A Thief´s Life von TiniChan ================================================================================ Kapitel 16: Uralte Kultur ------------------------- Was es nicht alles gab. Niemals hatte er auch nur das leiseste Gerücht gehört über Ruinen unterhalb seiner Heimat. Demian beschloss, demnächst einen Besuch in der Stadtbibliothek zu machen, vielleicht fanden sich ja dort noch Aufzeichnungen. Er fragte sich, was hier wohl passiert war. Auf jeden Fall etwas Schreckliches, was die Gebeine der einstigen Bewohner verrieten. In unmittelbarer Nähe von ihm lag noch ein menschliches Skelett. In einem Haus hatte er vorhin eine ganze Gruppe davon im Halbdunkel erkannt, und es hatte ausgesehen, als hätten sie zusammen dort Schutz gesucht. Andere Skelette hatten noch auf ihren Betten gelegen, als hätten die Menschen geschlafen als sie erschlagen wurden von den Steinen, die noch immer auf den zermalmten Knochen lagen. Irgendetwas schien die Bewohner völlig unvorbereitet überrascht zu haben. So kam Demian zu dem Schluss, dass es sich nur um eine Naturkatastrophe gehandelt haben konnte. Höchstwahrscheinlich, nach den vielen Rissen in den Steinwänden und den Trümmern zu urteilen, ein schweres Erdbeben. Er ging weiter zur Straßenkreuzung und wandte sich dann nach links. Dort kam er aber nicht weit, keine hundert Meter weiter stand er an einem Abhang, inmitten einer großen Höhle. Es war nicht klar ersichtlich, wie diese entstanden war. Unter ihm zischte und brodelte ein Lavasee, Trümmer von Hausdächern lagen darin. Auf der anderen Seite ging es noch irgendwohin weiter, aber dazu hätte Demian eine Brücke oder Flügel gebraucht. Der Dieb wandte sich wieder um, lief zurück zur Kreuzung und dann nach rechts, der Weg führte wieder in eine von Felsbrocken versperrte Sackgasse. „Also dann geradeaus“, murmelte er und blieb dann vor einer breiten Treppe stehen. Im Licht der uralten Lampen erkannte er zu beiden Seiten der Treppe große, verzierte Säulen. Oder zumindest was noch von ihnen übrig war. Bis auf eine Einzige, die noch stand, waren alle in mehrere Teile zerbrochen. Im Laufe der Zeit war dieses noch undefinierbare Gebäude mit den natürlichen Felsen verschmolzen. Er ging die Stufen hinauf, die bis zu einer noch gut erhaltenen Tür aus Ebenholz. Vorsichtig öffnete er sie und betrat das Innere. Er kam in einer schmalen Vorhalle heraus, hier war alles sehr dunkel, die Fackeln waren schon vor langer Zeit erloschen. Er holte einen Leuchtstab hervor und sah sich um. Vor ihm eine Doppeltüre, diesmal aus grün korrodiertem Kupfer, links und rechts von ihm ging es noch um die Ecke zu weiteren Türen. Er ging aber gleich durch diesen Eingang und gelangte so ein eine große Halle, die von Säulen gestützt wurde. Nun brauchte er den Stab nicht mehr, denn hier gab es nun wieder automatische Lampen, die ihn sofort in ein mehr oder weniger helles Licht hüllten. In jeder Ecke große Feuerschalen, die durch das Erdbeben allesamt umgestürzt waren. Überhaupt war auch hier alles voller Risse im Stein. In der Mitte ein quadratisches Loch von etwa fünf Metern Durchmesser, dass einst ein Wasserbecken gewesen, aber jetzt ausgetrocknet und voller Steintrümmer war, die von der Decke herunter gefallen waren. Und ihm gegenüber ein Altar vor einer Figurengruppe. Dieselben Figuren wie auf dem alten Marktplatz und in besserem Zustand als jene. Hier war die ganze Frauenstatue zu erkennen, sie hielt die Hände vor sich verschlungen. Die Tierfiguren zeigten wirklich Fabelwesen, was er aus den großen Flügeln schloss. Sie hatten dazu lange Schwänze und einen vogelähnlichen Kopf mit Schnäbeln wie Adler. Demian vermutete, dass dieses Gebäude ein Tempel für eben jene Figuren war, die hier einst angebetet wurden. Während der Katastrophe hatte man zweifellos ihren Schutz erfleht, denn hier lagen sehr viele Skelette und er musste aufpassen, nicht auf die morschen Knochen zu treten. Geholfen hatte es leider nicht. Demian beschloss, sich hier noch etwas mehr umzuschauen, vielleicht fand er ja hier irgendwelche Schriftstücke, die Hinweise zur Identität dieses Ortes hatten. Die Wände waren mit Reliefs bedeckt, die links eine Gruppe Menschen zeigte, der Größte davon trug eine Krone und saß auf einem Thron, daneben Frauen und Kinder umgeben von zahlreichen Dienern. Links noch einmal dieser König oder wer immer auf der anderen Seite dargestellt war, der mit erhobenen Händen vor zwei Thronen stand auf denen der Mann und die Frau saßen, die hier als Statuen verewigt waren. Neben den Thronen waren auch die geflügelten Tiere abgebildet. Anscheinend war es ein Götterpaar, dem der Herrscher dieser Gemeinschaft huldigte. Demian ging auf die einzige Nebentür zu und hindurch. Jeder der folgenden Gänge und Türen, sofern passierbar wurde jetzt von ihm untersucht. Er fand Speisesaal und Schlafkammern, Vorratskammer, Waffenkammer. Die Waffen waren denen, die er kannte sehr ähnlich. Es gab Bögen, Schwerter, Speere, Äxte nur gänzlich anders geformt als es zum Beispiel sein eigener Bogen war. Dann gelangte er in einen großen Raum, darin befand sich ein Bett, ein Schrank, ein Schreibtisch samt Stuhl. Das kam ihm bekannt vor, fast genauso hatten Hohepriester Salomons Räume ausgesehen. Er schloss daraus, hier im ehemaligen Gemach des Hohepriesters dieses uralten Götterkults zu stehen. Sogleich sah er sich auch hier eingehend um, darauf hoffend, endlich ein paar brauchbare Anhaltspunkte zu finden, wo er sich befand. Schriftrollen und Bücher lagen hier viele verstreut herum, aber Demian wurde arg enttäuscht. Er konnte sie nicht lesen. Das hieß, lesen an sich schon, aber die Worte ergaben für ihn keinen Sinn, es war eine völlig fremde Sprache. Was für eine Sackgasse. Ein Kästchen erregte seine Aufmerksamkeit, in dem sich ein Schlüssel befand. Aus einer Ahnung heraus nahm er ihn an sich. Daraufhin ging er in die Haupthalle zurück und dort entdeckte er bei einem zweiten Rundgang einen Schalter, der ihm vorhin noch nicht aufgefallen war. Es öffnete sich eine Falltür mit einer nach unten führenden Treppe. Mit dem Leuchtstab in der Hand, ging Demian vorsichtig die Stufen hinab und kam bis zu einer großen Eisentür, durch Rost rötlich gefärbt. Der Schlüssel passte und der Dieb ging neugierig in den dahinter liegenden Saal. Sofort reagierten hier wieder Lampen und gaben den Blick auf einen Schatz frei, dass er seinen Augen kaum trauen konnte. Ganze Berge von Statuetten, Gefäßen, Kelchen und Schmuckstücken aus Gold und Silber, mit Edelsteinen verziert. So etwas hatte er noch nie gesehen, das hier stellte sogar die Ausstellungsstücke des Barons locker in den Schatten. Das waren wahrscheinlich Opfergaben an diese Gottheiten gewesen. Diese Stadt oder zumindest der Herrscher musste sehr reich gewesen sein. Und die Priester dieses Tempels hatten zweifellos davon profitiert, denn er hatte bei der Untersuchung der Räumlichkeiten fest gestellt, dass zwar die Zeit ihre Spuren an den Einrichtungsgegenständen hinterlassen hatte, aber die Kostbarkeit war ihnen noch deutlich anzusehen. Eine Weile stand er da und es juckte ihn in den Fingern, zuzugreifen. Aber etwas hielt ihn davon ab. Es fühlte sich irgendwie... falsch an, als er doch einen Kelch in die Hände nahm. Wollte Demian einfach kein Grabräuber sein? Er war ein Dieb, ja, aber noch nie hatte er in Katakomben etwas mitgenommen aus eben diesem Gefühl heraus. War es, weil dieser Ort etwas Trauriges an sich hatte, angesichts der Katastrophe, die ihn heim gesucht und ausgelöscht hatte? Würde er sonst die Totenruhe stören und womöglich damit Untote herauf beschwören? Was auch immer der genaue Grund war, er verzichtete und stellte den Kelch zurück. Er entschloss sich, diese Ruinen zu verlassen, da er durch die fremde Schriftsprache sowieso nichts erfahren konnte. Die Bibliothek würde ihm vielleicht weiter helfen. Außerdem war ihm seit er hier war, überhaupt sehr unbehaglich zumute und er bekam Gänsehaut. Was mussten die Menschen hier während des Bebens für Todesängste ausgestanden haben? Wie panisch mussten sie aus ihren Häusern geflohen und zum Tempel geeilt sein um in rasender Verzweiflung ihre Götter um Hilfe anzuflehen? Fast bildete er sich ein, einen Nachhall der Schreie und Bitten hören zu können. Auf dem Rückweg kam ihm noch ein Gedanke. War es vielleicht möglich, dass es Überlebende gegeben hatte? Und seine Stadt von ihnen neu gebaut wurde? Dann wären die Einwohner von Trigon (mit Ausnahme derer, die aus anderen Orten hierher gekommen waren) einschließlich ihm selbst direkte Nachfahren einer untergegangenen Kultur. Irgendwie ein faszinierender Gedanke. Doch warum hatte noch niemals jemand etwas davon gehört? Nicht einmal Legenden? Wurde es geheim gehalten? Der Schöpferorden hätte zumindest einen guten Grund, nach ihrer Lehre gab es schließlich nur diesen einen Gott und nicht etwa ein Götterpaar. Aber vielleicht irrte sich Demian ja auch völlig und diese Gegend wurde erst wieder besiedelt, als diese Ruinen hier längst unter der Erde begraben und vergessen waren. Nachdem er wieder an der Oberfläche war suchte er sich zunächst den sichersten Rückweg. Da es Nachmittag war und er bewaffnet, durfte ihn so möglichst niemand sehen. Ohne Zwischenfälle zuhause angekommen, entschied er sich für die Verkleidung samt Perücke, die er damals in seiner Rolle als Diener benutzt hatte. Sicher war sicher, so hatte Demian die Garantie, in der Bibliothek nicht aufzufallen und in Ruhe nachzuforschen. Daraufhin machte er sich auf den Weg dorthin. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)