Perfekt. Fast von CurlyHair ================================================================================ Kapitel 1: Die Wahrheit? Für dich nicht sichtbar. ------------------------------------------------- Es tut mir Leid. Ich habe versagt. Mal wieder. Sollte man sich nicht daran gewöhnen, ständig im Leben zu verlieren, einen Fehler nach dem anderen zu machen? Man könnte meinen, irgendwann könnte man sich damit abfinden, aber die Wahrheit ist, dass diese Vorstellung lächerlich ist. Es tut weh, jagt jedes Mal aufs Neue das rostige Messer in die Brust. Nur der einzelne Fehler wird egal, einfach überschattet von Taubheit und Leere. Was zählt ist das Ganze, das Versagen an sich. Immer und immer wieder. Ich gebe das, was ich geben kann, stoße an meine Grenzen, aber es reicht nie. Meine Kraft ist erschöpft. Ich falle immer wieder in den Dreck und es gibt Momente, da frage ich mich, wofür ich wieder aufstehen soll. Nur um erneut zu fallen? Mühevoll kämpfe ich mich durchs Leben, obwohl ich doch viel zu klein und schwach bin, um diesen Kampf zu gewinnen. Manchmal will ich aufgeben, einfach einschlafen und dem Leben sagen: „Du hast gewonnen. Ich verlasse das Feld.“ Aber das ist nicht einfach. Es wäre egoistisch. Ich stand oft auf der Klippe, habe darüber sinniert, wie es sich anfühlen würde, den letzten Schritt zu tun. Nur ein kleiner Schritt und ich wäre frei. Doch anstelle von vorwärts, trete ich zurück, atme ein und mir wird klar, wie erbärmlich ich bin, wie egoistisch es wäre mich in die Endlosigkeit fallen zu lassen. Mein Schmerz wäre erloschen, ich wäre fort, aber meine Erinnerung würde auf alle Zeit mit Trauer verbunden sein. Nicht viele Menschen wohnen in meinem Herzen und ich kann auch nicht daran glauben, dass ich in vielen anderen wohne, aber all diejenigen, dich mich lieben und die ich liebe, könnte ich nie einem solchen Schmerz aussetzen. Es wäre für mich kein Friede zu wissen, dass andere meinetwegen leiden. Deshalb drehe ich um und verlasse die Klippe, nur um bald darauf wieder dort zu stehen, ehe ich umdrehe. Immer und immer wieder. Ich bin nicht egoistisch, weil alles andere wichtiger ist. Jeden Tag lächele ich, geb mich unbekümmert, versuche mein Bestes. Viele denken ich sei grandios, ich sei perfekt, doch das einzig Perfekte an mir, ist die Maske. Mein gefrorenes Lächeln, der trübe Glanz in meinen Augen – alles Schauspielerei. Darin bin ich perfekt. Doch ich weine, ich zweifele. Mein Mut ist nur eine Täuschung. Mein Lächeln verbirgt ein gebrochenes Herz. Jedes Mal, wenn ich wieder falle, mir erneut blutige Wunden zuziehe, dann kann ich es hören. „Wertlos. Dumm. Dreck.“ Seine Worte, seine Stimme und sein Flüstern: „Du bist nur ein Mädchen, was kannst du schon?“ Innerlich schreie ich, versuche auszublenden, dass er mich nie geliebt hat, mich immer nur für ein wertloses, dummes Mädchen gehalten hat. Ich versuche mir einzureden, dass er der Dumme ist, dass er wertloser Dreck ist, aber trotzdem schmerzt es und eine leise Stimme in mir fragt, wie ein Vater seine eigene Tochter nur derart behandeln kann und weshalb sie ihm seine Worte immer noch glaubt. Dabei weiß ich doch, dass ich intelligent bin, dass ich es zu mehr bringen kann, als dieser frauenfeindliche Alkoholiker. Ich bin besser als dieser Mann, er sollte keine Macht über mich haben, aber er tut es. Nach all den Jahren komm ich nicht über den Schmerz hinweg. Alles habe ich gegeben, um ihm zu beweisen, dass ich mehr bin als ein dummes kleines Mädchen, dass ich weit besser bin als mein Bruder. Ich wollte nur einmal hören, dass mein Vater stolz auf mich ist. Es fiel mir nie schwer, mir Dinge einzuprägen oder logische Schlussfolgerungen zu ziehen. Ich war gut, sogar sehr gut, aber ihn hat das nicht interessiert. In seinen Augen war es unnütz, dass man Menschen bezahlte, um mir etwas beizubringen. Schließlich blieb ich für ihn immer nur das dumme Mädchen. Schon längst habe ich mit ihm abgeschlossen, jeden Kontakt gemieden und ich sehne mich auch nicht nach ihm. Ich könnte ihn hassen, aber das tue ich nicht. Er ist mir gleichgültig. Wenn er sterben würde, ich würde mich nicht schlechter fühlen. Ich habe mich gefragt, ob ich mich vielleicht erleichtert fühlen würde, aber vermutlich ist das Quatsch. Seine Worte sterben nicht. Sein Verhalten, seine Meinung haben sich mir ins Gehirn gefressen und verharren widerspenstig dort. Seine Anschuldigungen wurden meine Zweifel. Heute will ich ihm nichts mehr beweisen, aber ich muss es mir selbst beweisen, muss meine eigene Angst bekämpfen. Also stehe ich immer wieder auf, mache weiter und obwohl ich lieber flüchten möchte, einfach fort laufen, bleibe ich hier, kehre ich immer wieder in die Realität zurück. Ich tue das ungern, zu wohl fühle ich mich in meiner flauschig heilen Fantasie. Aber es ist gefährlich nur zu träumen, denn man kann die Realität nicht vollkommen außer Acht lassen, sonst fällt man tief. Jeden Morgen frage ich mich, wozu ich aufstehen soll und es dauert manchmal seine Zeit, ehe ich mich endlich aus dem warmen Bett quäle, um zu fallen und mich wieder auf zu kämpfen. Irgendwo da draußen wartet etwas Großes auf mich und irgendwann werde ich es finden. Genau dafür lohnt es sich aufzustehen und weiterzumachen, auch wenn ich hinter meiner perfekten Fassade langsam auseinander zu bröckeln drohe. Ich habe einen Grund: Hoffnung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)