Rewind And Reflect von 4FIVE ([Caleb x Cornelia | canon-sequel | enemies to lovers]) ================================================================================ Kapitel 21: Trap Snap Shut -------------------------- … I will take in all of your overflowing thoughts, rewind them like I used to do when our love did fade away … E I N U N D Z W A N Z I G "Oh, nein! Wir sitzen hier fest!" "Was meinst du mit 'Wir sitzen hier fest'?" "Dass es nicht mehr funktioniert! Hör auf den Ring von meinem Finger zu ziehen, das bringt Unglück!" "Ach, jetzt bist du plötzlich abergläubisch?" "Halt doch die Klappe!" Cornelia wehrte Calebs Hände ab, nur um ihm am Ende doch den Ring mit einem bösen Funkeln zurückzugeben. "Probier es doch, ich sage dir voraus: Es funktioniert nicht." Caleb schloss sie ignorierend die Augen, doch nichts geschah. "Wie funktioniert denn das überhaupt? Ich kann mir nicht vorstellen, wie Will das dauernd macht." "Gib schon her!" Ungeduldig entriss Cornelia ihm den Ring wieder, doch auch bei ihr tat sich nichts, das ihnen weiterhelfen konnte. In ihr stieg nur noch mehr Panik hoch. "Heute geht wohl alles schief, ich glaub es ja nicht!" Sie war den Tränen nahe – wieder einmal –, aber diesmal gab sie sich nicht der Schwäche hin. In Notsituationen hatte sie schon immer das Talent bewiesen, einen kühlen Kopf zu bewahren. "Wir sind hier also gefangen. Gefangen in der Wirklichkeit. Super." "Meridian ist auch eine Art von Wirklichkeit", wandte Caleb beleidigt ein. "Willst du echt anfangen darüber zu diskutieren, welche Welt mehr wirklich ist? Wir sollten lieber versuchen, diese hier so schnell als möglich zu verlassen. Wir fahren zu Yan Lin. Sie hat womöglich eine Idee." Hektisch packte Cornelia ihre Sachen zusammen und zog Caleb aus der Wohnung, der nachdenkend neben ihr herging. "Wieso nehmen wir nicht eines dieser gelben Autos?" "Weil ich kein Geld mehr habe. Verdammt, was machen wir denn jetzt nur?" "Erst einmal Ruhe bewahren", riet Caleb. "Wenn wir jetzt in Panik ausbrechen, dann ist keinem geholfen." "Ich breche nicht in Panik aus – sehe ich aus, als ob ich in Panik ausbrechen würde?!", kreischte Cornelia. "Tut mir Leid. Das habe ich gebraucht. Es geht mir gut." "Du hast jede Entschuldigung der Welt auf deiner Seite nach diesem Horrortag." "Danke." Sie blieb stehen und ergriff seine Hand. Schnell ließ sie sie wieder los. "Entschuldige. Ich wollte nicht…" "Schon gut." Caleb nahm ihre Hand erneut auf. "Das war ein harter Tag und eine harte Nacht. Ich weiß nicht, ob ich dir damit helfen kann, aber ich bin dir nicht böse. Ich könnte dir nie böse sein. Dass du mit Peter geschlafen hast, ist zum einen nicht von Belangen und zum anderen zum Teil auch meine eigene Schuld. Wäre ich ehrlich zu dir gewesen und hätte nicht den Beschützer gespielt, dann wäre das alles anders verlaufen. Keiner von uns sollte sich durch Nichtigkeiten dieser Art irritieren lassen." "Und wie kommst du darauf, dass mir das nicht helfen sollte?" Cornelia fiel ein so großer Stein vom Herzen, dass sie glaubte, sie würde gleich anfangen zu schweben. "Danke. Dafür und dafür, dass du für mich da bist." Er zog sie zu sich, um sie zu umarmen. Die Umarmung dauerte jedoch nicht allzu lange, denn sofort war ihre problematische Situation wieder in den Vordergrund gerückt. "Wir müssen uns beeilen. Hoffentlich kann uns Mrs. Lin weiterhelfen!" "Und du denkst, dass wir das echt tun sollten?" In Meridian hatte sich während Cornelia und Calebs Misslage ein heftiger Streit entwickelt. Taranee und Hay Lin waren der Meinung, man solle das Orakel in Kandrakar aufsuchen, um Hilfe oder zumindest etwas in der Art zu erbeten. Will und Irma waren jedoch strikt dagegen, da Phoebe ein rein meridianisches Problem war, das sämtliche anderen Welten nichts anging. "Inzwischen ist die Situation so kritisch, dass wir wohl schwerlich alleine damit klarkommen, vor allem, da Elyon nun mehr oder weniger außer Gefecht ist – nämlich eher mehr als weniger!", beharrte Hay Lin streng. Will als Anführerin war damit ganz und gar nicht einverstanden. "Papperlapapp, Problem hipp oder hopp! Fest steht, dass wir das alleine sehr gut hinbekommen können. Was soll uns das Orakel schon groß helfen? Sobald Cornelia wieder hier ist, werden wir dem Weib kräftig in den Hintern treten." "Das glaubst du doch selber nicht, oder?", fauchte Hay Lin. Die sonst so gleichbleibend gut gelaunte Wächterin der Luft war inzwischen beinahe am Ausrasten. Ihr setzte das ganze sehr viel mehr zu, als den anderen, zumal sie auch noch unter persönlichem Stress stand angesichts der Verantwortung, die sie dem Silver Dragon und Eric gegenüber hatte. "Wir brauchen Hilfe! Willst du wirklich eine Niederlage riskieren? Vielleicht kann er uns wirklich helfen!" "Kann er nicht." "Fragen kostet nichts!" "Es kostet Zeit!" "Es nicht zu tun kostet Leben!" Darauf wusste Will kein rationales Argument außer 'Aber-aber!' hervorzubringen, also stimmte sie unwirsch Hay Lins Vorschlag zu, die sich aber nur wenig über den Triumph freuen konnte. "Schön. Ich kreiere ein Portal. Eris, wir sind in fünf Minuten wieder da. Eine Verneinung wird kaum länger dauern." Sie hob das Herz Kandrakars und öffnete ein Portal, durch das sie eilig gingen. Irma erklärte sich bereit, hier zu bleiben, um den Palast nicht gänzlich schutzlos zu lassen und sie nach ihrer Rückkehr über etwaige Veränderungen informieren zu können. Die Helligkeit, die sie nach dem Durchschreiten des Portals erwartete, tat ihnen in den Augen weh. Sie hatten Kandrakar weniger strahlend in Erinnerung gehabt. Das viele Weiß machte sie für wenige Augenblicke blind, ehe sie schemenhaft die Umrisse des strahlenden Schlosses erkannten, in welchem sie das Orakel umringt von seinen Freunden und Helfern bereits erwartet hatte. "Ihr kommt spät", sagte er, ohne die Augen zu öffnen. Er saß mit entspanntem Gesicht im Schneidersitz in der Mitte der riesigen hohen Halle. "Ich hätte euch viel früher erwartet. Und ihr seid nicht vollzählig." Genervt und mit den Nerven fast am Ende konnte Will mit ihrer schlechten Laune nicht lange hinter dem Berg halten. "Sieht so aus. Uns gibt's halt nicht immer im Fünferpack. Die Inflation ist Schuld – weniger Inhalt für mehr Geld. So spielt das Leben", fauchte sie, mahnte sich aber sofort zu Ruhe und Respekt. Das Orakel öffnete nun die Augen und erhob sich leichtfüßig. "Wie ich merke setzt euch dieser enorme Druck nicht so sehr zu, wie ich angenommen hatte. Wohl wahr, es ist eine verfahrene Situation, in der ihr euch befindet. Elyons Aufgaben zusätzlich zu den euren zu übernehmen ist wahrhaftig mehr, als ihr bewältigen könnt. Wenigstens habt ihr eure Nerven noch nicht verloren. So sagt mir, wie kann ich euch behilflich sein?" Taranee übernahm schnell das Reden, ehe Will erneut mit Sarkasmus glänzen konnte. "Wir haben uns gefragt, ob Ihr uns womöglich mit einem Rat zur Seite stehen könnt." "Einen Rat?", wiederholte er langsam. "Ich denke, ich habe etwas Besseres. Wie ihr wisst, kann ich Kandrakar nicht verlassen, also musste ich warten, bis ihr zu mir kommt, um euch mein Wissen mitzuteilen." Gespannt weiteten sich die Augen der Mädchen. "Elyon ist mit einem Fluch belegt, der erst mit dem Tod seines Verursachers aufgehoben wird. Ihr kennt denjenigen, der sie verflucht hat." Wie Schuppen fiel es ihnen nun von den Augen: "Blight!" Das Orakel nickte. "In eurer Welt ist es unter dem Namen Blight bekannt, in Meridian wird er Odin genannt. Odin ist ein Traumwandler, wie ihr richtig erkannt habt. Er ist ein Meister der Verzerrung und Manipulation. Es macht ihm Freude, Menschen leiden zu sehen. Ihr habt auch sehr richtig herausgefunden, dass er Cornelia mit der Pflanze Ihalla dazu gebracht hat, ihre Empfindungen Caleb gegenüber ins Gegenteil zu verkehren. Mit dem Raub ihrer Kräfte hat er aber auch die Wirkung der Ihalla von ihr genommen, da diese immer an magische Kräfte gekoppelt sein muss. Genau das kann euch nun zum Vorteil gereichen." "Inwiefern sollte Cornelias Liebe uns denn weiterhelfen?", fragte Taranee irritiert. Das Orakel fuhr fort: "Odin hat seine ganze Strategie darauf aufgebaut, ein Glied der Kette zu zerstören. Sind eure Reihen nicht länger komplett, seid ihr für keinen mehr ein ernstzunehmender Gegner. Er wollte Cornelia verwirren, sie manipulieren und ihr so viele verschiedene falsche Gefühle indizieren, dass sie am Ende nicht mehr wissen sollte, welche Empfindungen nun ihre eigenen sind." "Das kann ihm doch egal sein", behauptete Will. "Könnte es, in der Tat, aber Odin ist, wie ich bereits sagte, ein Meister der Manipulation. Er wird einen Weg finden, um Cornelias Verwirrtheit auszunützen. Wie genau, das weiß nur er selbst, aber Phoebe wird nicht angreifen, solange die fünf Wächterinnen vereint am Leben sind. Darum müsst ihr schnell handeln." "Aber wie? Wir wissen nicht wo sich Phoebe aufhält!" Er setzte sich wieder hin und verschränkte die Arme konzentriert. "Wo sie sich aufhält, weiß niemand. Doch viel wichtiger ist es, euch nicht zu trennen. Das ist sehr riskant. Ihr müsst rasch wieder zusammenkommen. Wartet –" Er erschuf mit einer Handbewegung einen Wasserspiegel, der senkrecht in der Luft schwebte. "Seht." Sie sahen. Und was sie sahen, war ein unerfreulicher Anblick: Cornelia und Caleb auf einem Feld außerhalb Heatherfields. Ihnen gegenüber standen Blight, Collin und Ophra. "Wir müssen sofort dort hin!" Noch im Reden öffnete Will das Portal, das sie direkt nach Meridian führte, wo sie sich Irma schnappte und sofort ein weiteres Portal zurück nach Heatherfield erschuf. Cornelia und Caleb waren auf dem Weg zum Silver Dragon. Doch sie sollten nie dort ankommen. "Hast du wirklich kein Geld mehr?", fragte Caleb zum zehnten Mal. "Sieh doch in deinen Taschen nach." "Das hab ich vor fünf Minuten schon gemacht. Seitdem wird sich nicht viel geändert haben. Wenn du nur meckern kannst, dann halte bitte zehn Meter Abstand zu mir, denn du machst mich total fertig mit diesem Gezeter. Ich finde es ja auch nicht gut, dass wir zu Fuß gehen müssen, aber so ist es nun mal. Kein Geld, keine Dienstleistung. Und ich bin nicht bereit, einem perversen Taxifahrer als Bezahlung meine Brüste zu zeigen. Außerdem akzeptieren das nicht allzu viele, das habe ich vor ein paar Jahren mal versucht. Das war ein Scherz", fügte sie hinzu, als Caleb sie entgeistert ansah. "Ich bitte dich, traust du mir echt zu, dass ich einem alten, ekelhaften Taxifahrer mei–" Cornelia brach abrupt ab, als ein schwarzer Maserati an ihnen vorbeifuhr, dessen getönte Seitenscheiben zur Gänze heruntergelassen waren. Bei so einem Auto musste man natürlich einen Blick auf seine Insassen werfen und mit jedem hätte sie gerechnet, sogar mit Jake Gyllenhaal oder Tom Cruise, aber nicht mit denen, die tatsächlich im Wagen saßen. "Lilian!" Der Schreckensschrei blieb ihr in der Kehle stecken, aus der nur ein heiseres Kreischen herauskam. Der Maserati war unterdessen bereits etliche Meter weitergefahren. "War das eben Lilian?", wiederholte Caleb. "Ja! Und neben ihr saß Collin! Verdammt! Los, wir müssen hinterher!" Ohne nachzudenken griff sie sich das nächste Fahrrad, das sie zu Gesicht bekam, sprengte das Schloss mit ein paar Wurzeln und schwang sich auf den Sattel des Stadtrades, das ihr viel zu klein war. Caleb brauchte ein wenig länger, ehe er die Absperrung vom Rad seine Wahl herunterbekommen hatte und nahm mit geringer Verspätung ebenfalls die Verfolgung auf. "Da ist was faul", rief Cornelia außer Atem, nachdem er aufgeholt hatte. "Sie fahren viel zu langsam, als dass sie ernsthaft irgendwo hin wollen könnten! Das ist sicherlich eine Falle!" "Selbst wenn, wir müssen Lilian da rausholen", schrie Caleb zurück, der etliche Mühe hatte, sich auf dem Zweirad zu halten. Die mehr oder weniger spektakuläre Verfolgungsjagd fand erst außerhalb der Stadt ein jähes Ende. Es war eines der weiten Felder südlich Heatherfields, auf dem zumeist Zuckerrohr angebaut wurde. Um diese Jahreszeit war es jedoch nur mit Frost bedeckt und ein wenig widerspenstigem Unkraut. Der Wagen hielt mitten auf der Ackerfläche, als würde er sich für seine Verfolger schön ersichtlich drapieren wollen. Diese Auffälligkeit bestätigte den vorherigen Eindruck der beiden. "Sie haben uns hierher gelockt, kein Zweifel", flüsterte Cornelia. Sie ließ das Rad unachtsam fallen und ging festen Schrittes auf den Maserati zu. Es war ein Quattroporte S, ein sehr schöner Wagen, und sie hätte ihn in einer normalen Situation bewundert, doch gerade eben war sie fest entschlossen, niemals wieder einen Maserati auch nur anzusehen. Caleb folgte ihr auf den Fuß, wenn auch nicht mit solch niederträchtigen Gedanken. Ihm war die Sicherheit Cornelias wichtiger als die Lilians. Aber er wusste, dass er sich fürs Erste zurückhalten musste, denn es ging hier um ein Familienmitglied ihrerseits. Die Insassen stiegen aus dem Maserati, um ihr triumphales Grinsen zu präsentieren. Das war nicht verwunderlich, doch sehr wohl verwunderlich war, dass beide Insassen dieses Grinsen trugen – auch Lilian. Und da verstand Cornelia mit einem Schlag. "Sie ist nicht echt!", rief sie erschrocken. Wut stieg in ihr hoch. Sich so leichtfertig getäuscht haben zu lassen, versetzte ihr einen Schlag. Woher sollten sie Lilian auch herbekommen? Wie dumm war sie doch! Sie wussten doch nicht, dass sie die Kraft der Erde nicht mehr besaß und wehrlos war. "Dann sag schon, wer ist es?" Ihre Frage wurde ihr prompt beantwortet. Aus Lilian wurde Blight, auf dessen Visage das hämische Grinsen noch viel bedrohlicher wirkte. Amüsiert sah er Cornelia zu, wie ihr Blick sich von erschrocken zu abfällig verwandelte. "Tut mir wirklich leid, dich enttäuschen zu müssen", sagte er süßlich. Sein böser Gesichtsaudruck passte jedoch überhaupt nicht zu dem lieblichen Ton. "Spar deinen Atem! Was willst du?" "Dreimal darfst du raten – aber egal ob du richtig oder falsch liegst, sterben wirst du heute sowieso." "Kann ich mir nicht vorstellen." Woher Cornelia ihren Mut nahm, war klar. Obgleich sie anfangs Lilians Kräfte nicht einmal ansatzweise gespürt hatte, waren sie nun in ihrem Körper omnipräsent. Jede Faser, jede Ader strotzte vor Energie, die zu benutzen ihr ein unverschämtes Vergnügen bereiten würde. Ohne abzuwarten schnippte sie, was zur Folge hatte, dass sie breite Risse im spröden Feldboden bildeten. Aus ihnen kamen nach einer kleinen Handbewegung grüne Arme von Rankenpflanzen herausgeschossen, die sich mit aller Kraft um Collins und Blights Körper schlossen. Aber ihr siegessicheres 'Hm' wurde bereits im Keim unterbrochen. Blight schloss die Augen und spannte seinen Körper bis zum Zerreißen an – wortwörtlich. Er kauerte sich zusammen, nur um dann mit einem Schrei den ganzen Körper durchzustrecken. An den Fingerspitzen riss die Haut. Der Riss zog sich in Sekundenschnelle über seinen ganzen Körper. Dann gab es eine Explosion und vor ihnen stand, umringt von toten Ranken, ein ekelhaftes Monster. Sie erkannte dieses Vieh, seinen schuppigen Körper, die feuchten schwarzen Augen und den glatten, grauen Schwanz. Es war ein Traumwandler in seiner wahren Gestalt; ein nahezu menschlich aussehender Kopf auf einem übergroßen Salamanderkörper. "Zu hässlich für menschliche Augen, nicht wahr?", scharrte seine tiefe Reibeisenstimme, die sich nun überhaupt nicht mehr nach Dr. Harvey Blight anhörte. "Jahrhunderte lang hat man uns an den Rand der Welt gedrängt, um die Menschen vor Kreaturen wie uns zu schützen, ebenso wie unsere wahre Königin. Wir durften ein trostloses Leben in der Dunkelheit führen. Doch das hat nun endlich ein Ende!" "Ich glaube, mir wird schlecht", würgte Cornelia hervor, ohne seine Worte als angenommen zu kennzeichnen. Sie fühlte sich so überlegen, dass sie sich alles erlauben konnte. "Ehrlich gesagt, die Menschen tun ganz gut daran, Abscheulichkeiten wie dich auszuschließen! Wasch dich mal!" "Cornelia", mahnte Caleb hinter ihr zischend. Er war weniger von ihrer totalen Überlegenheit überzeugt. Aber was wusste er schon? Sie konnte diese nahezu grenzenlose Macht in sich spüren. "Ich habe keine Angst vor dir, wer auch immer du bist!" "In Meridian nennt man mich Odin. Doch du wirst wenig Gelegenheit haben, diese Information zu verarbeiten." "Große Töne für jemanden, der erst eine Falle stellen musste, um sein Opfer anzugreifen." Er ließ ein verärgertes Knurren hören, dann lief er auf allen Vieren in immenser Geschwindigkeit auf sie zu. Unter seinen mit Schwimmhäuten überwucherten Füßen bröckelte der Boden, so viel Kraft legte er in seine Schritte. Cornelia beeindruckte das eher weniger. Sie warf die Arme in die Luft und hob mit einem Ruck einen Erdbrocken hoch, der sich der Risse von vorher wegen von dem Feldboden abgetrennt hatte. Den Brocken schleuderte sie voller Wucht gegen Odin, welcher dadurch von den Füßen gerissen wurde. Er flog zur Seite, rollte über die Erde und kam einige Meter entfernt zum Liegen. Es hatte brutal ausgesehen – jeder normale Mensch hätte sich dabei alle Knochen gebrochen –, aber ihm schien es nichts auszumachen. Der Gefallene stand mühelos auf, um erneu einen Angriff zu starten, dem die überraschte Cornelia nur um ein Haar ausweichen konnte. "Verdammt", zischte sie mit einem Blick auf ihren Arm. Ein langer, blutiger Kratzer zierte ihn, denn Odin hatte sie allen Anscheins nach doch erwischt. Er tat nicht wirklich weh, zumindest nicht so stark, dass sie es unter dem Adrenalin merkte. Caleb hatte im Gegensatz zu ihr größere Probleme. Er und Collin hatten begonnen, einen unfairen Kampf auszutragen, in dem Caleb, der frei von allen magischen Fähigkeiten war, eindeutig im Nachteil war. "Schlimm, nicht wahr?", meinte Odin. "Dem Geliebten zusehen zu müssen, wie er einen Kampf bestreitet, den er ohnehin verlieren wird." Sie erwiderte den Hohn mit einem zornigen Blick aus verengten Augen. Sie kniete sich wortlos auf den Boden und ließ erneut Ranken aus ihnen sprießen. Odin wich ihnen leichtfertig aus. Aus seinem Gesicht sprach das Bewusstsein, ihr überlegen zu sein, und langsam verstand auch Cornelia, dass seine Macht viel größer war, als sie jemals angenommen hatte. Sie musste ihre Strategie überdenken. Mit diesem Ranken- und Felsbrockenwerfen kam sie eindeutig nicht weiter. Aber was sollte sie sonst tun? Sie warf einen kurzen Seitenblick auf Caleb, der sein Schwert gezückt hatte – und da kam ihr die Idee. Magisch war ich Odin auf jeden Fall ebenbürtig. Doch wie sah es körperlich aus? Sie konnte schneller fliegen als jede Schwalbe und war mit ihrem grazilen Körper weitaus wendiger als der großgewachsene, kräftige Odin. "Okay, jetzt geht's los!", beschwor sie sich selbst. Cornelia stieß sich vom Boden ab und war innerhalb eines Augenblinzelns vor Odin, der vollkommen perplex keine Chance hatte, ihren Tritt abzuwehren. Ein einfacher Tritt, fürwahr, hätte wenig bei seinem schuppigen Panzer genützt, doch Cornelia hatte das Herz der Erde und sie war immerhin ein Teil der Erde. Diese Tatsache erlaubte es ihr, um ein Vielfaches kräftiger zuzutreten, als jeder Kampfsportler es jemals gekonnt hätte. Mit diesem einen Schlag hatte sich die Tendenz völlig verändert. Hatte vorher noch Odin die Oberhand gehabt, so war Cornelia dem Sieg nun eindeutig näher. Ihre Schläge waren weitaus laienhafter, als dass sie gut ausgesehen hätten, doch sie zeigten Wirkung. Odin war nicht in der Lage, einen Angriff seinerseits zu starten. Er war viel zu beschäftigt damit, sie abzublocken. Cornelia war aber mit dieser Art von Attacken noch lange nicht fertig. Als ein besonders starker Schlag Odin von den Füßen riss, erblickte sie plötzlich einen Schuppen und der brachte sie auf eine glorreiche Idee, wie sie das hier beenden konnte. Ohne zu wissen, was sich in dem Schuppen befand, sprengte sie mithilfe einiger Pflanzenarme das Vorhängeschloss. Es schossen einige Gerätschaften auf sie zu, die sie dank der Fähigkeit der Telekinese zu sich holte. Es kam aber nur ein Gerät an: ein schwerer Sparten, den sie aus der Luft griff und auf Odin richtete. Nun zählte nur eine einzige Sekunde, in der sie den Mut haben musste, eine Kreatur zu töten. Sie holte aus – Und zögerte. Odin ergriff die Gelegenheit sofort. "Schwäche ist ein Zeichen für mangelndes Selbstvertrauen", höhnt er. "Caleb hat es dir genommen, als er eure Beziehung beendet hat, nicht wahr?" "Und wenn schon", keifte Cornelia zurück, den Sparten noch immer erhoben. "Das ist Vergangenheit." "Genauso wie deine Gefühle." Sie antwortete nicht, doch Odin merkte, wie sein Plan aufzugehen schien. "Die Liebe, die du für ihn empfindest, ist nicht echt. Ich habe sie kreiert!" "Das ist eine Lüge!", schrie Cornelia wütend. "Natürlich würdest du das gerne glauben, aber ich kenne die Wahrheit. Kennst du die Ihalla? Sicherlich kennst du sie und du weißt auch, was sie bewirkt? Die Sporen dieser Pflanze erlaubten es mir, in deine Träume einzudringen. Aber das ist noch nicht alles. Hast du dich nie gefragt, wieso sich deine Gefühle schlagartig verändert haben, als ich deine Kräfte geraubt habe? Von Hass auf Liebe in einer Minute. Das war ich. Vermischt mit Sachimsamen kehrt die Ihalla derartige Gefühle ins Gegenteil um. Es ist eine Art Liebespflanze, wenn du so möchtest. Den Menschen, den du am meisten verabscheust, wird mit den Samen derjenige, den du am meisten liebst. Aber die Wirkung hält bei meiner Dosierung nur wenige Wochen." "Du lügst!" Ihre Worte hätte Cornelia gerne mit innerer Überzeugung ausgesprochen, doch sie konnte es nicht. Es passte alles zusammen. Es bedeutete, dass das, was zwischen ihr und Caleb entstanden war, nur ein Produkt aus magischer Manipulation war. Es versetzte ihr einen so schweren Schlag, dass sie den Sparten fallen ließ. "Glaub ihm kein Wort", schrie plötzlich eine wohlbekannte Stimme hinter Cornelia. Will schloss das eben entstandene Portal und ging mit wütender Miene auf Odin zu. "Es ist genau umgekehrt. Wir haben Eris gefragt und sie sagte, dass Sachimsamen keine negativen Gefühle umkehren können. Im Gegenteil, sie kreieren sie! Deine Gefühle sind echt. Ihalla und Sachim sind magische Pflanzen, deren Wirkung sich nur an ebenso magische Kräfte binden kann. Als er deine Kräfte raubte, nahm er auch die Wirkung von dir. Alles, was du seitdem empfindest, entspringt nur deinem Inneren. Odin war nie daran interessiert, deine Kräfte zu nutzen, Cornelia", beschwor Will sie. "Es gehörte alles zu dem Plan, der heute in deinem Tod gipfeln sollte. Aber du hast deine Chance vertan, Odin! Denn nun sind wir hier!" Cornelia konnte noch immer nicht ganz glauben, was sie da hörte – und zwar weder das eine, noch das andere. Man hatte sie als Spielball missbraucht. Wieso hatte alle Welt es auf ihre Gefühle abgesehen? Was war nun Wirklichkeit, was Magie? Cornelia schloss die Augen und versuchte sich an irgendwas zu erinnern, das hilfreich war. Aber alles was sie spürte, war eine tiefe Verbundenheit zu Caleb – und das konnte sicherlich keine Magie der Welt beschwören. "Also schön", rief sie verärgert. "Du hast mich benutzt, manipuliert, beleidigt und beinahe dazu gebracht, an der Aufrichtigkeit meiner Gefühle zu zweifeln. Jetzt reicht es mir!" Mit aller Kraft streckte sie die Arme nach vorne. Sie wandte so viel Energie auf, dass ein grüner Schimmer ihre Haut umgab. Das war eindeutig das Herz der Erde. Ermutigt durch diese Erkenntnis wagte sie es, das schier Unmögliche zu tun. Die ersten paar Sekunden geschah nichts und Odin lachte bereits höhnisch los, doch das Lachen blieb ihm im Hals stecken, als sich im Umkreis von etwa zehn Meter die Erde um ihn auftat wie ein undurchdringlicher Wall. Irma, Taranee und Hay Lin, die sich inzwischen in den ungerechten Kampf von Caleb und Collin eingemischt hatten, hielten ebenso schlagartig inne, wie der nunmehr gefangene Odin. Cornelia dachte aber nicht daran, ebenfalls aufzuhören. Sie war noch lange nicht fertig. Mit höchster Konzentration zog sie die zwiebelförmige Erdmauer, die sich um Odin aufgetan hatte, enger zusammen. Inzwischen war der Eingeschlossene nicht mehr zu sehen, aber sie spürte seine Schritte auf dem Erdboden – es war überwältigend, wie viele Dinge sie dank dem Herz der Erde zusätzlich wahrnahm. Mit einem ohrenbetäubenden Beben schloss sich die Öffnung der Mauer nun gänzlich und erstarrte für einen Moment. Dann fiel das tonnenschwere Konstrukt in sich zusammen. Es begrub Odin lautstark unter sich. Der erste Sieg gehörte endlich ihnen. Zumindest dachten sie das für einen kurzen Augenblick. "Ich hätte wissen müssen, dass er versagt." Es war eine kalte, gespielt mitleidige Frauenstimme, ein bloßes körperloses Echo, das scheinbar keinen Ursprung hatte, bis plötzlich wie aus dem Nichts eine großgewachsene Frau mit dunklem Haar vor ihnen stand. "Collin!", rief sie. Mit einem Satz tauchte er neben ihr auf und ließ die Wächterinnen und Caleb mitten im Kampf einfach stehen. "Meine Königin", raunte er demütig, als er sich vor ihr hinkniete. "Steh auf, du Nichtsnutz", befahl sie verärgert. "Odin und du, ihr habt beide zu oft versagt." Es folgte ein Schnippen – ein einfaches Schnippen, mehr nicht. Aber es zeigte große Wirkung. Collin rollte sich vor Schmerzen auf dem Boden zusammen und begann zu schreien. Flammen stoben aus seinem Körper. Sie verbrannten ihn innerlich, bis er in Sekundenschnelle zu Staub zerfallen war. Entsetzt starrten die Wächterinnen die Frau an. Es konnte nur Phoebe sein. "Eindrucksvoll, nicht wahr?", sagte sie ungerührt. "Noch eindrucksvoller ist jedoch, dass ich es war, die ihn aus Wind und Feuer erschaffen hat. Seid ihr beeindruck?" "Du bist Phoebe, nicht wahr?", fragte Will überflüssiger Weise. "Sehr richtig, Mädchen. Aber ich bin auch die, die euch ein für allemal zerstören wird!" Ihr höhnisches Lachen legte sich über das kahle Feld, das nun der Schauplatz für den letzten Kampf sein würde. Das Finale hatte begonnen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)