einen schönen Eindruck von dem Ort vermitteln, an dem man Urlaub machte. Sie sollten den Betrachter neidisch machen. Aber die Welt war nicht schön. Nirgends. An keinem Fleck der Erde. Ich wusste das nur zu gut. Die Menschen hatten doch alle nicht die geringste Ahnung. Denn was doch viel wichtiger war, war die Atmosphäre, die ein Ort auf das Wesen in einem besaß – und das besaß der momentane Ort eindeutig auf mich. Er strahlte Ruhe aus. Ruhe... es war nur das Rauschen des Windes zu hören. Vielleicht lag es nur daran, dass mir in den letzten Tagen die Art meiner Mitbewohner wieder einmal zum Hals herausgehangen hatte, und ich nun somit für jeden kleinen Funken Ruhe, der mir gegönnt wurde, dankbar war. Vielleicht empfand ich deswegen diesen Ort als besonders schön. Ich war mir nicht ganz sicher. Es war jedoch nicht verwunderlich, dass ich mich nach etwas Ruhe sehnte – ich fragte mich sogar, warum dies nicht die anderen Vampire taten. Ja, wir waren Vampire. Ich war ein Vampir. Ich konnte es selbst kaum fassen, aber es war die Wahrheit. Damals hatte ich solche Märchen von Hexen, Vampiren, Werwölfen und weiteren sonderbaren Gestalten belächelt, heute wusste ich aber, dass man diesen Geschichten früher vielleicht mehr Glauben hätte schenken sollen. Mehr Glauben – was nicht hieß, dass man alles glauben sollte. Hingegen der Behauptung Vampire seien bildhübsch, intelligent und was wusste ich noch, war der Trupp, der unterhalb einer alten Hütte hauste, nichts von alledem. Es war eine Horde wildgewordener Jungvampire, nichts weiter. Keiner von ihnen besaß den geringsten Schimmer von Intelligenz oder derartigem. Die einzigen Ausnahmen stellten Riley und Diego dar. Riley jedoch fungierte nur als unser Aufpasser, Trainer. Er war der Vermittler zwischen uns und ihr. Der geheimnisvollen Frau, von der niemand so recht wusste, wer sie genau war. Keiner kannte sie und ich nahm an, dass sie ebenso keinen von uns kannte. Nichtsdestotrotz hatte sie Großes mit uns vor und aufgrund dieser Tatsache war es auch nicht unüblich, dass Vampire aus der Gruppe, die nichts zu taugen schienen, zerrissen und verbrannt wurden. Der Gedanke daran machte mir Angst. Zuerst den grausamen Schmerz zu spüren, seine Gliedmaßen zu verlieren, und dann auch noch das Brennen der Flammen erleiden zu müssen. Allerdings wusste ich auch genauso gut, dass diese Wesen, die den derartigen endgültigen Tod erfahren haben, sich immer selbst verschuldet hatten. Man sollte Riley nicht provozieren. Das hatte ich gleich an dem ersten Tag meines neuen Lebens erfahren. Entweder hörte man auf ihn und man lebte oder man widersetzte sich ihm und hatte gleich die ganze Meute gegen sich. Ich zog es vor, mich zurückzuhalten. Riley nicht zu widersprechen, ihm jedoch auch nicht zu helfen, wenn es mal wieder an der Tagesordnung stand, einen Vampir zu töten. Ehrlich gesagt... es widerte mich an. Aus diesem Grund genoss ich auch die momentane Ruhe. Ich musste mich mit solchen Problemen nicht auseinandersetzen. Ich konnte für den Moment alle Probleme an mir vorbeiziehen lassen, wobei ich genauso gut wusste, dass wenn ich diese einmal vernachlässigte, sie mich innerhalb kürzester Zeit wieder einholten. Das lag wohl oder übel daran, dass ich mir immer und überall Gedanken machte. Selbst an diesem beruhigendem Ort, an dem ich mich doch einmal hätte tragen lassen können. Ruhe... es war nur das Rauschen des Windes zu hören. Dennoch ließen mich so viele Gedanken nicht los. Vage erinnerte ich mich an mein menschliches Leben. Daran, wie es sich damals gelebt hatte. Ich konnte und ich wollte auch nicht behaupten, dass mein menschliches Leben das Beste gewesen war, dennoch meinte ich im Rückblick darauf sagen zu können, dass es sich als weitaus sorgenfreier herausgestellt hatte. Damals waren Gedanken darüber, dass ich im nächsten Moment ein Krüppel oder – noch besser – ein Haufen Asche sein würde, nie aufgekommen. Zwar gab es manchmal heftigen Streit innerhalb meiner Familie – sprich: meinem Vater, meinem größeren Bruder und mir –, jedoch hatte ich die beiden trotzdem lieb. So wie man eben seine Familie lieb hatte, selbst wenn ich manchmal den Eindruck besaß, mein Bruder und ich sein nur zwei Klötze am Bein unseres Vater. Nichtsdestotrotz war ich mehr als froh gewesen, dass ich sie hatte und dass sie – wenigstens körperlich – bei mir waren. Mit der Verwandlung in das Monster, das ich nun war, waren jedoch alle Möglichkeiten des Zusammenseins oder gar der Kontaktaufnahme zerstört. Ich würde die beiden nie wieder sehen können – wahrscheinlich würde ich sie in meiner Gier nach Blut anfallen. Der Gedanke ließ mich erschaudern. Ich würde meinen Vater und meinen Bruder töten – ohne mit der Wimper zu zucken. Heftig schüttelte ich den Kopf, um die aufkommende bildliche Vorstellung des Szenarios im Keim zu ersticken. Wieder bewiesen mir solche Gedanken, dass ich es gar nicht versuchen sollte, in die Nähe meiner Familie zu gelangen – es würde nicht gut ausgehen. Dennoch stellte sich mir oft die Frage, ob die beiden mich vermissten – ob die beiden etwas unternahmen, um mich zu finden. So wie ich meinen phlegmatischen, zudem leichtsinnigen Vater kannte, würde er meinen Bruder – welcher mit Sicherheit nach mir suchte – erst einmal mit den Worten, ich würde wohl wiederkommen und er brauchte sich keine Sorgen zu machen, beruhigen. Mein Bruder würde allerdings nicht so schnell aufgeben – er würde weiter nach mir suchen. Auch wenn mich der Gedanke irgendwie glücklich machte, dass ich ihnen nicht gleichgültig war, wollte ich nicht, dass meine Familie nach mir suchte. Schlimmstenfalls würden sie damit noch in Gefahr geraten. Lieber ertrug ich den leichten stechenden Schmerz in meiner Brust. Ruhe... und sie fühlte sich einsam. Unhörbar seufzte ich und ließ mich von dem Ast auf den Boden fallen. Ein Mensch hätte sich aus dieser Höhe sämtliche Knochen gebrochen, aber der springende Punkt war, dass ich eben kein Mensch mehr war. Ich hatte keine Knochen mehr, die brechen konnten – wenigstens ein positiver Aspekt an der ganzen Vampirgeschichte. Vielleicht sollte ich das neue Leben, welches mir geschenkt wurde – die neue Chance alles richtig zu machen –, auch sinnvoll nutzen und das beste daraus machen. Somit könnte die Welt dann doch in einem anderen, einem besseren Licht für mich erstrahlen. Immerhin war da auch noch der überaus nette Junge, dem ich hier durch mein neues Dasein als Vampir begegnet bin. Diego. Er war weitaus mehr als ein bloßer Freund für mich. Ich hatte nie viel von Beziehungen mit Jungs gehalten – vor allem dann auch noch mit welchen, die mehrere Jahre älter als ich waren –, aber dieses Problem schien sich mit der Verwandlung wie meine menschliche Sterblichkeit in Luft aufgelöst zu haben. Ich wollte ihn nicht nur als meinen Kumpel, ich wollte ihn als meinen festen Freund. Denn ich war mir, seitdem ich ihn in der Sonne gesehen hatte, bewusst, dass ich mehr für ihn empfand. Dass ich Liebe für ihn empfand. Wahrscheinlich hatte sich auch mein Gefühlsreichtum mit der Verwandlung vergrößert, denn einen anderen Grund für mein plötzliches Begehren nach diesem jungen Mann konnte ich mir nicht erklären. Ich hatte das Gefühl, dass ich bei ihm sicher war und ihm blind vertrauen konnte. Gerade solche Dinge waren in diesen schweren Momenten sehr wichtig. Schutz und Vertrauen. Deswegen wurde Diego für mich zum Mittelpunkt meines unsterblichen Daseins. So viele schöne Dinge verband ich mit ihm, dennoch hatte ich es nie über mich gebracht, ihm zu sagen, wie viel er mir doch bedeutete. Lediglich genoss ich immer die Zeit mit ihm, während ich meine Gefühle so gut wie möglich vor ihm versteckte. Gemächlich schlenderte ich in Richtung des schwarzen Sees, auf dessen Oberfläche sich der Himmel und dessen leuchtende Sterne spiegelten. Durch die leichten unebenen Bewegungen des Wassers konnte man meinen, es seien Glühwürmchen, die durch die Luft schwirrten. Der Mond war nicht zu erkennen – Neumond. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Diego das Gleiche für mich empfand, selbst wenn es immer wieder Anzeichen dafür gab. Somit schwand auch wieder der kleine Funke Hoffnung, den ich besessen hatte. Zudem tat es mir in der Seele weh, zu wissen, dass ich mit dem Gedanken an Diego so schnell meine Familie beiseite schieben konnte. Waren sie mir in den Monaten denn schon so gleichgültig geworden? Leise seufzte ich. Da war er wieder – der Schmerz. Ich wollte schreien, brachte aber keinen Ton über meine Lippen. Ich wollte weinen, aber es konnten keinen Tränen mehr über meine Wangen fließen. Wut und gleichzeitige Trauer überkam mich. In mir herrschte ein Gefühlschaos. Ich sollte wirklich weniger nachdenken. Ruhe... und sie fühlte sich einsam. »Da bist du ja. Ich hab' dich schon überall gesucht«, ertönte plötzlich die Stimme hinter mir und automatisch legte ich den Schalter in mir um, um dem unerwarteten Ankömmling nicht meine Gefühle zeigen zu müssen. Langsam wandte ich mich um und blickte in die roten Augen, die ich so sehr liebte. Diego. Lächelnd stand er vor mir. »Riley hat mal wieder mächtig Stress geschoben und ich dachte schon, dabei seist du ihm zum Opfer gefallen.« Er lachte einen tiefen Bass. Ich schmunzelte ebenfalls. Ja, das passte wieder einmal zu Riley. Wutausbrüche und das darauffolgende Zerfetzen unschuldiger Vampire. »Ich bin aber froh, dass du immer noch ganz bist«, sprach er grinsend weiter und legte seine Hand auf meine Schulter, ehe er sich wieder von mir löste und ein paar Schritte auf den Rand des See machte. Jede seiner fließenden Bewegungen beobachtete ich dabei genau und als er sich schließlich auf dem sandigen Boden niederließ, machte ich ebenso einige Schritte in seine Nähe und ließ mich neben ihm nieder. Nun einen Gesprächspartner zu haben war gut – auch wenn ich Diego meine hauptsächlichen Probleme noch nicht anvertrauen wollte. Verstohlen blickte ich zu ihm hinüber, während ich meine Beine an meinen Körper presste und mein Gesicht auf meinen Knien abstütze. Selbst die Bewegung, wenn er sich das schwarze Haar aus dem Gesicht strich, sah gut aus. Ich genoss seine Gegenwart. »Weißt du, es ist nicht leicht, den halben Wald Nordamerikas abzusuchen – auch wenn man ein Vampir ist. Und ich hatte schon eine Heidenangst um dich, also mach das nie wieder, okay?« Seine Worte schienen zwar einen ernsten Ausdruck zu vermitteln, dennoch lachte er leise dabei, während er immer wieder zu mir hinüber sah. »Ich wollte nur meine Ruhe von den Idioten«, erwiderte ich leicht gekränkt. Diego musste doch nicht auf mich aufpassen, auch wenn er es sicher nur gut meinte. Wieder ein Anzeichen dafür, dass er mich auch leiden konnte. »Ja, das kann ich verstehen. Raoul und Kevin haben sich heute wieder einmal um die Konsole geprügelt. Zum Glück ist Riley rechtzeitig dazwischen gegangen, sonst wären sicherlich noch einige Gliedmaßen durch die Luft geflogen. Danach hat er ihnen eine Moralpredigt über ihr kindisches Verhalten gehalten und hat sich schließlich wieder in seine Ecke verzogen. Ich bin einfach so verschwunden, wobei ich auch nicht denke, dass Riley ein Problem mit meiner Abwesenheit hat. Er weiß ja, dass ich mich nicht so idiotisch wie die anderen verhalte«, erklärte mir Diego schließlich genaueres über das, was im Quartier geschehen war. »Er mag dich eben«, erwiderte ich schlicht und zuckte mit den Schultern. Genauso wie ich dich auch mag., fügte ich in Gedanken hinzu und blickte erneut zu ihm hinüber. Unsere Blicke trafen sich und ich meinte, dass für den Augenblick die Zeit still stand. Ich war wie regungslos, atmete nicht. Er beugte sich leicht zu mir hinüber und nahm mein Gesicht in seine Hände. Er überrumpelte mich mit der plötzlichen Aktion, weswegen ich ihn momentan mit einer recht verwirrten Miene ansehen musste. Ich wich seinem Blick aus, starrte stattdessen auf seinen Hals. Dadurch fiel mir zum ersten Mal auf, dass seine Haut einen leichten olivfarbenden Ton besaß. Es sah in der Dunkelheit der Nacht etwas merkwürdig aus, allerdings minderte dies nichts an seiner Schönheit. Immer noch blieb er für mich der mit Abstand schönste Vampir in meiner Umgebung. Einen weiteren Moment, in dem die Zeit nicht zu verstreichen schien, verharrten wir beide regungslos in dieser Position und ich überwand mich in seine Augen zu blicken. Die Augen, die ich so liebte. Und schlagartig wurde mir klar, dass er der Grund war, warum ich noch lebte. Wenn ich ihn ansah, fühlte ich mich geborgen, beschützt. Ich war zuhause. Ich würde meine Familie niemals vergessen, Diego füllte jedoch das klaffende Loch, welches diese zwangsweise hinterlassen hatte. Wieder traf mich die Erkenntnis, ich liebte Diego. Ihn zu verlieren, würde ich nicht verkraften, denn es war so, als würde ich ein zweites Mal mein Zuhause verlieren. Ich wollte nicht mehr weg von ihm – ich wollte diese Momente mit ihm nicht vergessen. In der Nacht war es nicht zu mehr gekommen – wir waren lediglich in der Position verharrt, ehe Diego den Kontakt abgebrochen hatte –, aber ich wusste nun, dass ich mich nicht mehr einsam fühlen musste. Ich hatte Diego bei mir und wenn ich in seine Augen sah, wusste ich, dass ich sicher war. Ruhe legte sich über den See... sie fühlte sich geborgen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)