Seite an Seite von Sora_Bay ================================================================================ Kapitel 7: Streit und Freundschaft ---------------------------------- „Wir wissen nichts über dich.“, sagte Boromir. Er sah Lunita auf eine gewisse Weise abschätzend an. Als würde er sie für etwas halten, was weniger wert ist, als er. Weniger wert als ein Mensch. „Boromir, was willst du damit sagen?“, fragte Gandalf. Die Pfeife legte er beiseite. „Sie hat diese Menschen dort hinten einfach getötet. Und wir haben mitgemacht, weil wir uns in unserer Gemeinschaft verpflichtet gefühlt haben. Aber haben wir einen von ihnen die Gelegenheit gegeben zu sagen, was sie wollen?“ Er sah sich in der Runde um. „Wer sagt uns, dass sie uns nicht vor etwas schützen wollten? Uns warnen?“, fragte er in die Runde. Aber sein Blick galt wieder Lunita. Legolas stand auf. „Dazu hatten wir keine Möglichkeit, sonst wären wir vielleicht tot gewesen. Sie waren uns böse gesinnt.“ „Das sagt grade ein Elb…“, murmelte Gimli. „Gimli, bitte!“, tadelte Gandalf, auch wenn Legolas gar nicht darauf einging. „Selbst wenn, muss es doch einen Grund haben, warum sie hinter ihr her waren.“, redete Boromir unbeirrt weiter. „Warum sie sie jagen und so fürchten.“ „Sie fürchten mich aus den selben Grund, warum du mich verurteilst, Boromir von Gondor.“, sagte Lunita scharf. „Ihr wisst nichts über mich oder mein Volk, aber das ist euch egal. Denn was ihr nicht kennt, dass fürchtete ihr und was ihr fürchtete, dass muss vernichtet werden. So seid ihr Menschen eben.“ Ihre Stimme klang kalt und vorwurfsvoll, aber darunter, unter dieser Schicht von Härte und Stärke, darunter klang auch Trauer, Zorn und Verzweiflung mit. Hören konnten das aber nur Gandalf, der sie schon lange kannte und Legolas, der die Gefühle anderer als Elb besser spüren konnte. „Lunita, nicht…“, wollte Gandalf schlichten. Lunitas Kopf fuhr zu ihm herum. Wie konnte er das sagen? Sie funkelte ihn an. „Was nicht, Gandalf? Was?“ Sie war wütend auf ihn, weil er diese Beleidigungen zuließ, obwohl gerade er es besser wissen müsste. Er hatte auch kein Recht ihr Vorschriften zu machen. Dennoch wirkte sie nach außen einigermaßen beherrscht. „Sie trauen mir nicht. Sie halten mich für eine Verräterin und denken, mich im Auge behalten zu müssen, doch nicht ich bin die Gefahr.“, sagte sie als prophezeie sie dies. Und vielleicht war dem auch so. Gandalf wollte etwas sagen, um sie zu beschwichtigen. Er wusste, dass es der Wahrheit entsprach, was sie sagte, aber es war schwer den anderen, allen voran Boromir, das begreiflich zu machen. Sie sah ihn immer noch an. Ein Ausdruck lag in ihren Augen, den man fälschlicher Weise als Vorwurf bezeichnen hätte können, aber dem war nicht so. „Ich müsste nicht hier sein, Gandalf. Ich müsste das nicht tun. Ich bin keinem eurer Völker etwas schuldig.“, sagte sie hart, aber ehrlich. „Diese Sache geht alle Völker etwas an.“, mischte sich Aragorn ein. Er wollte sie nicht beleidigen, sondern den Streit schlichten. Er wählte nur freilich die falschen Worte dazu. „Von welchem Volk redest du?“ Sie sah ihn an. Ihr Blick strahlte nur noch Härte aus. Aber wenn man genau hinhörte, konnte man ein Zittern in ihrer Stimme wahrnehmen. „Mein Volk existiert nicht mehr und es gibt keinen lebenden männlichen Azaren mehr. Es wird nach mir nie wieder einen geben. Ich bin unwiderruflich die Letzte.“ Sie sah ihn an, dann glitt ihr Blick zurück zu Boromir. „Mir könnte es egal sein, was aus Mittelerde und euren jämmerlichen Völkern wird. So wie es ihnen egal war, als sie uns ausrotteten. Doch bin ich trotz allem hier.“ Alle horchten auf. Was hatte sie gesagt? Als sie uns ausrotteten? Sollte das etwa heißen, die Azaren wurden von den heute freien Völkern Mittelerdes einst getötet? Das konnte niemand glauben. Oder vielmehr wollten sie es nicht. Jeder von ihnen hatte das ganze Leben lang eine andere Geschichte über das Alte Volk gehört. „Aber wenn schon dein Volk nicht mehr lebt, so willst doch zumindest auch du nicht sterben, oder etwa doch?“, fragte Merry kleinlaut. Lunitas Blick fiel auf ihn. Sie sah ihn funkelnd an, doch dann wurde ihr Blick weicher, fast schon kapitulierend. Sie bewunderte den Mut dieser Halblinge. „Ich fürchte den Tot nicht, Merry. Seit vielen Jahrtausenden lebe ich nun schon, und die meiste Zeit davon bin ich allein gewesen. Die Einsamkeit macht mir nichts aus. Aber als Leben würde ich das nicht bezeichnen. Der Tot… ist mir reichlich egal.“, sagte sie mit leiser Stimme. Dann sah sie die anderen noch einmal kurz an und gab auf. Es hatte keinen Sinn. Sie alle gehörten diesen Völkern an, die sich vor langer, langer Zeit dazu entschlossen hatten, dass es besser war zu vergessen. Ihr Blick traf Gandalf, der ihrem aber auswich. Er schien nicht ganz mit sich im Reinen zu sein und Lunita hatte so das Gefühl, dass es an dem Inhalt ihres kleinen Vortrages liegen könnte. Das war wahrhaftig nicht ihr Ziel gewesen. Sie wollte nur ein wenig Respekt und Achtung. Sie musste sich ein Seufzen unterdrücken. Dann kehrte sie sich ab und trat zurück. „Legt euch schlafen. Ich halte die erste Wache.“, sagte sie. „Dann könne wir uns ja sicher fühlen.“, gab Boromir zurück. „Es reicht jetzt!“, sagte Aragorn. Und Wunder über Wunder, Boromir hielt den Mund. Vorerst. Lunita saß mit dem Rücken zugewandt zu den Anderen, als diese sich schon lange schlafen gelegt hatten. Schon beizeiten hörte sie, dass sich hinter ihr etwas regte. Sie war auch nicht überrascht, als Legolas nach einiger Zeit neben ihr auftauchte. Er als Elb war der einzige unter ihnen, der sich so leise bewegen konnte. Das hieß allerdings nicht, dass sie ihn nicht trotzdem hatte hören können. „Die Nacht ist unruhig. Die Wolken ziehen eilig.“, sagte er leise und sah gen Himmel. Lunita folgte seinem Beispiel. Saruman, dachte sie. Aber sie hatte heute keine Lust mehr sich noch mehr zu ärgern. Sie lies den Kopf wieder sinken und fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Sie waren den ersten Tag unterwegs und schon war es zu Streitigkeiten gekommen. Das fing ja gut an. Vielleicht hätte sie sich doch nicht für diese Reise bereiterklären sollen. Nicht, dass sie eine Wahl gehabt hätte. Sie war sich sicher, dass Erlond sie nur gerufen hatte, weil Gandalf ohnehin schon beschlossen hatte, dass sie mit müsse. So war Gandalf eben. „Willst du nicht schlafen?“, fragte Lunita ruhig. Legolas sah zu ihr hinab. „Das ist nicht nötig. Wir Elben schlafen auf eine andere Weise.“ Lunita nickte. Das war ihr nicht neu. „Ist bei mir genauso.“ Legolas sah sie wieder an und schien zu überlegen. „Nie habe ich dich im Düsterwald bei uns gesehen. Ich weiß wirklich nicht, woher du meinen Vater kennst und ich weiß nicht, ob ich jemals die Gelegenheit bekommen sollte, ihn noch zu fragen.“, sagte er. Sie sah überrascht auf. Eigentlich hatte sie damit gerechnet, dass er wegen ihrem Volk oder dem Streit vorhin nachfragen würde. Dann musste sie lächeln. „Das ist es, was dich beschäftigt?“ „Vielleicht ist es ja nicht wichtig, aber…“ „Aber du wüsstest gern, ob man mir trauen kann.“, stellte sie fest. „Nein.“, verneinte Legolas. „Ich weiß, dass dem so ist.“ Wieder sah Lunita überrascht drein. Jetzt musste sie auflachen, aber es klang nicht wirklich erfreut. „Dann bist du die Ausnahme.“ Sie stand auf und sah gen Osten. „Es ist nicht wichtig. Es ist auch sehr lange her, dass ich deinen Vater das letzte Mal sah und noch länger als wir uns kennenlernten.“ Nun sah sie Legolas direkt an. „Wir sind alte Freunde. Du kannst also beruhigt sein. Wir haben uns nur… irgendwie aus den Augen verloren.“ Das war nicht die ganze Geschichte. Eher eine gekürzte Fassung. Aber sie hielt es für besser so, wenn er erst einmal nicht alles wusste. Sie hatte je gesehen, zu was diese ganzen alten Geschichten führten. Streit. „Ich war nie beunruhigt.“, lächelte er. Sie sah ihn abermals an, forschend. Sie wusste nicht genau, wonach sie ihn seinem Gesicht suchte. Wenn er log, wollte sie es dann wirklich wissen? Machte es ihr was aus? Auf alle diese Fragen wusste sie keine Antwort. Noch nicht. Doch sie sah ihn gern an, dass zumindest wusste sie schon mal. Dann lächelte sie. Es war ein schwaches Lächeln, aber das erste aufrichtige, das er an ihr sah, außer wenn sie mit den Hobbits sprach. „Warum wolltest du es dann wissen?“ „Nun, wir wissen doch sehr wenig über dich. Das sagtest du selbst.“ „Und du meinst, gerade das ist eine Geschichte, die mehr über mich aussagt?“, fragte sie. „Vielleicht nicht. Doch ich weiß jetzt, dass du eine Freundin der Waldelben bist. Und auch Herr Elrond scheint dir sehr zugetan.“, sprach Legolas. „Nay!“, sagte Lunita stattdessen. „Ich habe nie gesagt, dass ich eine Freundin deines Volkes bin.“ Sie klang fast schon wieder barsch. Legolas sah sie fragend an. „Elrond und ich haben vor 3000 Jahren Seite an Seite gekämpft und viel zusammen erlebt. Das lediglich hat uns zu, nun, Freunden vielleicht, gemacht. Aber die Waldelben, nay. Sie fürchten mich genauso wie Boromir. Ich habe nur von deinem Vater gesprochen.“, sagte sie. „Es fällt euch schwer.“, stellte Legolas fest. „Was?“ „Das Wort ‚Freunde’ auszusprechen.“ Darauf fiel Lunita keine gute Antwort ein. Sie mochte es nicht, wenn man sie so durchschaute und er schaffte das schon nach nur einem Tag. Na ja, wenn man die Tage in Bruchtal mitzählte waren es freilich ein paar mehr gewesen, aber die meiste Zeit hatte sie dort mit Gandalf oder Elrond zu tun gehabt. Oder war bei Arwen gewesen. Und trotzdem schien er zu wissen, was ihn ihr vorging. Er war genau wie sein Vater. Sie sah ihm aus dem Augenwinkel an. Dann drehte sie sich um. „Hältst du die zweite Wache oder soll ich?“ „Nein, ruh dich ruhig etwas aus.“, sagte Legolas. Sie nickte nur und ging zum Feuer. Nach drei Schritten allerdings blieb sie noch mal stehen. „Legolas?“ Er drehte sich zu ihr um, sah sie fragend an. „Ich sage dir mein Dank.“ Eine Pause. „Für deine Hilfe heute bei dem Angriff.“ Legolas lächelte leicht und nickte ihr zu. Sie allerdings schien sich nicht ganz wohl dabei zu fühlen. Sie öffnete sich und vor allem wirkte sie schwach – oder zumindest kam sie sich so vor. „Aber ich hätte es auch allein geschafft.“, fügte sie daher noch hinzu, drehte sich um und legte sich ans Feuer. Legolas sah ihr hinterher. Erst etwas verwirrt, dann lächelnd. Sie war wirklich eigenartig, dachte er bei sich, als er wieder in den Osten schaute. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)