Mit allen Sinnen von Swanlady (House/Cameron) ================================================================================ Kapitel 4: Schmecken -------------------- Schon als er die flüchtigen Blicke seines Teams sah, wusste House, dass er diese Wette noch bereuen würde. Mit säuerlicher Miene wandte er sich ab, humpelte zur Kaffeemaschine und wollte gerade nach einer Tasse greifen, als auch schon der erste Einwand kam. „Kaffee ist ungesund“, sagte Foreman beinahe beiläufig, doch House konnte regelrecht hören, wie sich seine Mundwinkel zu einem Schmunzeln verzogen. „In Massen, ja“, brummte House, ließ sich davon nicht beirren. „Aber eine Tasse hat noch niemandem geschadet.“ „Ich denke nicht, dass Dr. Wilson das so sehen wird…“, warf Chase ein, befeuchtete seinen Daumen und blätterte weiter in einer Patientenakte. Genervt drehte sich House um und warf einen provozierenden Blick in die Runde. Gerade wollte er Chase und Foreman sagen, dass sie sich um ihren eigenen Kram kümmern sollten, als ihm auffiel, dass Cameron konzentriert ihre Unterlagen las und kein Interesse an dem Gespräch zeigte. „Haben Sie nicht auch etwas zu sagen?“, fuhr House sie an, sah darin die perfekte Gelegenheit, um die beiden anderen zum Schweigen zu bringen. Er wusste ganz genau, wieso sie so darauf achteten, ob er sich gesund ernährte. Genau darum ging es nämlich in der Wette mit Wilson. Er sollte eine ganze Woche nichts Ungesundes zu sich nehmen, dann würde Wilson seine Klinikstunden übernehmen. Es gab keine logische Erklärung dafür, wieso House darauf eingegangen war – vermutlich wollte er seinem Freund einfach nur beweisen, dass er falsch lag. Und ein paar Stunden mehr, die er mit seinem Gameboy oder Ball verbringen konnte, ohne mit nervigen Menschen zu tun zu haben, würden auch nicht schaden. Die angesprochene Ärztin sah stirnrunzelnd auf und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch da hatte House es sich auch schon anders überlegt. Mit einer energischen Handbewegung brachte er sie zum Schweigen, noch ehe ein Wort ihre Lippen verlassen hatte. Den Blick wieder zur Kaffeemaschine wandern lassend, verzog er unzufrieden das Gesicht und wandte sich schließlich ab. Er wollte nicht riskieren, dass eins seiner Teammitglieder zu Wilson eilte – und House zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass sein bester Freund wenigstens Chase und Foreman auf ihn angesetzt hatte. Was für die beiden Ärzte dabei heraussprang, interessierte ihn nicht wirklich. Die Einzige, die vermutlich ihre Finger nicht im Spiel hatte, war Cameron. Entweder ihr gefiel, dass er sich wenigstens über einen gewissen Zeitraum gesund ernährte, oder aber sie wollte sich aus Prinzip heraus nicht einmischen – oder beides. Sie war das unbeschriebene Blatt in diesem Spiel. Und das wollte er ausnutzen. ••• „Oh, welch Überraschung! Der Salat hier muss wirklich gut sein“, riss eine sarkastische Stimme Cameron aus ihren Gedanken. Sie sah von ihrem Teller auf und konnte House dabei beobachten, wie er sich schwungvoll auf den Stuhl ihr gegenüber niederließ. Auf seinem Teller befand sich eine ähnliche Speise wie auf ihrem – mit dem Unterschied, dass sie den Hähnchensalat gewählt hatte, er verzichtete sogar auf die kleinen Fleischstückchen. Irritiert blinzend, fragte sich Cameron, ob Wilson wirklich so strenge Regeln aufgestellt hatte oder ob House die Rolle des trotzigen Kindes einnahm, dabei vollkommen übertreibend. „Wenn das mein Mitleid erwecken soll, dann funktioniert es nicht“, warnte sie sogleich vor, sollte diese House‘ Absicht sein. Dieser machte jedoch eine gespielt beleidigte Miene und schüttelte den Kopf. „Als ob ich jemals auf so eine Idee kommen würde…!“ Cameron verdrehte die Augen und sorgte dafür, dass er es auch sah. Ein eindeutiges Zeichen, dass sie keine Lust auf diese Spielchen hatte. Wenn er sich während der Mittagspause an ihren Tisch setzte, dann musste er einen triftigen Grund dafür haben und den sollte er ihr verraten, ohne Täuschungsmanöver und Manipulationsversuche. Die Arme vor der Brust verschränkend und sich zurücklehnend, sah sie House erwartungsvoll an. „Ein Hungerstreik wirkt bei mir nicht“, klärte er sie auf und verzog den Mund zu einer gespielt ernsten Miene. „Aber rein zufällig gibt es tatsächlich etwas, das ich von Ihnen will.“ Dies war der Punkt, an dem die meisten Menschen die Geduld verloren oder so genervt waren, dass sie House einfach das gaben, was er haben wollte. Cameron arbeitete jedoch schon lange genug für ihn, um diese Tricks nicht zu kennen. Sie zuckte nicht einmal mit der Wimper, sondern erwiderte den Blick aus eisblauen Augen mutig. „Loyalität, Cameron. Ich brauche jemanden, der in meinem Team spielt. Also?“ Als wäre die Sache vollkommen offensichtlich und als hätte House ihr eben ein echtes Angebot gemacht und keine Forderung gestellt, faltete er die Hände auf dem Tisch und sah sie auffordernd an. Camerons Augenlider flatterten, denn dieses respektlose Verhalten reizte sie nun langsam doch. Natürlich wusste sie, dass House sie schätzte, andernfalls hätte er sie niemals eingestellt, egal was er behauptete, aber sein Verhalten hatte anscheinend neue Tiefen erreicht. Ob das an der gesunden Ernährung lag? „Nein“, erwiderte sie simpel, lehnte sich vor, griff nach ihrem Besteck und begann zu essen. House sah ihr ein paar endlose Sekunden dabei zu, sie konnte seinen Blick spüren und auch wenn Cameron sich seltsam dabei vorkam, ließ sie sich nicht davon abbringen. „Wieso nicht?“, kam nach einer schweren Stille die Frage, die merkwürdig ernst klang. Es war die Tonlage, die Cameron aufsehen ließ. Es war völlig unmöglich, dass House wirklich enttäuscht war, weil sie ihm nicht helfen wollte – und doch flackerte die Unsicherheit für den Bruchteil einer Sekunde in ihren Augen auf. Darauf schien House nur gewartet zu haben, denn er grinste und klopfte mit der offenen Handfläche triumphierend auf den Tisch. „Na also, geht doch!“ „Ich habe nicht…“, begann Cameron, doch er war bereits aufgestanden. „Doch, das haben Sie“, fiel er ihr ins Wort, fing ihren Blick ab und las in ihrem Gesicht wie in einem offenen Buch, denn selbstsicher fügte er hinzu: „Schon vor langer Zeit.“ Cameron spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog. Sie konnte nichts darauf erwidern und so schlenderte House in aller Seelenruhe aus der Kantine, seinen Salat zurücklassend. ••• „Ich habe die Testergebnisse…“, setzte Cameron an, den Blick erst von den Unterlagen nehmend, als sie in House‘ Büro stand. Sie stockte, da der Raum vollkommen leer war. Suchend in den Nebenraum schielend, stellte sie fest, dass sich auch dort niemand befand. Chase und Foreman waren vermutlich im Labor oder beim Patienten, aber dass House nicht in seinem bequemen Sessel saß und Ball spielte, war ungewöhnlich. Gerade, als Cameron sich umdrehen und gehen wollte, fiel ihr etwas auf, das auf dem Schreibtisch stand. Wieso es ihren Blick nicht sofort auf sich gezogen hatte, war ihr schleierhaft, denn dort stand eine wirklich prächtige Torte. Die weiße Creme lud dazu ein, ein Stück zu probieren und als die Ärztin neugierig näher trat, konnte sie die Glasur erkennen, auf der mit bunten Streuseln eine eindeutige Nachricht geformt worden war: Iss mich! Cameron fand, dass diese Provokation wirklich plump und unkreativ war. Wer auch immer dafür verantwortlich war – House würden einen so billigen Trick doch aus kilometerweiter Entfernung erkennen. Belustigt schnaufend, wandte sich Cameron ab, doch sie blieb augenblicklich wieder stehen, als House‘ Worte unwillkürlich in ihrem Kopf widerhallten. Schon vor langer Zeit. Es war fast schon wie ein offenes Geheimnis, dass sie House faszinierend fand und so sehr es sie auch wurmte, dass er dies gnadenlos versuchte auszunutzen – ändern konnte sie es nicht. Eine Idee formte sich in Camerons Kopf, eine, für die sie sich später vermutlich schelten würde, aber irgendetwas trieb sie dazu an, ihre Aufmerksamkeit wieder der Torte zuzuwenden. Konnte sie es wirklich tun? House helfen? Oder sollte sie genau das Gegenteil machen, um ihm zu beweisen, dass er nicht immer Recht hatte? Noch immer zögernd, streckte sie ihre Hand nach der Süßigkeit aus. Ihr Finger versank für einen Augenblick in der kühlen Masse, bevor sie ihn wieder zurückzog und das Bisschen, das an ihrem Zeigefinger heftete, zu ihrem Mund führen wollte. Doch dazu sollte es nicht kommen. „Sie sind also doch eine Naschkatze“, ertönte eine Stimme hinter ihr und Cameron wirbelte erschrocken herum. „House…“ Der Mann kam auf sie zu, den Mund nicht zu einem schiefen Grinsen verzogen, sondern mit ehrlichem Interesse in den blauen Augen, was Cameron noch mehr verwirrte. Er erwiderte nichts mehr, sondern blieb neben ihr stehen und betrachtete die Torte skeptisch. „Hm, nicht schlecht“, kommentierte er und noch ehe Cameron etwas sagen oder protestieren konnte, hatte er ihr Handgelenk ergriffen und seine Lippen um ihren Zeigefinger geschlossen, die süße Sahne von ihrer Haut leckend. Dabei ließ er sich mehr Zeit als nötig und ließ es sich nicht nehmen, Cameron direkt in die Augen zu schauen. Nur langsam gab er ihre Hand wieder frei. „Wirklich nicht schlecht.“ Als wäre nichts gewesen, umkreiste House den Schreibtisch und ließ sich schwerfällig dahinter nieder. Cameron hingegen brauchte eine Weile, um zu verarbeiten, was gerade geschehen war. Noch immer hielt sie den Arm verkrampft in der Luft und ihr Mund fühlte sich schrecklich trocken an. Und obwohl sie nichts anderes als House‘ Augen gesehen hatte, war allein die Gewissheit darüber, was er gerade getan hatte genug, um ihr die Hitze ins Gesicht – und nicht nur ins Gesicht – zu treiben. Bevor sie aber in all den Emotionen, die sie durchfluteten, die der Empörung herausfischen konnte (weil sie die einzige war, die angebracht war!), verließ ein weiterer Satz House‘ Mund und dieser sorgte dafür, dass Camerons Irritation hinfort geweht wurde. „Nicht schlecht dafür, dass die Konditorei nur zwei Stunden hatte, um die Torte zu machen und ins Krankenhaus zu bringen…“ Nun machte alles Sinn – und nun zeigte sich Camerons Ärger auch. „House!“, fuhr sie ihn an. „Das war Ihre Idee?!“ „Natürlich, Sie glauben doch nicht, dass Wilson sich so wenig Mühe geben würde?“, brummte er und leckte sich noch einmal demonstrativ über die Lippen. „Aber wieso…?“ Cameron beendete ihre Frage nicht, denn mit einem Schlag wurde ihr alles klar. Wie hatte sie nur so dumm sein können?! Sie war House direkt in die Falle gelaufen. Er hatte gewusst, dass sie etwas tun würde – und dass dieses etwas höchstwahrscheinlich das Probieren der Torte sein würde. Von all den Optionen, die es gab – sie wegschaffen, sie ignorieren, sie einer Krankenschwester schenken – hatte sie sich ausgerechnet für die entschieden, die House vorhergesehen hatte. Cameron biss sich unzufrieden auf die Zunge. „Ich könnte Dr. Wilson davon erzählen“, warnte sie, aber sogar sich selbst musste Cameron eingestehen, dass es ein misslungener Versuch war, House zu drohen. „Werden Sie aber nicht“, gab er selbstsicher zurück und zuckte mit den Schultern. „Genau deswegen war mein Plan so genial.“ Cameron ballte die Hände zu Fäusten, weil sie sich in die Enge getrieben fühlte. Er hatte Recht. Sie würde niemandem erzählen, dass House ihren Finger… Unwillkürlich stellten sich bei dieser Erinnerung ihre Nackenhaare auf. Ihr Schweigen verbuchte er als Triumph. „War es das wert? Dieses winzige bisschen Torte?“, fragte Cameron nach einer Weile, denn verstehen tat sie es immer noch nicht. „Ich habe zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen“, erwiderte House, als wäre es offensichtlich und sah mächtig zufrieden aus – vor allem mit sich selbst. „Ich kann es Wilson zwar nicht unter die Nase reiben, aber ich habe ihn ausgetrickst. Und Sie…“ Blaue Augen hefteten sich an ihrem Gesicht fest. „Sie haben mir aus der Hand gefressen.“ Camerons Augenbrauen zogen sich bei dieser Metapher missbilligend zusammen, denn House genoss es viel zu sehr, ihr seinen Sieg unter die Nase zu reiben. Cameron wandte sich wortlos ab, weil sie genug hatte, doch House hielt sie auf, bevor sie die Tür erreichte. „Sind Sie nicht neugierig?“, rief er durch den Raum. Cameron warf einen Blick über die Schulter. „Neugierig?“, wiederholte sie. „Neugierig, was ich getan hätte, wenn Sie ein Stück Torte wirklich gegessen hätten.“ Trotz der Entfernung zwischen ihnen, glaubte Cameron zu erkennen, dass seine Augen zu ihren Lippen huschten, ehe er wieder Blickkontakt aufnahm. „Sie hätten es sich schmecken lassen“, konterte sie, dieses Mal ebenfalls mit einem Wortspiel, während sie nach der Türklinke griff. Es war ihr herzlich egal, ob sie richtig lag oder nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)