Cocoon von ShiningShadow ================================================================================ Kapitel 4: 4. Kapitel --------------------- Ich rutschte ein Stück weg von Tom. Gerade war Nachdenken vor dem Sprechen wohl nicht meine Stärke gewesen. Eine Antwort wollte ich gar nicht, ich wusste eh, dass ich knallhart eine Abfuhr kassieren würde. Tom saß immer noch mit dem gleichen Grinsen und in der selben Position auf der Couch. „Klar!“ Dieses eine Wort ließ meinen Körper schaudern. Hatte Tom wirklich gerade ja zu meiner mehr als aufdringlichen Frage gesagt? Nein, ich musste mich bestimmt verhört haben. Ganz sicher, dass ich doch richtig verstanden hatte war ich erst, als sich Toms Griff um meine Schulter wieder verfestigte. Perfekt passte sich mein zierlicher Körper Toms Seite an. Keiner von uns beiden sprach ein Wort, das war auch nicht nötig. Die Stille die uns umfing war angenehm, zeigte, dass auf wundersame Weise schon nach wenigen Stunden, die wir uns kannten, Sympathie füreinander entstanden war. Bei mir sogar etwas mehr. „Tom, ich wollte fragen ob…“ Georg stand mit offenem Mund in der Wohnzimmertür, unfähig seine Frage zu Ende zu stellen. Irritiert betrachtete er das Bild, das sich ihm bot, wohl nicht in der Lage es einzuordnen. Tom hingegen verdrehte leicht genervt die Augen. „Was Georg? Halt dich kurz, ich will meine Ruhe.“ Nichts von seiner sanften und ruhigen Stimme gegenüber mir war mehr übrig. Irgendwie war zu spüren, dass Tom sich bei irgendetwas ertappt fühlte. Auch mir war das nicht entgangen, denn ich versuchte unseren Kontakt zu lösen. Jeder noch so kleine Versuch mehr Abstand zwischen uns zu bringen wurde mit einem noch festeren Griff erwidert. Deshalb gab ich mich schließlich geschlagen. „Ähm ja. Wir wollten später noch in einen Club, aber wie ich sehe hast du ja schon was vor.“ Die Zweideutigkeit in Georgs Stimme war nicht zu überhören, fast schon aufdringlich. Es dauerte keine zwei Minuten, da war Georg auch schon wieder verschwunden. „Was der jetzt denkt?“ Kam es ganz leise über meine Lippen, die ich kurz zuvor mit meiner Zunge befeuchtet hatte. „Mir relativ egal. Dieser Trottel sollte eigentlich wissen, dass ich nicht schwul bin.“ Boom, das hatte gewaltig gesessen. Was hatte ich denn auch erwartet? In welcher Traumwelt lebte ich eigentlich? „Ja klar… sicher…“ Nur stotternd war es mir möglich mich überhaupt auszudrücken. Diese Aussage setzte mir mehr zu, als ich mir selbst eingestehen wollte. Mir war doch schon lange klar, dass so ein Kerl wie Tom nie was mit einem Mann anfangen würde. Aber seine liebevolle Art mir gegenüber hatte mich das komplett vergessen lassen. „Vielleicht sollte ich doch nach Hause bzw. ins Hotel zurück. Ich meine, wenn ihr losziehen wollt. Du musst wegen mir…“ Mein Redefluss wurde von Toms Finger, der sich sanft auf meine Lippen legte, gestoppt. Diese Geste reichte aus um zu zeigen, dass ich Müll labberte. Tom würde mich heute um keinen Preis in der Welt gehen lassen, dass konnte ich tief in mir spüren. Eins wusste ich sicher, ich wollte mehr über Tom erfahren, Teil seines Lebens werden. Ein Freund von ihm werden, wenn sich jetzt schon die Chance dazu bot. Ich rappelte mich auf und löste somit die Umarmung von Tom. Meine Gefühle spielten mit mir, fuhren Achterbahn ohne Zwischenstopp. Dieses Kribbeln überall und das starke Herzklopfen machten mir selbst ab und an etwas Angst. Tom war nun mal mein Traumtyp, jetzt da ich ihn kannte noch mehr als zuvor. Gerade fühlte ich mich wirklich schlimmer als jeder Groupie, der nur auf das Eine aus war, auch wenn es mir darum ja gar nicht ging. Mein Blick studierte Toms perfektes Gesicht. Die vollen Lippen mit dem glitzernden Metallring luden eindeutig zum Küssen ein. Die treuen, braunen, wunderschönen Augen zum darin versinken. Die kleine Stupsnase rundete das perfekte Bild ab. Ja perfekt, dass war Tom eindeutig für mich. „Na dann zeig ich dir mal mein Reich hier. Komm mit!“ Mir war gar nicht aufgefallen, dass Tom mittlerweile vor mir stand und mir auffordernd die Hand entgegen streckte. Wieder viel schüchterner als noch die ganze Zeit zuvor, legte ich meine Hand in Toms. Es war wie ein Blitz, nein ein ganzes Gewitter, das diese Berührung in mir auslöste. Vergebens versuchte ich mir einzureden, dass diese Gefühle sinnlos waren, dass ich mich nur ins Unglück stürzte. Doch es half nichts, mein Körper besiegte meinen Verstand mit deutlichem Abstand. Nur langsam erhob ich mich von der Couch. Irgendwie war mir nicht wohl bei dem Gedanken gleich in Toms Zimmer zu stehen. Meinem Empfinden nach war ein Zimmer das Privateste was ein Mensch haben konnte, zumindest war meines das für mich. Hier drückte ich mich aus, zeigte was ich liebte und was mich bewegte. „Na komm schon. Ich hab keine gefährlichen Tiere oder so was.“ Toms Lachen erfüllte den Raum was mich sofort schmunzeln lies. Was war auch schon dabei? Ich würde einen kurzen Blick hinein werfen, einen klitzekleinen, mir etwas zum Anziehen für die Nacht geben lassen und dann die Couch beziehen. Langsam schritten wir zusammen die lange Treppe nach oben in die erste Etage. Mit jedem weiteren Schritt begann mein Herz fester und lauter zu pochen. Immer wieder befürchtete ich in jedem Moment aus einem Traum aufzuwachen und dann doch noch weinend und allein an der Elbe zu sitzen. „Da wären wir.“ Die Tür wurde aufgemacht und ich hatte freie Sicht in Toms Reich. Wie eine Katze schlich ich mich Schritt für Schritt weiter ins Zimmer. Tom hingegen blieb entspannt im Türrahmen stehen und beobachtete mich, sein Blick brannte sich fast in meinen Rücken. Ich fühlte mich dadurch nicht mal beobachtet, eher streichelte mich Toms Blick was mir eine Gänsehaut bescherte. „Tom? Hast du das selbst gemacht?“ Mit meinem Ringfinger deutete ich auf ein großes Graffiti direkt am Kopfende von Toms Bett. „Das ist echt gut. Ich meine du hast Talent, wirklich. Weißt du ich studiere doch Design und als Nebenfach Kunst, ich sehe so was schon.“ Meine Hände fuhren die Konturen der Buchstaben nach. Das Graffiti war wirklich mehr als sauber gesprüht worden, ich konnte keinerlei, nicht mal geringe Fehler, entdecken. „How can I connect to you!“ Natürlich war es einfach diesen Satz zuzuordnen, doch genau das brachte mich ins Grübeln. Jede andere Zeile aus diesem Song hätte ich erwartet aber gerade die nachdenklichste und wohl auch gefühlvollste nicht. „Ach das ist kein Meisterwerk. Aber es hat schon eine große Bedeutung für mich.“ Tom hatte nun auch das Zimmer betreten und stand direkt neben mir. Ich drehte meinen Kopf etwas mehr um Tom anzusehen. In diesen Augen lag gerade etwas Verletzliches, sogar ein Schimmer von Traurigkeit. Ich lächelte Tom trotzdem an, ich wollte ihn nicht so sehen, es tat mir weh. Es passte nicht so ganz in das Bild, das von Tom immer in den Medien vermittelt wurde. Aber dieses Image hatte ich eh schon in den Müll geschmissen, als ich zum ersten Mal in Toms warme, braune Augen geblickt hatte. Tom war anders, das spürte ich und dieses Anders war noch schöner, als ich es mir hätte vorstellen können. So in Gedanken versunken merkte ich nicht einmal, dass ich schon wieder dabei war Tom einfach nur anzusehen. „Hörst du mir zu?“ Verwirrt schüttelte ich mein schwarzes Haupt. Wie peinlich. „Oh äh sorry, ich war gerade na ja...“ „Wo anders.“ Tom sprach für mich meinen zusammen gestotterten Satz zu Ende, da hatte ja auch nichts anderes jetzt kommen können. „Ich hab vorgeschlagen, dass wir es uns hier jetzt gemütlich machen. Ich schiebe unten eine Pizza in den Ofen und du suchst dir eine gute DVD aus.“ Tom war keine Sekunde später aus dem Zimmer verschwunden. Ich fühlte mich unwohl alleine. Suchend sah ich mich im Raum um. Wo hatte Tom noch mal hingezeigt wegen den DVD's? So unverschämt sein und alle Schränke durchsuchen wollte ich auch nicht. Dann fiel mir ein großes, schwarzes Regal neben dem Fenster auf. Mit dem Zeigefinger fuhr ich über einige Hüllen. The fast and the furious, Jumper, alle Staffeln von King of Queens. Tom musste echt ein Sammler sein, so viele Filme wie sich hier stapelten. „Lust, Liebe und mehr!“ Laut las ich einen der vielen anzüglichen Titel vor, woraufhin ich in schallendes Gelächter ausbrach. Tom tat nicht nur so, der besaß die Dinger auch noch wirklich. Prüfend nahm ich einen der Filme aus dem Regal. Wirklich anziehend fand ich die Abbildung auf dem Cover nicht. Was natürlich auch daran gelegen haben könnte, dass ich generell auf Männer stand. Klar, ich hatte auch schon den ein oder anderen der Streifen gesehen, aber meistens mit 2 knackigen Kerlen in den Hauptrollen. Den weiteren Beweis, dass Tom also zu 100% nicht schwul war und auch nicht bi, hielt ich nun in meinen Händen. „Schade, schade.“ „Was ist schade?“ Ich zuckte augenblicklich zusammen. Wann war Tom bitte wieder zurück gekommen? Wild fuchtelnd versuchte ich die DVD wieder an ihren ursprünglichen Platz zu bekommen. Allerdings landete sie nicht im Regal sondern mit einem Scheppern auf dem Boden. Mit knallrotem Kopf fiel ich gleich auf die Knie um die DVD wieder in die Hülle und dann ins Regal zu stellen. Wenig später saß Tom allerdings schon neben mir, um mir zu helfen. Am liebsten wäre ich sofort im Erdboden versunken, als Tom die DVD an sich nahm und mit weit aufgerissenen Augen auf das Cover starrte. „Ah ja... ähm... hast du die also auch entdeckt. Aber zusammen... also ich... gucken tun wir das nicht.“ Ein etwas schüchternes Grinsen lag auf Toms Lippen. Auch ihm schien die Situation peinlich zu sein. Schnell wie der Blitz war ich aufgestanden und auf dem Weg raus aus dem Zimmer zur Tür. Weg, weg, weg, das war alles was ich wollte. „Bleib hier!“ Tom hatte nach meinem Arm geschnappt und hielt mich nun fest. „Du gehst heute nirgends mehr hin.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)