A Thief´s Life von TiniChan ================================================================================ Prolog: -------- Trigon hieß die große Stadt, über die Baron Kieran von Lancaster regierte. Sie war eine blühende Metropole in der tausende Menschen lebten. Jede Bevölkerungsschicht war vertreten: Reiche, Arme, Bettler und Tagelöhner, und es gab eine gefürchtete Diebesgilde. Trigon war auch Heimat eines jungen Mannes von gerade 21 Jahren, über den die wildesten Gerüchte kursierten. Sein Name war Demian, sein Ruf war der eines berühmt-berüchtigten Meisterdiebes. Eine hohe Summe war auf ihn ausgesetzt und es hieß, er hätte sogar dem Baron selbst schon einen Besuch abgestattet. Bisher war es niemandem gelungen ihn zu erwischen. Den Stadtwachen war er schon so oft durch die Lappen gegangen, dass sie seufzten, sobald mal wieder ein Einbruch bekannt war, der eindeutig Demians Handschrift trug. Sie kannten seinen Namen und die Art seiner Einbrüche. Sein richtiges Aussehen aber kannten sie nicht, es gab nur widersprüchliche Angaben. Genaues wusste die Gilde, aber sie schwieg dazu. Ob Warenhäuser, kleine Läden oder das Anwesen eines Lords, wenn es für ihn lukrativ war, war nichts vor Demian sicher. Ihn reizte die Herausforderung noch mehr als das Geld. Jedenfalls führte er kein langweiliges Leben. Seine Kindheit war wenig glücklich verlaufen. Seine Mutter war bei seiner Geburt gestorben, seinen Vater kannte er nicht. Also hatte er den größten Teil seiner Kindheit elternlos und ohne ein Zuhause auf der Straße verbracht. Aus dem Waisenhaus war er aus Angst vor den brutalen Aufsehern geflüchtet und musste sich, völlig auf sich allein gestellt, als kleiner Bettler und Taschendieb durchschlagen, um nicht zu verhungern. Bis ein Mann namens Merlin sich seiner annahm. Er war auf ihn durch das für einen gerade elf-jährigen Jungen doch recht ungewöhnliche Talent, sich im Schatten zu bewegen, aufmerksam geworden. Merlin war selbst als ein meisterhafter Dieb stadtbekannt gewesen. Er nahm Demian bei sich auf und lehrte ihn den Umgang mit Dolch und Bogen, sowie das nahezu lautlose Bewegen und die Schatten zur Tarnung zu nutzen. Eine besondere Art von Wissen hatte sein Ziehvater ihm ebenfalls beigebracht: lesen und schreiben. In der organisierten Diebesgilde ging nichts ohne gelegentliche schriftliche Nachrichten. Aber unter den Einzelgängern dieses Metiers war es dieses Können die Ausnahme. Wäre er nun einer dieser „Schriftlosen“, hätte er so manchen seiner Aufträge gar nicht erst in Erwägung ziehen, geschweige denn durchziehen können. Bei seinen Einbrüchen halfen ihm Briefe und andere Notizen, um voranzukommen und zusätzliche Informationen zu erlangen. Demian war sechzehn gewesen, als Merlin bei einem missglückten Streifzug so schwer verletzt wurde, dass sich die Wunde entzündete und er an der schweren Infektion starb. Jedes Mal, wenn der junge Mann an Merlin dachte - und das war oft der Fall - erwachte die Trauer in seinem Herzen, derselbe Schmerz, den er damals empfand, als er den Vater verloren hatte. Ja, Merlin war für ihn der Vater gewesen, den er nie hatte. Demian wusste nicht, ob und wo sein leiblicher Vater lebte, aber es war ihm gleichgültig. Er beschloss, in Merlins Fußstapfen zu treten und perfektionierte seine erlernten Fähigkeiten in kürzester Zeit. Und so war er trotz seines jungen Alters schnell zu einem Meister seines Fachs geworden. Trotzdem war der junge Mann anders als die üblichen Diebe und Verbrecher. Er hatte sich etwas bewahrt, was vielen seines Gewerbes längst abhanden gekommen war: Menschlichkeit und Mitgefühl. Demian benutzte bevorzugt seinen Knüppel, weil dieser es ermöglichte, unliebsame „Hindernisse“ lautlos schlafen zu schicken. Er ging immer nach demselben Muster vor: beobachten, planen, handeln. Und er verließ sich, ganz wie es Merlin ihm einst beigebracht hatte, auf drei wesentliche Dinge: sein Können, seinen Verstand und seinen Instinkt. Nur im äußersten Notfall griff er auch auf den Dolch zurück, denn wenngleich die Stadtwachen im umgekehrten Fall mit ihm kurzen Prozess machen würden, hasste er den Gedanken, jemanden töten zu müssen. Er mochte keine Gewalt und hatte deshalb noch nie ernsthaft Menschenleben gefährdet. Wurden die Wachen zu einem Tatort gerufen, war ihre erste Frage, ob jemand zu Schaden gekommen war. Kam die Antwort, dass niemand ernsthaft verletzt, wenn man vielleicht von einer kleinen Beule durch den Knüppel absah, oder gar tot war, wussten sie sofort, dass es sich bei dem ungebetenen „Besucher“ höchstwahrscheinlich um den jungen Meisterdieb gehandelt haben musste. Seine für einen Dieb eher ungewöhnliche Vorgehensweise, keinerlei Tote zu hinterlassen, war eine Art Markenzeichen. Er war zwar jemand, der es mit dem Eigentum anderer – besonders der adeligen Herrschaften – nicht sehr genau nahm, aber nichts gab ihm in seinen Augen das Recht, für ein paar Goldstücke zu töten. Schließlich war er kein kaltblütiger Mörder! Für ihn war ein Menschenleben mehr wert als Geld. Dies war auch einer der Hauptgründe, weshalb er sich standhaft weigerte, sich der Diebesgilde anzuschließen und Teile seiner Beute an deren Anführer Aker abzuliefern. Denn deren Mitglieder hatten diesbezüglich weit weniger Skrupel. Wer ihnen bei Raubzügen oder Einbrüchen im Weg war, ob Wachmann oder Diener, musste meist mit dem Leben bezahlen. Besonders ein ihm gut bekannter Gildenangehöriger mit Spitznamen „Stich“ hatte die Angewohnheit, jedem mit seinem Dolch zu Leibe zu rücken, den er nicht mochte. Er hasste diesen skrupellosen Kerl. Demian „arbeitete“ lieber allein, blieb so unabhängig und nahm keine Befehle entgegen. So wie es einst auch Merlin getan hatte. Dieser hatte aus den gleichen Gründen wie er ebenfalls nichts von einer gemeinsamen Sache mit der Diebesgilde wissen wollen. Und diese Einstellung hatte er auch Demian beigebracht. Selbst wenn Demian bei dem ein oder anderen kleinen Diebstahl erwischt wurde, kannte er genug andere Mittel und Wege einer Strafe zu entgehen, welche das war wusste er nur zu genau. Auf Einbruch und Diebstahl stand Kerkerhaft und das Abschlagen der rechten Hand oder auch, bei besonderer Schwere der Vergehen, wie etwa Raubmord, der Tod am Galgen. Besonders die vorherrschende Religionsgemeinschaft der Stadt, die den „Schöpfer“ verehrte und sich "Die Erleuchteten" nannte, waren nicht zimperlich, was die Bestrafung von Verbrechern anging. Das einzige, was ihm manchmal Sorgen machte, war die Einsamkeit, in der er sich durch seinen „Beruf“ befand. Er pflegte nur zu seinen Hehlern und Informanten Kontakt, aber hin und wieder sehnte er sich danach, von jemandem erwartet zu werden. Einmal nur hatte er den Bordellen an den Docks einen Besuch abgestattet. Wenn auch unfreiwillig. Ein Kerl, selber wohl dort Stammgast, hatte ihn gesehen, als er, auf der Suche nach einem geeigneten Ziel, die Warenhäuser beobachtete. Und ehe er etwas erwidern konnte, hatte der Kerl ihn, unter guten Ratschlägen für „Anfänger“ auf diesem Gebiet, in eines der Häuser mitgeschleppt. Aber kaum hatte er die Türschwelle übertreten, fühlte er sich nicht wohl in seiner Haut. Die nur leicht bekleideten Damen waren entzückt von ihm gewesen, denn sie hatten ihn als Mann sehr attraktiv gefunden. Zugegeben, er war alles andere als hässlich, im Gegenteil. Demian war groß, größer als die meisten anderen Männer und hatte eine schlanke Figur, er war nicht übermäßig muskulös aber auch nicht schmächtig. Dazu ein ebenmäßiges, schmales Gesicht mit gerader Nase und weichen Zügen, etwa schulterlanges blondes Haar und seine ernsten tiefblauen Augen glichen zwei Saphiren. Letztendlich er hatte sich auf keine von ihnen eingelassen und war kurz darauf auch schon verschwunden. Dass sein Begleiter ihn deshalb belächelt hatte, war ihm völlig egal gewesen. Er hielt nichts von käuflichem körperlichen Vergnügen. Und Demian wusste ganz genau, dass er sich, so wie er sein Leben führte, nicht auf eine Beziehung einlassen konnte. Denn es war zu gefährlich, würde ihn angreifbar und erpressbar machen. Er hatte sich für das Diebesdasein entschieden und sich die Einsamkeit damit selbst auferlegt. Dennoch wünschte er sich manchmal, sein Leben mit jemandem zu teilen. Manchmal fragte er sich auch, was mit seinem leiblichen Vater war und ob er ihm je begegnen würde. Falls er wusste, das Demian sein Sohn war, wusste er vielleicht auch von seinem Ruf als Dieb. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)