Mit allen Sinnen von Swanlady (House/Cameron) ================================================================================ Kapitel 3: Berühren ------------------- Die von Schnee bedeckte Mütze knallte auf den Tisch, direkt auf die Patientenakten, die Chase gerade durchblätterte. „House!“, protestierte der Australier empört, als er das Kleidungsstück angewidert von dem weißen Papier schob. Schon wenige Sekunden hatten ausgereicht, um die Unterlagen mit Schnee – und somit Wasser – zu bespritzen. „Ich hab genug zu tun! Und nun müssen auch noch die Unterlagen neu gedruckt und abgeschrieben werden…“ Anklagend richtete sich Chase‘ Augenmerk auf seinen Vorgesetzten, der überhaupt nicht beeindruckt war und weiter humpelte, um sich aus seiner Winterjacke zu schälen und diese achtlos auf einen Stuhl zu verfrachten. „Dann machen Sie sich am besten sofort an die Arbeit“, gab House zurück, als wäre es die Schuld des blonden Arztes, dass er nicht rechtzeitig reagiert und die Akten gerettet hatte. Es war offensichtlich, dass House schlechte Laune hatte und allein das veranlasste Chase dazu, weitere empörte Kommentare zu unterlassen. Mit finsterem Blick starrte er seinen Chef an und stand schließlich energisch auf, um sich die Unterlagen zu schnappen und aus dem Diagnostikzimmer zu rauschen. Foreman, der sich aus der Angelegenheit rausgehalten hatte, warf House einen fragenden Blick zu. Er wusste jedoch sehr genau, dass er keine Antwort erhalten würde, sodass er sich wieder seiner eigenen Arbeit widmete. Eine halbe Stunde später hatte Foreman eine Ahnung, wieso House so schlecht gelaunt war. Er beobachtete den Älteren genauestens, wie er mit seinem Ball spielte und trotz interessantem Fall, mit den Gedanken woanders zu sein schien. Er wirkte beinahe, als hätte er noch ein anderes Rätsel, das er zu lösen hatte. Foreman fragte sich, ob es etwas damit zu tun hatte, dass… „Cameron ist heute nicht zur Arbeit gekommen. Weißt du, was los ist?“ Er richtete seine Frage zwar an Chase, doch aus den Augenwinkeln behielt er House im Blick. Wenn seine Vermutung stimmte, dann war der Grund für House‘ seltsames – oder doch eher typisches? – Verhalten gar nicht so kompliziert, wie er wahrscheinlich allen weißmachen würde, sollte ihn jemand offen fragen. „Nein, keine Ahnung“, antwortete Chase und hörte sich so an, als würde er nicht zum ersten Mal darüber nachdenken, weshalb eine pflichtbewusste Person wie Cameron nicht pünktlich zur Arbeit erschien. Sicher, ein Unfall im Straßenverkehr oder sonstige behindernde Umstände konnten ja mal passieren, aber dann hätte Cameron schon längst angerufen und ihnen Bescheid gegeben. Möglichst unauffällig schielte Foreman zu House hinüber, um zu prüfen, ob er ihm mit seiner Frage eine Reaktion entlockt hatte. Die blauen Augen waren jedoch weiterhin auf einen imaginären Punkt gerichtet, während er den Ball rhythmisch gegen die Wand warf. „Cameron wird heute nicht zur Arbeit kommen“, sagte er plötzlich und seine Augen verengten sich für einen Augenblick, bevor er den Ball fallen ließ und nach seinem Gehstock griff, um aufzustehen. „Wissen Sie, was mit ihr los ist?“, fragte Foreman und konnte seine Verblüffung nicht wirklich verbergen. „Nein, aber ich weiß, was mit ihrer Nachbarschaft los ist.“ Mit diesem zusammenhanglosen Satz ließ House die beiden anderen Ärzte allein. Er musste etwas überprüfen. Besagtes Überprüfen verschob sich jedoch um ein paar Stunden, da Wilson partout nicht verstehen wollte, dass House das Krankenhaus jetzt – und damit meinte er sofort – verlassen musste. Für ihn schienen seine Patienten wichtiger zu sein, als Taxi für seinen besten Freund zu spielen, sodass House – mürrisch und noch schlechter gelaunt als ohnehin schon – wohl keine andere Wahl hatte, als zu warten und den kleinen Ausflug auf nach der Arbeit zu verschieben. Zur Not würde er Wilson einfach den Autoschlüssel klauen und dann würde dieser schon sehen, was er davon hatte. In dieser Hinsicht war House stur wie ein kleines Kind. Wenn er etwas wollte, war er bereit über Leichen zu gehen und dieses Mal war es auch nichts Außergewöhnliches, das er wollte – nämlich nur seine Neugier stillen. Er wusste, weshalb Cameron nicht zur Arbeit gekommen war, zumindest indirekt, aber er konnte nur auf Nummer sicher gehen, wenn er ihr einen kleinen Besuch abstattete. Er hatte die Vermutung, dass sich mehr dahinter verbarg, als ihm die redseligen Krankenschwestern unwillkürlich verraten hatten, als er ihre morgendliche Konversation aufgeschnappt hatte. Wie immer, wenn House sich einem Patienten widmete, vermutete er hinter den Symptomen etwas, das absolut abwegig war. Und in neunundneunzig Prozent aller Fälle hatte er damit auch Recht. Diesmal lautete sein Fall Cameron und er würde schon herausfinden, ob sein Gespür für außergewöhnliche Umstände ihn auch diesmal nicht im Stich lassen gelassen hatte. ••• Tock… Tock… Tock. Überrascht sah Cameron auf und versuchte auszumachen, woher das Geräusch kam. Mittlerweile hatte sie sich an die Dunkelheit um sie herum gewöhnt. Die Sinne des Menschen waren beeindruckend, wenn man ihre Flexibilität bedachte. Sie konnten sich an absolut jede Situation anpassen. Das Auge gewöhnte sich an Finsternis, das Ohr übernahm Verantwortung, wenn die Sicht nicht vorhanden war. Zunge und Nase erfüllten eine nicht zu unterschätzende Schutzfunktion und machten das Essen so viel angenehmer. Ein kleines Lächeln schlich sich auf Camerons Lippen, als sie sich ihrer Gedanken gewahr wurde. Tagtäglich hatte sie mit Medizin zu tun, aber es brauchte dennoch Momente wie diese, um sich der kleinen Wunder des Lebens bewusst zu werden. „Miss Cameron?“, erklang die heisere Stimme ihres Gastes. Augenblicklich zuckte die Angesprochene zusammen und erhob sich von ihrem Stuhl. „Jemand versucht Ihr Fenster einzuschlagen.“ Ein Husten folgte auf diese Aussage. Besorgt warf Cameron der älteren Frau einen Blick zu, ehe sie sich von der Couch entfernte und vorsichtig, um im der Dunkelheit nicht zu stolpern, zu besagtem Fenster hinüberging. Da es draußen auf der Straße genauso dunkel war, wie in ihrer Wohnung, öffnete sie das Fenster und lehnte sich über den Fenstersims. Ein Stein verfehlte ihr Gesicht nur knapp und landete auf Camerons Wohnzimmerteppich. Empört öffnete sie den Mund und suchte den Übeltäter mit dem Blick. „House!“, rief Cameron, als sie den bekannten Gehstock registrierte. Ihre Empörung wechselte zu Verwunderung. „Was machen Sie hier?“ Auch wenn man die Personen, die Steine gegen ihre Fensterscheibe werfen wollten, wohl an einer Hand abzählen konnte und House auch definitiv der erste auf dieser Liste war, konnte Cameron nicht anders, als sich zu fragen, was ihn zu dieser späten Stunde vor ihr Wohnzimmerfenster trieb. „Sie sind heute nicht zur Arbeit gekommen“, stellte House im gespielten Plauderton fest und Cameron sah, dass er nur mit Mühe dem Drang widerstand, den nächsten Stein zu werfen, den er in der Hand hielt. Das Zögern Camerons war für den Arzt genug und sofort erschien ein triumphierendes Lächeln auf seinen Zügen. „Sie hatten etwas anderes zu tun, nicht wahr? Etwas, das rein gar nichts mit dem Stromausfall im ganzen Stadtteil zu tun hat.“ Als müsste er erst darüber nachdenken, wie viel Wahrheit wohl in seinen Worten steckte, legte House den Kopf schief und schielte zu Cameron nach oben. Schon wieder erhielt er keine Antwort, sondern musste lediglich dabei zusehen, wie Cameron aus seinem Blickfeld verschwand und das Fenster wieder geschlossen wurde. Die Gelegenheit nutzte er, um den letzten Stein zu werfen, doch er verfehlte sein Ziel. Stirnrunzelnd blickte House noch eine Weile hinauf zu Camerons Apartment, wandte sich aber schließlich ab. Es sah ihr überhaupt nicht ähnlich, dass sie ihn aussperrte, war doch normalerweise sie es, die keine Gelegenheit ausließ, um ihm näher zu kommen. Oh, House waren ihre lächerlichen Verhaltensmuster schon längst aufgefallen. Natürlich tat er so, als wüsste er von nichts. Das hatte mehrere Gründe; sogar einige, die er nicht einmal vor sich selbst zugeben wollte, aber würde ihn jemand fragen, dann konnte er einfach erwidern, dass er mit derartigem Kinderkram nichts zu tun haben wollte, schön brav die Tatsache ignorierend, dass er wohl der größte Kindskopf von allen war. Gerade, als ein lautes Schnauben seine Nasenhöhlen verließ, öffnete sich Eingangstür, die sich kaum vier Meter von ihm entfernt befand. Als der brünette Haarschopf sich hinauslehnte und Camerons Blick ihn traf, konnte sich House das Grinsen nicht verkneifen. Schon sehr viel besser gelaunt ging er auf die Tür zu und schob sich ohne weitere Fragen an Cameron vorbei ins Treppenhaus. „Wurde aber auch Zeit“, beschwerte er sich noch, ehe er versuchte in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Als ihm jedoch gewahr wurde, dass er die Treppen zu ihrer Wohnung hochsteigen musste, verzogen sich seine Mundwinkel zu einer säuerlichen Miene. Für einen kurzen Moment zog er sogar in Erwägung, einfach wieder zu verschwinden, doch noch immer war es die Neugier, die ihn vorantrieb. „House, lassen Sie mich he…“, setzte Cameron an, doch der Arzt schnitt ihr abrupt das Wort ab, indem er ein energisches „Es geht schon!“ brummte und nach dem Treppengeländer griff, um sich die erste Stufe hinauf zu hieven. So schnell wie möglich folgte die zweite, damit Cameron bloß nicht dachte, dass er auf sie angewiesen war. Sie schien jedoch zu akzeptieren, dass House es aus eigenen Kräften schaffen wollte und passte sich stattdessen seinem Tempo an. Die Zeit, die sie brauchten, um ihre Wohnung zu erreichen, schwiegen sie. „Wieso sind Sie hier, House?“, fragte Cameron, als sie die Tür hinter ihnen schloss und sie versuchte sein Gesicht genauer zu erkennen. Cameron bemerkte, dass ihre Schultern angespannt waren und dass sie andauernd daran dachte, wie merkwürdig sich diese Situation anfühlte. Es war ja nicht so, dass sie jedes Mal richtig mit ihren Einschätzungen lag, aber generell konnte man sie zu den Personen zählen, die House – wenn das überhaupt ging – gut kannten. Und die Dunkelheit gab ihr das Gefühl, keinen Zugang mehr zu diesem Wissen zu haben, da sie weder seine Gesichtsausdrücke sah, noch seine nächste Handlung vorhersehen konnte. Da die Finsternis um sie herum nicht nur sie betraf und auch ihn einschränkte, versuchte die junge Frau diese unangenehmen Emotionen zu verdrängen. Statt ihr jedoch zu antworten, setzte sich House erneut in Bewegung und steuerte direkt auf das Wohnzimmer zu. Cameron eilte ihm hinterher und wollte ihn warnen, dass… „Miss Cameron? Wer ist dieser Mann?“ Die Empörung in der Stimme der älteren Dame ließ die Ärztin sofort an ihr provisorisches Krankenbett, bestehend aus ihrem Sofa, treten und ihr beruhigend die Hand tätscheln. „Keine Sorge, Mrs Morgan“, beruhigte Cameron die Frau hastig. „Das ist Gregory House, mein Vorgesetzter.“ „Sie haben einen weiteren Arzt geholt? Oh, ist es so schlimm?“ Es war erstaunlich, wie sich eine Stimmlage innerhalb weniger Sekunde so schnell verändern konnte, denn jetzt hätte Cameron schwören können, dass Mrs Morgan glaubte, sie liege im Sterben. Bevor sie das Missverständnis jedoch beseitigen konnte, mischte sich House ein. „Miss Cameron?“, fragte er ungläubig und artikulierte jede der Silben mit äußerster Genauigkeit, damit Cameron den Spott auch ja nicht überhörte. Diesmal musste sie das Grinsen auf seinem Gesicht gar nicht sehen, um zu wissen, dass es da war. Aus irgendeinem Grund ahnte Cameron bereits, dass sie sich gerade einen neuen Spitznamen eingehandelt hatte, aber im Augenblick konnte sie nichts dagegen ausrichten, sodass sie zunächst dazu überging die besorgte Frau zu beruhigen. „Keine Sorge, Mrs Morgan, Sie haben wirklich nur eine Erkältung.“ Ein verächtliches Schnauben erklang hinter ihr und veranlasste Cameron dazu genervt den Kopf zu drehen, auch wenn sie immer noch bloß wage Konturen ihres unangekündigten Gastes erkennen konnte. Der Strom fiel aus und in ihrer Welt schien das Chaos auszubrechen – zumindest dieses Gefühl hatte sie gerade. „Ihre Nachbarin hat eine Erkältung und Sie erscheinen deswegen nicht im Krankenhaus, Cameron?“ House hörte sich wirklich an, als könne er nicht glauben, dass der Grund, weshalb die Ärztin heute gefehlt hatte, tatsächlich so banal war. „Sie ist die Treppen runtergefallen, House! Was hätte ich tun sollen?!“, gab Cameron verteidigend zurück. Es war ihr äußerst unangenehm, dass Mrs Morgan dieses Gespräch mit anhören musste, aber House würde wohl nicht gehen, ehe er sich nicht zu genüge an ihrer Situation gelabt hatte. „Oh, das erklärt natürlich alles! Ihre erkältete Nachbarin ist die Treppe runtergefallen und Sie sind nicht zur Arbeit erschienen“, stichelte House weiter und überspannte somit den Bogen wohl endgültig. Cameron stand auf, entschlossen dem Theater ein Ende zu bereiten. Sie musste sich nicht vor ihm rechtfertigen, sie hatte Cuddy angerufen und um einen freien Tag gebeten, den sie mit Klinikstunden abarbeiten würde, um einer netten Person zu helfen, die ihre Blumen goss, wenn sie nicht da war und auch sonst mehr positive Gefühle in Cameron weckte, als es der ungehobelte Mann in ihrem Wohnzimmer jemals tun würde! Dass sie wirklich wütend war, merkte House letztendlich wohl daran, dass sie ihn beinahe grob am Arm packte und in mit sich zog. Im ersten Moment war er viel zu überrumpelt, um sich dagegen zu wehren, doch noch bevor sie den letzten Meter zur Tür überwunden hatten, erinnerte sich House daran, dass er einen eindeutigen Vorteil hatte: seinen Gehstock! Im Handumdrehen ließ er diesen vorschnellen, erwischte damit selbst in der Dunkelheit gezielt, aber scheinbar unbeabsichtigt Camerons Schienbein. Ein erschrockener Laut verließ ihre Lippen und die nächsten Sekunden liefen viel zu schnell ab, als dass House sie hätte vorhersehen können. Cameron stolperte, doch statt ihn loszulassen, krallten sich ihre Finger noch fester in den Stoff seiner Jacke. Sie zog ihn mit sich, während sie fiel und es grenzte beinahe an ein Wunder, dass keiner von ihnen mit dem Kopf gegen die Wand stieß. Camerons Rücken Schulter machte jedoch damit Bekanntschaft, genauso wie House‘ Ellenbogen, was ihn laut fluchen ließ, kaum war sein gesamter Körper auf dem tröstlich weichen Teppich aufgekommen. Ächzend und sich langsam bewegend, erinnerten House und Cameron eher an ein verheddertes Wollknäuel, als an zwei ernstzunehmende Ärzte. Allison hätte schwören können, dass die Dunkelheit noch intensiver geworden war, was aber auch daran liegen konnte, dass schwarze Punkte vor ihren Augen tanzten. Sie tastete nach etwas Festem, nach dem sie greifen und sich aufrappeln konnte, doch ihre Finger bekamen zunächst nur den harten Gehstock zu fassen. Noch einmal streckte Cameron die Hände aus, doch diesmal erstarrte sie mitten in der Bewegung, als sie merkte, was sie dieses Mal berührte. Eine ihrer Hände lag eindeutig auf House‘ Schulter, doch die andere… die andere umfasste fünf kühle Finger, die sich genauso verzweifelt an ihren festhielten, auf der Suche nach Halt. Instinktiv hielt Cameron die Luft an, konnte dank der vollkommenen Stille den Atem der Person hören, die für diesen ungraziösen Fall verantwortlich war. Er ging stoßweise, wies darauf hin, dass House nicht minder erschrocken war – ob nun wegen des Sturzes oder der Tatsache, dass sie sich immer noch krampfartig festhielten, sei mal dahingestellt. Camerons gesamter Körper fühlte sich gelähmt an, doch der einzige Teil davon, der sich noch irgendwie bewegen konnte, war ihr Zeigefinger. Ohne es jedoch wirklich zu kontrollieren, fuhr er über den Rücken der männlichen Hand, tastete, fühlte, lernte kennen. Niemals im Leben hätte Cameron gedacht, dass sich eine so einfache Berührung so elektrisierend auf sie auswirken könnte. Und doch – ihre Nackenhaare stellten sich auf, ihr Herzschlag beschleunigte sich und ihre Lungen schienen sich daran zu erinnern, dass sie die angestaute Luft nicht ewig halten konnten und ein langer, aufgeregt klingender Luftstoß verließ Camerons bebende Lippen. Wieso sagte House nichts? Das Schweigen verunsicherte Cameron, genauso wie sein Körper, der immer noch dicht gegen ihren gepresst war. Als hätte House ihre zweifelnden Gedanken gehört, zog sich seine Hand abrupt zurück, hinterließ in Cameron das Gefühl von Leere. Je mehr Abstand er zwischen sie brachte – und sein Körper entfernte sich kontinuierlich Zentimeter für Zentimeter von ihrem – desto verlorener kam sie sich vor. Die Dunkelheit verschluckte sie einmal mehr und dann… war es vorbei. Cameron sah auf und merkte, dass House wieder aufgestanden war. Das verriet ihr nicht zuletzt das schmerzerfüllte Zischen und das Geräusch von Reibung, das dadurch entstand, dass er sich sein kaputtes Bein massierte. „A-alles in Ordnung?“, waren ihre ersten Worte, die sie allerdings nur mit sehr viel Mühe über die Lippen bekam. Camerons Kehle fühlte sich trocken an und sie war sich sicher, dass ihre Beine ihr Gewicht momentan nicht tragen würden. Dennoch zwang sie sich nach der Wand zu greifen – wieso hatte sie eigentlich nicht sofort daran gedacht? – und sich daran hochzuziehen. „Kein Wunder, dass Ihre Nachbarin die Treppe runtergefallen ist!“, gab House mürrisch von sich und Cameron versuchte aus seiner Stimme noch eine andere Information herauszuhören. Sie wollte wissen, was wirklich in seinem Kopf vorging, denn es war unmöglich, dass jemand wie House nicht darüber nachdachte, was eben zwischen ihnen passiert war. „Sagen Sie mir eins, Cameron“, fuhr er in der selben, patzigen Tonlage fort. „Wenn Sie mich schon mit auf den Boden ziehen! Für so stürmisch hatte ich Sie, nebenbei bemerkt, gar nicht eingeschätzt, aber stille Wasser sind ja bekanntlich tief…“ Cameron unterbrach ihn, denn sie hatte keine Lust sich seine typischen Ablenkungsmanöver anzuhören. „Was wollen Sie wissen, House?“ Sie wusste, dass seine Worte nur die Schutzmauer repräsentierten, die er um sich herum errichtet hatte und dass er genauso wenig wie sie an etwas Sexuelles gedacht hatte, als sich ihre Hände in einer krampfhaften Geste umklammert gehalten hatten. „Wieso sind Sie nicht zur Arbeit gekommen?“ Diese Frage warf Cameron völlig aus der Bahn, denn sie dachte, dass sie dies schon längst geklärt hatten. Als sie zu derselben Antwort wie vorhin ansetzen wollte, wurde ihr klar, dass House nicht nach diesem Grund fragte, sondern etwas anderes wissen wollte, etwas anderes vermutete. Unwillkürlich entlockte dieser Gedanke Cameron ein Lächeln. „Ich gehe Ihnen nicht aus dem Weg, falls Sie das meinen. Ich wollte nur meiner Nachbarin helfen, House. Manche Menschen haben es nicht verdient allein zu sein, wenn ihnen etwas wehtut.“ Eine paar endlose Sekunden hingen diese Worte im Raum, bevor House die Klinke ergriff und die Wohnungstür öffnete. „Sie enttäuschen mich, Cameron. Sie wollen mir also weißmachen, dass der Schlüssel zur Lösung dieses Rätsels Ihre Gutmütigkeit ist?“ House bemühte sich enttäuscht zu klingen, doch Cameron merkte genau, dass er mehr an den Worten zu knabbern hatte, als er zugab. Er wusste genau, dass sie damit nicht nur Mrs Morgan gemeint hatte. „Ich hätte zu Hause bleiben sollen. Mein Fernseher funktioniert wenigstens.“ Ohne sich zu verabschieden, trat House über die Schwelle und verschwand im genauso dunklen Treppenhaus. Cameron folgte ihm nicht, sondern lauschte lediglich den widerhallenden Schritten und schloss dann langsam die Tür. „Miss Cameron?“, ertönte die schwache Stimme Mrs Morgans aus dem Wohnzimmer. „Ich bin sofort bei Ihnen, Mrs Morgan“, rief Cameron zurück und führte die Fingerkuppen, mit denen sie vor ein paar Minuten noch House‘ Hand erkundet hatte, für einen kurzen Augenblick an ihre Lippen. Cameron hatte die leise Vermutung, dass sie ihn heute nicht nur mit ihren Fingern, sondern auch mit ihren Worten berührt hatte. ••• Anmerkung: Ich habe hin und her überlegt, denn eigentlich müsste der One-Shot (wenn man es genau nimmt) Tasten heißen, da es um den Tastsinn geht, aber letztendlich fand ich den aktuellen Titel passender. ;) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)