The Truth About Norwegian Black Metal von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 3: Inferno ------------------ Es war noch lange vor Beginn des Festivals, das um 17:45 Uhr im John Dee starten sollte. Die ersten Schwarzgekleideten tummelten sich auf dem Raucherbalkon und in der Bar, darunter auch viele Mitglieder verschiedener Bands. Alles war neugierig auf die diesjährigen Opener, den talentierten Nachwuchs und was an musikalischen Überraschungen so kommen würde. Und die meisten, besonders die ältere Generation, wollten einfach ihre Jugendidole auf der Bühne sehen, die Klassiker hören und darin schwelgen. Aufgrund der hereinbrechenden Kühle hatten die meisten sich nach drinnen begeben, aber Nattefrost nutzte die Zeit vor dem Eröffnungsgig, um noch mal eine zu rauchen. Auf dem Balkon stieß er auf eine kleine Gruppe, die am Geländer versammelt war und auf Englisch miteinander scherzte. Der heiteren Stimmung und dem Lachen nach zu urteilen, schienen sie bester Laune zu sein. Nattefrost wagte sich näher und erkannte auch die dunkle, wohlklingende Stimme Gaahls darunter. Der Hüne verabschiedete sich mit einem Winken von der Gruppe und bewegte sich auf die Treppe ins Innere zu, wo er Nattefrost begegnete. „Wer ist das da drüben?“, fragte jener nach einer kurzen Begrüßung. „Eine britische Band. Auf das „britisch“ legen sie übrigens Wert“, zwinkerte Gaahl. „Den Bandnamen hab ich mir nicht behalten können, klingt so seltsam... Aber man kann sich gut mit ihnen unterhalten.“ Daraufhin ging er runter zur Bar. Nattefrost war recht kontaktfreudig und hatte auch keine Hemmungen, was das Sprechen einer Fremdsprache betraf, also gesellte er sich zu dem kleinen Vierer-Trupp. „Hey folks, what's up?“ Kurz hob er die Hand zum Gruß, dann friemelte er das Zigarettenpäckchen aus der Tasche seiner Lederjacke. Die Briten grüßten ihn höflich zurück und der redselige Einheimische kam ihnen darin zuvor, eine Konversation zu beginnen. „So you guys play all in the same band? From Britain, huh?“, lächelte er mit Kippe im Mundwinkel. „Great Britain, yes“, grinste sofort einer von ihnen. Als Nattefrost den Mann, von dem der Kommentar gekommen war, genauer ansah, musste er sich ein Losprusten verkneifen: Er sah mit seinem langen, schwarzgewellten Haar und dem Schnurrbart aus wie ein Barockherrscher. Statt zu lachen, kaschierte Nattefrost seine Überraschung also mit einer Frage: „And which type of Black Metal do you play?“ Ein Rotschopf, der die Haare zu beiden Seiten abrasiert hatte, trat ein Stück vor und antwortete ihm. „Quite progressive, with a hint of Death and Grind. You have to listen to it. It can't be defined.“ „Oh, and it is at some times strongly sensual and spiritual, I may say“, kam plötzlich eine Stimme hinter ihm. Nattefrost drehte sich um und schaute einen hoch gewachsenen Mann mit langem, dunkelbraunem Haar an, dessen Gesichtszüge stark nach englischem Adel aussahen. „But Gentlemen, where are your manners? If our conversation partner wishes to learn about our music, he might also want to know about us. And the first thing to do when making new contacts is always … presenting oneself.“ Er deutete eine leichte Verbeugung in die Richtung des verdutzten Nattefrost an. „So let me introduce us to you: we are a Metal Band from Great Britain, called Akercocke, and it is an honour for us to play this concert at the Inferno Festival here in Oslo, Norway. My name is David Leslie Gray.“ Der Brite reichte Nattefrost die Hand, und dieser, völlig durcheinandergebracht ob des plötzlichen Auftretens des seriös wirkenden Mannes und der vollendeten Höflichkeit, mit der dieser ihm begegnete, ergriff sie und sprudelte sogleich drauflos: „So you are the singer, I suppose?“ Als ihm bewusst wurde, dass er keinerlei Höflichkeitsformeln beachtet und zudem einfach so eine Frage in den Raum geworfen hatte, fügte er schnell noch hinzu, „uhm, the way you … express yourself … you sure write the lyrics. And your voice is quite...“ Er wusste nicht, was er sagen sollte. Vereinnehmend? Eindringlich? Beschwörend? Schön anzuhören? Angenehm? Aber wie sagte man das alles auf Englisch? Der Mann, David, lächelte. „First of all, thank you. Good guess indeed, for I do write the lyrics, but I do not sing. I play the drums.“ Das erstaunte Nattefrost nur noch mehr. Von diesem vornehmen Mann mit den edlen Zügen hätte er dieses Instrument am allerwenigsten erwartet. Er wirkte so ganz und gar nicht wie der Durchschnittsdrummer. Aber das Schlagzeug schien ihm insofern gut zu stehen, als man dafür Taktgefühl benötigte, und zumindest im gesellschaftlichen Bereich schien David eine Menge davon zu haben. „This one is our singer“, fuhr er fort und legte dem barocken Fürsten die Hand auf die Schulter. „Jason Mendoca.“ Nacheinander stelle er dem Norweger alle Bandmitglieder vor. Nattefrost hatte sich wieder einigermaßen gefangen vom anfänglichen Überrumpeltsein und lauschte aufmerksam, jedem zunickend. Dann wandte sich David wieder an ihn. „May I ask for your name, now?“ Nattefrost räusperte sich. „Roger Rasmussen. But I'm better known as Nattefrost. Lead-Singer of the norwegian Black Metal-Band Carpathian Forest. And two Solo-Albums.“, versuchte er sein bestes, sich gut auszudrücken. „I am pleased to meet you“, ließ David verlauten. „I think I've already heard of this … of your band. Quite common in the Black Metal scene, it seems. Your newest album … ?“ „Fuck you all“, sagte Nattefrost sofort. „That's what it's called“, fügte er augenblicklich hinzu. David nickte nur und schien etwas abwesend, als ersuche er, sich an irgendetwas zu erinnern. „Well“, meinte er dann, „I cannot remember what your music sounds like at the moment, but surely you do perform at the festival?“ „Of course!“, gab Nattefrost aufgeregt zurück. Tomorrow night I'll play some songs alone and on Sunday we will go on stage with Carpathian Forest. Just have a look at it.“ „Oh, we will“, lächelte David. „But for tonight...“, er schaute auf seine stilvolle Armbanduhr, „it seems it is already time to begin with the festival. I would appreciate to watch the opening band, what about you? Perhaps we could talk after all the concerts – I am sure that there will be a nightly gathering at one of our hotel rooms.“ Die anderen Bandmitglieder grinsten zustimmend. Eine Einladung also zum britischen Plausch und einem Nachspiel in kleiner Runde. Warum nicht? Nattefrost nahm das Angebot dankend an. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)