Something. von Mialee (5. Kap. online) ================================================================================ Kapitel 2: Something new - Part 1 --------------------------------- 4 Jahre zuvor Sonnenstrahlen flossen durch die dicken Vorhänge ihrer Fenster und kitzelten sie an der Nase. Evangeline schlug die Augen auf und gönnte sich ein paar wenige Minuten, bevor sie die Beine über die Bettkante schlug und aufstand. Mit einem Ruck öffnete sie die Vorhänge und blickte in einen der ersten schönen Tage des Jahres. Der Schnee war nun endgültig den ersten Frühlingsblumen gewichen und die ersten Vögel sangen schon wieder in den Ästen. Seufzend wandte sie sich ab. Bis ihre Großmutter sie zum Frühstück erwartete, hatte sie nur noch eine Stunde Zeit und die würde sie auch brauchen. Seit ihrem Schulabschluss im letzten Jahr hatte Narcissa sie unter ihre Obhut genommen und ihr den letzten Schliff verpasst. Fortan begleitete Evangeline sie auf zahlreiche Treffen mit anderen alten Hexen, die sich um das Wohl der Zaubergemeinschaft kümmerten. Stets achtete Narcissa darauf, dass sie mit den richtigen Leuten zusammen traf und die richtigen Gespräche führte. Jede Geste, die sie tat, diente nur dem Zweck ein Bild von ihr zu kreieren, dass ihre Familie für sie entworfen hatte. Und dieses Bild aufrecht zu erhalten fiel ihr an manchen Tagen sehr schwer. Eine geborene Schönheit war sie nicht, aber das war schon ihre Mutter nicht gewesen. Während Desmond von ihren Eltern nur das beste abbekommen hatte, hatte sie nicht so viel Glück gehabt. Sie hatte die Stupsnase ihrer Mutter geerbt und das spitze Kinn ihres Vaters. Ihr braunes Haar lag von Natur aus platt über ihren Schultern, doch mit viel Geschick schaffte sie es jeden Morgen all diese kleinen Makel verschwinden zu lassen und wenn sie das Haus verließ, trug sie das puppenhafte Aussehen zur Schau, dass ihre Großmutter so schätzte. Wie jeden morgen begann sie mit einer heißen Dusche, gefolgt von einem perfekten Make-Up und einer aufwendigen, sorgfältigen Frisur. In einen Morgenmantel aus grüner Seide gehüllt verließ sie das Bad und betrat ihr Ankleidezimmer, für das eine ganze Menge von Mädchen wohl morden würde. Die Schränke an den Wänden waren prall gefüllt mit Namen wie Versace und Chanell. Oft fragte sie sich, wie die Muggel Coco Chanell für eine der ihren hatten halten können, schließlich musste doch jedem klar sein, dass solche Designs nicht ohne Hilfe von Magie entstehen konnten. Sie besaß mehr als drei dutzend Abendkleider und ihr Schuhschrank füllte fast eine ganze Wand aus. An diesem Morgen entschied Evangeline sich für einen Tweed-Rock und einen schwarzen Kaschmirpullover. Hastig legte sie noch Ohrringe und Kette an, bevor sie aus ihrem Zimmer eilte. Als sie die Marmortreppe hinunterkam, hörte sie bereits die Stimme ihrer Stiefmutter aus dem Speisesaal. „Guten Morgen, mein Schatz!“, sagte Astoria und küsste ihre Stieftochter auf die Wange, bevor sie sich erneut den Hauselfen zuwandte, die nacheinander Teller mit Spiegeleiern und Speck, frischem Obst und vielen anderen Leckereien hineintrugen. Nur Minuten später erschien der Rest ihrer Familie. Als letztes kam ihre Großmutter, die wie immer den Platz an ihrer Seite einnahm. In den wenigen Monaten, die sie nun ihre Enkelin in die besten Kreise der Gesellschaft eingeführt hatte, hatte sie es geschafft, aus ihr eine der begehrtesten Junggesellinnen zu machen. Die Tatsache, dass Draco sich offiziell zu ihnen bekannt hatte und ihr nun ein Drittel des nicht zu verachtenden Vermögens der Malfoys zustand, hatte diesem Umstand nur begünstigt. „Georgina hat mir gestern eine Eule zukommen lassen“, bemerkte sie und stellte ihre Teetasse ab, „Sie bittet mich, an ihrer Geburtstagsfeier teilzunehmen.“ Narcissa wandte sich ungehalten ihrer Enkeltochter zu. „In einem dieser Clubs? Ich halte nichts davon. So etwas verdirbt die Mädchen nur, wenn...“ „Aber Mutter!“, unterbrach Draco und lächelte seine Tochter an, „Lass ihr doch ein wenig Spaß.“ „Du musst uns aber versprechen, dass du vorsichtig bist“, warf Astoria ein. Evengeline nickte kurz. „Wir werden nicht lange fort sein und wenn ihr es erlaubt, würde ich über Nacht bei Georgina bleiben und wäre morgen zum Lunch wieder daheim.“ „Über Nacht? Evangeline, ich bitte dich! Das geht nun wirklich nicht.“ Narcissa kräuselte argwöhnisch die Nase. „Mutter!“ Draco ließ die Gabel sinken. „Nun ist es aber wirklich genug. Die Goyles sind Freund der Familie und ich wüsste nicht, warum sie nicht eine Nacht mit ihren Freundinnen verbringen sollte. Es wird ihr nicht schaden, wenn sie mal wieder einen Abend verbringen wird, ohne deine Klauen über sich zu spüren.“ Narcissa kniff den Mund zusammen und wollte ihrem Sohn etwas entgegnen, als dieser die Hand hob und sie zum Schweigen brachte. „Ich habe dir erlaubt, dich um ihre Erziehung zu kümmern, aber ich werde nicht zulassen, dass du ihr Leben so bestimmst, wie du es bei mir getan hast!“ Evengeline spürte, dass es in einem handfesten Familienstreit enden würde, wenn sie die Gemüter nicht beruhigen würde, doch ihr Bruder kam ihr zuvor. Mit einem besänftigenden Lächeln auf den Lippen beugte er sich zu Narcissa. „Ich werde sie einfach begleiten, Großmama, das wäre doch ein Kompromiss. Das haben wir doch schon öfter getan. Was sagst du?“ Desmond wusste, dass seine Großmutter ihm nichts abschlagen konnte und so gab sie nach einigem Hadern doch ihre Zustimmung, so dass Evangline sich an diesem Abend tatsächlich in der Begleitung ihres älteren Bruders wiederfand. Er apparierte mit ihr in einer der Seitenstraßen Londons ganz in der Nähe ihres Ziels. Sie wusste kaum, wie oft sie dieses Spiel schon gespielt hatten. In einer dunklen Ecke tauschte sie ihre biederes Kleid gegen eines der Kleider, das sie vor den Augen ihrer Familie in der Kommode aufbewahrte. Sie verabschiedete sich von ihrem Bruder, der seinerseits mit einigen Freunden verabredet war. Obgleich sie schon seit mehr als zwei Jahren vorgaben, miteinander auszugehen, hatten sie noch nie einen Abend gemeinsam verbrachte. Desmond wusste, dass seine Schwester ab und zu aus ihrem Leben ausbrechen musste und er stand ihr dabei gern zur Seite. So auch, als sie nun zu ihren Freundinnen stieß, die bereits vor einem exklusiven Muggel-Club auf sie warteten. Mit dem nötigen Budget gelangten sie ohne weiteres in den VIP-Bereich, der auf der Empore über der Tanzfläche untergebracht war. Gelangweilt betrachtete Evangeline die bunt wogende Menge, die sich zum Takt der Musik bewegten. Die Mädchen hatten ihre Gesichter grell bemalt, und ihre Kleidung enthüllte mehr, als sie verdeckte. Etwas derart billiges lag ihr fern. Obwohl sie sich gerne hätte gehen lassen, wie die jungen Frauen dort, widerstrebte ihre Erziehung diesem Verhalten und jahrelange Ausbildung sorgten dafür, dass eine solche Idee nie in die Tat umgesetzt wurde. „Ma chérie“, säuselte ihre ehemalige Klassenkameradin Satine und riss sie aus ihren Gedanken, als der breitschultrige Kellner ihnen die nächste Runde Champagner servierte. Sich eine der rotblonden Strähnen aus dem Gesicht streichend, reichte sie Evangeline das Glas. Sie stießen auf das Wohl Georginas an, als an ihrem Tisch plötzlich einige junge Männer erschienen. Ein kurzer Blick auf die goldenen Anstecker, die einen Löwen darstellten, genügte, um sie als Mitglieder des Hauses Gryffindor auszuweisen. Der größte von ihnen, ein blonder Kerl mit auffällig grünen Augen, deutete auf den silbernen Anstecker in Form eines Schwanes, den Satine am Kragen trug. „Beauxbaton?“, fragte er schlicht und als sie nickte, ließ er sich neben ihr nieder und stellte lässig sein Glas auf den Tisch. „Dürfen wir den Damen Gesellschaft leisten?“ „Oui“, antwortete Odette, überschlug die schier endlos langen Beine und klopfte auf den freien Platz neben sich. Sie war schon immer diejenige unter den Freundinnen gewesen, der es mit einer spielerischen Einfachheit gelang, die Aufmerksamkeit des anderen Geschlechts zu erlangen. Der Letzte der kleinen Gruppe, drehte sich um und gab dem Kellner ein Zeichen, bevor er sich wieder zu ihnen umwandte. Als sie ihn erkannte erhellte aufrichtige Freude Evangelines Züge. „James!“, sagte sie erfreut und schenkte ihm ein wohl einstudiertes Lächeln. Der Potter-Spross hob eine Augenbraue und drehte die Zigarette zwischen den Fingern. Dann stieß er den Rauch aus und begann zu grinsen. „Miss Parkinson“, erwiderte er, „Ich hätte nicht erwartet, dich hier zu treffen.“ „Malfoy“, erwiderte sie, „Ich bin jetzt ein ganz offizieller Bastard.“ „Glückwunsch!“, erwiderte James nur und setzte sich neben sie, wie selbstverständlich legte er den Arm um sie, doch dann hielt er inne. „Du trägst das Ding immer noch?“ Sie hob den Arm und ließ das Armband klimpern. „Siehst du doch.“ Vorsichtig berührte er das Metall und ein nachdenkliches Lächeln erschien auf seinen Lippen. Der Abend war einer seltsamsten, den sie je verbracht hatte. James schien sehr darauf bedacht kein Gespräch mit ihr aufkommen zu lassen, doch zeitgleich suchte er doch ihre Nähe, strich wie zufällig über ihren Oberarm oder strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Wenn sie später an diesen Abend dachte, wunderte sie, wie sie so naiv hatte sein können. Waren seine Absichten ihr Gegenüber doch mehr als deutlich gewesen. Ihre Freundinnen amüsierten sich mit den andern Gryffindors und als Evangline schließlich schließlich darum bat, zu gehen, stieß sie nur auf Widerstand. „Komm schon!“, maulte Georgina, „Sei nicht so eine Spielverderberin! Wir amüsieren uns doch gerade so gut.“ „Dann reise ich eben allein nach Hause.“ Trotzig griff sie nach ihrer Handtasche und erhob sich, als plötzlich auch James aufstand und sie am Handgelenk fest hielt. „Ich begleite dich nach draußen, es ist viel zu gefährlich für dich allein.“ Sie nickte, verabschiedete sich mit knappen Worten von den Anderen und stolzierte davon. James folgte ihr wie ein Schatten, seine blauen Augen musterte die Männer, die ihr lüsterne Blicke hinterher warfen. Am Ausgang angelangt wartete sie wie selbstverständlich darauf, dass er ihren Mantel an der Garderobe entgegen nahm und ihr brachte. Er half ihr in den dunklen Stoff und blieb eine Sekunde länger und einen Zentimeter näher als nötig hinter ihr stehen. Als sie seinen Atem im Nacken spürte, machte ihr Herz einen kleinen Sprung und sie vergaß einen kurzen Augenblick Luft zu holen. Doch als wäre nichts gewesen, sah er sie an und fragte: „Wollen wir?“ Gemeinsam verließen sie den Club und gingen wortlos die Straße entlang, auf der es von Nachtschwärmern wimmelte. Einige hundert Meter entfernt bogen sie in eine einsame Seitenstraßen und folgten ihr, bis sie auf einen von Mauern umgebenen Hinterhof kamen. Der übliche Platz für junge Zauberer um zu disappieren. Evangeline wandte sich an ihren Begleiter und lächelte ihn sittsam an. „Ich danke dir“, sagte sie, „Das war wirklich aufmerksam von dir.“ „Es war schön dich wiederzusehen“, erwiderte er und kam einen Schritt näher. Bevor sie wusste, was er tat, beugte er sich zu ihr hinunter und hauchte einen Kuss auf ihre Wange. Sie drehte sich von ihm weg, als sie merkte, wie sie errötete. Doch er ging um sie herum, legte ihr die Finger unter das Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. Er war noch immer einen guten Kopf größer als sie und er kam ihr immer noch zu dünn vor. Er hatte hohe Wangenknochen, eine kleine Narbe an der linken Augenbraue und einen Bartansatz, der ihn etwas verwegen aussehen ließ. „Willst du wirklich gehen? Wir haben uns doch so lange nicht gesehen.“ Ihre Knie wurden weich, als er ihr durch das Haar strich und seine Hand an ihrem Arm herunter wandern ließ. Er ergriff ihre Hand und küsste ihren Handrücken. „Weißt du, meine Wohnung liegt nur einen Katzensprung von hier entfernt und deine Eltern erwarten dich doch nicht zurück, oder?“ Sie hielt die Luft an, so ungehörig war sein Vorschlag. Wie konnte er nur glauben, dass sie ihm – den sie doch kaum kannte – in seine Wohnung folgen würde. Diese Idee war geradezu lachhaft, es kam gar nicht in Frage. „Gerne“, hauchte sie und bereute ihre Antwort im selben Augenblick, doch sein Gesicht voller freudiger Erwartung, ließ sie all ihre Sorge vergessen. Er legte den Arm um sie und führte sie durch die Seitenstraße zurück. Nur Minuten später standen sie vor einem neu erbautem Konstrukt aus Eisen und Glas. Ein Portier grüßte sie und hielt ihnen die Tür auf, bevor sie mit dem Fahrstuhl in den achten Stock fuhren. Erst als er den Schlüssel der Wohnungstür aus der Jackentasche holte, sprach er wieder mit ihr. „Ich bin letztes Jahr ausgezogen, ich habe es bei meinen Eltern nicht mehr ausgehalten.“ Sie wollte ihm antworten, doch ihre Stimme versagte ihr den Dienst und so nickte sie nur und folgte ihm in seine Wohnung. Sie stand im Wohnzimmer, eine große Fensterfront an der gegenüberliegenden Wand bot ein traumhaftes Bild auf das nächtliche London. Seine Einrichtung waren stilvoll, eine schwarze Ledercouch und Möbel aus dunklem Holz. James verschwand in den Flur zu ihrer linken und kam kurze Zeit später mit einer Flasche Wein zurück. Bevor sie sich versah, saß sie mit ihm auf der besagten Couch und hielt ein schweres Kristallglas in der Hand. Eine Weile schwiegen sie beide, bevor er leise zu lachen begann. Sie sah ihn verwirrt an und und fragte: „Was ist los?“ „Du bist ein seltsames Mädchen, Evie. Bist du so nostalgisch, dass du dieses Ding noch trägst?“ Sie klimperte mit dem Schmuckstück. Vom Wein berauscht, lächelte sie und schenkte ihm einen koketten Augenaufschlag. „Nenne es eine schöne Erinnerung. An den Jungen, der mir meinen ersten Kuss gegeben hat.“ „Deinen ersten?“ „Meinen ersten.“ Sie strich über das Silber und ein verträumter Blick schlich sich in ihre Augen. „Das ist mein Glücksbringer. Seit dem Tag, an dem du es mir geschenkt hast, habe ich es jeden Tag getragen. Und nach dem Abend in der Dumbledore Hall mochte ich es noch ein bisschen lieber.“ Einen Moment schwieg sie und lachte dann. „Das ist albern.“ „Nein, ist es nicht.“ Sie wandte sich ihm zu und sah eine unvermutete Zärtlichkeit in seinem Blick. „Es ist überhaupt nicht albern – im Gegenteil.“ Er stellte sein Glas ab und beugte sich zu ihr hinüber, strich ihr über den Oberarm. Wieder begann ihr Herz bei seiner Berührung zu flattern, eine wohlige Gänsehaut breitete sich über ihren Rücken aus. Sie genoss seine Aufmerksamkeit und fühlte sich zurückversetzt in jene Nacht, als er sie geküsst hatte. Verlangen, seine Lippen erneut zu fühlen, ihn zu schmecken, keimte in ihr auf und ließ sie all ihre Zurückhaltung und gute Erziehung vergessen. James stellte etwas mit ihr an, das ihr nur zu gut gefiel. Als sich ihre Blicke kreuzten, ließ sie sich fallen. Gab sich ihm hin und überließ sich ganz seiner Führung. Ihre Lippen trafen aufeinander, ihre Körper schienen wie für einander gemacht. Wieder schmeckte sie diese Mischung aus Tabak und Wein, den sie nie ganz hatte vergessen können. Wieder spürte sie dieses Kribbeln überall dort, wo seine Hände ihre Haut berührten. Sie ließ sich nach hinten fallen und er legte sich auf sie, hielt einen Herzschlag lang inne und sah sie an, als suche er ihre Zustimmung. Etwas, das sie ihm liebend gern gab. Sie legte ihre Hand in seinen Nacken und zog ihn an sich, küsste ihn leidenschaftlich und stöhnte leise auf, als er mit der Zunge ihre Lippen teilte. Fahrig richtete er sich auf und zog sich das Hemd über den Kopf. Gierig betrachtete sie ihn, die leichte Wölbung seiner Muskeln und die kleine Tätowierung auf seiner linken Brust, die einen Raben darstellte. Wieder beugte er sich zu ihr hinunter, küsste ihren Hals, strich über ihren Oberschenkel und schob ihren Rock hoch. Zum ersten Mal in ihrem Leben hörte Evangeline auf das, was ihr Herz ihr sagte und nicht auf das, was ihr Kopf ihr vorschrieb. Sie warf all die starren Regeln und Anforderungen über Bord, gab sich ganz diesem neuen und fremden Bedürfnis hin. Bevor sie recht wusste, was geschah, lag sie hüllenlos auf der Kaschmirdecke und genoss die Blicke, mit denen James ihren Körper bedeckte. Seine blauen Augen glänzten vor Verlangen und sie stellte fest, dass sie ebenso hungrig war wie er. ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~ Als sie die Augen aufschlug, brauchte sie einige Momente, bevor sie realisierte, dass sie nicht in ihrem Bett aufgewacht war. Das leise Atmen des jungen Mannes neben ihr riss sie aus ihren Überlegungen. Sie richtete sich auf, raffte das Laken vor ihrer Blöße zusammen und betrachtete den schlafenden James. Die vergangene Nacht war die mit Abstand beste ihre Lebens gewesen, noch immer fühlte sie sich an den richtigen Stellen wund und dachte mit Wohlwollen an das Gefühl seiner Hände, seiner Lippen. Er war trotz allen Verlangens zärtlich zu ihr gewesen und doch hatte er sie wahrlich überfallen, wie selbstverständlich von ihrem Körper Besitz ergriffen und sie mit einer Ausdauer und Leidenschaft geliebt, die ihr fremd war. Seine Brust hob und senkte sich langsam und so stand sie langsam auf. Sie wollte ihre Kleider holen, doch bevor sie das Zimmer verlassen konnte, fiel ihr Blick auf eine Reihe Fotos, die auf einer Kommode standen. Auf einem erkannte sie James als kleinen Jungen wieder. Er stand neben einer alten, rothaarigen Hexe und hielt einen Besen in die Kamera. Auf einem anderen stand er in der Mitte seiner Quidditch-Mannschaft von Gryffindor, reckte die Hand mit dem Schnatz in die Höhe. Das größte Foto zeigte einen Jungen, der James sehr ähnlich sah, und ein jüngeres Mädchen mit Sommersprossen auf der Nase. Vorsichtig nahm sie das Bild und hob es hoch. Im Hintergrund war das Meer zu sehen. Der Junge legte schützend den Arm um das Mädchen, das abwechselnd den Jungen und den Betrachter ansah. „Meine Geschwister.“ Evangeline sah auf. James hatte sich aufgerichtet und deutete auf das Bild in ihren Händen. „Albus und Lily.“ „Ich sehe kein Bild von deinen Eltern“, stellte sie fest. James schlug die Decke zurück und stand auf. Er blieb ihr eine Antwort schuldig und ging hinüber ins Bad, nur um wenige Augenblicke später wieder hinaus zu kommen und ihr einen Morgenmantel aus schwarzer Seide entgegen zu halten. Er selbst zog aus der Kommode eine schwarze Hose heraus. Bevor er sich ein T-Shirt über den Kopf zog, berührte Evangeline seine Brust und strich über seine Tätowierung. „Warum ein Rabe?“ Er zuckte mit den Schultern und zog sich an. „Ich wollte bloß meine Eltern provozieren. Ein schwarzes Schaf wäre zwar treffender gewesen, aber ein schwarzer Rabe gefiel mir besser.“ Lächelnd wandte er sich ab und verließ sein Zimmer in Richtung Küche, doch bei ihren Worten blieb er im Türrahmen stehen und verharrte dort für einen Herzschlag. „Weißt du, mein Patronus ist ein Rabe.“ Wenig später kam er zurück, ein Tablett mit Toast, Spiegeleiern und gebratenem Speck in den Händen. Ihm folgte ein uralter Hauself, der Kaffee und Orangensaft brachte. James nickte in die Richtung des alten Dieners. „Das ist Kreacher. Als ich ausgezogen bin, hat er darauf bestanden, mich zu begleiten.“ Der alte Elf kräuselte ungehalten die Nase. „Ohne Kreacher würde der junge Herr auch nicht einen Tag zurecht kommen. Der junge Herr kann nicht kochen, der junge Herr kann nicht putzen...“ James lächelte mild und nahm Kreacher seine Last ab. „Danke, das wäre es dann.“ Grummelnd disapparierte der alte Kerl. „Wie reizend.“ Der junge Potter hob die Augenbrauen und stellte die Getränke auf seinem Nachttisch ab. „Er ist eine große Hilfe, aber er denkt, er sei unabkömmlich. Ich kann nicht kochen, weil er mich nicht lässt. Kommst du?“ Sie folgte ihm und ließ sich wieder auf dem Bett nieder. Doch sie kamen kaum zum Essen und als sie erneut keuchend in den Laken lagen, war der Kaffee bereits erkaltet. Erschöpft legte sie ihren Kopf auf seine Brust und lauschte dem wilden Pochen seines Herzens, als er mit dem Fingern über das Symbol an ihrer Hüfte strich. „Was ist das?“ „Das Wappen meiner Familie.“ „Aber die Malfoys haben doch...“ Sie schüttelte den Kopf. „Parkinson. Unter dem Namen wurde ich geboren und mein Bruder trägt ihn bis heute. Ich will nicht vergessen, wo ich herkomme.“ „Was ist mit deiner Mutter passiert?“ Als sie ihm nicht antwortete, fügte er hinzu: „Du musst mir nichts erzählen.“ Sie seufzte tief und schmiegte sich näher an den Körper ihres Geliebten, als müsse sie dort Halt suchen. „Mein Vater wurde vom meinen Großeltern zu einer Ehe gezwungen. Er beugte sich den Wünschen seiner Familie und heiratete meine Stiefmutter Astoria, doch...“ Sie zögerte kurz und fuhr dann leise, fast flüsternd fort. „Er sagte mir einmal, dass man sich in seinem Leben nur einmal wirklich verliebt und wenn das geschieht kann keine Macht im Himmel oder auf Erden das ändern. Und er hat meine Mutter geliebt. Ein Mädchen, dass nicht den Ansprüchen genügte, die mein Großvater an eine Schwiegertochter gestellt hat, aber die ihn in den schwersten Stunden seines Lebens beigestanden hat. Meine Eltern haben sich aus tiefstem Herzen geliebt und daran konnte eine fremde Braut nichts ändern. Erst kam Desmond auf die Welt und dann ich. Mein Vater besuchte uns häufig, sogar meine Großmutter kam ab und zu vorbei. Wir wussten früh, dass unser Vater noch eine andere Familie hat und dass wir noch einen kleinen Bruder hatten.“ „Und Astoria...?“ „Hatte nicht die geringste Ahnung. Als ich acht war, wurde meine Mutter sehr krank und mein Vater nahm uns zu sich. Er stellte uns als die Kinder einer alten Schulfreundin vor und wir lebten einige Monate so in Malfoy Manor. Sie hegte keinerlei Verdacht und alles war in Ordnung, doch...“ Wieder hielt sie inne und schloss kurz die Augen. „Schließlich konnten aber auch die Ärzte in Sankt Mungos meiner Mutter nicht helfen und sie starb.“ „Das tut mir leid“, flüsterte er und strich ihr vorsichtig eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Aber ihr scheint eine ganz glückliche Familie zu sein.“ „Als Astoria die Wahrheit erfuhr, entschied sie sich, dass sie uns aufziehen würde. Sie hatten uns in den Monaten zuvor sehr lieb gewonnen und auch wenn wir der Beweis für die Untreue ihres Ehemannes waren, so waren wir doch zwei Kinder, die ihre Mutter verloren hatten. Sie liebt mich wie ihr eigen Fleisch und Blut, sie ist für mich eine zweite Mutter geworden.“ „Du hattest Glück.“ Sie hob den Kopf und legte ihre zarte Hand auf seine Brust. „Ich bin dankbar für all das, was Astoria und meine Großeltern für mich getan haben und dafür bemühe ich mich, eine gute Tochter zu sein und ihren Ansprüchen zu genügen.“ „Du meinst, eine junge Damen zu werden.“ Er lachte. „Aber letzte Nacht warst du nicht sehr damenhaft.“ „Fürs erste Mal nicht schlecht, oder?“ Das Lachen verschwand aus seinem Gesicht. Er richtete sich auf und sah sie nervös an. „Es war dein erstes Mal?“ „Reg dich nicht auf.“ Sie schüttelte den Kopf und legte ihm eine Hand auf die Wange. „Du hast nichts getan, was ich nicht auch wollte und ich bereue auch nichts.“ Wortlos ließ er sich wieder in die Kissen fallen und legte einen Arm um sie. Doch sie spürte, dass er tief in Gedanken versunken war. Wieder wanderte ihr Blick hinüber zu den Fotos. Er schien so sehr an seiner Familie zu hängen, dass er kein Bild seiner Eltern hatte, schien da seltsam absurd. Er bemerkte, was sie betrachtete und als könnte er ihre Gedanken lesen, sagte er: „Wir haben kein gutes Verhältnis.“ „Warum?“ Er lachte und sie konnte seinen bitteren Unterton nicht überhören. „Kannst du dir überhaupt vorstellen, wie mein Leben abgelaufen ist? Als ich geboren wurde, hat der Tagesprophet geschlagene 12 Seiten darüber berichtet. Ich bekam zu meinen Geburtstagen Geschenke von Leuten, die ich noch nie gesehen hatte.“ Er erhob sich abrupt aus dem Bett und ging hinüber zum Fenster. Eine Weile starrte er auf die Wassertropfen, die gegen die Scheibe schlugen und dort hinunter liefen. „Seit ich denken kann, hat alle Welt etwas besonderes von mir erwartet. Man hatte sich ein Bild davon gemacht, was ich werden sollte und wie ich es werden sollte. Ich sollte in die Fußstapfen meines Vaters treten und als ich nach Hogwarts kam, musste ich natürlich nach Gryffindor, obwohl der Hut mich eigentlich nach Ravenclaw schicken wollte, aber weil ich ein Potter bin...“ Er seufzte tief und griff nach den Zigaretten auf dem kleinen Tischchen neben dem Fenster. Gierig sog er daran und stieß den Qualm langsam wieder aus. Einige Minuten schwieg er und Evangeline ließ ihm die Zeit. Sie zog die Beine an und legte den Kopf in die Hände, beobachtete das Spiel seiner Muskeln, als er den Rest seiner Zigarette in den Aschenbecher fallen ließ und die Hände hinter dem Kopf verschränkte. „Ein solcher Name bringt eine große Bürde mit sich“, sagte sie leise. James wandte sich kurz um und sah sie an, bevor er sich lächelnd wieder zum Fenster umdrehte und die Hände tief er in der Hose vergrub. „Bürde...“, murmelte er kaum hörbar, „Es war mehr als das.“ Wieder hielt er kurz inne, bevor er seufzte und fortfuhr. „In meinem zweiten Jahr wollte ich ins Quidditch-Team. Ich wäre bestimmt ein toller Jäger geworden, aber mein Vater bestand darauf, dass ich als Sucher spiele so wie er. Und weil ich sein Sohn war, war es dem Kapitän vollkommen egal, dass Andere besser waren als ich. In der fünften wurde ich Vertrauensschüler, obwohl ich dafür so gar nicht geschaffen war und natürlich wurde ich Schulsprecher, obwohl ich es nicht mal wollte. Mein Vater entschied, welche Kurse ich belegen sollte und welche unsinnig wären. Wozu braucht ein Auror schon alte Runen? Es war natürlich klar, dass ich nach der Schule im Ministerium anfangen und dann zum Auror werden würde.“ Er lachte trocken und zündete sich eine zweite Zigarette an. „Zumindest war das meinen Eltern klar, aber glaubst du, sie haben auch nur einmal gefragt, was ich will? Mein Leben lang haben mein Vater und meine Mutter Entscheidungen für mich getroffen und ich...“ Er schüttelte unwirsch den Kopf und wandte sich wieder ihr zu. „Immer sollte ich ein gutes Vorbild sein.“ Er hob die Zigarette hoch. „Als mich meine Mutter beim Rauchen erwischte, ist sie vollkommen ausgeflippt. Harry Potters Sohn durfte doch nicht solche schlechten Angewohnheiten haben und dann meine ständig wechselnden Freundinnen... ich habe meine Eltern damit in den Wahnsinn getrieben und es hat mir gefallen.“ James ließ sich neben ihr auf das Bett nieder und drückte die glühende Zigarette aus. „Schließlich haben sie vom mir verlangt, endlich meine Auror-Ausbildung zu beginnen, mir ein nettes Mädchen zu suchen, sie zu heiraten und einen Haufen Enkelkinder in die Welt zu setzen. Und da lief das Fass über.“ „Was ist passiert?“ James lachte bitter und ließ den Kopf hängen. „Ich habe ihnen gesagt, dass sie versuchen können, aus Albus einen Vorzeigesohn zu machen, aber das ich nicht mehr mitspiele. Ich bin appariert und seitdem nie wieder zu Hause gewesen. Danach habe ich sie nur selten gesehen. Ich habe meine Ministeriumskarriere abgebrochen und mir meinen Traum erfüllt und bei Gringotts angefangen.“ Als er sie wieder ansah, war sein Blick unendlich traurig. „Ich habe sie und meine Geschwister seit über einem Jahr nicht mehr gesehen.“ Gegen Mittag schließlich musste sie sich von ihm verabschieden. Sie hegte keine unrealistischen Vorstellungen, dass aus den Beiden etwas Festes werden würde. Ganz abgesehen davon, dass ihre Familien bis aufs Blut verfeindet waren, war James nicht der Typ für eine Frau. Und seltsamerweise störte sie die Erkenntnis, dass sie nur eine von vielen war, nicht im Geringsten. Sie hatten eine unvergessliche Nacht miteinander verbracht und Evangeline begnügte sich damit. Vielmehr fand sie es auf eine wirre Weise romantisch, dass James sowohl ihr erster Kuss, als auch ihre erste Nacht gehörte. Ihr gefiel es, wie er immer wieder in ihrem Leben auftauchte und es durcheinander brachte. Obwohl sie ihn mochte, wollte sich die alte Verliebtheit ihrer Jugend nicht wieder einstellen. Seine Nähe hatte eine unglaubliche Wirkung auf sie, aber sie schob diese Empfindungen auf die körperliche Anziehungskraft, die er auf sie ausübte. Während sie ihren Sachen zusammensuchte, saß er auf der Armlehne seiner Couch und beobachtete jede ihrer Bewegungen. Schließlich wandte sie sich ihm zu und seufzte. „Dann mache ich mich mal auf den Weg.“ James schien nach den richtigen Worten zu suchen. „Auf Wiedersehen“, war das Einzige, das er hervorbrachte. „Auf Wiedersehen, Jimmy.“ Er lächelte. „Jimmy... gefällt mir.“ Evangeline erwiderte sein Lächeln, doch James hatte seine Aufmerksamkeit bereits der Aussicht zugewandt. Der Rauch seiner Zigarette kräuselte sich in der Luft und es war wohl seine Art von Abschiedsgruß. Aber so war er und sie mochte ihn, gerade weil er irgendwie anders war. „Ich möchte dich wiedersehen Sie nickte nur wortlos und apparierte, ohne ihm eine Antwort zu geben. Es war der Beginn einer sehr seltsamen Beziehung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)