Eins plus eins macht drei! von Rabenkralle ================================================================================ Kapitel 44: Blamieren geht über studieren ----------------------------------------- Kapitel 44: Blamieren geht über studieren Temaris Zimmer lag am Ende des Flures und wirkte vor allem eins: Schlicht. Eingerichtet war es hauptsächlich in hellem Holz – daraus bestand zumindest ihr Kleiderschrank, der Schreibtisch und das Bücherregal; die Wände waren mit ein paar bunten Fächern dekoriert und – „Warum hast du ein Doppelbett?“ „Was soll denn die Frage?“, erwiderte sie und machte es sich darauf gemütlich. Shikamaru schwieg. „Ich hab’s extra vor drei Jahren wegen dir gekauft, aber du wolltest ja nie herkommen.“ Peinlich berührt wandte er sich ab. „Ach, Quatsch!“, fuhr sie fort und lachte. „Ich hab das Teil vor zehn Jahren zum Geburtstag bekommen, nachdem ich eine Weile auf einer Matratze auf dem Boden schlafen musste, weil Kankurou mein altes Bett auseinandergenommen hat.“ Er sagte wieder nichts. „Ist doch nicht schlimm, dass du noch nie hier warst. Wenn ich so scharf drauf gewesen wäre, dass Matsuri und Kankurou uns permanent auf den Keks gehen und aushorchen, hätte ich es schon gesagt. Und jetzt komm schon her!“ Temari stand kurz auf und zog ihren Freund zu sich aufs Bett. „War trotzdem ziemlich egoistisch von mir.“ Er seufzte. „Wenn du es unbedingt wieder gutmachen möchtest, wüsste ich da was“, sagte sie und drückte ihm einen Kuss auf. --- Mit schmerzender rechter Seite wachte sie am Morgen auf. Sie drehte sich nach links, doch auch das wurde bald unbequem. Nachdem sie nach wenigen Minuten in der Rückenlage Herzrasen bekam, stand sie auf. Ihre Blase war ohnehin so dermaßen voll, dass weiteres Herumliegen sinnlos war. Schwerfällig und lustlos stand sie auf und schlenderte zum Badezimmer. Sie drückte die Klinke herunter und nichts passierte. Die Tür war abgeschlossen. Temari klopfte mehrmals gegen das Holz und rief: „Beeilung, eine Schwangere muss mal ganz dringend!“ Keine Antwort. Sie legte ein Ohr an und hörte das Rauschen von Wasser. Jemand duschte gerade. Fluchend wandte sie sich ab. Zum Glück gab es noch eine Toilette im Obergeschoss, die sonst nur Gaara benutzte. Temari stieg die steilen Stufen hinauf. Oben angekommen, musste sie erst einmal einen Moment verschnaufen. Treppensteigen wurde langsam extrem anstrengend … Gut, dass nach dem Urlaub der Umzug ins Erdgeschoss anstand, bevor sie in wenigen Wochen getragen oder auf allen Vieren zu ihrer Wohnung hoch kriechen musste. Das kleine Bad war blitzblank geputzt. Offensichtlich gab sich Matsuri hier beim Putzen besondere Mühe, auch wenn es irgendwie ein wenig traurig war, dass sie es nicht auf andere Weise schaffte, Gaara zu imponieren. Das hieß, falls er von der übertriebenen Sauberkeit überhaupt Notiz nahm. --- Anschließend kehrte sie in ihr Zimmer zurück, kuschelte sich unter ihre Decke – in letzter Zeit fror sie häufig – und versuchte, wieder einzuschlafen. Nach einer Weile schaute sie auf die Uhr. Es war viertel vor sechs. Und ihr kamen die komischsten Gedanken. Zuerst fragte sie sich, wer so früh duschte – alle außer Gaara hatten Urlaub und dieser schlief, seitdem er Shukaku los war, zu dieser Uhrzeit noch tief und fest. Sie stellte sich vor, dass Matsuri in der Badewanne übernachtet hatte und Kankurou aus Spaß das Wasser angestellt hatte. Ein Grinsen schlich sich auf ihre Lippen, doch sie kam sich in Anbetracht dieser Fantasie albern und blöd vor – was sie zu ihrem Kind und der Frage brachte, ob eine Mutter überhaupt über so dümmliches Zeug lachen durfte. Et cetera, et cetera. So verging eine halbe Stunde. Shikamaru neben ihr hatte sich noch keinen Millimeter geregt und sie spielte mit dem Gedanken, ihn zu wecken. Nachdem sie alle Für und Wider gegeneinander abgewogen hatte – die Wider gewannen mit einem deutlichen Vorsprung – ließ sie ihn schlafen und beschloss, aufzustehen und nach einem kleinen Frühstück einen Spaziergang durch ihre Heimat zu machen. In der kleinen, fensterlosen Küche brannte Licht. Sakura saß in Kankurous Bademantel gehüllt an dem winzigen Tisch, der sonst nicht benutzt wurde, und aß eine Portion Cornflakes. „Guten Morgen!“, sagte sie. „Schon so früh wach?!“ „Dasselbe könnte ich über dich sagen“, entgegnete Temari und setzte sich auf den wackeligen Hocker, der schon im Raum stand, seit sie denken konnte. „Kankurou schnarcht wie ein Sägewerk.“ Sakura machte eine ironische Miene. „Und da ich nicht mehr schlafen konnte, dachte ich mir, ich geh schnell duschen und mach einen Abstecher zum Gewächshaus.“ „So früh morgens ist es da schön ruhig ohne die ganzen Touristen. Hast du was dagegen, wenn ich mich selbst einlade?“, fragte ihre Freundin. „Shikamaru schnarcht zwar nicht, aber mein Rücken bringt mich noch um, wenn ich auch nur eine Minute länger liegen muss.“ „Bewegung ist gegen solche Zipperlein die beste Medizin“, meinte sie mit einem Lächeln. „Dann kann ich ja nicht Nein sagen.“ --- Im Gewächshaus herrschte eine idyllische Stille. Temari legte sich auf den harten Boden ins Gras nahe des künstlich angelegten Bächleins. Dies war ihr absoluter Lieblingsort und perfekt zum Entspannen … Sie bereute einen Moment, dass sie Shikamaru nicht hierher mitgenommen hatte, denn ihm hätte es mindestens genauso gefallen wie ihr, doch sie hatte ja genug Zeit, dies in den nächsten Tagen noch nachzuholen. Vielleicht konnte sie ihren Freund ja so von der Schönheit ihrer Heimat überzeugen, denn allzu begeistert schien er bisher nicht sein. Sie kicherte vor sich hin. Shikamaru tat sich ja immer etwas schwer damit, Begeisterung zu zeigen. Am besten erwartete sie keine Wunder von ihm, was das betraf. Temari lauschte dem Fließen des Wassers und fiel in einen leichten Dämmerzustand, der von einem sehnsüchtigen Gefühl begleitet wurde und ihr wurde schmerzhaft bewusst, wie sehr sie Sunagakure vermisse. Verdrossen öffnete sie wieder die Augen, legte sich auf die Seite und beobachtete die Wasseroberfläche. Sie bekam den Gedanken nicht aus dem Kopf, dass sie ihren Entschluss, nach Konoha zu ziehen, ein wenig bereute. Gerne hätte sie einen sofortigen Rückzieher davon gemacht, doch wie erklärte sie das Shikamaru, nachdem sie ihm wochen- und monatelang weisgemacht hatte, dass sie auf jeden Fall bei ihm wohnen bleiben würde? Das war total absurd und sie wusste, dass sie ihre Entscheidung nicht rückgängig machen würde. Heimweh war etwas ganz normales und nur, weil sie sich dauerhaft nach ihrem Lieblingsplatz sehnte – wovon es im Feuerreich tausend vergleichbare Orte gab –, verpasste sie ihrem Freund nicht diesen Tritt in den Hintern. Außerdem musste sie dann die tolle Wohnung aufgeben, in die sie bald zogen, und das kam absolut nicht infrage, nachdem sie so lange etwas Geeignetes gesucht hatte. In ihrem Bauch zuckte es. „Du hast völlig Recht!“, stimmte Temari ihrem Kind zu und schmunzelte. Damit sie ihr ganzes Leben über den Haufen warf, musste schon etwas anderes als ein bisschen Heimweh kommen. Aber das hatte sie ja erst vor wenigen Monaten erlebt. --- „Du siehst aber entspannt aus“, bemerkte Sakura, als sie ihre Freundin vorfand. „Na ja, geht so.“ Etwas unbeholfen rappelte sie sich auf und stellte zu ihrer Erleichterung fest, dass ihre Rückenschmerzen verschwunden waren. Zumindest bis sie sich das nächste Mal für längere Zeit irgendwohin setzte. „Vielleicht sollte ich bis zur Geburt nur noch draußen schlafen.“ „Hattest du das Problem in Konoha auch schon?“ Sie schüttelte den Kopf. „Dann ist deine Matratze wahrscheinlich zu weich. Probier’s doch mal mit Yoga. Das soll helfen.“ „Kannst du mir nicht einfach ’nen neuen Rücken besorgen?“, scherzte Temari. Sakura lachte. „Ich würde, wenn ich könnte, aber so einfach ist das leider nicht.“ „Schade, aber in gut drei Monaten hab ich’s ja geschafft.“ Noch drei Monate? Das konnte ja echt was werden, wenn sie sich jetzt schon so beklagte … --- Shikamaru lag auf einer Blumenwiese und blickte in den strahlend blauen Himmel. Kleine Wolken wie Wattebällchen in den verschiedensten Formen zogen am Firmament entlang und hinterließen den Eindruck tiefster Entspannung bei ihm. An diesem Ort wollte er bleiben, alle Sorgen – hatte er im Moment überhaupt welche? – für immer hinter sich lassen. Plötzlich eine leichte Vibration. Vögel flogen schreiend auf, der Himmel zog sich dunkel wie bei einem Gewitter zu. Tiere liefen aus dem Wald wie auf der Flucht an ihm vorbei, der Boden bebte immer stärker. Irritiert sprang Shikamaru auf und sah sich nach der Quelle der Unruhe um. Die Erde vor ihm brach auf und der Spalt schnellte auf ihn zu. Er drehte sich um und wollte losrennen, doch es war zu spät. Der tiefschwarze Schlund holte ihn ein, verschlang ihn und er fiel ins Bodenlose … Er schreckte mit einem leichten Schweißfilm auf der Stirn aus dem Schlaf. „Wie kann man nur so lange schlafen?“, fragte Temari tadelnd. Shikamaru blinzelte. Die Hände seiner Freundin lagen immer noch fest auf seinen Schultern. So viel also zu dem Erdbeben in seinem Traum. „Du hast Gras im Haar hängen“, bemerkte er resigniert und schloss wieder die Augen, um weiterzuschlafen, aber … Moment! Gras? Saftig grünes Gras? Wo hatte sie das denn her? Waren sie etwa doch nicht in Sunagakure und er hatte sich die Reise nur eingebildet? Hatte er ein paar Tage im Koma oder so gelegen? Egal … Temari fischte nach dem Grashalm und schnippte ihn aus dem geöffneten Fenster. „Jetzt steh schon endlich auf!“, sagte sie. „Du hast zwölfeinhalb Stunden geschlafen! Das muss doch langsam mal reichen …“ „Ich hab dich auch gut vier Fünftel des Weges hierher getragen“, murmelte er. „Das ist wie viel Kilo zusätzliches Gepäck?“ Verärgert biss sie die Zähne zusammen, beachtete seine Provokation aber nicht weiter. „Dann leg dich heute Nachmittag von mir aus noch mal ein paar Stunden hin“, meinte sie bemüht sachlich. „Jetzt springst du aber erstmal unter die Dusche – du müffelst nämlich wie ’ne tote Ratte – und dann gehen wir zusammen frühstücken und ich zeige dir ein bisschen das Dorf.“ Shikamaru seufzte. „Müssen wir gleich eine Wanderung veranstalten? Ich bin von der Reise immer noch völlig fertig.“ Seine Freundin grinste schadenfroh. „Wenn du mich vorher mal besucht hättest, würde dir das heute erspart bleiben.“ Sie drehte sich um und verließ das Zimmer. Wie eine tote Ratte? Er roch an sich und rümpfte die Nase. Ganz so schlimm war es zwar noch nicht, aber in puncto Geruch hatte er dringend Handlungsbedarf. Vielleicht fühlte er sich nach einer Dusche auch nicht mehr wie fünfmal durch den Fleischwolf gedreht. Einen Versuch und den Seelenfrieden war es allemal wert. --- Eine halbe Stunde später fühlte sich Shikamaru tatsächlich besser – nun ja, zumindest hatte eine leichte Verbesserung von völliger Scheiße zu nicht mehr ganz so beschissen stattgefunden. Die breiige Masse in seinen Beinen und vor allem in den Armen, die mal Muskeln gewesen waren, hatte sich zu unbeständigem Wackelpudding zusammengesetzt. An sich machte es ihm ja nichts aus, vor Erschöpfung wie ein Betrunkener durch die Gegend zu schwanken, doch wenn einen die Freundin, die bekannt war wie ein bunter Hund, durch ihre Heimat schleifte, machte sich das nicht mehr so gut. Am besten fragte er Sakura nach ein paar starken Schmerztabletten, damit er sich nicht ganz so bloßstellte … Temari begrüßte ihn im Wohnzimmer mit einem strahlenden Lächeln. „So gefällst du mir doch gleich viel besser!“ Es irritierte ihn etwas, dass sie ihm anscheinend die – absolut nicht ernst oder böse gemeinte – Anspielung auf ihr Gewicht nicht übel nahm, aber das sollte ihm Recht sein. Wahrscheinlich bekam er das später zehnfach zurück. „Tatsächlich?“, entgegnete Shikamaru gleichmütig und gähnte. Er war echt froh, wenn er die Tour hinter sich hatte und sich wieder aufs Ohr hauen konnte … „Deine Motivation ist großartig wie immer“, gab sie zurück, „aber wenigstens stinkst du nicht mehr.“ Sie lachte. Ganz zu seiner Überraschung. „Du scheinst ja ganz scharf drauf zu sein, dich mit mir in der Öffentlichkeit zu blamieren.“ Temari hob die Augenbrauen. „Meinst du, ich würde dich mitnehmen, wenn du mir peinlich wärst?“ Anscheinend nicht, dachte Shikamaru ironischerweise. 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