Eins plus eins macht drei! von Rabenkralle ================================================================================ Kapitel 40: Emotional wie Eiscreme ---------------------------------- Kapitel 40: Emotional wie Eiscreme Temaris Blick war gesenkt, als sie an diesem heißen Julimorgen das Krankenhaus verließ. Normalerweise hatte sie keinen Grund, um Trübsal zu blasen. Dem Baby ging es trotz der enger werdenden Fruchtblase so wunderbar wie ein sich vor Freude im Dreck wälzender Hund; ihre Gynäkologin hatte ihr im Besein von Sakura grünes Licht für die anstehende Reise nach Sunagakure gegeben und den Zuschlag für die gewünschte Wohnung, die ab Mitte August frei war, hatte sie ebenfalls bekommen. So gesehen lief alles bestens – zumindest oberflächlich. Innerlich fühlte sie sich wie eine Flasche mit einem abgestandenen Rest Wasser drin: ein Schluck bis zur vollkommenen Leere. Wie konnte das Leben nur so verdammt glatt laufen und dann wieder nicht? Sie steuerte die nächste Eisdiele an, kaufte sich ihre beiden Lieblingssorten in der Waffeltüte und setzte sich auf den Rasen in den Schatten eines Baumes. Ihr Bauch behinderte sie beim Hinsetzen und der harte Boden war nicht sonderlich bequem, doch momentan hatte sie ein anderes Problem, das solche Kleinigkeiten zur absoluten Nichtigkeit degradierte. Gedankenlos starrte sie vor sich hin, nahm die wenigen vorbeigehenden Passanten kaum wahr. „Dein Eis läuft dir gerade weg.“ Temari sah auf und erblickte Genma, der ein paar Meter von ihr entfernt auf dem Weg stand und auf ihre rechte Hand deutete. Sie fixierte sich auf ihre Waffeltüte und konnte nur zusehen, wie sich ein Klumpen Pfefferminzeis löste und auf ihr T-Shirt tropfte. „Shit!“, fluchte sie und suchte nach etwas, womit sie Schadensbegrenzung betreiben konnte, fand aber nichts und wandte sich hilfesuchend an den Jounin. „Hast du zufällig ein Taschentuch für mich?“ Er zog eine Packung aus eine seiner Westentaschen und reichte ihr eins. „Danke“, murmelte sie, verschmierte den Fleck mit dem Tuch aber nur. „Großartig! Es ist ja nicht so, dass mein Bauch nicht schon genug auffällt …“ Genma legte die Stirn in Falten und sagte nichts. Temari zerknüllte das Taschentuch und ließ es neben sich ins Gras fallen. „Wo hast du eigentlich Koniro und Midori gelassen?“, fragte sie ein wenig besser gelaunt. „Die beiden haben seit einer halben Stunde trainingsfrei, damit sie für die Finalkämpfe gut ausgeruht sind. Ich wollte gerade zu dir und es berichten.“ „Die Mühe hättest du dir aber nicht machen müssen.“ „Wenn du drauf bestehst, kann ich sie auch zurückrufen und bis zur letzten Minute auspowern, damit sie bei der Prüfung vor Erschöpfung umfallen“, scherzte er. Sie lachte. „Nein, du bist ihr Trainer und weißt, was am besten für die Zwei ist.“ „Danke“, stammelte Genma perplex. Sie lächelte und wandte sich wieder dem Fleck auf ihrem Shirt zu, das die klebrige Masse anscheinend mit Freuden wie ein Schwamm aufgesogen hatte. „Das kann ich wohl vergessen“, seufzte sie und biss in das, was von der oberen Kugel noch übriggeblieben war, damit sie sich nicht auch noch ihren Rock einsaute. „Sonst alles in Ordnung bei dir?“, fragte sie anschließend. „Zwei so vorbildliche Schüler sind ein Traum für jeden Lehrer. Also ja, ich kann nicht klagen. Und selbst?“ Temari blickte ihn ein paar Sekunden an und antwortete langsam: „Nun ja, der Kleinen geht’s bestens; eine größere Wohnung haben wir auch gefunden und ab Montag muss ich Yoshino drei Wochen lang nicht sehen.“ „Klingt doch perfekt.“ „So ziemlich, wenn man mal davon absieht, dass Shikamaru sich komisch benimmt.“ „Komisch?“, wiederholte der Jounin. „Nun ja, er ist nur sehr wenig zu Hause und wenn ich mal nicht eins dieser typischen Nullachtfünfzehn-Gespräche mit ihm führen möchte, druckst er herum, als wenn er was vor mir zu verbergen hat.“ Sie lächelte grimmig. „Wenn ich nicht wüsste, dass er von Chemie keine Ahnung hat, müsste ich befürchten, dass er wie der Hauptcharakter aus Breaking Bad heimlich Drogen herstellt, um an Geld zu kommen.“ Genma, der den Vergleich höchst amüsant fand, verkniff sich ein Grinsen. „Geht es euch finanziell denn so schlecht?“ „Nicht so dermaßen schlecht, dass er in einer abgelegenen Hütte im Wald Crystal Meth kochen müsste.“ „Das klingt aber nicht unbedingt berauschend.“ „Wir schwimmen nicht im Geld, aber es geht schon“, erwiderte Temari. „Er ist eben kein gut bezahlter Jounin und ich kann – gehandicapt wie ich bin – in den nächsten Monaten nicht großartig was machen.“ Sie lachte trocken. „Wahrscheinlich könnte ich ohne Hilfe nicht mal wieder aufstehen.“ Automatisch hielt er ihr seine rechte Hand entgegen. Sie griff sie kommentarlos und ließ sich von ihm hochziehen. Ihre linke Braue zuckte. „Siehst du?!“ --- Shuiro rieb sich die Schläfen. Vom vielen Nachdenken tat ihm der Kopf weh, aber wenn er seinen Sensei überwinden wollte, durfte er sich keine Pause gönnen. Er spitzte die Ohren und lauschte. Ein leises Rascheln von links … nein … hinter ihm! Ohne sich umzudrehen sprang er zur Seite und sprintete los. Ein Blick zurück und er wusste, was los war: Ein verformter Schatten verharrte an der Stelle, an der er eben noch gestanden hatte. Aufmerksam sah er sich um und stoppte, als er einen Pfiff hörte – das Zeichen, dass die Übung beendet war. Shikamaru trat in unmittelbarer Nähe hinter einem Baum hervor und der Junge lief zu ihm herüber. „Wie war ich?“, fragte er aufgeregt. „Wirklich gut“, erwiderte sein Lehrer. „Zweieinhalb Stunden einem Chuunin auszuweichen schafft kaum jemand in deinem Alter.“ Shuiros Wangen nahmen fast die Farbe seiner Haare an. Solch ein Lob hatte er noch nie bekommen. „Was üben wir als nächstes?“, wollte er wissen. „Noch ein paar Strategien oder so?“ „Nichts mehr.“ „Wie, nichts mehr?“ „Das war deine letzte Trainingseinheit.“ Der Junge blinzelte ungläubig und protestierte: „Aber das Finale ist doch erst in drei Tagen! Außerdem hast du mich gerade mal eineinhalb Wochen trainiert.“ „Ach, du schaffst das schon“, sagte Shikamaru zuversichtlich. „Du hast, obwohl wir so wenig Zeit hatten, viel gelernt. Deine Gegner können sich schon mal warm anziehen.“ „Glaubst du wirklich, ich hab eine Chance?“ „Natürlich. Du musst das Finale auch nicht mal gewinnen, um Chuunin zu werden. Manchmal reicht es schon, wenn man in einem einzigen Kampf seine Fähigkeiten unter Beweis stellt.“ „Und woher weißt du das?“ „Bei mir war es so, obwohl ich in der ersten Runde rausgeflogen bin“, antwortete er. „Gegen wen hast du denn verloren?“, fragte Shuiro neugierig. Shikamaru schmunzelte. „Ich hab aufgegeben, weil ich keine Lust hatte, und Temari gewinnen lassen. Dummerweise hat man mich trotzdem zum Chuunin ernannt.“ „Du hast Temari-sensei besiegt?!“ Sein Schüler klang, als wäre es das Unmöglichste der Welt. „Aber wie kommt es dann, dass sie schon seit Jahren Jounin ist und du nicht?“ „Ich soll schon seit Jahren zu einem ernannt werden, aber bisher wollte ich das nie“, erklärte er. „Wozu soll man auch unnötige Risiken eingehen, wenn man so ganz gut leben kann?“ Der Junge grinste süffisant. „Mit anderen Worten: Du bist einfach nur zu faul, stimmt’s?“ Shikamaru zuckte mit den Schultern und sagte: „Ich hänge nun mal an meinem Leben.“ „Na, wer tut das nicht?“ Er scharrte mit den Füßen am Boden, legte einen Stein frei und kickte ihn weg. „Und was mache ich jetzt noch drei Tage lang?“ „Dich ausruhen. Und wehe, ich erwische dich dabei, wie du heimlich trainierst. Dann kannst du dir die Prüfung wirklich abschminken.“ „Hey!“, meinte sein Schüler empört, ruderte im selben Atemzug aber wieder zurück: „Okay, okay, ich rühre keinen Finger mehr.“ „So ist’s brav“, flachste er und wuschelte durch Shuiros Haar. Dieser verzog das Gesicht zu einer Grimasse, sagte aber nichts. „Magst du zum Abschluss vielleicht ein Eis?“, fragte sein Lehrer beschwichtigend. „Klar!“ Der Junge nickte. „Aber nur, wenn du bezahlst!“ --- „Glaubst du nicht, dass du das Ganze vielleicht ein wenig zu schwarz siehst?“, fragte Genma, als die beiden auf einer freien Bank Platz genommen hatten. „Das Training von Shuiro nimmt sicher sehr viel Zeit in Anspruch.“ „Das wäre zumindest eine Erklärung für sein Wegbleiben“, sagte Temari, „aber warum er mir ausweicht, verstehe ich immer noch nicht.“ „Und wenn es beim Training Probleme gibt?!“ Sie schüttelte den Kopf. „Shuiro kommt jeden Morgen hoch motiviert bei uns vorbei, um ihn abzuholen. Die Zwei verstehen sich blendend.“ „Hmm … Hast du schon mal daran gedacht, dass er vielleicht Torschlusspanik haben könnte?“ Fragend hob sie die Augenbrauen. „Ich meine, wie lange ist es noch bis zur Geburt? Drei Monate sind nicht unbedingt eine lange Zeit.“ „Du denkst, er geht auf Abstand, weil er sich der Sache nicht gewachsen fühlt?“ „Wäre das nicht möglich?“ „Schon, aber ich glaube nicht, dass es das ist. Bisher hat er auf mich immer einen gefassten Eindruck gemacht, wenn es ums Baby ging. Wenn er mir in dem Punkt etwas vormachen würde, hätte ich es bestimmt gemerkt.“ Genma schwieg. „Vielleicht hat er sich doch eine zweite Freundin angelacht“, setzte Temari nach. „Monogamie ist heutzutage bei vielen ja nicht mehr so angesagt.“ „Glaubst du wirklich, dass er das tun würde?“ „Das ist in etwa so wahrscheinlich wie das mit dem geheimen Drogenlabor“, antwortete sie nüchtern. „Und worüber zerbrichst du dir dann den Kopf?“ --- Shuiro saß im Gras, kühlte seine Füße im Bach ab und schaufelte ein Löffel Pistazieneis nach dem anderen in sich hinein. „Warum hast du dir keins gekauft?“, fragte er schmatzend. „Ich bin einfach kein Eisesser“, entgegnete Shikamaru knapp. „Dabei gibt es an einem heißen Sommertag doch nichts Besseres!“ Schweigend beobachtete sein Lehrer weiterhin die Blätter der Linde, die in der sanften Brise hin und her wogen. „Wird es irgendwann nicht langweilig, ständig in den Himmel zu starren?“ „Nur wenn wie heute keine Wolken zu sehen sind. Aber Bäume tun es zur Not auch“, erwiderte er. „Manchmal hilft es auch, einen klaren Kopf zu bekommen.“ Der Junge grinste. „Dann sollte ich vielleicht auch damit anfangen.“ „Aber übertreib es nicht. Sonst denken die Leute noch, du wärst faul.“ „So wie die meisten über dich?“ Er zuckte mit den Schultern. „Faul würde ich dich nicht nennen, aber gemütlich.“ Shuiro nahm den letzten Bissen und zerdrückte den Pappbecher in der Faust. „Auf jeden Fall ergänzt du Temari-sensei ganz gut. So ein Ruhepol wie du kann ihr nur gut tun.“ Shikamaru erwiderte nichts. Wenn das sogar ein Halbwüchsiger so sah, musste wohl etwas Wahres dran sein. „Gibt es ein Mädchen, das du magst?“, fragte er dann. Sein Schüler drehte sich perplex zu ihm um und schüttelte den Kopf. „Mädchen interessieren mich überhaupt nicht!“, sagte er in einem Ton, als müsste er sich verteidigen. „Dachte ich mir.“ Er riss sich vom Anblick der Blätter los und schaute den Jungen an. „Ich war in deinem Alter genauso. Aber wenn die Hormone irgendwann die Überhand gewinnen – und das werden sie –, widersteh ihnen so lange es geht.“ Shikamaru schmunzelte. „Ansonsten endest du vielleicht so wie ich.“ Shuiro lachte. „Na, so schlecht wäre das doch nicht. Du gibst trotz des Alters sicher ’nen guten Vater ab.“ „Meinst du?“ „Klar! Warum auch nicht?“ „Weil du mich anfangs für einen dummen Nichtsnutz gehalten hast?“ „Nein, ich …“, stammelte er los, entschied sich aber gegen eine dumme Ausrede. „Irren ist menschlich! Ich wollte halt unbedingt Chuunin werden und war wohl ein bisschen … na ja, übereifrig!“ „Ein bisschen?“ „Dann eben sehr übereifrig.“ Der Junge zog eine neckische Grimasse und zielte auf den Mülleimer, der in der Nähe stand. „Ich könnte mir aber auf keinen Fall vorstellen, mit zwanzig schon Vater zu sein.“ Er warf, doch das Pappknäuel prallte von der Kante ab. „Mist!“ Shuiro hob es auf und beförderte es auf dem herkömmlichen Weg in den Müll. „So früh Vater … An die Verantwortung möchte ich nicht mal denken.“ Ich auch nicht, dachte er, sagte aber stattdessen: „Dann mach’s einfach besser als ich.“ Sein Schüler lachte über die Bemerkung und fragte: „Wie ist es eigentlich passiert? Ich meine, Temari-sensei kam mir immer so verantwortungsbewusst und klug vor und du wirkst auf mich auch nicht gerade wie auf den Kopf gefallen. Also ich möchte jetzt keine Details hören …“ „Mit deiner Aufklärung scheint es trotzdem nicht weit her zu sein“, bemerkte Shikamaru und fragte scherzhaft: „Sicher, dass du keine Einzelheiten wissen möchtest?“ Shuiro lief ein kalter Schauer über den Rücken. „Bloß nicht!“ --- Temari schwieg eine Weile und antwortete dann: „Keine Ahnung, vielleicht hab ich auch nur zu viel Freizeit. Schlimm, wenn man plötzlich so viel Zeit zum Nachdenken hat.“ „Ich hätte nichts dagegen, wenn wir eine Weile tauschen würden“, sagte Genma heiter. „Ich arbeite schon ein Dreivierteljahr durch und bin echt urlaubsreif.“ „Ich glaube nicht, dass du das wirklich möchtest“, meinte sie schmunzelnd. „Ich merke nämlich langsam die ersten, schwangerschaftsbedingten Zipperlein. Stell dir mal vor, du setzt dich irgendwo hin, kommst alleine nicht mehr hoch und musst darauf warten, dass dir jemand hilft. Das ist deprimierender als eine Zehn-Stunden-Schicht.“ Über das Gesicht des Jounin huschte ein Grinsen. „Dann hab ich es im Gegensatz zu dir wohl gut, oder?“ „Spätestens seitdem ich im letzten Drittel bin. Ich bin langsam reif für die Geburt.“ --- „Du hast meine Frage immer noch nicht beantwortet“, drängte Shuiro. „Dafür, dass dir das Thema anscheinend so peinlich ist, bist du aber ganz schön hartnäckig.“ „Ich bin ein neugieriger Teenager“, antwortete er nüchtern. „Also, wie ist es nun passiert?“ Eine Verkettung unglücklicher Zufälle, kam es Shikamaru spontan in den Sinn. Aber diese Definition war Mist, selbst wenn sie irgendwie stimmte. „Es ist einfach dumm gelaufen. Zur falschen Zeit am falschen Ort, könnte man sagen.“ „Klingt so, als hätte Murphy’s Law wohl voll bei euch zugeschlagen, was?“ „So in etwa“, sagte er tonlos. Shuiro runzelte die Stirn. „Sag mal, freust du dich eigentlich auf das Kind?“, fragte er. „Bei Temari-sensei ist es offensichtlich – sie redet ja von fast nichts anderem –, aber …“ Er verstummte und warf seinem Lehrer einen raschen Blick zu. „Ich weiß noch, als meine Schwester vor sechs Jahren unterwegs war. Meine Eltern waren fast die ganze Zeit vor Freude nicht zu halten.“ Shikamaru musterte seinen Schüler. „Wie alt war dein Vater, als deine Schwester geboren wurde?“ Er überlegte und antwortete: „Dreiunddreißig.“ „Dann war er bei dir ungefähr sechsundzwanzig“, legte er fest. „Und wie alt bin ich? Ein kleiner Unterschied, oder? Aber ja, ich freue mich, auch wenn ich es emotional nicht jedem so mitteilen muss wie Temari. Ist einfach nicht so mein Ding.“ „Genauso wie Eiscreme“, sagte Shuiro und lachte. ════════════════════════════════════════════════════ Nach über zwei Monaten Pause schaffe ich es jetzt doch mal wieder, ein Kapitel zu posten. Leider werden längere Durststrecken in Zukunft nicht ausbleiben, da ich Ende März selbst Mama werde und mein Sohn natürlich absolute Priorität hat. (Was aber ja nicht heißt, dass ich nie wieder zum Schreiben kommen werde.) Bis dahin werde ich aber versuchen, noch so viele Kapitel wie möglich vorzuschreiben. Des Weiteren werde ich bei Bedarf die neue, direkte Antwortfunktion unter den einzelnen Kommentaren nutzen (und auf die Weise auch noch alle beantworten, die ich beim letzten Kapitel bekommen habe). Wer also brennend eine Antwort von mir lesen möchte, sollte von nun an dort vorbeischauen. :D Vielen Dank für eure Geduld und fürs Lesen. :) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)