Me, Myself and Her von abgemeldet ================================================================================ Prolog: Wer bin ich? -------------------- „Wo bin ich? Warum bin ich hier?“ Unschlüssig sah sie sich um, drehte sich um ihre eigene Achse, suchte Himmel und Boden ab. Obwohl sie oben und unten festmachen konnte, war keine klare Decke definierbar und auch kein Boden. Dennoch schickte sie ihre Augen auf Wanderschaft. Ein Mal und noch ein Mal... immer und immer wieder. Doch es half nichts. Es gab nichts, woran sich ihre Augen hätten festhalten können, keine Konturen, keine Farben, keine Schatten. Weiß... alles war weiß. Sie hätte nicht sagen können, ob sie sich draußen oder in einem Raum befand. Das Weiß schien unendlich. „Das ist doch gar nicht möglich!“, dachte sie sich kopfschüttelnd. „Es muss hier doch irgendetwas oder –jemanden geben! Es muss einfach!“ Mit diesem Gedanken setzte sie sich in Bewegung, erst langsam und vorsichtig, dann, als sie den Eindruck hatte noch kein Stück vorangekommen zu sein, fing sie an zu laufen, schließlich rannte sie. Sie rannte durch den gespenstischen weißen Schleier, durch ein Nichts auf ein weiteres Nichts zu, tauchte immer weiter in dieses Nichts ein, sie rannte und rannte bis sie es leid war zu rennen. Es war ein hoffnungsloses Unterfangen. Außer Atem war sie dabei nicht. Nein, definitiv nicht... sie spürte keinerlei Anstrengung, ihre Beine waren nicht müde und sie schwitzte nicht mal ansatzweise. Wieder schaute sie sich um. „Verdammt!!“ Ihre Umgebung schien weiterhin unverändert. Dabei war sie wirklich gerannt, auch wenn sie davon nichts spürte, sie hatte es getan und sich auch fortbewegt, dessen war sie sich sicher. Verwirrt und ungläubig sah sie nun an sich runter. „Was zum...!?“ Es war ihr sogar vergönnt ihren eigenen Körper zu sehen. Der weiße Nebel umschlang sie mit einer Undurchdringlichkeit, dass sie ihre eigene Bekleidung nicht erkennen konnte. Hatte sie überhaupt etwas an? Sie fühlte an sich herunter. Seltsam... sie fühlte zwar ihre Figur, aber sie konnte nicht benennen, was sie unter ihren Fingern spürte. War es Stoff, war es Haut oder war es etwas völlig Fremdes? Ja, es war ihr eindeutig fremd. Sie war sich selber fremd. Schnell verdrängte sie diesen Gedanken. Sie war schon froh darüber, ihre Hände begutachten zu können, wenn sie diese anhob. Wenigstens etwas. Erneut konzentrierte sie sich auf ihre Umgebung. Ihr Verstand konnte und wollte nicht hinnehmen, dass sie das einzige Objekt in der tristen weißen Wüste sein sollte. Überall gab es ein noch so kleines funkelndes Lebenslicht. Das konnte hier nicht anders sein... oder? Sie lauschte angestrengt in das Weiß, doch kein einziger Laut drang an ihr Ohr. Nur das Pulsieren ihres Blutes durchbrach die unheimliche Stille. Die junge Frau atmete tief ein. Sie roch und schmeckte auch nichts. Blumen, frisch gekochte Speisen, Abgase, Chemikalien... all das schien dieser Welt völlig fremd. Ihr fiel zudem auf, dass sie keinen Wind oder gar Sonnenstrahlen spürte. Es war weder warm noch kalt. Es war zwar neblig, aber hell. Dennoch spürte sie keine Regung ihrer Umwelt. Das Weiß wirkte steril und leblos. „Bin ich vielleicht tot?“, wunderte sie sich. Nein, das glaubte sie nicht. Sie konnte nämlich die Angst in sich aufsteigen fühlen. Ihr Herz schlug nun so stark, dass sie es in ihrem Hals heftig pochen fühlte. Ein unwohles Gefühl machte sich in ihrer Brust breit. „Also empfinde ich noch etwas... dann bin ich bestimmt nicht tot.“ Ihre Gefühle waren momentan sogar besonders ausgeprägt. Angst, Verzweiflung und Hilflosigkeit nagten beharrlich an ihr. Sie befand sich nun am Rande einer Panik. Am ganzen Körper zitternd rang sie um Beherrschung. „Das ist alles nur ein böser Alptraum. Ja, genau, ich träume nur! Ich muss nur aufwachen, dann ist alles wieder in Ordnung. Also wach auf... wach auf!“, redete sie sich selber zu. Sie zwickte sich voller Hoffnung in den Arm, doch nichts geschah. Angestrengt versuchte sie sich zu erinnern... was hatte sie als letztes getan? Wenn sie sich erinnern würde und somit der Realität ein Stückchen näher käme, würde ihr das sicher helfen, sich aus diesem bedrückenden Traum zu befreien. Ihr Gehirn ordnete seinem Auftrag gemäß alle Gedanken und suchte nach irgendeiner aufschlussreichen Erinnerung. Eine ganze Weile stand sie da, wie eine Statue, in Gedanken vertieft. Plötzlich riss sie die Augen weit auf. Egal, wie sehr sie sich anstrengte, sie fand keine Erinnerung, weder eine aufschlussreiche noch eine banale. Es gab keine Erinnerung. Kein Anhaltspunkt, keine Bilder aus ihrem Leben, alles in ihr war leer. „...wer bin ich?“ Ihre Hände ballten sich bei diesem Gedanken zu Fäusten. „Wer bin ich?“ Sie drückte so fest, dass ihre Knöchel die Farbe ihrer Umgebung annahmen. „Ich muss doch wissen, wer ich bin!“ Sie schüttelte heftig ihren Kopf und ließ ihn dann hängen. „Wie ist mein Name? Wie alt bin ich? Woher komme ich? Wer sind meine Familie, meine Freunde? Hab ich einen Beruf, gehe ich noch zur Schule? Wie... wie bin ich?“ Mit geschlossenen Augen rezitierte sie diese Fragen in ihrem Kopf, aber die Antworten blieben ihr verborgen. Sie fiel auf die Knie und stützte sich mit ihren noch immer zu Fäusten gepressten Händen am weißen Grund ab. Wieder dieser Gedanke... sie war sich selber eine Fremde. „WER BIN ICH???“, wollte sie hinausschreien, aber aus dem Schrei wurde nur ein erstickter Schluchzer. Tränen fielen durch das weiße Nichts. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)