Angriff ist die beste Verteidigung von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 15: Teil 3 - Kapitel 1 ------------------------------ Angriff ist die beste Verteidigung by CarpeDiem Teil 3 In the End I don´t know why, It doesn´t even matter how hard you try. Keep that in mind, I designed this rhyme to remind myself how I tried so hard. In spite of the way you were mocking me. Acting like I was part of your property. Remembering all the times you fought with me. I´m surprised I got so far. Things aren´t the way they were before. You wouldn´t even recognize me anymore. Not that you knew me back then But it all comes back to me In the end. I tried so hard and got so far, but in the end it doesn't even matter. I had to fall, to lose it all, but in the end it doesn't even matter. In the End by CarpeDiem 1 Akihito unterdrückte ein Gähnen und nahm stattdessen einen weiteren, großen Schluck von seinem Kaffeebecher, während er vom Beifahrersitz aus durch das Fenster nach draußen auf die hell erleuchtete Straße sah. Es war ein seltsames Gefühl wieder in Tokio zu sein, nachdem er vor zwei Jahren mit seinem Leben hier abgeschlossen hatte. Natürlich kannte er nicht jede Straße und jeden Bürgersteig, und in dem Teil von Tokio, durch den sie gerade fuhren, war er früher nur selten gewesen, aber das Gefühl, das einem die Stadt gab, war anders als in Osaka. Vielleicht bildete er sich das aber auch nur ein. Tatsache war jedoch, dass er nicht die geringste Lust hatte jemandem aus seiner Vergangenheit zu begegnen. Er hatte zu viel Zeit und Energie darauf verwendet dieser Vergangenheit zu entkommen, nur um sich jetzt durch einen dummen Zufall wieder von ihr einholen zu lassen. Akihito warf einen kurzen Blick zu Roy, der neben ihm am Steuer seines BMW saß, bevor er noch einen Schluck von seinem Kaffee trank. Er war immer noch müde. Als er heute Morgen zur Tür ihres Apartments herein gestolpert war, hatte er nur den Wunsch gehabt in sein Bett zu fallen und die nächsten zwölf Stunden durchzuschlafen. Daraus war allerdings nichts geworden, denn Roy hatte ihn vier Stunden später wieder aus dem Bett geworfen, da er einen Auftrag in Tokio angenommen hatte und noch nicht genau wusste, ob er dabei Hilfe brauchen würde. Es war nicht ungewöhnlich, dass man erst vor Ort den Namen der Zielperson und die Details erfuhr, aber es erschwerte die Planung um ein Vielfaches. Also war Akihito ins Auto gestiegen, wo er wenigstens ein paar Stunden Schlaf während der Fahrt bekommen hatte und jetzt, kurz vor sehr Uhr am Abend, waren sie in Tokio. Roy bog an der nächsten Ampel rechts ab und dann noch ein weiteres Mal nach links, bevor er an der Seite der Straße hielt. Akihito kannte sich in der Gegend nicht aus, aber es gab viele Geschäfte und Restaurants und auf den Straßen und den Bürgersteigen war noch einiges los. Nachdem Roy den Motor abgestellt hatte, stieg Akihito aus dem Wagen und streckte sich ausgiebig. Es war beinahe dunkel draußen und mit der Sonne, die beinahe den ganzen Tag vom Himmel hinab gestrahlt hatte, war auch die Wärme des Tages verschwunden. Die letzten Wochen hatte es ausnahmslos geregnet aber jetzt, Ende April, wurde das Wetter wieder etwas freundlicher und man kam mit einer dünnen Jacke aus. „Na, wieder aufgewacht?", fragte Roy mit einem schiefen Grinsen, als er um den Wagen herum ging und seine Autoschlüssel in die Hosentasche seiner Jeans steckte. Akihito enthielt sich einer Antwort und gähnte stattdessen laut. Er war gestern Abend mit einem Freund zusammen in einem Club gewesen und hinterher waren sie in Seijis Wohnung gemeinsam im Bett gelandet. Genau genommen war Seiji mehr als nur ein Freund, aber Akihito wusste nicht, was für einen Namen er ihm stattdessen geben sollte. Sie gingen öfter zusammen weg und hatten anschließend die ganze restliche Nacht wilden Sex zusammen, aber Akihito war bis jetzt noch jedes Mal am Morgen danach wieder verschwunden. Er mochte Seiji, aber er konnte sich keine ernsthafte Beziehung mit ihm vorstellen, schon allein deswegen nicht, da Seiji nicht einmal seinen echten Vornamen wusste. Der einzige, der seinen echten Namen kannte, war Roy, denn für den Rest der Welt war er Aki Takashima und das würde er auch bleiben, solange Roy und er Partner waren. Die Geschichte mit Roy damals auf ihrer Couch vor eineinhalb Jahren war allerdings eine einmalige Sache gewesen. Es war genau das gewesen, was Akihito nach seinem ersten Auftrag gebraucht hatte und Roy schien genau das gespürt zu haben. Akihito war bereits am nächsten Morgen klar gewesen, dass sich das nicht wiederholen würde. Roy war sein Partner und sein Freund und Akihito würde ihm sein Leben anvertrauen, aber mehr war nicht zwischen ihnen. „Was glaubst du wie lange das heute dauern wird?", fragte Akihito ohne besondere Begeisterung, als er sich in Bewegung setzte. Roy hatte ihm bis jetzt noch keine Details gegeben, zum einen weil Akihito fast die ganze Fahrt über geschlafen hatte und zum anderen, weil er vermutlich selbst keine hatte. „Keine Ahnung, aber das werden wir gleich herausfinden. Das da ist es", antwortete Roy und zeigte auf ein großes, weißes Gebäude auf ihrer Seite der Straße. Sie gingen zu eine schwarzen Doppeltür an der Vorderseite, vor dem zwei Wachleute in schwarzen Anzügen standen. Der eine war noch ziemlich jung und hatte schwarze Haare und der andere war blond und trug eine Brille. „Mein Name ist Tashiro", sagte Roy, als sie die beiden Gorillas erreicht hatten. „Wir haben einen Termin mit Shimasaki." Anscheinend hatte man sie bereits erwartet, denn der Blonde mit der Brille nickte einen Augenblick darauf und ging voraus, als der andere Anzugträger die Tür öffnete. Roy und Akihito wurden durch einen kurzen Eingangsbereich in einen hohen Saal, der Akihito an eine westliche Kirche erinnerte, geführt. Auf der rechten Seite befand sich eine lange Bar, aus dunklem Holz auf der in gleichmäßigen Abständen mehrere schwarze Hocker standen und auf der anderen Seite führte eine breite, geschwungene Treppe mit einem blauen Teppich nach oben in den zweiten Stock. Ein paar Leute waren gerade dabei alles für den abendlichen Betrieb herzurichten und eine junge Frau stellte die Hocker von der Bar herunter. Anscheinend war das hier ein Nachtclub und die Einrichtung ließ darauf schließen, dass er nur für Leute mit dicken Geldbeuteln geöffnet war. Als sie den Fuß der Treppe erreicht hatten, blieb der blonde Bodyguard stehen und versperrte Akihito den Weg. „Er nicht, nur du", sagte er zu Roy, der daraufhin ungläubig den Kopf schief legte. „Er ist mein Partner", antwortete er, doch der Kerl mit der Brille schüttelte den Kopf. „Befehl vom Boss." Akihito brauchte nicht mehr als einen Blick, um zu erkennen, dass es keinen Sinn hatte mit ihrem Begleiter zu debattieren. Anscheinend hatte es sich nach zwei Jahren immer noch nicht herumgesprochen, dass Tashiro jetzt einen Partner hatte und da er diesen Auftrag so schnell wie möglich hinter sich bringen wollte, um wieder in sein Bett zu kommen, hatte er keine Lust sich auf eine Diskussion einzulassen. „Dann werde ich einfach hier unten warten", schlug Akihito mit einem gutmütigen Grinsen vor und während der Blonde mit der Brille Roy nach oben führte, blieb der andere Kerl mitten auf der Treppe stehen, um sicher zu stellen, dass Akihito nicht auf dumme Ideen kam. Akihito drehte sich um und setzte sich auf die weiße Ledercouch einer Sitzecke, um auf Roy zu warten, während er sich überlegte, wie er Roy dazu bringen könnte sich noch etwas zu Essen zu holen, bevor sie ihren Auftrag erledigen würden. Eine knappe viertel Stunde später kam Roy die Treppe wieder hinunter und bedeutete Akihito ihm nach draußen zu folgen. Akihito stand auf und schob seine Hände in die Hosentaschen, während sie den Club wieder verließen. „Und, was hat der große Boss gesprochen?" Roy warf ihm einen amüsierten Seitenblick zu. „Das Übliche", antwortete er und blieb dann draußen vor der Tür des Gebäudes stehen. „Hör zu der Job wird der reinste Spaziergang werden. Ich hab einen Namen, einen Ort und eine Uhrzeit. Die haben mich im Grunde nur angeheuert, um abzudrücken und das schaffe ich problemlos auch alleine. Tut mir leid, dass ich dich um deinen Schlaf gebracht habe. Was hältst du davon, wenn du dir hier irgendwo was zum Essen kaufst und ich hol dich in drei Stunden wieder ab, wenn ich mir von Shimasaki das Geld hole und wir fahren nach Hause." Akihito sah Roy überrascht an, aber sein Magen knurrte angesichts dieser Idee. Er hatte kein Frühstück gehabt und zum Mittagessen hatten sie nur ein paar Sandwiches im Auto gegessen. „Ist das dein Ernst?", fragte er hoffnungsvoll und Roy nickte. „Ja sicher. Ich habe nicht das Geringste davon, wenn du neben mir auf diesem Dach liegst. Außerdem geht es schneller, wenn ich alleine bin." Akihito zuckte gleichgültig mit den Schultern. Es war nicht so, dass er Roy aufhalten würde, aber wenn man alleine war, musst man auf niemanden Rücksicht nehmen und das sparte Zeit. Vor allem machte es wirklich keinerlei Sinn, wenn er einfach nur hinter Roy herlief. „Okay, dann sehen wir uns später", entgegnete Akihito gut gelaunt. „Ruf mich an, wenn du fertig bist." Roy nickte, bevor er zu seinem Wagen ging, sich dann aber noch einmal umdrehte. „Und nimm mir was zu Essen für die Heimfahrt mit. Aber kein Sushi", bat er und Akihito lachte daraufhin leise. „Alles klar", antwortete er und Roy stieg in den Wagen, bevor er den Motor anließ und losfuhr. Akihito blieb noch einen Moment lang auf dem Bürgersteig stehen, während er sich umsah und überlegte in welches Restaurant er gehen sollte. Da Roy gesagt hatte, er wäre erst in drei Stunden wieder zurück, entschied Akihito sich dafür ein Stück die Straße entlang zu gehen und sich erst einmal ein wenig umzusehen. Er wandte sich aus einer Laune heraus nach links und ging los, während er in seine Jackentasche griff. Er wollte seinen Geldbeutel herausholen, um zu sehen wie viel Bargeld er noch hatte, doch als er spürte, wie ihm dabei versehentlich ein Päckchen Kaugummis mit heraus fiel, blieb er am Rand des Bürgersteiges stehen. „Verdammt", fluchte er leise, als er sah, dass das Päckchen genau in einer kleinen Pfütze gelandet war. Er ging in die Knie, um es vorsichtig wieder aus dem dunklen Wasser zu fischen, als er Stimmen aus der kleinen Seitengasse neben sich hörte und dabei Roys Name fiel. „Hoffentlich klappt es dieses Mal." „Dieser Tashiro sah doch ziemlich professionell aus." Akihito zog die Augenbrauen zusammen, während er nach dem Päckchen Kaugummi griff. Es war sich ziemlich sicher, dass die Stimme des zweiten Mannes, die des blonden Bodyguards mit der Brille von vorhin gewesen war. „Das hast du von dem Letzten auch gesagt und mit dem hat Asami nach allem, was ich gehört habe, kurzen Prozess gemacht." Das Klicken eines Feuerzeuges ertönte, bevor der andere wieder sprach. „Das habe ich auch gehört, aber dieses Mal hat der Boss dafür gesorgt, dass Asami ihm auf dem Silbertablett serviert wird. Alles, was er tun muss, ist zu warten, dass Asami das Sion verlässt, um sich mit dem Boss zum Abendessen zu treffen und abzudrücken. Das sollte ein Kinderspiel werden." Akihito verharrte bewegungslos in der Gasse, das Päckchen Kaugummi zwischen zwei Fingern, während er nichts anderes tun konnte, als vor sich auf den Boden des Bürgersteiges zu starren. Währenddessen setzte sich das Gespräch, das er gerade mit angehört hatte, langsam in seinem Kopf zusammen. Asami war Roys Zielperson. Roy würde vor dem Sion auf Asami warten und ihm mit dem Präzisionsgewehr genau zwischen die Augen schießen, wenn er den Club verließ, um sich zum Abendessen mit Shimasaki zu treffen. Akihito konnte die Szene förmlich vor sich sehen. Das war der Grund, weshalb er darauf bestanden hatte den Job allein zu erledigen. Roy hatte ihn angelogen. Akihito spürte Enttäuschung und Wut in sich aufsteigen. Roy hatte vor Asami zu erschießen und weil er genau wusste, dass Akihito das nicht zulassen würde, hatte er ihn angelogen. Er wollte ihn so weit wie möglich von seiner Zielperson entfernt wissen, damit er seinen Auftrag erledigen und Asami töten konnte, ohne dass Akihito versuchen würde es zu verhindern. Akihitos Überlegungen stockten für einen Augenblick und er fragte sich, ob er wirklich vorhatte zu verhindern, dass Roy Asami erschoss. Roy war sein Partner und er vertraute ihm. Zumindest hatte Akihito das geglaubt, bis Roy ihn gerade eben angelogen hatte. Allerdings hatte er Akihito vor zwei Jahren aus dem Trümmerhaufen, den er sein Leben genannt hatte, gerettet, ohne eine Gegenleistung dafür zu erwarten und Akihito wusste nicht, was passiert wäre, wenn Roy ihm nicht geholfen hätte. Er war ihm unendlich dankbar für alles, was er für ihn getan hatte und ein Teil von ihm fühlte sich schlecht bei dem Gedanken daran ihm in den Rücken zu fallen. Der andere Teil von ihm, konnte die Bilder wie Asami mit einer Kugel zwischen den Augen zu Boden ging, jedoch nicht verdrängen. Roy hatte Recht gehabt, dieser Auftrag war ein Spaziergang und Roy war zu gut dafür, um danebenzuschießen. Akihito fragte sich jedoch im selben Moment, warum es eigentlich sein Problem war, wenn Asami von irgendeinem Auftragskiller erschossen wurde. Akihito hatte Asami vor zwei Jahren verlassen, nachdem ihn das Leben an seiner Seite, oder vielmehr in seinem Schatten, beinahe zu Grunde gerichtet hatte. Dieser Mann hatte sein Leben zerstört und Akihito bedeutete ihm nicht das Geringste. Es sollte ihm egal sein, ob irgendein Auftragskiller ihm eine Kugel in den Kopf jagte. Nur war Roy nicht irgendein Auftragskiller, sondern sein Partner und so sehr Akihito auch versuchte das alles von einem logischen Standpunkt aus zu betrachten, konnte er es nicht. Es war ihm nicht egal. Alles in ihm wehrte sich dagegen einfach tatenlos zuzusehen wie Roy Asami umbringen würde. Allein der Gedanke daran, was passieren würde, brachte ihn beinahe um den Verstand. Akihito zwang sich jedoch auch dazu noch einen Schritt weiter zu denken. Wenn er jetzt eingreifen würde, dann wäre alles um sonst gewesen. Er hatte Tokio vor zwei Jahren verlassen und alle Kontakte zu seinen Freunden und seiner Familie abgebrochen, um seiner Vergangenheit zu entkommen. Er wollte das alles nicht aufs Spiel setzen und wenn er Roy in die Quere kam, dann könnte er nie wieder in sein jetziges Leben zurück, vorausgesetzt er würde die Konfrontation mit Roy überleben. Doch wie Akihito es auch drehte und wendete, er wusste, dass er Roy aufhalten musste. Er liebte Asami immer noch und er konnte einfach nicht zulassen, dass Roy ihn erschießen würde. „Hey du!" Akihito zuckte zusammen und ließ vor Schreck das Päckchen Kaugummi wieder in die Pfütze auf dem Boden fallen, bevor sein Kopf in die Höhe ruckte. Er sah die beiden Bodyguards in der Gasse stehen. Ein paar Mülltonnen hatten Akihito bisher vor ihren Blicken verborgen, aber der Kerl mit den blonden Haaren war anscheinend ein Stück nach vorne gegangen, um seine Zigarette auszutreten und hatte Akihito dabei entdeckt. „Was machst du da?", fragte er misstrauisch und Akihito fing sich schnell genug wieder, um einen unbeeindruckten Gesichtsausdruck aufzusetzen. Er nahm das Päckchen Kaugummi vorsichtig wieder aus der Pfütze heraus und richtete sich wieder auf. „Mir ist was runtergefallen", sagte und hielt das Päckchen in die Höhe, bevor er es in die Tasche seiner Jacke steckte. Akihito konnte im schwachen Licht der Gasse sehen, dass der Kerl überlegte, was er jetzt tun sollte, doch schließlich glätteten sich die argwöhnischen Falten auf seiner Stirn wieder und er sah Akihito ungeduldig an. „Mach, dass du weg kommst!", befahl er und Akihito hob kurz abwehrend die Hände, bevor er sich in Bewegung setzte. „War das nicht der Partner von diesem Tashiro?", hörte Akihito die Stimme des zweiten Bodyguards einen Moment darauf und er bemühte sich so unauffällig und gleichzeitig so schnell wie möglich zwischen den Menschen auf dem Bürgersteig zu verschwinden. Als er sich ein paar Meter weiter noch einmal umdrehte, war von den beiden Gorillas nichts zu sehen, aber Akihito ging dennoch weiter, während er überlegte, was er jetzt tun sollte. Er musste herausfinden, wann Roy versuchen würde Asami zu erschießen, sich eine Waffe besorgen und dorthin kommen. Und er hatte nur etwa eineinhalb Stunden Zeit dafür. +++ XXX +++ Akihito war sich ziemlich sicher, dass die Leiter jedes Mal einen protestierenden Laut von sich gab, wenn er seinen Fuß auf die nächste, höhere Sprosse setzte, aber er wusste, dass jedes Geräusch, das er machte, als er die Leiter nach oben kletterte, mühelos im Straßenlärm unterging. Es war mittlerweile vollkommen dunkel draußen, aber die Scheinwerfer der Autos auf der Straße und die zahllosen Leuchtreklamen an den Wänden der Häuser, tauchten die Stadt in helle, bunte Lichter. In die Seitengasse neben der Hauptstraße fiel jedoch so gut wie kein Lichtstrahl und so bestand keine Gefahr, dass jemand von unten sehen würde, wie Akihito diese Feuerleiter hinauf kletterte, vorausgesetzt jemand sollte zufällig die schmale Gasse unter ihm entlang kommen. Akihitos Ziel war das Dach eines niedrigen Gebäudes, das von einer hüfthohen Balustrade umgeben war. Es war nur ein paar Meter breit und umrahmte das Hochhaus dahinter wie eine Art Vordach. Auf der anderen Straßenseite schräg gegenüber befand sich der Eingang zum Sion und Akihito war sich verdammt sicher, dass Roy diesen Platz ausgewählt hatte, um seinen Schuss abzugeben. Er zumindest hätte diesen Platz ausgewählt und da er als Roys Schüler gelernt hatte so zu denken wie er, standen die Chancen ziemlich gut, dass er Recht behalten würde. Zumindest gab es keinen anderen Platz, der auch nur annähernd so gut wäre, wie das Dach dieses Gebäudes. Roy war vermutlich ebenfalls über diese Leiter nach oben gekommen, denn Akihito hatte sie vom Boden der Gasse aus problemlos erreichen können, und er glaubte nicht daran, dass jemand genau an diesem Abend zufällig diese Leiter nach unten gezogen hatte. Als Akihito das Ende der Leiter erreicht hatte, kletterte er über die Balustrade und landete anschließend lautlos auf dem schmalen Vordach. Er befand sich auf der hinteren Seite des Gebäudes und bewegte sich langsam an der Wand entlang nach vorne zu dem Teil des Daches, von dem aus man ein freies Schussfeld auf die andere Straßenseite hatte. Er warf einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr. Es war fünfzehn Minuten vor acht Uhr, was bedeutete, dass er sich beeilen musste, wenn er Roy aufzuhalten wollte. Er hatte sein Problem mit der Zeit gelöst, indem er Asamis Sekretär Kirishima angerufen und vorgegeben hatte, der neue Assistent von Hayato Shimasaki zu sein, der bedauerlicherweise einen Fehler in seinem Terminkalender gemacht und die genaue Uhrzeit des vereinbarten Abendessens falsch notiert hatte. Zum Glück hatte Kirishima seine Stimme nicht erkannt, sonst hätte es nicht funktioniert. Innerhalb von einer Minute hatte er schließlich erfahren, dass sich Asami um halb neun mit Shimasaki im Restaurant Diwan treffen wollte. Einen Moment lang hatte er mit dem Gedanken gespielt Kirishima vor einem bevorstehenden Attentat zu warnen, aber das hätte nur Fragen aufgeworfen, die er nicht hätte beantworten können. Akihito hielt sich hinter der Wand des Gebäudes und zog die Waffe, die er sich besorgt hatte, aus dem Bund seiner Hose. Roy hatte ein Safehouse in Tokio und Akihito hatte gerade genug Zeit gehabt sich eine Waffe aus der kleinen Wohnung zu besorgen. Roy hatte sie für den Fall gemietet, dass er einen Auftrag in der Stadt erledigen musste und aus irgendeinem Grund keine Waffen dabei hatte. Allerdings hätte sich Akihito gewünscht, dass in dem Magazin seiner Waffe Tranquilizerpfeile wären, anstatt scharfer Munition. Im Licht der Leuchtreklamen an den Wänden der benachbarten Häuser entdeckte Akihito einen Augenblick darauf Roy, der auf dem Boden hinter der Balustrade kauerte. Die schwarze Tasche stand neben ihm und er hatte sein Gewehr in den Händen, während er darauf wartete, dass sein Ziel das Gebäude auf der andere Seite der Straße verlassen würde. Akihito überlegte einen Moment lang, was er jetzt tun sollte, aber ihm lief die Zeit davon. Schließlich entsicherte er die Waffe und ging und geduckter Haltung langsam auf Roy zu. „Leg das Gewehr auf den Boden, Roy", befahl er gerade so laut, dass Roy ihn hören konnte, aber er rechnete nicht wirklich damit, dass Roy es tatsächlich tun würde. Roy drehte den Kopf zu ihm, ohne sich ansonsten zu bewegen und Akihito konnte im Schein der Lichter sehen wie sich seine Lippen zu einem schmalen Lächeln verzogen. „Ich habe mich schon gefragt, ob du tatsächlich hier auftauchen würdest. Wie hast du es rausgefunden?", fragte er interessiert und ließ seinen Blick wieder hinunter auf die Straße wandern, vollkommen unbeeindruckt davon, dass eine Waffe auf ihn gerichtet war. „Ich hab Shimasakis Gorillas durch Zufall belauscht und dann habe ich Asamis Sekretär angerufen", antwortete Akihito unbeeindruckt und Roy nickte daraufhin anerkennend. „Nicht schlecht." „Danke. Ich hatte einen guten Lehrer." Diese Antwort entlockte Roy ein leises Lachen. „Ja, sieht ganz so aus. Und was hast du jetzt vor? Willst du mich erschießen, wenn ich mich weigere den Auftrag fallen zu lassen?" Roy sah Akihito fragend an und Akihito hielt seinem Blick einen Moment lang stand, doch dann schloss er die Augen und atmete hörbar aus. Er war der Meinung gewesen, dass Roys Verrat an ihm alles verändert hätte, aber das war seltsamerweise nicht der Fall. Für Roy war Asami nur ein Ziel, auch wenn er wusste, was er Akihito bedeutete. Er hatte ihn belogen und er leugnete es nicht einmal, aber er war trotzdem immer noch Akihitos Freund und Akihito konnte nicht so einfach vergessen, was Roy alles für ihn getan hatte. „Ich will dich nicht erschießen", antwortete Akihito wahrheitsgemäß und Roy zuckte mit den Schultern, während er den Kopf schief legte. „Dir wird leider nichts anderes übrig bleiben, denn ich habe nicht vor Asami am Leben zu lassen." Akihito biss die Zähne zusammen und fluchte. „Verdammt Roy! Bitte zwing mich nicht dazu. Ich kann nicht zulassen, dass du Asami erschießt!" „Warum nicht?", fragte Roy gerade heraus und sah Akihito direkt in die Augen. „Asami ist ein mieser Bastard. Er hat dich unter Drogen gesetzt, vergewaltigt und dein Leben zerstört. Mag sein, dass er dich ein paar Mal vor seinen Feinden gerettet hat, weil du sein Sexspielzeug warst, aber als er keine Verwendung mehr für dich hatte, hat er dich einfach fallen gelassen. Warum willst du ihm jetzt das Leben retten?" Akihito musste zugeben, dass das eine verdammt gute Frage war und wenn Roy es so darstellte, dann sah es eindeutig so aus, als hätte Akihito vollkommen den Verstand verloren. Er konnte sogar verstehen, dass Roy wütend darüber war, dass er versuchte, ausgerechnet dem Mann das Leben zu retten, der das seine zerstört hatte. Roy hatte gesehen wie kaputt er damals gewesen war, denn er hatte ihn wieder zusammen gesetzt und das hatte ziemlich lange gedauert. Die ganze Sache war jedoch nicht so einfach und obwohl Akihito klar war, dass es keinerlei Sinn ergab, wusste er die Antwort auf Roys Frage. „Ich liebe ihn", sagte Akihito leise und es war das erste Mal, dass er diese Tatsache laut aussprach, was sie für ihn noch realer werden ließ. Roy sah ihn spöttisch an. „Dann haben wir ein Problem." Akihito verzog angesichts von Roys Tonfall das Gesicht. „Bitte, Roy. Es muss nicht so enden!" „Doch, das muss es", entgegnete Roy unnachgiebig. „Ich kann es mir nicht leisten diesen Auftrag fallen zu lassen." „Es wäre nicht das erste Mal", warf Akihito ein, doch Roy schüttelte den Kopf. „Ich schieße nicht auf Kinder und das weißt du. Das hier ist etwas anderes. Ich kann nicht einfach einen Auftrag annehmen und ihn dann ohne einen Grund nicht ausführen." „Du bist Auftragskiller, verdammt nochmal!", beschwerte sich Akihito aufgebracht. „Du kannst tun und lassen was du willst!" Roy lachte daraufhin leise. „Schön wär's", antwortete er und sah Akihito einen Moment lang mitfühlend an, bevor er einen Blick auf seine Armbanduhr warf. „Acht Uhr, Akihito. Asami wird jeden Moment durch diese Tür kommen. Zeit eine Entscheidung zu treffen." Akihito biss die Zähne zusammen und sah nach unten auf die Straße, um den Eingang des Sion im Auge zu behalten, während er verzweifelt überlegte, was er jetzt tun sollte. Roy hatte ihm klar zu verstehen gegeben, dass er den Auftrag durchziehen würde, aber Akihito konnte nicht zulassen, dass Roy Asami eine Kugel in den Kopf jagte. Schließlich hob Akihito seine Waffe. „Verdammt Roy! Ich will nicht auf dich schießen!" „Dann solltest du keine Waffe auf mich richten, wenn du nicht vorhast abzudrücken. Zumindest habe ich dir das beigebracht", antwortete Roy unbarmherzig, bevor er sich ein Stück aufrichtete und langsam sein Gewehr nach oben nahm. Akihito wandte seine Aufmerksamkeit wieder den Geschehnissen unten auf der Straße zu. Asamis schwarze Limousine war gerade vorgefahren und er konnte zwei Männer in schwarzen Anzügen sehen, die in diesem Augenblick das Sion verließen. Einer von ihnen war Kirishima und Akihito wusste, dass ihm nur noch Sekundenbruchteile Zeit blieben, bis Asami hinaus auf die Straße treten würde. Er konnte nicht zulassen, dass Roy abdrückte, aber er konnte genauso wenig selbst abdrücken. Im nächsten Moment ließ Akihito seine Waffe sinken und hechtete nach vorne, um Roy, der das Gewehr bereits angelegte hatte, aus dem Weg zu stoßen. Genau in dem Augenblick, als sie gegeneinander krachten, drückte Roy ab. Akihito konnte den Rückstoß des Gewehrs spüren und sein Herz blieb stehen, während er mit Roy zusammen auf dem Boden landete. Akihito hatte das Gefühl die Zeit um ihn herum würde plötzlich in Zeitlupe weiter laufen und er fühlte sich wie gelähmt, als er sich so schnell er konnte wieder aufrichtete, um nach unten auf die Straße zu sehen. Er war in gewisser Weise auf das vorbereitet gewesen, was er dort unten sehen würde, doch Asami lag nicht auf dem Boden und an der weißen Wand des Sion waren keine Blutspritzer zu sehen. Stattdessen war die Fensterscheibe der Eingangstür einen guten Meter neben dem Platz, an dem Asami gestanden hatte, zersplittert. Es dauerte einen langen Moment, bis Akihito klar wurde, was geschehen war. Die Wucht mit der Akihito Roy zur Seite gestoßen hatte, war ausreichend gewesen, um ihn das Gewehr verreißen und den Schuss danebengehen zu lassen. Asami war bereits hinter seinem Wagen in Deckung gegangen und seine Bodyguards hatten ihre Waffen gezogen, während sie in die Richtung sahen, aus der der Schuss gekommen war und zwei von ihnen zu dem Gebäude liefen, auf dessen Dach sich Roy und Akihito befanden. Aus den Augenwinkeln heraus sah Akihito wie Roy versuchen wollte noch einmal auf Asami anzulegen, um einen weiteren Schuss abzugeben, aber er kam nicht dazu. Von unten wurden einen Moment darauf Schüsse auf die Balustrade abgefeuert und Roy schaffte es gerade noch dahinter in Deckung zu gehen, bevor er von den Kugeln getroffen wurde. „Verflucht! Bist du jetzt zufrieden? Wenn die uns erwischen, bringen sie uns um!", fuhr Roy Akihito mit zusammengebissenen Zähnen an, während er mit schnellen Handgriffen sein Gewehr auseinander nahm und die Tasche zu sich heran zog, um die Teile hinein zu werfen. Er wusste, dass das seine einzige Chance gewesen war, Asami zu treffen. Akihito saß währenddessen mit dem Rücken an der Balustrade und hielt den Kopf unten. Er hatte verhindert, dass Roy Asami erschoss, aber er hatte nicht darüber nachgedacht, dass er sich damit auch selbst zur Zielscheibe machen würde. Er wusste nicht, wie Roy geplant hatte von dem Dach wieder herunter zu kommen, aber was auch immer er sich hatte einfallen lassen, würde nicht mehr funktionieren, da sie jetzt zu zweit waren und nicht mehr von dieser Balustrade wegkamen, ohne von Kugeln durchlöchert zu werden. Roy zog eilig den Reißverschluss seiner Tasche zu, packte dann den Griff und bewegte sich an der Balustrade entlang, auf die Wand des Gebäudes zu ihrer Rechten zu. Akihito überlegte nicht lang und folgte ihm. Er war sich relativ sicher, dass Roy ihn nicht erschießen würde, sonst hätte er es bereits getan und die Chancen, dass er von diesem Dach wieder lebend runter kam, wenn er sich hinter Roy hielt, waren relativ hoch. Als Akihito die Wand erreichte, hatte Roy bereits seine Pistole gezogen und schoss mehrere Male auf das Schloss einer Tür, die dort ins Innere des Gebäudes führte. Dann stieß er die Tür mit dem Fuß auf und rannte hinein, während Akihito sich bemühte ihm hinterher zu kommen. Im Inneren des Gebäudes fand sich Akihito in einem schmalen Treppenhaus wieder und stieß beinahe mit Roy zusammen, der stehen geblieben war und sich über das Geländer gebeugt hatte. Von unten konnte Akihito laute Schritte hören, die vermutlich nur noch ein Stockwerk unter ihnen waren. Roy richtete sich wieder auf und fluchte, bevor er sich umdrehte und wieder nach draußen auf das Dach lief. Vermutlich wollte er versuchen über die Feuerleiter wieder nach unten zu kommen. Wenn er Glück hatte und Asamis Leute nicht wussten, dass dort eine Leiter war, könnte das sogar klappen. Akihito drehte sich ebenfalls um, und wollte Roy hinterher laufen, doch er kam nicht weit, denn als er wieder draußen auf dem Dach war, fand er sich zwei von Asamis Männern gegenüber, die ihre Pistolen auf ihn gerichtet hatte. Roy stand einige Meter vor ihm, aber obwohl er seine Waffe noch in der Hand hielt, wusste er bereits genauso gut wie Akihito, dass sie aus dieser Situation nicht mehr heraus kommen würden. Einen Moment darauf wurde die Tür hinter ihnen aufgestoßen und zwei weitere Männer betraten das Dach. „Die Waffe runter und die Tasche auf den Boden stellen, sofort!", befahl einer der Männer vor ihnen und Akihito erkannte den blonden Schrank einen Augenblick darauf. Es war Suoh, einer von Asamis loyalsten Männern. Er hatte einen grimmigen Ausdruck auf dem Gesicht, während er seine Waffe auf ihn und Roy richtete, aber er schien Akihito nicht zu erkennen. Neben sich sah Akihito wie Roy die Tasche auf den Boden fallen ließ und anschließend seine Waffe sicherte und sie von sich weg warf. Danach nahm er die Hände hinter den Kopf. Akihito tat es ihm gleich und als die Typen ihnen die Hände mit Kabelbindern hinter dem Rücken fesselten, warf er Roy einen entschuldigenden Blick zu. „Tut mir leid. Aber ich konnte nicht zulassen, dass du ihn erschießt", sagte Akihito leise und Roy funkelte ihn wütend an, während ihm einer von Asamis Gorillas befahl den Mund zu halten. Danach wurden sie beide über das Treppenhaus nach unten gebracht und Akihito hatte keine Ahnung was Asami jetzt mit ihnen anstellen würde. Dass seine Männer sie nicht einfach erschossen hatten, bedeutete, dass Asami Antworten wollte und er würde vor keinem Mittel zurückschrecken, um diese Antworten zu bekommen. Akihito fragte sich zwangsläufig, ob er besser dran war als Roy, wenn Asami heraus finden würde, wer er war, aber er bezweifelte es. Er wusste, dass er mit seiner Aktion vermutlich sein und Roys Todesurteil unterschrieben hatte, aber zumindest hatte er ein reines Gewissen. tbc. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)