A Thief´s Life von TiniChan ================================================================================ Kapitel 4: Die Villa des Kaufmannes ----------------------------------- Als es dunkel wurde, machte sich Demian auf den Weg durch das Reichenviertel der Stadt. Den direkten Weg konnte er natürlich gleich vergessen, die Stadtwache war hier, im Gegensatz zu seinem Viertel, zahlreich und sehr diensteifrig. Nach einiger Zeit und vielen Umwegen stand er vor der besagten Villa. Er runzelte die Stirn, als er die hiesigen Wachen beobachtete, das würde wohl kein Routineauftrag werden. Hier waren offensichtlich mehr Wachen als üblich angestellt, jedenfalls sah er allein mehr als 10 Männer ihre Runden um das Grundstück herum gehen. Das passte zu Kronos´ Ausführungen, der Kaufmann hätte eine panische Angst vor Einbrechern. Zugegeben, nicht ganz ohne Grund. Denn wenn diese Krone wirklich so wertvoll war, war er nicht der einzige Dieb, der versuchen würde, das gute Stück an sich zu bringen. Aber er sagte sich, solange er nicht entdeckt wurde, konnte ihm das egal sein. Demian schlich im Schutze der Dunkelheit um das Haus herum und sah eine unbewachte Tür, wohl ein Nebeneingang, die praktischer Weise unbeleuchtet war. Doch er musste feststellen, das sie auch mit den Dietrichen verschlossen blieb. Also musste er versuchen, sich nahe genug an einen Wachmann heranzuschleichen, um diesem einen Schlüssel zu entwenden. Demian kauerte sich hinter ein dichtes Gebüsch und nahm die vorbeikommenden Männer in Augenschein. Aber keiner hatte einen Schlüssel bei sich. Keiner, bis auf einen und der stand mit einem Kameraden an der Haupttür im schönsten Lichtschein. Selbst für Demian war es unmöglich, da ran zu kommen ohne sofort entdeckt zu werden, also musste er sich etwas anderes einfallen lassen. Er wollte seinen Beobachtungsposten gerade verlassen, als etwas pelziges seine Beine streifte und ihm einen gehörigen Schreck einjagte. Demian blieb fast das Herz stehen, und er hätte sich fast durch eine unachtsame Bewegung verraten. Zum Glück konnte er sich gerade noch fangen und schaute zu seinen Beinen hinunter. Es war nur eine Katze. Sie stellte sicher keine Gefahr da, aber anscheinend gefiel er ihr. Oder das Tier hatte irgendeinen anderen Grund, weshalb sie ihm unablässig um die Beine streifte. „Ich habe keine Zeit für dich, Mieze!“ Demian erhob sich und glitt an der Hauswand entlang, aber die Katze ließ sich nicht abschütteln. Dann fing sie auch noch an zu miauen und das nicht gerade leise. „Sei still!“ „Hallo? Ist da wer?“ Ein Wachmann kam näher. „Zeigt euch!“ Der Dieb erstarrte. ‚Nur das jetzt nicht!’, dachte er und versuchte die Katze zu verscheuchen, aber es gelang ihm nicht. Erst als der Mann seine Laterne hob, fauchte sie und lief weg. „Ach, nur die Katze der Herrin.“ Der Wachmann drehte sich um und ging seine Patrouille weiter. Glücklicherweise hatte Demian sich rasch hinter einem Baum verstecken können und war deshalb von ihm nicht entdeckt worden. Seine Fußabdrücke waren im Schnee zum Glück kaum noch sichtbar, denn inzwischen hatte es wieder angefangen zu schneien. „Puh, das war knapp.“ Er hatte nichts gegen Katzen, aber diese eben war mehr als lästig gewesen. Plötzlich ging eine Alarmanlage los. Mit dem schrillen Pfeifen in den Ohren, presste sich der Dieb an die Außenmauer des Anwesens, als die Wachen hastig durch die Gegend rannten. Aber er hatte doch nichts falsch gemacht, oder? Der Dieb machte sich ganz klein und gab keinen Laut von sich. Einige Male kam einer der Männer so dicht an ihm vorbei, dass Demian nur die Hand hätte ausstrecken müssen, um ihn zu berühren. Erst nach einer ganzen Weile kehrte langsam wieder Ruhe ein. „Heh, Männer!“, rief ein Wachmann. „Ich denke, es war wohl falscher Alarm! Die Katze der Herrin hat wahrscheinlich einen der Stolperdrähte ausgelöst, ich hab das Tier vorhin gesehen.“ Seine Kameraden zeigten sich wenig begeistert: „Schon wieder dieses Vieh!“ „Nicht schon wieder!“ „Ich hasse Katzen!“ Demian wurde hellhörig. Stolperdrähte? Na, da hatte er ja riesiges Glück gehabt, dass er selbst noch keinen ausgelöst hatte, denn gesehen hatte er keinen. Jetzt musste er doppelt acht geben, denn solche Drähte waren in der Dunkelheit schwierig auszumachen. Und in dem dichter werdenden Schneetreiben noch viel schwieriger. Die Wachmänner gingen wieder ihrer Arbeit nach. Zwei von ihnen kamen dicht an Demians Versteck vorbei. „Mann“, sagte der eine. „Der Herr ist wirklich zu übervorsichtig. Wir sind so viele, dass wir uns gegenseitig auf die Füße treten. Und es vergeht keine Nacht, in der nicht einer von uns, oder dieses Katzenvieh, aus Versehen auf so einen Draht tritt und wir wegen nichts hier rumrennen.“ „Na, ehrlich gesagt, wären mir ein paar Hunde auch lieber. Aber die Herrin duldet sie ja nicht, weil sie Angst um ihr verfluchtes Fellknäuel hat.“ „Sag ich ja. Überhaupt, es traut sich ohnehin keiner mehr hier einzubrechen. Weißt du nicht mehr, was aus dem letzten Langfinger geworden ist? Ich wette, der verrottet noch immer im Knast.“ „Stimmt schon. Aber sei nicht so voreilig. Noch nie was von diesem Meisterdieb gehört? Wenn der sich hier was holen wollte, dann würde er es auch tun.“ Sein Kamerad winkte verächtlich ab. „Pah! Nicht mal der würde hier unbemerkt bleiben. Und wenn er hier aufkreuzt, empfangen wir ihn gebührend mit unseren Schwertern.“ Die zwei entfernten sich wieder. Demian musste grinsen. Wenn die wüssten ... Er schlich weiter, immer dicht an der Wand entlang, dabei schaute er sich den Boden vor seinen Füßen genau an, sich dabei so gut es ging mit der Hand gegen die Schneeflocken schützend. An der anderen Seite des Gebäudes gab es eine große, etwas erhöht angelegte Doppelluke, die laut Plan in den Keller, genauer, per Rutsche ins Kohlenlager, führte. Aber auch das war nicht die Lösung, denn ein Wachmann stand mit grimmiger Miene davor. Demian verwarf seinen ersten Gedanken wieder, den Mann ins Traumland zu befördern, als er nach kurzer Beobachtung bemerkte, dass eine Patrouille den Kerl ständig im Auge behielt. Die beiden Männer leuchteten seinen Standort stets mit einer Laterne ab. Sie würden sein Verschwinden sofort bemerken und Alarm schlagen. Er sah sich um und entdeckte schließlich einen Holzschuppen an dessen einer Seite ein paar Kisten aufgestapelt waren. Er schlich vorsichtig näher heran und blickte nach oben. Zuerst konnte er wegen des Schnees kaum etwas erkennen. Er blinzelte und hielt eine Hand vor seine Stirn. Die Dachbalken waren aus Holz. „Hm, so geht es auch.“ Rasch hatte Demian einen Plan gefasst. Er wollte gerade auf das schräge Dach des Schuppens klettern, als ihm knapp oberhalb der Schneedecke etwas auffiel, etwas dünnes, metallisch glänzendes. Eine der Stolperdrahtfallen verlief genau vor dem Schuppen entlang. „Komische Stelle für einen Draht.“, murmelte er. „Haben die Angst, dass jemand die Gartengeräte klaut?“ Der Gedanke amüsierte ihn. Andererseits war ihm klar, das ein entsprechend ausgerüsteter Dieb sehr wohl diese Chance, unbemerkt einzudringen, nutzen konnte. Und das wussten auch die Wachen. Der Dieb stieg nun ganz vorsichtig über den Draht hinweg und kletterte auf den Kistenstapel und – er musste dabei aufpassen, damit der Stapel nicht einstürzte - auf das Dach. Es war aus Holz, aber durch Schnee und Eis auch rutschig. Nachdem er sich in eine günstige Position gebracht hatte, schoss Demian einen Seilpfeil in den Balken und hangelte sich hinauf. Sonderlich breit war der Sims nicht gerade, und – wie das Dach des Schuppens – sehr rutschig, er musste Acht geben, um nicht abzurutschen. Zum Glück litt er nicht unter Höhenangst. Vorsichtig bewegte er sich zu einem Dachfenster. Es war, wie schon erwartet, verschlossen. Seine treuen Dietriche würden dieses Problem auch nicht lösen können, denn Dachfenster hatten bekanntlich kein Schloss. Daher hatte Demian immer auch ein kleines Stemmeisen bei sich, welches ihm hier nun gute Dienste leistete. Er hebelte das Fenster auf und war auf dem Dachboden angekommen, klopfte sich den Schnee ab und schaute sich um. Da standen mit Tüchern abgedeckte alte Möbel herum, einige Kisten und Truhen und noch so allerlei Kram, aber nichts wirklich wertvolles, was sich gelohnt hätte mitzunehmen. Der Safe stand im Arbeitszimmer des Hausherren, eine Etage unter ihm. Jetzt musste er sehr vorsichtig zu Werke gehen, denn wenn schon draußen so viele Wachen waren, mussten es im Inneren des Hauses zweifellos noch mehr sein und er wollte lieber kein unnötiges Risiko eingehen. Demian hob vorsichtig die Luke im Fußboden an und spähte in den Korridor. Aus der unteren Etage, dem Foyer, hörte er dank des Fliesenbodens die schweren Schritte von Wachen. Wenn er sich nicht täuschte, mindestens 3 Männer. Hier oben aber es war noch still und niemand zu sehen. Trotzdem lauschte er erst noch eine Weile und als auch weiterhin nichts zu hören war, schoss er einen Seilpfeil in den Lukenrand, seilte sich hinab und zog den Pfeil aus dem Holz. Er stand jetzt in einer hell erleuchteten Nische und ließ einen Wasserpfeil dieses Problem schnell beheben, was vom Dachboden aus nicht möglich gewesen war. Er wollte sich gerade weiter wagen, als er Schritte vernahm. Zwei Wachen machten hier ihre Runde und unterhielten sich dabei. Demian wich bis an die Wand zurück und rührte sich nicht. „Gehst du auch zu dieser Tanzveranstaltung?“, fragte der eine. „Schön wäre es. Aber meine Schwiegermutter kommt zu Besuch.“ „Oh du Armer“, lachte der Mann. „Lach nicht! Ich sage dir, wer die Alte hat, der braucht keine Feinde mehr.“ „Tröste dich, Kumpel. Meine ist auch nicht besser. Ständig am nörgeln. Und wenn ich ein Widerwort wage, wird meine Frau auch noch sauer.“ Die zwei waren so mit lamentieren über ihre Frauen und Schwiegermütter beschäftigt, dass sie nicht einmal die erloschene Fackel bemerkten. Als die Luft rein war, wagte sich Demian ein paar Schritte vor. Weiterhin alles ruhig. Bald hatte er das gesuchte Arbeitszimmer erreicht und knackte die verschlossene Tür. Er machte kein Licht an. Die Tür hatte eine Glasscheibe und seine Anwesenheit wäre so offensichtlich, das selbst ein besoffener Wachmann alarmiert worden wäre. Selbst die Fackel war zu auffällig. Aber er konnte trotzdem genug sehen, da das Licht des Korridors durch die Scheibe fiel und den Raum genügend erhellte. Auf dem Schreibtisch lagen mehrere Geldbeutel, die rasch den Besitzer wechselten. Demian fand, dass bei diesem Reichtum, der sich in der prachtvollen Einrichtung spiegelte, ein paar solcher Beutel weniger den Herrn wohl kaum ins Armenhaus bringen würden. Er überflog ein Blatt Papier, in dem der Kaufmann über die Teuerung mancher Güter klagte. „Also echt, diese Sorgen will man haben. Als ob der es sich nicht leisten könnte“, murmelte er kopfschüttelnd. Dann wandte sich der Dieb dem Safe zu, der, wie er feststellte, nicht zusätzlich gesichert war. Dennoch stand er vor einem Problem. Die Dietriche passten nicht. Natürlich nicht, es war ja nicht umsonst ein Safe und die waren nun mal nicht einfach zu knacken. „Hätte ich mir doch denken können, ich Dummkopf“, schalt er sich selbst. Er überlegte eine Weile und kam zu dem Schluss, dass es am wahrscheinlichsten war, den Schlüssel beim Hausherrn selbst zu finden. Wo lag gleich noch sein Schlafzimmer? Es lag laut Karte gleich nebenan und war mit diesem Raum durch eine Tür verbunden, so dass er nicht erst zurück auf den hellen Gang musste. Der Hausherr schlief und schnarchte so laut, das es wohl noch bis zum Keller zu hören war. ‚Der Kerl fällt ja einen ganzen Wald‘, dachte Demian amüsiert und sah sich um. Der Raum war bis auf ein noch brennendes Nachtlicht völlig dunkel. Auf dem Nachttisch stand außer der Kerze nur ein kleines, gerahmtes Bild. Darauf erkannte er beim Heranschleichen eine Frau, vermutlich die Hausherrin. ‚Hm, an seiner Stelle, wo würde ich wohl den Schlüssel verwahren?‘ In dem Moment drehte sich der schlafende Hausherr um und an seinem Hals blitzte etwas auf. Ein kleiner, silbern schimmernder Schlüssel an einer Kette. Damit war die Frage wohl beantwortet. Jetzt bedurfte es viel Fingerspitzengefühl, damit Herr Ludwig nicht aufwachte. Ganz vorsichtig beugte er sich über ihn, streckte die Finger aus und zog sachte am Schlüssel. Auf einmal griff der Mann nach Demians Ärmel, richtete sich auf und drehte den Kopf in seine Richtung. Demian wich erschrocken zurück und dachte schon, gleich würde er die Wachen herbei rufen. Aber Ludwig tat nichts dergleichen. Geistesabwesend starrte er durch den Dieb hindurch, als wäre er nur Luft, dann stand er auf und ging aus dem Zimmer hinaus auf den Gang. Verblüfft sah Demian ihm nach, ehe er begriff, was los war. Von draußen hörte er nun einige Wachen und versteckte sich rasch in der Ecke neben dem Kleiderschrank. Die Männer führten ihren Herren zurück ins Zimmer. Aber leicht wurde es ihnen nicht gemacht. Obwohl nicht Herr seiner Sinne, entzog sich Ludwig ihnen immer wieder und strebte zurück zur Tür. Dieses Schauspiel war wirklich zu komisch, Demian musste an sich halten, um nicht zu lachen. Endlich hatten sie ihn zurück ins Bett gebracht und nun schnarchte der Hausherr wieder seelenruhig. „Kevin, hol Gerda her!“, sagte eine der Wachen. „Sie soll ihm seine Medizin gegen dieses vermaledeite Schlafwandeln geben! Er hat sicher wieder vergessen, das Zeug zu nehmen.“ Die anderen Wachen verließen das Schlafzimmer wieder. Der eine Wachmann blieb jedoch und hinderte den Herren bis zum Eintreffen dieser Gerda daran, wieder eine Nachtwanderung zu beginnen. Demian wartete ab und ließ den Herren und seine Wache nicht aus den Augen. Nach eine Weile öffnete sich die Tür erneut. Es war eine Dienerin, die ein Tablett trug, auf dem eine kleine Flasche stand. Sie weckte den Hausherren und gab ihm die Medizin, dann verließ sie den Raum wieder und der Herr schlief bald wieder ein. Also, neuer Versuch. Dieses Mal wollte er auf Nummer sicher gehen und holte seinen Knüppel heraus. Jedoch streifte er dabei den Nachttisch so unglücklich, dass das Bild vom Nachttisch auf den Boden fiel. Davon wurde Ludwig wach und richtete sich wieder auf. „Was ist ... WER BIST DU?“ Ehe der Mann um Hilfe rufen konnte, schickte ihn ein Schlag mit dem Knüppel zurück ins Land der Träume. „Hallo? Herr, stimmt etwas nicht?“ Zurück in die Ecke. Ein Wachmann kam ins Zimmer bis zum Bett und sah das Bild auf dem Boden liegend. „Was zum Teufel ...?“ Aber er beruhigte sich wieder, als er sah, dass sein Herr ruhig im Bett lag. Demian hatte ihm gerade noch die Decke hochziehen können. „Ach, es war nichts.“ Demian atmete auf. Die Wache nahm wohl an, der Herr selbst hatte das Bild bei seinen nächtlichen „Aktionen“ hinunter gestoßen und stellte es wieder an seinen Platz, bevor er seine Runde wieder aufnahm. Seufzend kam Demian wieder aus der Ecke hervor und wagte den nächsten Versuch und hielt endlich den Schlüssel sicher in der Hand. ‚Puh, das wäre geschafft.‘ So leise wie er hineingekommen war, verließ er das Schlafzimmer wieder und machte sich an der Safetür zu schaffen. Und siehe da, der Schlüssel passte. „Hm, nicht übel. Das Ding ist sicher ´ne Menge wert.“, sagte er zu sich selbst, als die Krone ihm entgegen funkelte und in einem Beutel, den er am Gürtel trug, verschwand. Um den Diebstahl nicht gleich auffallen zu lassen, verschloss Demian den Safe wieder und wollte den Schlüssel unauffällig an seinen Platz zurückbringen. Es erwies sich als etwas kniffelig, aber nicht unmöglich, den Schlüssel wieder an der Halskette zu befestigen. Nun musste er nur noch verschwinden. Er öffnete vorsichtig die Tür und spähte hinaus. Niemand. Schnell verließ er das Arbeitszimmer und wollte in den dunklen Gang zurück, aus dem er gekommen war. In dem Moment kamen die beiden Wachmänner von vorhin zurück. Der Dieb konnte gerade noch in eine Nische eilen. Dieses Mal fiel nun einem von ihnen doch die gelöschte Fackel auf. „Müssen diese verfluchten Fackeln ständig ausgehen?“ Er blieb stehen und kramte an seinem Gürtel. „Mist, ich habe meine Zunderbüchse vergessen.“ „Ach, lass doch“, meinte sein Kollege. „Wegen einer Fackel weniger brauchen wir uns doch nicht zu sorgen. Sag es dem alten Gulliver und der erledigt das.“ „In Ordnung. Wo steckt Gulliver überhaupt?“ „Was ist denn?“ Ein älterer Mann kam die Treppe hinauf gehumpelt. „Die Fackel hier ist ausgegangen. Sei so gut und zünde sie wieder an.“ Gulliver nickte und tat, was von ihm verlangt wurde. „Hey, was ist mit der Dachluke? Die war doch vorhin noch zu!“ Demian verhielt sich ganz still. Hoffentlich schöpften die jetzt nicht Verdacht und schlugen Alarm. „Moment, das haben wir gleich.“ Der Diener öffnete eine schmale Tür und holte eine lange Eisenstange heraus. „Die Luke hat manchmal ihren eigenen Willen. Geht auf, wann sie will.“ Nach ein paar Augenblicken war die Luke zu. Damit war der einfache Weg zurück versperrt. Jetzt hatte Demian ein Problem. Der Diener hatte die Stange beim Gehen wieder mitgenommen. Ihm nun zu folgen, um die Stange wieder zu holen, würde zu viel Zeit kosten. Er musste sich etwas einfallen lassen. Er wartete eine Weile, bis niemand mehr da war, dann schlich er den Gang entlang, als er erneut Schritte hörte, die sich ihm schnell näherten. Hastig blickte er sich um, sah aber weit und breit kein schattiges Fleckchen. Deshalb öffnete er rasch die glücklicherweise unverschlossene Tür hinter sich, huschte in den Raum und schloss sie schnell wieder. Demian war in einem weiteren, aber kleineren Arbeitszimmer angekommen. Die Einrichtung bestand unter anderem aus ein paar Regalen und einem Schreibtisch auf dem noch eine Lampe brannte. Der Kamin war aus. Wenn er schon hier war, sah er sich ein bisschen um. Aus ein Paar Pergamenten auf dem Tisch ging hervor, dass dieser Raum wohl der Arbeitsplatz des Hausverwalters war. Ein kleines, verschlossenes Kästchen stand im Regalschrank und erregte Demians Aufmerksamkeit. Er knackte es und fand einen Zettel: Rechnung für die neue Kanal-Luke im Keller. 1200 Goldstücke. Wie gewünscht, haben wir die Luke mit einem speziellen Sicherheitsschloss versehen. Es lässt sich nur mit Eingabe folgender Nummer öffnen: 19712 Es wird jedem Kunden zur Sicherheit angeraten, sich einen persönlichen Code zuzulegen und das Schloss entsprechend einzustellen. Na, das war ein Glücksfall. Er musste also irgendwie ungesehen in den Keller gelangen. Während er überlegte, bemerkte der Dieb noch einen Brief auf dem Schreibtisch mit der Notiz: „WICHTIG!“ „Hm ...“ Demian sah sich den Brief genauer an. Er entpuppte sich als eine Rechnung für eine kürzlich installierte Geheimtür, die sich in Ludwigs Arbeitszimmer befand und durch einen bestimmten Knopf geöffnet werden konnte. Der Dieb wartete, ob die Luft rein war, dann huschte er in Ludwigs Büro zurück. Demian sah sich nun den Raum und den Boden genauer an. Eines der kleinen Bücherregale neben dem Kamin machte ihn stutzig. Es schien, als stünde es nicht an der Wand, sondern war mit dieser verbunden. Als Demian an einer Seite mit der Hand entlang strich, bemerkte er außerdem einen schmalen Schlitz in der Wand, aus dem auch ein leichter Luftzug zu spüren war. Er hockte sich hin und fühlte mit den Händen, was im Halbdunkel nicht zu erkennen war: feine Kratzer im Parkettboden. Jetzt war sich der Dieb sicher, den Gang gefunden zu haben. Wo aber war der Knopf zum Öffnen? Er drehte sich um und sah plötzlich am Kamin etwas metallisches aufblitzen, angeleuchtet durch das Licht, was von draußen durch die Glastür fiel. Der Dieb ging näher heran und erkannte im Halbdunkel den gesuchten Metallknopf. „Na, bitte! Wieso hab ich den nicht schon vorhin gesehen?“, fragte er sich. Na ja, er war eben auch nicht perfekt. Glück musste man halt haben, und das hatte er. Ohne weiter zu zögern drückte er den Knopf, das Regal schwang auf und gab einen Durchgang frei. „Aha, da ist die Hintertür.“ Er betrat den Durchgang und schloss ihn wieder mit dem Gegenknopf an der Holzwand. Es war ein schmaler Gang, an dessen Ende eine Leiter nach unten führte. Demian stieg hinunter und fand sich in einem kleinen Lagerraum wieder. Am Boden fand er eine Luke, öffnete sie vorsichtig einen Spalt weit und sah hinunter. Niemand zu sehen oder zu hören. Nachdem ein Moospfeil zum Einsatz gekommen war, sprang der Dieb hinab und landete lautlos auf dem Steinboden. Er war im Heizungsraum angekommen, ein großer Ofen stand da, daneben Unmengen von Kohle. Als er sich umdrehte, war da auch die große Luke, die er auch schon draußen gesehen hatte. Die Kohlenrutsche lehnte zwischen Boden und Luke an der Wand, aber es war trotzdem keine gute Idee, diese hochzuklettern. Mit Sicherheit hatte der Wachmann draußen seinen Posten nicht verlassen. Demian öffnete die Tür einen Spalt breit und hörte Schritte zweier Wachen. In der Küche hörte er außerdem trunkenen Singsang. Als die Patrouille vorbei war, schlüpfte er in entgegengesetzter Richtung durch die Tür und in die Küche, in eine dunkle Nische hinein. „Hallo ... hicks ..., ist da jemand?“ Er erstarrte. Eine weitere Wache stand oder vielmehr schwankte da und sah in seine Richtung. Der Dieb presste sich eng an die Wand und rührte sich nicht. „Hm ... hicks ... da war nichts ...“ Demian atmete auf. Das hätte jetzt schief gehen können. Der Mann war aber schon so trunken, dass er nichts mehr richtig merkte. Seine beiden Kollegen kamen gerade wieder durch einen zweiten Eingang in die Küche zurück und empfahlen ihrem Kameraden kopfschüttelnd, seinen Rausch auszuschlafen. „Ich ... hicks ... bin nicht betrunken, ich vertrage viel ... hicks ...“, war dessen Antwort. Die zwei Kollegen verdrehten die Augen und gingen ihre Runde weiter. „Der Herr sollte den alten Säufer feuern“, hörte Demian den einen noch sagen, als er neben dem großen Herd eine Nische bemerkte, von der eine Treppe nach unten führte. Er wollte zu gerne wissen, wohin die führte. Zuvor galt es aber, an dem Mann vorbeizukommen. Da es kaum Schatten zum Verstecken gab, war es Demian nicht möglich, sich ungesehen vorbei zu schleichen. Der Prügel würde auch nicht helfen, denn er wäre entdeckt worden, ehe er sich nahe genug an die Wache hätte anschleichen können, um zuzuschlagen. Sein umherschweifender Blick fiel auf ein Regal voller Weinflaschen und ihm kam eine Idee. Lautlos brachte er sich in Position und machte seinen Bogen mit einem Gaspfeil einsatzbereit. Er wartete, bis die Wache ihm den Rücken zuwandte, dann beendete ein gezielter Schuss den monotonen Singsang. Demian steckte den Bogen weg, hievte den schweren Mann auf eine Bank neben dem Ofen und lehnte ihn an die Wand. Dann nahm er einige der Weinflaschen aus dem Regal und platzierte sie so, dass es den Eindruck erweckte, die betrunkene Wache hätte sich auf die Bank gesetzt und wäre eingeschlafen. Nun war der Weg frei und Demian ging vorsichtig die Treppe hinunter. Die Schatten umschlossen ihn keine Sekunde zu früh, denn er hörte schon die Schritte der beiden zurückkehrenden Wachmänner. Sie schöpften durch die Inszenierung mit den Flaschen keinen Verdacht. „Schau ihn dir an. Jetzt pennt er doch.“ „Solange macht er zumindest keinen Unsinn.“ Demian hatte inzwischen das Ende der Treppe erreicht, als er plötzlich Geräusche aus dem Bereich um die Ecke hörte. Ein mehrstimmiges, hohes Fauchen und Zischen. „Das ist doch wohl nicht das, wofür ich es halte?“, murmelte er und folgte den Geräuschen. Er irrte sich nicht. Da stand ein großer Käfig mit Spinnen, zumeist kleine, aber auch ein paar Riesenexemplare. Und die hatten wohl Hunger, denn sie gerieten aus dem Häuschen, als Demian ins Fackellicht trat. Das Gefauche hallte in seinen Ohren, während er den Zettel las, der am Käfig hing. Alfons, wehe du vergisst wieder, meine Lieblinge zu füttern! Es ist mir egal woher du das Futter bekommst, das ist dein Problem. Aber wenn ich noch einmal erfahre, dass du es „vergessen“ hast, wirst du ihr Hauptgang, verstanden? Also mach dich an die Arbeit! L. Der Hausherr hatte einen wirklich originellen Geschmack, was Haustiere anging. „Wie kann man sich diese Viecher nur als Haustiere halten?“ Demian schüttelte den Kopf. Na ja, es konnte ihm auch egal sein. Durch einen schmalen Durchgang neben dem Käfig gelangte er schließlich zu einer großen, schweren Luke. „Hm, das muss der Ausgang sein.“ Er gab die Zahlenfolge ein und betätigte den Schalter an der Wand und der Durchgang war offen. „Jetzt aber nichts wie raus hier.“ Er sah sich um, es war niemand zu sehen, er schloss die Luke wieder und ging eine Weile den Kanal entlang bis er einen Deckel fand. Demian stieg die Leiter hinauf und öffnete vorsichtig den Deckel. Er hatte keine Ahnung, was ihn erwartete. Vielleicht stand da eine Stadtwache und wartete schon. Glücklicherweise war aber keine Menschenseele zu sehen oder zu hören, also stieg der Dieb eilig aus dem Kanal und in den nächsten Schatten. Nur eisiger Wind und Schnee erwarteten ihn. Er wartete eine Weile, ob auch alles ruhig war, dann machte sich Demian auf zu Kronos´ Haus, um ihm die Krone zu bringen. Der Hehler war höchst zufrieden und als nach ein bisschen Feilschen ein für beide Seiten annehmbarer Preis entstand, war Demian es auch. „Na dann, bis zum nächsten Auftrag“, verabschiedete sich Kronos grinsend. Der Dieb nickte nur und machte sich auf den Heimweg. Als er gerade unter einer Laterne hindurch huschte, kam eine Patrouille der Stadtwache vorbei, just in dem Moment, als Demian voll im Lichtkegel war. Er hatte sie durch den Lärm, den einige Bettler unweit von ihm schreiend und prügelnd veranstalteten, nicht kommen gehört. Und sie sahen ihn natürlich sofort. „Halt, Du da, was machst Du hier?“ Er wich einige Schritte zurück, die Männer kamen immer näher. Er hatte keine Wahl, als eiligst zu fliehen. „Das ist ein Dieb!“ „Hinterher!“ „Verdammt!“, fluchte Demian und hastete die Straße entlang, die Wachen ihm dicht auf den Fersen und er glaubte schon, ihren keuchenden Atem im Nacken zu spüren. Schnell tastete er nach seiner einzigen Chance, ließ seine Verfolger näher kommen und schleuderte das kleine kugelige Objekt zwischen die Kerle, selbst die Augen schließend. Ein greller Blitz und die Wachen taumelten geblendet und fluchend umher. Demian selbst eilte weiter, bog um ein paar Ecken – und lief einer weiteren Gruppe Stadtwachen beinahe direkt in die Arme. Er konnte gerade noch einen Haken schlagen, um nicht mit ihnen zusammen zu stoßen und rannte so schnell er konnte. ‚Das darf doch nicht wahr sein‘, dachte er dabei. ‚Gleich zwei Patrouillen auf einmal!‘ Die Männer stürmten hinter ihm her. „Na warte, Dieb!“ „Wir kriegen dich!“ Demian blieb nicht stehen, die gezückten Schwerter wollte er nicht kennen lernen. Außerdem war er allein, sie waren zu viert. Demian hatte jetzt keine Blitzbombe mehr, die hatte er ja der ersten Patrouille vor die Füße geworfen. Er musste schnell handeln, wenn er entkommen wollte. Da sah er einige aufgestapelte Kisten unter der Feuerleiter eines baufälligen Hauses. Ohne zu zögern kletterte er auf die Kisten, ergriff die Leiter und zog sich nach oben. „Verflucht!“, hörte er die Männer zetern. Einer von ihnen kam ihm selbst hier noch hinterher. Er war nur wenige Jahre älter als er selbst. Schon stand dieser Demian auf der schmalen und - wie dieser erst jetzt bemerkte - sehr maroden Metallgang Mann gegen Mann gegenüber. Demian wich zurück. „Los bring ihn zur Strecke!“, riefen seine Kameraden hinauf während sie versuchten, die mit Brettern vernagelte Tür aufzubekommen, um ihm den Weg im Haus abzuschneiden. Der junge Wachmann richte drohend sein Schwert gegen ihn. Der junge Dieb zögerte, dann fuhr seine Hand zum Dolch, aber er kam nicht dazu, selbigen zu ziehen, denn plötzlich hörte man ein Klirren und knacken. Die Belastung der beiden Kontrahenten war zu viel für den alten Gang. Quietschend begannen sich die verrosteten Metallbolzen des Ganges zu lösen, und er senkte sich bedrohlich ab. Während sich Demian und der Wachmann noch mühten, ihr Gleichgewicht zu halten, bog sich der Gang immer weiter nach unten. Da machte Demians Verfolger einen unbedachten Schritt und der Metallgang löste sich zum Teil von der Wand ab. Demian konnte sich gerade noch an dem verankerten Teil festhalten, der junge Wachmann verlor jedoch das Gleichgewicht und rutschte mit einem Aufschrei nach unten. Verzweifelt klammerte der Wachmann sich an das Gitter, doch lange würde er das wohl nicht aushalten können. Seine Kameraden standen starr vor Schreck. Einen Moment lang sahen sich beide in die Augen. Da tat Demian etwas, was keiner der Wachmänner je für möglich gehalten hätte: Bevor der junge Wachmann abstürzte, ergriff Demian seinen Arm und hielt ihn fest. Dieser griff in seiner Angst ebenfalls nach diesem „Strohhalm“. Wenn er selbst keinen anderen Halt fand, war es trotzdem nur eine Frage der Zeit, bis den Meisterdieb auch die Kräfte verlassen würden. Seinen Kameraden wagten es nicht, sich zu bewegen. Demian hielt sich an einer Metallstange fest und versuchte, den Mann nach oben zu ziehen. Er hatte es fast geschafft, als das Metall der Belastung endgültig nachgab. Beide rutschten nach unten, Demian konnte sich gerade noch an die Stange klammern und sich dabei mit den Füßen auf einem Sims abstützen. Der Arm des Wachmannes rutschte aber aus seiner Hand und es kam wie es kommen musste. Er versuchte noch, ihn wieder zu packen, aber zu spät, der Mann rutschte vollends ab und stürzte in die Tiefe, wo er reglos liegen blieb. Bestürzt und geschockt standen die anderen Wachmänner da, dann sahen sie ungläubig hinauf zu Demian, dem es gelungen war, auf den Sims zu klettern und der nun seinerseits entsetzt nach unten blickte. Dann wandten sie sich ihrem Kameraden zu, ohne sich weiter um ihn zu kümmern. Demian konnte nichts mehr tun. Durch eine Luke stieg er in einen Dachboden hinunter, wo ein Fenster offen stand. Mit Hilfe seines Seilpfeils gelangte er schließlich auf die Straße hinter dem Gebäude, blickte sich rasch um und verschwand dann in die Dunkelheit, den schnellsten Weg nach Hause einschlagend. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)