Eins plus eins macht drei! von Rabenkralle ================================================================================ Kapitel 26: Junge oder Mädchen? ------------------------------- @ : Ja, witzig für euch schadenfrohe Leser vielleicht! ;D @ : Jup, werdende und vor allem frisch gebackene Eltern haben es sicher nicht leicht … Eigentlich kann sich Shikamaru doch glücklich schätzen, dass er noch in die erste Kategorie fällt, oder? @ : Ich finde sechzig Kilo (im aktuellen Databook steht was von achtundvierzig Kilo, was meiner Meinung nach viel zu wenig ist, mich aber trotzdem dran orientiert habe) bei der Größe ja auch mehr als annehmbar. Immer diese frauentypische Übertreibung, wenn die Waage mal ein bisschen mehr anzeigt. @ alle fleißigen Kommentatoren: Danke, danke, danke! =) So, dann will ich heute endlich mal Licht ins Dunkel bringen. ;) ════════════════════════════════════════════════════ Kapitel 26: Junge oder Mädchen? Der Wecker klingelte. Er war so laut, dass Temari vor Schreck mit leichtem Herzrasen aufwachte. Müde tastete sie sich zu dem Gerät vor, das sie im Augenblick mehr als alles andere auf der Welt hasste, und schaltete es aus. Zum Glück hatte sie ihn so zeitig gestellt, dass sie locker noch eine halbe Stunde liegen bleiben konnte – was ihr allerdings nach der letzten Nacht im Grunde nicht das Geringste brachte. Dreißig Minuten ersetzten mindestens sechs Stunden fehlenden Schlaf schließlich nicht unbedingt … „Willst du nicht aufstehen?“ Sie seufzte leise. Das hatte ihr gerade noch gefehlt … „Lass mich bitte einfach noch ein bisschen in Ruhe hier liegen“, brummte sie zurück und verschanzte sich nur noch weiter unter ihrer Decke. Shikamaru schwieg einen Moment lang und meinte dann: „Es ist aber schon halb neun.“ Temari war mit einem Mal hellwach. „Das kann doch gar nicht sein!“, entgegnete sie konfus. „Ich hab doch –“ Sie verstummte beim Anblick der Zeit, die die Uhr an der Wand anzeigte. Natürlich musste das ausgerechnet heute passieren … „Warum geht dieses blöde Teil plötzlich ’ne Dreiviertelstunde nach?“, regte sie sich auf, starrte den Wecker wütend an und konnte den Drang, ihn zu nehmen und im hohen Bogen gegen die nächste Wand zu pfeffern, gerade noch so unterdrücken. Anschließend ließ sie sich zurück aufs Bett fallen und drückte sich ihr Kissen vors Gesicht, als hoffte sie, sie hätte nur geträumt und es war noch Nacht, wenn sie es wieder wegtat … „Jetzt steh schon auf“, forderte Shikamaru sie auf. „Ich will aber nicht …“ Er kam sich ein wenig wie im falschen Film vor. Morgens-nicht-aus-dem-Bett-hochkommen war bisher schließlich seine Aufgabe gewesen, nicht ihre. „Was ist denn heute mit dir los?“, fragte er. „Könnte ich dich genauso fragen. Du bist sonst nie vor mir auf“, argumentierte sie und warf das Kissen beiseite. Anschließend schaute sie ihn wehmütig an und sagte: „Ich hab fast die ganze Nacht wach gelegen, weil ich so verdammt aufgeregt bin.“ „Warum das denn?“ „Hallo?“, meinte sie empört. „In zwei Stunden wissen wir vielleicht schon das Geschlecht unseres Kindes!“ „Und weiter?“ „Nichts weiter. Mir ist es bloß ein Rätsel, wie du mit dem Gedanken so gut schlafen konntest.“ „Ganz einfach: Indem ich mich davon nicht verrückt machen lasse“, antwortete er. „Warum hört sich das bei dir so leicht an?“, erwiderte Temari seufzend. „Ich hätte ja auch viel lieber geschlafen, aber ich musste mir die ganze Zeit irgendwelche Szenarien vorstellen. Und dann noch dieser bescheuerte Traum … Drillinge … Als ob ich mit einem nicht schon genug zu tun haben werde.“ Ihr Freund zog die Augenbrauen hoch. „Wäre das denn jetzt überhaupt noch möglich?“ „Ach, Quatsch!“, gab sie zurück, setzte rasch allerdings irritiert nach: „Obwohl … Auf dem Bild war doch nur eins zu sehen, oder?“ Sie wartete keine Antwort ab, sondern nahm das Ultraschallbild von ihrem Nachttisch und musterte es kritisch von allen Seiten. „Definitiv nur ein Kind“, stellte sie erleichtert fest. „Aber danke, dass du mich auch noch verunsichern musstest!“ „Du hast doch mit Drillingen angefangen“, verteidigte er sich. „Und ich sagte, dass ich es nur geträumt hab“, verbesserte sie ihn gereizt, bevor ihre Tonlage wieder schlagartig umschwang. „Gott sei Dank! Ich möchte nicht drei Kinder auf einmal …“ Shikamaru schwieg. Einen solchen Wechsel ihrer Stimmungen hatte er noch nie erlebt und da war es sicher klüger, den Mund zu halten. Er beobachtete, wie sie lustlos aus dem Bett stieg, zum Kleiderschrank schlurfte und sich ein paar ihrer wenigen gewaschenen Klamotten heraussuchte. „Falls du oder irgendjemand anderes mich suchen sollte: Ich bin unter der Dusche“, murmelte sie und schlenderte in Richtung Badezimmer. „Schaffst du das denn überhaupt noch?“, warf er ein. Temari blieb kurz stehen und winkte ab. „Ich muss doch erst in ’ner guten Stunde da sein. Ich lass meine Haare an der Luft trocknen und das Frühstück ausfallen und dann passt das schon.“ Da ihr sein protestierender Blick nicht gefiel, setzte sie nach: „Selbst wenn der Termin schon in zehn Minuten wäre: Ich geh doch nicht ungeduscht zum Frauenarzt! Meine Ärztin ist zwar schon ein bisschen älter, aber ich würd sie gerne noch ein paar Tage länger leben lassen.“ Er verkniff sich jeglichen Kommentar darauf und sagte stattdessen: „Wenn du dir dafür Zeit nimmst, kannst du gleich genauso gut auch noch was essen.“ Sie merkte, wie sich ihre Laune besserte. Eigentlich hatte sie ja gedacht, dass sich seine Phase, in der er sich wegen einer übergangenen Mahlzeit gleich Sorgen machte, nach ein paar Wochen wieder verfliegen würde, aber so war es ihr natürlich lieber. „Okay, wie du befiehlst“, schloss sie mit einem Lächeln. --- Zwanzig Minuten später war sie auch schon fertig. Fast zumindest. Mit einem Problem hatte sie nämlich nicht gerechnet. „Hast du irgendwas zum Anziehen für mich?“, rief sie durch die geöffnete Tür ins Wohnzimmer. „Muss ich erst gucken“, entgegnete er. „Aber ich dachte, du hättest was mitgenommen.“ „Ja, nur leider nützt mir das gerade nicht viel.“ Sie kam halb angezogen, mit einem Stoffknäuel – das sich beim näheren Hinsehen als ihr Oberteil herausstellte – in der Hand und steinerner Miene aus dem Bad. „Warum ziehst du das nicht an?“, fragte er, obwohl er schon ahnte, dass sein Einwurf überflüssig war. Temaris Gesichtsausdruck wurde noch finsterer. „Dreimal darfst du raten!“ „Ach, so“, meinte er trocken. „Hast du denn nichts anderes mehr?“ „Nichts, das sauber ist.“ Seufzend sank sie auf die Couch und besah missmutig ihr T-Shirt. „Vor zwei Wochen hat es noch gepasst und ich hatte sogar noch Platz. Und heute geht plötzlich überhaupt nichts mehr. Das ist doch echt zum …“ Sie brach ab und fluchte etwas Unverständliches vor sich hin. „Was machst du bloß mit deinen Sachen? Du hattest doch mal so viel.“ „Die acht Oberteile, die ich hier hab, sind nicht gerade viel, wenn mir davon inzwischen fünf zu klein sind und der Rest in der Wäsche liegt“, merkte sie an. „Warum wäschst du dann nicht einfach die, die dir noch passen?“ Jetzt hatte er wirklich eine berechtigte Frage gestellt. Aber darauf ließ sie sich gar nicht erst ein. „Warum machst du das denn nicht?“, konterte sie. Okay, so konnte man ›Ich bin zu faul zum Waschen‹ natürlich auch umschreiben … „Du beschwerst dich doch gerade, dass du nichts zum Anziehen hast“, legte Shikamaru fest. „Oder seh ich das falsch?“ Temari schenkte ihm einen verdrießlichen Blick. „Nein“, gab sie dann kleinlaut zu. „Ich kann diesen Job eben nicht ausstehen und schieb ihn halt so lange nach hinten, bis ich’s machen muss. Und bis vor drei Minuten bin ich davon ausgegangen, dass es auch noch bis morgen Zeit hat.“ Sie biss einen Moment missmutig auf ihrer Unterlippe herum und meinte dann: „Ich bin so blöd! Warum musste ich nur Yoshino vergraulen?“ Da er sie schräg ansah, setzte sie nach: „Ja, sie hat diese glorreiche Aufgabe die letzten Wochen für mich übernommen.“ „Sonst beklagst du dich ständig über sie, aber dafür ist sie plötzlich gut genug, oder was?“ „Ach, hör doch auf mit deiner falschen Moral. Du bist in dem Punkt kein Stück besser als ich“, erwiderte sie. „Außerdem hab ich bloß das Unangenehme mit dem Nützlichen verbunden. Sie ist schließlich diejenige gewesen, die sich mir so aufgedrängt hat und dann ist doch nichts dabei, wenn ich ihre Hilfsbereitschaft ein bisschen für mich nutze.“ Ausnutzen wäre wohl der treffendere Ausdruck gewesen, aber wo sie Recht hatte, hatte sie nun mal Recht … Sie stand wieder auf, beförderte das zu knapp gewordene T-Shirt zurück in den Schrank und fragte: „Und was leihst du mir jetzt?“ Ihr Freund zuckte mit den Schultern. „Nimm dir einfach, was du willst.“ --- Nach einem raschen Frühstück machten sie sich auf den Weg und erreichten rechtzeitig das Krankenhaus. Das Wartezimmer der Gynäkologie war ungewohnt voll, was Temaris Vorfreude doch ein wenig ausbremste, da sie gehofft hatte, in spätestens einer halben Stunde wieder draußen zu sein. Mit so vielen Frauen vor sich, die ebenfalls auf ihre Untersuchungen warteten, konnte sie sich von dem Gedanken aber wohl verabschieden. Das einzig Gute daran war, dass sie danach wahrscheinlich einen Grund hatte, sich zu freuen – und das vertrieb immerhin das Unwohlsein, das sie sonst an solchen Orten verspürte. Trotzdem fragte sie sich, warum überhaupt Termine vergeben wurden, wenn sie doch nicht eingehalten werden konnten. Na ja, da musste sie eben durch … Shikamaru hingegen kam sich als einziger Mann zwischen all den schwangeren Frauen völlig fehl am Platze vor. Er versuchte zwar, sich nichts anmerken zu lassen, indem er einfach nur durch die geöffnete Tür in den Gang nach draußen starrte, doch die Blicke, die unter Garantie auf ihm hafteten, verunsicherten ihn schon ziemlich. Bestimmt – nein – ganz sicher hielten ihn die meisten für blöd, weil er sich nicht ein paar Jahre länger Zeit gelassen hatte, um seine Freundin zu schwängern, die ja wiederum auch nicht unbedingt älter als er aussah. Schwachsinn!, schalt er sich prompt. Als ob die Leute hier nicht genug mit sich selbst beschäftigt waren, um über so etwas Bedeutungsloses nachzudenken … Nein, das hier war nicht der richtige Zeitpunkt, um Paranoia zu schieben. Also verdrängte er seine Bedenken und sah weiterhin auf den Flur, auf dem einige Leute hektisch hin und her wuselten. Wenn es in diesem Bereich immer so stressig war, konnte er gut nachvollziehen, warum Temari sich hier nur so ungern aufhielt. Einen entspannten Eindruck machte es nämlich nicht unbedingt … „Misaki, ich bin fertig für heute. Lass uns nach Hause gehen!“ Ein etwa sechsjähriges Mädchen sprang von seinem Stuhl in der Spielecke auf und rannte zu der Frau, die an der Schwelle stehen geblieben war. „Mama, was bekomme ich denn jetzt?“, fragte sie prompt. „Einen kleinen Bruder oder eine kleine Schwester?“ Ihre Mutter lachte. „Sei doch nicht immer so ungeduldig und lass dich überraschen, bis dein Geschwisterchen auf der Welt ist.“ „Na, gut“, meinte ihre Tochter und murmelte enttäuscht: „Dabei hätte ich es so gerne heute schon gewusst …“ Die Frau nahm das Mädchen an der Hand und die beiden verschwanden im Gang. Shikamaru wandte sich ab und schaute neben sich. Temari hatte sich zurückgelehnt und die Lider geschlossen. Ihm fiel auf, dass sie furchtbar dunkle Augenringe hatte. Vielleicht machte es die helle Beleuchtung aber auch schlimmer, als es in Wirklichkeit war. „Sag mal“, begann er schließlich, „willst du es wirklich unbedingt wissen?“ Sie öffnete ihre Augen und entgegnete leise: „Natürlich möchte ich wissen, was mich erwartet, nachdem ich die ganze letzte Nacht damit verbracht hab, mich zu fragen, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird und sämtliche Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen hab.“ „Hat es denn was genützt?“ „Außer, dass ich jetzt weiß, dass das Geschlecht für mich tatsächlich keine Rolle spielt, leider nicht.“ „Wie wäre es dann, wenn wir es heute gut sein lassen und gleich bis nach der Geburt warten würden?“, fragte er. „Dann erfahren wir es ja sowieso.“ Temaris Gesichtsausdruck sprach Bände. Und der sagte ihm, dass sie von diesem Vorschlag alles andere als begeistert war. „Fängst du auch noch damit an …“, antwortete sie ernüchtert. „Du solltest aufhören, dich vom Gequatsche fremder Leute beeindrucken zu lassen.“ „Ich lass mich nicht beeindrucken“, legte er fest. „Und wer hat dich dann auf diese Schnapsidee gebracht?“ „Niemand.“ Sie zog ihre Stirn in Falten. „Du willst mir ernsthaft weismachen, dass dir das ganz alleine in den Sinn gekommen ist?“, fragte sie langsam. „Ausgerechnet jemand wie du, der sein ganzes Leben schon im Voraus geplant hat, möchte nicht wissen, was sein Kind wird?“ Er seufzte. „Warum muss du eigentlich immer alles pauschalisieren?“ „Weil so ein Denken nicht zu dir passt, deswegen“, zischte sie zurück. „Aber wenn du dich überraschen lassen willst, bitte. Ich mach bei deinen Hirngespinsten jedenfalls nicht mit.“ „Jetzt sei doch nicht so stur!“ „Ich bin nicht stur“, stellte sie klar. „Ich warte nur schon seit über zwei Monaten auf diesen Tag und den lass ich mir garantiert nicht durch einen blöden Einfall von dir vermiesen.“ Großartig, dass sie sich durch eine kleine Frage gleich persönlich angegriffen fühlte. Wenn er es recht bedachte, war es aber auch nicht anders von ihr zu erwarten gewesen. Und dafür hatte er sich extra den Tag freigenommen … Sie verschränkte die Arme. „Da du es ja eh nicht wissen willst, kannst du eigentlich auch gleich nach Hause gehen“, meinte sie provokant. Natürlich, ihre Trotz-Reaktion hatte noch gefehlt … „Das tu ich ganz bestimmt nicht“, erwiderte er. „Da kannst du so viel herumzicken, wie du willst.“ „Pah“, fauchte sie und wandte sich ab. „Dann eben nicht.“ --- „Temari, du bist dran!“ Die Angesprochene zuckte zusammen. Diese Stimme … Als sie zur Tür sah, bestätigte sich ihre Befürchtung. Auch das noch … Sie stand von ihrem Platz auf und trat auf den Flur. „Hey“, entgegnete sie monoton. „Aber was machst du eigentlich hier?“ Sakura lächelte. „Da missionstechnisch momentan zum Glück nicht viel los ist, hab ich mich für die Frauenheilkunde einteilen lassen“, erklärte sie. „Ich war sogar schon bei ein paar Geburten dabei. Das ist echt faszinierend!“ Oh ja, wirklich faszinierend, wie sich werdende Mütter stundenlang die Seele aus dem Leib brüllten, um einen kleinen Schreihals aus sich herauszupressen … „Na, wem’s gefällt …“, meinte Temari schulterzuckend. „Für mich wäre es jedenfalls nichts.“ „Ich glaube, zur Hebamme muss man auch geboren sein.“ Sakura musste lachen. „Ach, was für eine passende Formulierung …“ Sie warf einen kurzen Blick auf ihr Klemmbrett und strahlte ihre Freunde über beide Ohren an. „Heute ist also die zweite Ultraschalluntersuchung“, stellte sie begeistert fest. „Es ist doch bestimmt total aufregend, wenn man in ein paar Minuten erfährt, ob man sich demnächst mit blauen oder rosa Babysachen eindecken muss, oder?!“ Blau oder rosa … Warum mussten sich die Leute eigentlich immer auf diese beiden Farben festlegen, wenn es um Kinder ging? „Oh ja, aufregender geht’s nicht“, erwiderte sie mit gespielter Freude. „Findest du nicht auch, Schatz?“ Shikamaru fuhr ein unangenehmer Schauer über den Rücken. Ihr messerscharfer Tonfall zusammen mit dieser Bezeichnung deutete üblicherweise darauf hin, dass sie ihm etwas extrem übel nahm. Ach, warum hatte er nicht einfach die Klappe gehalten … Um nichts zu sagen, das sie noch wütender machen würde, beschränkte er sich auf ein Nicken. „Schön, dass ihr beide euch wenigstens einig seid“, meinte Sakura, der Temaris sarkastischer Unterton anscheinend entgangen war. „Vor ein paar Wochen hab ich deswegen einen echt üblen Streit zwischen einem Ehepaar mitbekommen. Ziemlich dumm, sich wegen so etwas zu streiten, wenn ihr mich fragt …“ Sie stieß die Tür zu einem Untersuchungsraum auf, bat die beiden herein und legte die Akte auf dem Tisch ab. „Kaoru-san kommt dann auch gleich“, sagte sie anschließend. „Entschuldigung auch noch, dass ihr so lange warten musstet, aber das Baby einer Patientin hatte es auf einmal ziemlich eilig, auf die Welt zu kommen und hat so unseren ganzen Zeitplan durcheinander gebracht.“ Temari, die sich insgeheim verbal geohrfeigt fühlte, setzte sich auf den Rand der Liege und murmelte: „Kein Problem, wir haben Zeit.“ Ihre Freundin lächelte ihr zu, machte auf dem Absatz kehrt und war schon mit einem Bein im Flur, als sie abrupt innehielt. „Ach ja, und vergesst nicht, mir nachher Bescheid zu sagen“, meinte sie augenzwinkernd. „Ich muss doch schließlich wissen, ob ich eine Nichte oder einen Neffen bekomme.“ Dann verließ Sakura mit einem breiten Grinsen und äußerst guter Laune das Zimmer. Shikamaru rechnete daraufhin jede Sekunde mit einem bissigen Spruch in seine Richtung. Doch dieser kam nicht. Genauso wie der Wutanfall, den er erwartete, als Temari ihre Hände zu Fäusten ballte, sodass sie zitterten. „Ich bin einfach saublöd!“, fluchte sie plötzlich los. „Warum reg ich mich wegen so ’nem Scheiß bloß so auf?“ Da sie sich zu ihm umdrehte und scheinbar nicht nur laut über sich selbst geärgert hatte, erwiderte er: „Schon in Ordnung. Ich kann dich ja verstehen.“ Sie seufzte. „Ich hätte mich trotzdem ein bisschen besser beherrschen können. In letzter Zeit bin ich wirklich eine Expertin darin, wie man sich in der Öffentlichkeit bloßstellt. Würde mich nämlich echt wundern, wenn das eben im Wartezimmer niemand mitbekommen hat …“ „Du denkst einfach viel zu viel darüber nach, was andere Leute von dir denken.“ Okay, es war zwar nicht so, dass er momentan in dem Punkt mit gutem Beispiel voranging, doch das musste er ihr nicht unbedingt auf die Nase binden. Temari schwieg. Wenn sie sich an früher zurückerinnerte, fragte sie sich, was eigentlich aus ihr geworden war. Hatte sie der Frieden so weich gemacht oder lag es doch nur an der Hormonumstellung? Ach, im Grunde war ihr das sowieso egal … „Und was machen wir jetzt?“, meinte sie anschließend. „Ehrlich gesagt, reizt mich dieser Überraschungskram immer noch nicht besonders.“ Er zuckte kurz mit den Schultern und fragte: „Was machst du eigentlich, falls das Kind ungünstig liegt und man nichts sieht?“ „Na ja, dann kann man es auch nicht ändern.“ „Aber du wärst schon ziemlich enttäuscht, oder?“ „Natürlich. Ansonsten hätte mich dein Vorschlag vorhin nicht so sauer gemacht“, antwortete sie. „Was aber nicht heißen soll, dass mein Verhalten damit entschuldigt wäre …“ Shikamaru wollte noch etwas erwidern, ließ es allerdings, als jemand die Tür öffnete und eine Frau, die mindestens Mitte fünfzig war, den Raum betrat. „Ah, die junge Dame aus Sunagakure!“, sagte sie freudestrahlend. „Wie geht es Ihnen denn heute?“ „Ganz gut, denke ich.“ „Und wen haben Sie als Begleitung mitgebracht? Den Vater, nehme ich an?!“ Temari nickte bloß. „Wunderbar!“, entgegnete die Ärztin begeistert. „Schon seit Jahren sehe ich immer weniger werdende Väter hier und finde es wirklich schade, dass sich viele für so einen wichtigen Termin nicht die Zeit nehmen. Vor allem bei so jungen Leuten wie Ihnen ist es doch eine Seltenheit.“ So junge Leute … Wie durfte er das denn interpretieren? Auf irgendeine Weise fühlte er sich kritisiert, auch wenn sie bestimmt schon Jüngere behandelt hatte und es mit Sicherheit nicht einmal so meinte. Ja, wahrscheinlich hörte er mal wieder die Flöhe husten … Kaoru-san zog sich ein Paar Handschuhe an und begann anschließend mit der Untersuchung. Nach der üblichen von Temari verhassten Fummelei – die diesmal allerdings nur eine gute Minute angedauert hatte – tastete die ältere Frau wie gewohnt ihren Bauch ab. „Ich denke mal, Sie spüren inzwischen regelmäßig die Bewegungen Ihres Kindes?“, fragte sie beiläufig. „Jeden Tag mehrmals“, pflichtete sie ihr bei. „Das ist ein gutes Zeichen. Aber ich hoffe doch, dass Sie sich nach dem letzten Termin nicht unnötig Gedanken gemacht haben.“ Das weckte unangenehme Erinnerungen … „Nein, ich bin ganz ruhig geblieben“, log Temari rasch. Shikamarus empörten Blick, der einen Moment lang aufblitzte, übersah sie dabei absichtlich, auch wenn er nur allzu berechtigt war. „Sehr schön. Ich habe schon einige Frauen erlebt, die leider nicht so eine Geduld hatten und sich extrem unter Druck gesetzt haben.“ Und da meldete es sich zurück: Ihr schlechtes Gewissen zusammen mit einer gehörigen Portion Schamgefühl. Sie war in den eineinhalb Wochen wirklich eine grauenvolle Person gewesen. Wahrscheinlich reichte diese kurze Zeit aus, um in der Hölle zu landen. Aber wenn sie es vorher schaffte, ihr Kind zu einem anständigen und vernünftigen Menschen zu erziehen, konnte nach ihrem Ableben ohnehin kommen, was wollte. Und außerdem war es im Fegefeuer immer schön warm. Ja, diese Vorstellung heiterte sie doch gleich wieder auf. „Gut, so weit ist alles in Ordnung.“ Die Frau lächelte den beiden zu und fuhr fort: „Dann kommen wir wohl jetzt zum Ultraschall.“ Temari fröstelte, als ihre Ärztin das Gel aus dem Kühlschrank auf ihrem Bauch verteilte. Die Kälte vergaß sie allerdings schnell wieder, als Kaoru-san das Gerät ansetzte, um die Bilder abzugreifen. Schon bei dem Termin vor zwei Monaten war sie beeindruckt gewesen, aber das, was sie jetzt sah, stellte es um einiges in den Schatten. Die Züge des Babys waren noch viel menschlicher und es war so groß geworden, dass es nicht einmal mehr annähernd auf die Anzeige des Monitors passte. Und das in der kurzen Zeit … Shikamaru wiederum begegnete dem Ganzen eher mit gemischten Gefühlen. Einerseits war es großartig, das Kind auf diese Weise zum ersten Mal zu sehen, andererseits führte es ihm auf fast schon brutale Art die Ernsthaftigkeit der Lage wieder vor Augen, die er so schnell verdrängt hatte, nachdem er es erfahren hatte. Wenn er es recht bedachte, glaubte er nicht einmal, dass er so bald seiner zukünftigen Rolle als Vater gerecht werden würde, sodass ihn dieser Augenblick weniger froh stimmte, als er gehofft hatte. Gut also, dass er noch über vier Monate Zeit hatte, um etwas an sich zu ändern … „Möchtet ihr das Geschlecht des Kindes wissen?“ Kaoru-sans Frage holte ihn abrupt in die Wirklichkeit zurück. Temari, die ihr Herz – so schnell, wie es gerade pochte – eine Etage höher in ihrem Hals vermutete, stammelte nervös: „Kann man es denn sehen?“ Die Frau warf noch einen kurzen Blick auf den Bildschirm, um sich zu vergewissern, und antwortete: „Ja, sehr deutlich sogar.“ Diese klare Antwort verschlug ihr die Sprache und sie spürte, wie sie am ganzen Körper vor Aufregung leicht zu zittern begann. Sie war völlig hin und hergerissen. Am liebsten hätte sie auf der Stelle ein euphorisches ›Schießen Sie los!‹ gerufen, doch sie hielt sich zurück. Sie hatte sich schon viel zu oft über einen von Shikamarus Beschlüssen hinweggesetzt und wie gern sie es auch diesmal getan hätte, konnte sie es nicht über sich bringen. In einer so wichtigen Angelegenheit hatte er mehr als nur ein kleines Vetorecht, das sie ihm – bestimmend, wie sie dummerweise war – sonst bloß anerkannte, um letztendlich meist doch nicht drauf zu hören. Nein, er durfte – sollte – genauso entscheiden wie sie. Auch wenn sie wusste, dass ihr das Ergebnis nicht passte. „Und, was meint ihr?“, forschte Kaoru-san nach, die ihre Patientin und deren Begleiter noch immer fragend anschaute. Temari schüttelte den Kopf und antwortete wieder deutlich gefasster: „Nein, wir mögen Überraschungen.“ Ihr Freund starrte sie entgeistert an. Das hatte er nun wirklich nicht erwartet … „Wie kommst du denn plötzlich auf den Quatsch?“, fragte er dann. Sie zuckte mit den Schultern und schenkte ihm ein Lächeln. „Ich hab eben meine Meinung geändert.“ Shikamaru musste nicht lange überlegen, um zu erkennen, dass das, was sie gesagt hatte, nicht ganz der Wahrheit entsprach. Dafür kannte er sie inzwischen einfach viel zu gut. „Dann bist du aber nicht ehrlich zu dir selbst“, meinte er, nahm ihre Hand und setzte nach: „Komm schon, ich weiß genau, dass du das bloß aus Rücksicht sagst und es eigentlich wissen willst.“ „Ja, schon“, gab sie zu, „aber darum geht’s doch überhaupt nicht.“ Noch bevor er ihr widersprechen konnte, setzte sie nach: „Außerdem bist du gerade schon wieder dabei, mir meinen Willen nachzugeben und da hab ich keine Lust drauf.“ „Aber du hattest doch Recht: Ich hasse Überraschungen“, warf er ein. „Und nicht so früh wie möglich zu wissen, ob unser Kind ein Junge oder ein Mädchen wird, steht da ganz oben auf der Liste.“ Sie seufzte. Dann war die Aufregung vorhin wohl völlig umsonst gewesen … Trotzdem lächelte sie ihm dankbar zu, blickte wieder zu ihrer Ärztin und sagte: „Okay, wir sind ganz Ohr.“ „Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass es immer einen gewissen Restzweifel gibt“, begann Kaoru-san. „Aber hier würde ich mich zu neunundneunzig Prozent darauf festlegen, dass es ein Mädchen wird.“ Temari jauchzte auf. Natürlich hätte sie sich über einen Sohn genauso gefreut, aber so konnte sie im Moment nur an eines denken: Der Männerüberschuss, dem sie seit ihrer Kindheit ausgesetzt gewesen war, konnte sie nun erst einmal hinter sich lassen. Allein diese Vorstellung vermittelte ihr doch gleich ein ganz anderes Lebensgefühl. Shikamaru starrte fassungslos und wie gebannt auf den Bildschirm. Nein, dass etwas mal wie geplant verlief, konnte bloß eine Halluzination sein … „Hast du gehört?!“, stieß Temari aus. „Wir bekommen eine Tochter! Da sag noch einmal, dass ich dir permanent einen Strich durch deine Lebensplanung ziehe.“ Auf diese Behauptung hin hätte er ihr gerne widersprochen, aber mehr als ein Kopfschütteln brachte er nach dieser Neuigkeit erstmal nicht heraus … Kaoru-san setzte lächelnd das Gerät ab und ging zum Tisch, um die neuesten Eintragungen zu machen. „Ach ja“, warf sie anschließend ein. „Euer Baby ist im Übrigen so gut entwickelt, dass ich den Geburtstermin ein paar Tage nach vorn korrigiere. Aktuell wäre es somit der zwanzigste Oktober.“ „Eine ganze Woche?!“, dachte Temari laut, während sie sich mit ein paar Tüchern das Gel wegwischte. „Mensch, das wird ja immer besser, oder was mein…“ Sie brach ab, als sie bemerkte, dass Shikamaru abwesend vor sich hinstarrte. Okay, das mit der Terminkorrektur war vielleicht unerwartet gewesen, doch sieben Tage waren im Vergleich zu einem ganzen Leben wirklich nicht der Rede wert – fand sie zumindest, was allerdings nicht hieß, dass es bei ihm automatisch genauso sein musste. Trotzdem hätte sie zu gerne gewusst, was gerade in ihm vorging … „Ich lasse dann eben rasch die neuen Bilder entwickeln.“ Kaoru-san stand von ihrem Platz auf und eilte zur Tür, blieb mitten im Raum aber noch kurz stehen. „Ist alles in Ordnung mit ihm?“, erkundigte sie sich besorgt. Temari folgte ihrem Blick und winkte ab. „Alles okay“, erwiderte sie lachend. „Er ist gerade nur ein wenig sprachlos.“ ════════════════════════════════════════════════════ Keine Ahnung, ob die Auflösung besonders überraschend ist, aber da Shikamaru es schon die ganze Zeit über nicht leicht mit ihr hat, musste ich ihm wenigstens diesen kleinen Gefallen tun. (Vielleicht erinnert ihr euch ja noch an seine Gedanken beim ersten Angriff auf Konoha, als er den Lockvogel für die Oto-Nins gespielt hat, und er sich hinsichtlich seiner Lebensplanung zuerst eine Tochter gewünscht hätte?) :D Ansonsten mag ich dieses Kapitel sehr, auch wenn es mal wieder ein bisschen Streit gegeben hat. Aber im Vergleich zu früheren Thematiken war der ja noch weniger als Peanuts. :) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)