Eins plus eins macht drei! von Rabenkralle ================================================================================ Kapitel 57: Wir müssen reden! ----------------------------- Kapitel 57: Wir müssen reden! „Es ist alles okay“, sagte Sakura, „es sind nur ein paar harmlose Vorwehen. Du musst dir also keine Sorgen machen.“ „Na, Gott sei Dank!“ Temari atmete erleichtert auf, zog ihr Top über ihren Bauch und streichelte ihn. „Es ist schließlich noch ein bisschen zu früh für dich, um da rauszukommen.“ Sakura beobachtete sie mit einem Lächeln und meinte: „Die Überlebenschancen sind zwar nicht so schlecht, aber man muss es ja nicht herausfordern.“ Dann hob sie ihre Stimme und fuhr mit Nachdruck fort: „Also schone dich. Mit den stundenlangen Wanderungen durch die pralle Mittagshitze ist es also vorbei – generell mit allen Gängen, die länger als eine Dreiviertelstunde dauern.“ „Schade“, seufzte sie, „aber was tut man nicht alles für sein Kind?“ „Und für eine Freundin, damit sie Ruhe gibt“, ergänzte die Jüngere in einer Mischung aus Missbilligung und Belustigung. „Solange ich für deine Gesundheit und somit auch für die des Babys verantwortlich bin – also bis wir durch Konohas Haupttor spaziert sind –, werde ich nichts dulden, was euer Wohl in irgendeiner Weise gefährden könnte.“ „Danke“, erwiderte Temari, wusste aber nicht so recht, ob sie für ihren übertriebenen Ehrgeiz wirklich allzu dankbar sein sollte, „aber ich werde von nun an mehr auf mich achten.“ „Das hoffe ich doch“, sagte Sakura und lächelte auf einmal. „Und vergiss nicht, dass ich ein Auge auf dich habe.“ „Auf gar keinen Fall! Ich bin ja schließlich nicht lebensmüde!“ Ihre Freundin lachte los und sie stimmte mit ein, doch das Lachen verging ihr schnell wieder, als sich ihr Unterleib krampfartig zusammenzog und ihr Bauch hart wurde. Sakura runzelte die Stirn und meinte scherzhaft: „Das bedeutet dann wohl leider auch bis auf Weiteres Lachverbot. Tut mir leid.“ --- „Und was hat sie gesagt?“, fragte Shikamaru, als sie zurück ins Wohnzimmer kam. Temari legte sich auf die Couch und antwortete: „Es sind nur Vorwehen. Also alles ganz harm…“ Das -los verlor sich auf halben Wege, als sie die nächste Muskelkontraktion ereilte. Sie biss sich auf die Unterlippe und fluchte innerlich. Wenn diese Art Wehen harmlos waren, warum fühlten sie sich nicht so an? Wie wurden dann erst die, die sie unter der Geburt zu erwarten hatte? Nein, das wollte sie sich überhaupt nicht vorstellen. „Wirklich?“, erwiderte er skeptisch. „Sie sind zwar unangenehm, aber harmlos, ja“, sagte sie. „Ich hab übrigens eine gute Nachricht für dich.“ „Und die wäre?“ „Mit den Sightseeing-Touren ist Schluss“, antwortete sie. „Sakura besteht darauf, dass ich erst mal nur noch kurze Spaziergänge mache.“ Sie schloss die Augen und setzte nach: „Ich verschlaf dann den Nachmittag und hoffe einfach, dass heute Abend wieder alles in Ordnung ist.“ „Mach das.“ Ein monotones Mach das … Seine Sorge um ihr gemeinsames Kind kannte wirklich keine Grenzen. Wenn er in gut drei Monaten auch so die Ruhe behielt, hatte sie vermutlich ein Problem weniger. Diese Aussicht klang für sie nicht allzu schlecht, denn sie würde wahrscheinlich Nervenbündel genug für sie beide sein. „Im Schrank drüben liegt übrigens ein Schachspiel herum“, unterbrach sie die Stille. „Es ist zwar kein Shōgi, aber für dich vielleicht besser als nichts.“ Sie vernahm das hohe Quietschen der Schranktür, als er sie aufmachte und die leisen Geräusche, als er den Stapel mit den Brettspielen durchging. Sie konnte nicht sagen, ob er es gefunden hatte, denn sie schlief vorher ein. --- Shikamaru ging der Reihe nach die weißen Figuren und alle Züge durch, die ihm möglich waren. Schließlich nahm er einen schwarzen Springer ins Visier und schlug ihn mit einem Läufer. Er griff die Figur und stellte sie neben dem Brett auf den Tisch zu den drei Bauern, die er auf dieser Seite bereits an sich genommen hatte. Im Anschluss überblickte er die schwarze Reihe, doch auf der Suche nach dem klügsten Zug unterbrach er sich selbst. Herkömmliches Schach war nicht schlecht – im Gegensatz zu anderen Brettspielen, bei denen es nur auf Würfelglück ankam, war es sogar ziemlich gut –, aber ihm fehlten die ganzen taktischen Möglichkeiten, die er beim Shōgi hatte. Er richtete seinen Blick auf den weißen König und stieß ein ernüchtertes Seufzen aus. Diese Variante des Schachs war definitiv zu einfach, um sich noch länger damit auseinander zu setzen. Dieses Spiel beendete er noch, aber dann suchte er sich eine andere Beschäftigung, bis Temari wieder wach wurde. Er schaute zum Regal herüber. Bisher hatte er es nicht beachtet, aber vielleicht gab es ja das eine oder andere halbwegs interessante Buch her – und wenn nicht, konnte er es seiner Freundin immer noch gleichtun, auch wenn ein Nachmittagsschläfchen gerade nicht den größten Reiz auf ihn ausübte. Shikamaru bewegte einen schwarzen Bauern ein Feld vor und konzentrierte sich wieder auf die weißen Spielfiguren. Er streckte den Arm nach einem Turm aus, doch die Untermalung von lauten Schritten auf dem Flur ließ ihn innehalten. Einen Moment später stürmte Kankurou ins Wohnzimmer. Er beäugte seine Schwester eingehend, ließ ein Knurren verlauten, wandte sich von ihr ab und – Er sah Shikamaru direkt an – mit von einer Wutfalte durchzogenen Stirn – und sagte entschlossen: „Aufstehen! Wir müssen reden!“ Er ahnte zwar, dass ihn wahrscheinlich nichts Gutes erwartete, aber er kam der Aufforderung – nein – dem Befehl nach. Normalerweise ließ er sich ungern auf so unfreundliche Weise herumkommandieren, aber in diesem Fall schien das Hinnehmen und Nachkommen die einzig kluge Entscheidung zu sein. Kankurou starrte ihn im Vorbeigehen wie ein hungriges Raubtier an und nickte dann in Richtung Haustür. O Gott, er wollte auch noch draußen mit ihm reden. Das bedeutete definitiv nichts Gutes. Shikamaru warf einen sehnsüchtigen Blick auf das Schachbrett zurück – auf einmal konnte er sich nichts Besseres vorstellen, als den ganzen Nachmittag Figuren hin und her zu schieben – und fügte sich seinem Schicksal. --- Aus dem Augenwinkel musterte er eine Uhr, die außen an einem Geschäft befestigt war. Seit einer Viertelstunde spazierte er nun schon mit Temaris Bruder ziellos durch die Gegend. Er lebte noch und das erleichterte ihn irgendwie und ließ ihn auf absurde Weise sogar hoffen, dass er heil aus der Sache herauskam, doch allmählich kam er sich ein wenig albern vor. Shikamaru verstand nicht, was Kankurou damit bezweckte. Wollte er ihn so lange durch das Dorf und die Hitze scheuchen, bis er elendig verreckte – was ein vergebliches Unterfangen sein würde, so gut, wie seine Schwester ihn in den vergangenen Tagen in dem Punkt abgehärtet hatte? Oder suchte er womöglich doch nur eine ruhige Ecke, in der er ihn unauffällig aus dem Weg räumen konnte? Oder erhoffte er sich, dass er sein potenzielles Opfer mit einem Psychospiel des Schweigens zermürbte? Er kannte Kankurou nicht allzu gut, aber immerhin so gut, dass er ihm alle drei Möglichkeiten zutrauen konnte – vielleicht sogar alles fein säuberlich hintereinander abgearbeitet. „Was ist an meiner Schwester verkehrt?“, fragte er plötzlich. „Nichts“, erwiderte er im Affekt. „Lügner!“, fuhr Kankurou ihn an. „Irgendwas muss dir an ihr nicht passen!“ „Weil?“, gab Shikamaru zurück. „Weil’s so ist.“ Okay, er kapierte absolut nicht, worauf er hinauswollte. Warum konnte der Kerl sich nicht präzise ausdrücken? Direktheit war in dieser Familie schließlich sonst kein Problem. „Und woher willst du das wissen?“, fragte er, wobei er versuchte, möglichst unbeeindruckt zu klingen. „Okay, ja, sie hat vielleicht ’ne große Klappe, ist manchmal anstrengend und ihre Launen können ganz schön nerven, aber –“ „Davon rede ich nicht!“, unterbrach ihn sein Gegenüber. Er streute eine Denkpause ein und setzte nach: „Es sei denn, das sind die Gründe.“ „Gründe wofür?“ „Gründe, wegen denen du sie nicht heiraten willst!“ „Was?“, entgegnete er perplex und murmelte ohne Sinn: „Nein!“ „Und was ist dann dein Problem?“, fuhr Kankurou unbeirrt fort und auf einmal flackerte in seinem Gesicht so etwas wie eine Erkenntnis auf. „Sie ist dir doch zu alt, stimmt’s?“ Shikamaru blinzelte ungläubig. Seine Vermutungen wurden ja immer absurder! Was kam als nächstes? „Ich wusste es!“, wetterte er empört los. „Du verdammter –“ „So ein Schwachsinn!“, fuhr er ihm ins Wort, bevor er sich in eine richtige Wutrede hineinsteigern konnte. „Ihr Alter ist mir total egal und wird es auch immer sein.“ An Kankurous Miene erkannte er, dass er mit dieser klaren Antwort nicht gerechnet hatte. Er schaute nahezu ernüchtert drein und das wiederum bestärkte ihn. Er hatte eine Chance gegen ihn. Er hatte eine Chance, diesen durchgeknallten Marionettenspieler zumindest in rhetorischer Sicht auszustechen. Vielleicht reichte das ja aus, um … „Jetzt juckt es dich vielleicht noch nicht“, sagte er langsam, „aber wer sagt mir, wie es in zehn, zwanzig Jahren aussehen wird?“ Okay, Shikamaru plante selbst gerne ein wenig im Voraus, aber das war einfach lächerlich! In zwanzig Jahren … So viel Zeit hatte er bis jetzt noch nicht mal auf der Erde verbracht. Woher sollte er wissen, was in zwei Jahrzehnten war? Wobei, eines wusste er ganz genau. „Ich würde sie selbst in tausend Jahren nicht wegen ihres Alters verlassen!“, entgegnete er mit Nachdruck. „Wen interessieren schon drei Jahre?“ „Gut.“ Kankurou atmete kurz durch. „Das werd ich mir merken. Wenn ich jemals dahinterkommen sollte, dass das doch der Grund ist, dann bist du so was von …“ Er fluchte unverständlich und knirschte im Anschluss bedrohlich mit den Zähnen. „Und weiter?“ Sollte er ihm jetzt alle Gründe aufzählen, die auf jeden Fall keine Relevanz dafür hatten, dass er sich irgendwann heimlich, still und leise davonmachte? Wenn er das tat, war er nächste Woche ja noch nicht fertig! „Was weiter?“, fragte Shikamaru gleichmütig. Er ging lieber auf Nummer sicher, auch wenn er sich definitiv in der Lage fühlte, als Sieger aus dieser Konfrontation hervorzugehen. Er musste ihm nur so lange wie möglich alles widerlegen und Argumente entkräften war etwas, das er ziemlich gut beherrschte. Sein Gegenüber brummte unzufrieden und blaffte los: „Lässt dein Kurzzeitgedächtnis schon zu wünschen übrig?“ Er zuckte die Achseln. „Kann sein, dass es manchmal einen Denkanstoß gebrauchen kann …“ Ihm war bewusst, dass er Kankurou mit dieser Aussage wahrscheinlich auf den Kaktus brachte, aber irgendwie … Er war sonst ja eher konfliktscheu, doch dieses ungleiche Wortgefecht fing an, ihm so etwas wie Spaß zu machen. Wirklich, er verstand gar nicht mehr, warum er sich so vor einer Gegenüberstellung gefürchtet hatte. Obwohl der Dialog erst so kurz anhielt, wusste er, dass dieser Typ seiner Schwester in dieser Hinsicht klar unterlegen war. Und dank Temari wusste Shikamaru bestens, wie er mit so einer Situation umgehen musste. Kankurous Augenbrauen verschmolzen zu einer Linie und er kaute ungeduldig auf seiner Unterlippe herum. Er schien mit sich zu hadern, ob er darauf antworten sollte, oder ob er von ihm doch nur verarscht wurde, entschied sich aber offensichtlich, sachlich zu bleiben. „Es ging darum, was gegen eine Ehe mit meiner Schwester spricht.“ „Im Grunde nichts“, sagte er nüchtern. „Wenn man davon absieht, dass wir beide es unnötig finden und es deshalb nicht wollen.“ Was nicht ganz der Wahrheit entsprach. Er selbst hatte es nie kategorisch ausgeschlossen – genauso wenig wie Temari, was allerdings daran lag, dass sie sich nie ernsthaft über das Thema unterhalten hatten. Und warum auch? Sie war halt nicht der Typ Mensch, für den diese Form des Zusammenlebens einen Mehrwert hatte. „Ihr bekommt aber ein Kind!“, argumentierte Kankurou weiter. „Und deswegen muss man sofort heiraten, auch wenn man gar nicht will?!“ „Das wäre vernünftig.“ Das wäre total bescheuert!, dachte Shikamaru. Der Kerl war nur ein Jahr älter als er, hatte aber Ansichten, die schon seit Jahrzehnten überholt waren. So eine Einstellung konnte auf lange Sicht nicht gesund sein – zumindest nicht für seine Mitmenschen. Und da er momentan der Hauptleidtragende war … „Wenn man extrem konservativ erzogen wurde, vielleicht“, gab er zurück. „Aber das wurde ich nicht. Und Temari im Gegensatz zu dir wohl auch nicht.“ Und wieder hatte er ihm eine Antwort gegeben, die garantiert nicht auf Kankurous Plan gestanden hatte. Er lobte sich nur ungern selbst, aber bis jetzt schlug er sich außerordentlich gut. „Ich wurde nicht …“, murrte der Angesprochene und fluchte. „Und selbst wenn doch: Es geht hier nicht darum, was für eine Erziehung ich genossen habe.“ „Und worum geht es dann?“ Seiner Stimme schwang bewusst ein provozierender Unterton mit und er wusste nicht, ob das mutig oder lebensmüde von ihm war – Kankurou war außerhalb seiner Redekunst schließlich immer noch ein imposanter Gegner –, doch er relativierte sein Gesagtes nicht. Wenn er unsinnige Fragen gestellt bekam, konnte er sie auch auf unsinnige Weise beantworten. Sein Gegenüber starrte ihn an, als wollte er ihn mit seinem Blick aufspießen – was zum Glück eine physikalische Unmöglichkeit war – und fragte außerordentlich bemüht, die Fassung zu bewahren: „Du machst es doch mit ihr, oder täusche ich mich?“ Mit der direkten Frage danach hatte Shikamaru nicht gerechnet, aber da sie so schwachsinnig war – wie beinahe alles, das Kankurou bis jetzt von sich gegeben hatte –, erwiderte er: „Was denn?“ Und – okay, das Folgende war reiner Größenwahn, aber irgendwie war es ihm das wert – er setzte nach: „Essen? Duschen? Kartenspielen?“ Abermals stieß er ein Knurren aus. „Sex!“, blaffte er ihn aufgebracht an. „Ich meinte Sex!“ Welch Überraschung … „Sex?“, wiederholte er trocken. „Nein, so was machen wir nicht.“ Ihm fiel eine Bemerkung ein, die Temari vor einigen Tagen gegenüber Naruto gemacht hatte. Und obwohl es sonst nicht seine Art war, ironisch zu sein, fuhr er fort: „Dieses Kind ist durch Luftbestäubung entstanden.“ Er musterte Kankurou unauffällig und auf einmal wirkte er nicht mehr wütend, sondern … anders. Er konnte es nicht genauer definieren. „Du enttäuscht mich“, meinte er sehr viel ruhiger. Shikamaru bemerkte sofort, dass die Aggressivität, mit der er ihm bisher gegenüber getreten war, völlig aus seinem Unterton verschwunden war. Und da Kankurous plötzlicher Stimmungsumschwung vermutlich nicht auf einer Schizophrenie basierte, beschloss er selbst, seinen Anfall Ironie erst einmal ruhen zu lassen. Auch wenn es spaßig war, so richtig wohl fühlte er sich nicht dabei. „Inwiefern?“, entgegnete er sachlich. „Ich hab dich eigentlich für eine intelligente Person gehalten, die Gleichaltrigen in einigen Aspekten weit voraus ist, aber das war wohl ein Irrtum.“ „Weil ich Fragen, die mir zu weit in die Privatsphäre gehen, nicht wahrheitsgemäß beantworten möchte?“, gab er zurück. „Weil ich es nicht leiden kann, wenn man mich verbal angeht und Vermutungen über Dinge, die ich niemals gesagt habe, als bestätigt hinstellt?“ Kankurou schwieg noch einen Augenblick, dann lachte er unerwartet los. Shikamaru glaubte kurz, er befände sich in einem wirren Traum oder in einer alternativen Realität, doch der bis eben noch ungehaltene und wütende Kerl lachte tatsächlich. „Hast du dir dieses Ich-geb-nur-ironische-Antworten-Ding von Temari abgeguckt?“, fragte er, als er sich von seiner Lachattacke erholt hatte. „Natürlich“, sagte er. „Sie ist schließlich die Beste darin.“ „Allerdings.“ Er lachte erneut. „Dann kann ich wohl doch froh darüber sein, dass du nicht so ein netter und liebenswürdiger Holzkopf wie Naruto bist. Ehrlich, ich dachte eben wirklich kurz, meine Schwester hätte eine totale Geschmacksverirrung.“ „Also hat sie das nicht?“ „Zumindest keine Totale.“ „Es beruhigt mich, dass du dieser Meinung bist.“ Kankurou setzte ein unheimliches Grinsen auf. „Ich hoffe, es beruhigt dich nicht zu sehr.“ Da er nur ein Schulterzucken als Antwort bekam, stieß er ein Seufzen der Ernüchterung aus und sagte: „Es ist echt unlustig, dass du so abgeklärt bist.“ „Ach, bin ich das?“, fragte Shikamaru monoton. Es war besser, wenn er dieser Furcht einflößenden Person nicht sagte, wie furchteinflößend sie tatsächlich war. „Leider“, bedauerte er. „Das verdirbt mir den ganzen Spaß.“ „Bedank dich bei deiner Schwester. Durch sie weiß ich schließlich erst, wie ich mich bei eurer speziellen Gattung am Klügsten zu verhalten habe.“ Abermals prustete Kankurou los – hatte er zwischendurch etwas genommen, oder warum war er auf einmal so gelassen? – und japste: „Das war tatsächlich ’ne kluge Entscheidung!“ Er schwieg. „Du bist eben auf dünnem Eis gewandelt, aber gut zu wissen, dass Temari sich jemanden angelacht hat, der doch halbwegs brauchbar ist.“ Halbwegs brauchbar … Na ja, er hatte schon deutlich nettere Komplimente bekommen, aber in diesem Fall war es höchstwahrscheinlich das Höchste der Gefühle. „Bedeutet das, dass du mich nicht bei der nächstbesten Gelegenheit umbringst und meine Überreste in der Wüste verscharrst?“ Er grinste wieder – auf die gruseligste Art, die Shikamaru jemals gesehen hatte und gegen die noch nicht einmal seine Mutter ankam – und murmelte: „Eine reizvolle Idee.“ Er ließ seine Fingerknöchel knacken, dann wich das furchtbare Grinsen einem belustigtem Lächeln. „Aber da du meiner Schwester so wichtig bist – aus welchen Gründen auch immer –, wäre es unklug, wenn ich diesem niederen Bedürfnis nachgeben würde.“ Die Möglichkeit, dass er durch Kankurou auf unschöne Weise ums Leben kam, konnte er also von seiner ungeschriebenen Liste der Tode, die ihn ereilen könnten, streichen. Wenn das keine Erleichterung war, wusste er auch nicht. Vor allem, solange er sich noch in diesem Dorf aufhielt – und solange er sich seine Freundin nicht zur Feindin machte. Shikamaru äußerte sich dazu nicht weiter – er wollte sein Glück nicht herausfordern – und fragte stattdessen: „Und was ist nun der Sinn und Zweck dieses Gesprächs?“ Kankurou legte seine Stirn in Falten. „Habe ich dir das nicht deutlich genug gemacht?“ Er seufzte. „War meine Antwort darauf nicht deutlich genug?“ „Dann war es also dein Ernst, dass eine Heirat nicht zur Debatte steht?“ „Absolut“, bestätigte er. „Und warum?“ Warum, warum … Langsam wurde ihm dieses ständige Begründen wirklich zu anstrengend. „Sie möchte es offensichtlich nicht, ich muss es auch nicht unbedingt haben …“ – er deutete ein Achselzucken an – „Also lassen wir’s halt bleiben.“ „Hat sie das denn so gesagt?“ „Zu mir nicht“, gab er zu und bevor er die Quittung für zu viel Ehrlichkeit bekam, bemerkte er: „Aber hat sie es zu dir in den letzten Tagen nicht mehrmals gesagt?“ „Schon“, sagte er, „aber ich bin mir nicht sicher, ob sie es wirklich so meint.“ Was war das denn bitte für ein Schwachsinn? Temari sprach ihre Ansichten immer klar aus, also warum sollte es ausgerechnet bei dieser Thematik anders sein? „Genau, in Wirklichkeit ist es ein Wink mit dem Zaunpfahl, der besagt: Frag mich, du Idiot!“, sagte Shikamaru, wobei er eine Spur ehrlicher Ironie nicht verbergen konnte. „Möglich wäre es“, meinte Kankurou. „Nein, eigentlich ist das sogar ziemlich wahrscheinlich.“ Nein, es war nicht wahrscheinlich, sondern einfach nur absurd. „Warum bist du so darauf aus, dass ich sie heirate?“, fragte er direkt, da er die Unterhaltung endlich hinter sich bringen wollte. „Was macht es für einen Unterschied, ob wir mit oder ohne Ring am Finger zusammenleben?“ Der Ältere schien über eine Antwort nachzudenken, dann sagte er: „Ich glaube einfach, dass ihr eine Sicherheit im Leben gut tun würde.“ „Also soll ich sie heiraten, damit sie sich im Dorf besser integriert und weniger wie eine Fremde fühlt?“ „So hätte ich es jetzt nicht ausgedrückt, aber die Richtung, in die du denkst, ist nicht so falsch.“ „Das ist doch totaler Unsinn!“, gab Shikamaru zurück. „Sie fühlt sich nicht –“ Abrupt hörte er auf zu reden. Temari hatte nie durchklingen lassen, dass sie sich in Konoha nicht wohl fühlte, aber sie hatte in der letzten Zeit übermäßig oft betont, was sie alles für ihn aufgab. Sie versicherte ihm zwar auch, dass sie sich damit abgefunden hatte, aber … „Hat sie Freunde bei dir drüben?“, fragte Kankurou. Einige Bekannte hatte sie, aber richtige Freunde? Wenn er es Recht bedachte, pflegte sie maximal mit Sakura so etwas wie eine Freundschaft. „Möchte sie überhaupt welche?“, entgegnete er. „Es kam mir nämlich nie so vor, als würde sie darauf großen Wert legen.“ „Sie ist ’ne ziemliche Einzelgängerin, klar. Aber auf Dauer wäre es für sie nur von Vorteil, wenn sie Anschluss in der Gesellschaft findet.“ „Und durch eine Heirat würde sie sich eher dazugehörig fühlen?“, fragte er skeptisch. „Das würde es ihr auf alle Fälle erleichtern, denke ich.“ Einen Hauch an Logik gab es ja tatsächlich in dieser Aussage, aber in Temaris Fall kam ihm das völlig widersprüchlich vor. „Wenn das der einzige Grund ist, der für eine Ehe spricht, finde ich ihn immer noch ziemlich schwach.“ „Hast du schon mal über die Gründe nachgedacht, die dafür sprechen könnten?“, erwiderte Kankurou ruhig. „Du hast zwar gesagt, dass du es nicht auf eine Heirat anlegst, aber komplett abgeneigt scheinst du nicht zu sein.“ „Es kann gut sein, dass ich sie in ein paar Jahren doch mal frage, aber …“ „Aber?“ Er hob die Brauen und musterte ihn forschend. Ja, was nun? Da hatte er sich in eine schöne Ecke manövriert – was leider nicht mal das Schlimmste war, denn seine Frage hatte durchaus seine Daseinsberechtigung. „Bist du dir denn nicht sicher, was meine Schwester betrifft?“, setzte er nach. „Doch“, antwortete er rasch, „natürlich.“ Und das war die absolute Wahrheit. Shikamaru wusste, dass er sich so sicher war, wie ein Mensch nur sein konnte. Er liebte sie und wollte trotz diverser Differenzen gar keine andere mehr. Und dies mit einer Eheschließung zu unterstreichen, kam ihm auf einmal nicht mehr völlig sinnfrei vor. Er spürte ein sachtes Schulterklopfen, sah sich nach dem Ursprung um und blickte direkt in Kankurous Gesicht. Er lächelte breit und sagte: „Und was hält dich dann davon ab, sie zu fragen?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)