Rewind And Reflect von 4FIVE ([Caleb x Cornelia | canon-sequel | enemies to lovers]) ================================================================================ Kapitel 15: Hot Served Jealousy ------------------------------- … Left alone I climbed the steep valley I excavated once again, Your whisper still ringing in my mind, when I understood What was important is "you" in my heart … F Ü N F Z E H N Die Reise wurde fortgesetzt, ebenso schweigsam wie sie angefangen hatte. Caleb war noch immer in Gedanken versunken, Cornelia wollte ihn nicht dazu zwingen, mit ihr zu reden, und der Rest folgte dem Beispiel der beiden Anführenden. Es hatte sich nämlich inzwischen eingebürgert, dass eben erwähnte zusammen mit Aldarn die Spitze des Zuges bildeten. Der Zufall hatte nach einer Reihe verschiedenster Geschehnisse darüber entschieden und man wollte das bewährte System nicht anfechten. Es herrschte die ganze Zeit über eine angenehme Ruhe. Ab und zu wurden Worte gewechselt, diese waren jedoch selten von Belangen. Zu viel Konversation schlug ihnen allen nur aufs Gemüt, wie sie festgestellt hatten, denn sie führte entweder zu Streit, Befangenheit oder tiefsinniger Nachdenklichkeit. Und eben das konnte man derzeit überhaupt nicht gebrauchen. Aufgrund dieser Tatsachen hatte sich ganz automatisch eine Formation gebildet, in der nur Konstellationen zu finden waren, die sich intern wenig mitzuteilen hatten. Alles in allem wanderte man also still und im Einklang mit sich und der Natur durch das Outback Meridians, bis es Nacht wurde, man ein einstweiliges Lager aufschlug und am frühen Morgen wieder aufbrach. Am Abend waren sie dann am Ziel. "Das ist es." Hinter ihm versammelte sich eine Menschentraube, die den Platz prüfend beäugte. Will als Anführerin war die erste, die etwas dazu sagte. "Es ist gut. Sehr gut sogar. Das alles kommt uns sehr gelegen. Großartige Arbeit, Caleb." Anerkennend klopfte sie ihm auf die Schulter. Der Ort war tatsächlich für ihr Vorhaben äußerst geeignet. Es war eine mittelgroße Lichtung, vielleicht hundert Quadratmeter, umringt von hochgewachsenen Laubbäumen sowie bodennahen Büschen. Die letzten Sonnenstrahlen vor der Dämmerung drangen vereinzelt und doch reichlich durch die spärlichen Lücken der dichten Bewaldung und berührten den kahlen, harten Boden des ovalen Waldausschnitts. Das einzige, das aus der nährstoffarmen Erde ragte, waren eine große Felsformation mit abgerundeten Ecken und zwei kleinere kantige Felsen. "Es ist wunderschön hier", hauchte Hay Lin begeistert. Cornelia schauderte neben ihr. "Was hast du?" "Ich finde es schrecklich." Caleb drehte sich zu dem Rest der Gruppe um und sagte, bevor sie weitersprechen konnte: "Hier wächst seit einem Jahr nichts mehr. Wieso, das weiß keiner. Diese Lichtung ist zwar sehr bekannt aufgrund ebendieser Besonderheit, jedoch kommt nie jemand hierher. Zum einen, weil die Reise gefährlich und lang ist, zum anderen, weil man bereits versucht hat, den Grund für die Wachstumshemmung zu finden, aber keinen finden konnte." "Hier kann nichts wachsen, weil der Boden tot ist", sagte Cornelia düster. Sie schlang die Arme um ihren Oberkörper, um die aufkommende Gänsehaut zu verhindern, was ihr jedoch nicht gelang. "Vor Jahrzehnten war es einmal ein sehr schöner, eindrucksvoller Ort, an dem vor allem seltene Pflanzen wuchsen. Das Wachstum verhielt sich vergleichbar zu unserem Regenwald – viele Arten, aber wenige Individuen derselben." "Woher weißt du das?", fragte Will irritiert. Sie trat näher an Cornelia heran, um ihr sorgenvoll die Hand auf die Schulter zu legen. Hay Lin tat dasselbe. "Ich kann es vor mir sehen." Cornelia schüttelte die Hände ab, um langsam ein paar Schritte in die Lichtung hinein zu gehen. "Seit mir Kadma auf Zamballa gezeigt hat, wie man mit Pflanzen spricht, habe ich es geübt. Es geht allerdings nicht oft, zumindest nicht auf der Erde. Aber hier, wo die magische Energie alles Leben durchströmt, sprechen sie eine sehr deutliche Sprache. Sie zeigen mir Bilder von vergangenen Zeiten, als diese Lichtung keine war, sondern ein besonderer Teil des Waldes, in dem man eine besonders hohe magische Konzentration spüren konnte." "Erzählen sie auch, was passiert ist?", wollte Irma drängend wissen. "Dann könnten wir ein Buch darüber schreiben und als Finder der Antwort berühmt werden!" "Irma!" Will boxte ihr mahnen in die Seite. "Sie sagen, dass es eine hellblonde Frau war, groß gewachsen und sehr schön, mit mächtigen Kräften." "Hört sich ganz nach Phoebe an", sprach Irma ihrer aller Gedanken laut aus. "Diese Frau raubte dem Ort seine magische Energie, um sich selbst damit zu bereichern. Sie kam hierher, saugte die Energie und ließ somit alles Leben sterben, das auf dem Erdflecken wuchs, unter dem die Konzentration des Spirits hoch war." "Der Spirit", erklärte Aldarn den ratlosen Gesichtern der Wächterinnen, "ist die Lebensenergie Meridians. Er ist Quelle für Königin Elyons Kraft, er ist das, aus dem alles Leben in dieser Welt geboren wird und er ist das, was es am Leben erhält." Caleb fiel ihm ins Wort: "Es gibt Gegenden, an denen der Spirit sehr hoch ist und welche, an denen er nur spärlich oder gar nicht vorhanden ist. Der Reichtum der Flora und Fauna an bestimmten Orten hängt direkt mit der Intensität des Spirits zusammen. Diese Orte sind durch eine unsichtbare Grenze vom Rest abgetrennt, ähnlich einem Wasserglas, damit der Spirit nicht hinaus fließen kann. So erhält sich der Teil Meridians seine Lebensenergie. Wenn aber nun jemand, zum Beispiel Phoebe, den Spirit eines in sich geschlossenen Bereichs abschöpft, dann stirb innerhalb dieser Linie alles, ohne Hoffnung, jemals wieder lebendig zu werden." "Das bedeutet, wir müssen dem kargen Fleckchen hier seinen Spirit wiedergeben, sobald Phoebe zur Strecke gebracht ist!", schlug Irma eifrig vor, doch Caleb musste sie enttäuschen. "Einmal verschwunden, kann die Energie dem Ort nicht mehr zurückgegeben werden. Dieser Umkreis ist für immer tot, dagegen kann nichts getan werden. Es ist vergleichbar mit einem jedem Leben auf Meridian. Jeder Mensch lebt von dem Spirit. Wenn er weg ist, ist man gestorben, und kann nie wieder lebendig gemacht werden. Verstehet ihr?" Sie nickten verstanden, doch Cornelia verzog das Gesicht. "Müssen wir denn hier bleiben? Gibt es keinen anderen Ort, an dem wir warten? Es ist unheimlich. Obwohl ich zurzeit keine magischen Kräfte habe, spüre ich dennoch ein großes Unbehagen an einem Platz, an dem alles tot ist." "Es ist ohnehin merkwürdig", bemerkte Taranee, "dass du die Pflanzen hören kannst. Ist das nicht normalerweise eine Eigenschaft, die das Element der Erde mit sich bringt?" Sie zuckte mit den Schultern. "Vermutlich konnte er nur meine aktiven Kräfte stehlen und nicht die passiven. Bestimmte Fähigkeiten wie diese besondere Feinfühligkeit sind mir scheinbar geblieben." "Wir sollten ein Lager aufschlagen", unterbrach Caleb die vagen Spekulationen bestimmt. "Könnt ihr denn Zelte aufbauen?" Er beäugte die Mädchen misstrauisch. "Natürlich!", meinte Will wie die Selbstverständlichkeit selbst. "Im Zeltlager haben wir das auch schon geschafft." Keine halbe Stunde später standen alle Zelte, bis auf das der Wächterinnen – wer hätte daran gezweifelt? Die Konstruktion, die eher den Namen Misslingen tragen hätte sollen, stand nicht nur völlig verkehrt und verdreht da, sie wirkte außerdem auch nicht gerade stabil, wenngleich recht kreativ umgesetzt. Sie werkten beinahe eine Stunde an dem unkomplizierten Viermannzelt herum, bis sich Will dazu bereit erklärte, die aufdringlich angebotene Hilfe von Aldarn in Anspruch zu nehmen. Weitere zehn Minuten später stand die Behausung korrekt aufgebaut am hinteren Rand der Lichtung. Sie hatten entschieden, die drei Zelte in einem Dreieck aufzustellen, die Eingänge an den Außenseiten, um im Falle eines Angriffs schnell agieren zu können. Der freie Innenraum war dabei groß genug belassen worden, um gemütlich ein Lagerfeuer, sowie ein knappes Dutzend hungriger Individuen unterzubringen, die sich angesichts der aufkommenden Nachtkälte um das Feuer drängelten, welches Lilith und Tristan gemacht hatten, während die Mädchen damit beschäftigt gewesen waren, beim Zeltaufbau seriös zu wirken. Genauer gesagt drängten sich nur Will, Irma, Hay Lin und Matt darum, denn die anderen hatten entweder genügend Würde oder ausreichend Männerstolz, um sich den wärmenden Flammen fern zu halten, solange sie noch nicht drohten zu erfrieren. So entstand eine lärmbehaftete, jedoch äußerst entspannte Atmosphäre, die man die Reise über gemisst hatte. Langsam tauten die Gemüter auf, die vor wenigen Minuten noch so erschöpft von der langen Wanderung waren. Auf diesem Wege wurde die gepflegte Konversation wieder aufgenommen, um den ermüdenden Tag ausklingen zu lassen. Die bezog sich auf Vergangenheiten, Geschichten und alsbald auf persönliche Themen, die durch Taranee ihren Anfang fanden. Angefangen wurden jedoch mit den Vergangenheiten der interessantesten Gefährtin. "Sag mal, Lilith, wie bist du dazu gekommen, hier mitzumachen?", wollte Cornelia interessiert wissen. Sie hatte da ihre persönliche Vermutung, wollte diese jedoch bestätigt wissen. Lilith, davon überrascht, sich direkt angesprochen zu finden, brauchte einige Sekunden, um sich zu ordnen. "Meine Familie lebte in einem kleinen Bauerndorf nahe der Hauptstadt. Die Nähe zu ihr war wohl der Grund, wieso Phobos unsere kleine, namenlose Gemeinschaft zuerst unter seine Herrschaft gestellt hatte. Das war Jahre davor passiert. Wir lebten also mit unserem Schicksal, nicht nur den Zehend abgeben zu müssen, sondern beinahe alles, das wir unser Hab und Gut nennen konnte. Doch eines Tages, an einem Sommertag vor sieben Jahren, als ich gerade zehn Jahre alt geworden war, gingen Phobos' Gefolgsmänner zu weit. Sie verlangten, alle erstgeborenen Söhne zu töten und statuierten ein Exampel an meinem ältesten Bruder, den sie gewaltsam seiner Familie raubten und vor aller Augen enthaupteten. Dieser Vorfall, so grausam er war, rüttelte die Bewohner unserer Gemeinde wach. Sie gingen mit Heugabeln und Sensen auf die Gardisten los. Es war ein furchtbares Blutbad. Wie du dir vorstellen kannst, endete das Intermezzo mit herben Verlusten auf unserer Seite und nur wenig Einbußen der gegnerischen Fraktion. Die glücklichen Überlebenden wurden dazu gezwungen, zu sklavenähnlichen Bedingungen für Phobos zu arbeiten." "Das tut mir leid, ich hätte nicht fragen sollen", unterbrach Taranee leise mit aufrichtigem Mitleid, aber Lilith schien das ganze weit weniger zu berühren, als die unbeteiligte Zuhörerin. Sie fuhr sachlich fort: "Ich war eine der unglücklichen Überlebenden. Sie sortierten aus. Die arbeitsfähigen wurden in den Palast gebracht, die zu schwachen gleich getötet. Mich erachteten sie als zu mager. Sie waren gerade im Inbegriff, meinem Leben ein Ende zu machen, als plötzlich jemand zu meiner Rettung eilte. Es waren eine handvoll tapferer Männer, welche die Gardisten mühelos besiegten. Ich war ihnen sehr dankbar, doch dem einen, der mein Leben gerettet hatte, indem er das auf mich herabsausende Schwert mit seinem eigenen gestoppt hatte, dem fühlte ich mich zu besonderem Dank verpflichtet und diese Ehrerbietung zolle ich ihm auch heute noch." Cornelia, die aufmerksam zugehört hatte, ahnte bereits, wer der wackere Held gewesen war und schielte heimlich zu Caleb, der schwach lächelte, wobei es eher gezwungen aussah, als ehrlicher Freude entsprang. "Aus Dankbarkeit, aber auch aus Egoismus wollte ich den Rebellen beitreten – aus Dankbarkeit, weil ich ihnen allen mein Leben verdankte, und aus Egoismus, weil ich hoffte, sie würden mir die Familie ersetzen, die ich wenige Minuten vorher verloren hatte. Doch der Anführer, ein tapferer, jedoch auch zu ehrvoller Mann, schlug meine Bitte aus. Er wollte nichts davon wissen, ein kleines Mädchen in seinen Reihen zu haben. Es sei zu gefährlich für mich. Aus diesem Grund setzte er mich bei einem Geschwisterpaar ab, kinderlos und unverheiratet, das für mich sorgen sollte. Doch in meinen jungen Jahren verstand ich die Ablehnung als Kränkung. Ich lief keine Stunde später weg. Um mich durchzuschlagen begann ich bald zu arbeiten, wo es ging. Aber wenige wollten die Hilfe eines kleinen, schwachen Mädchens in Anspruch nehmen. Also eignete ich mir Fingerfertigkeiten an, die mir neue Möglichkeiten eröffneten. Ich stahl mich sozusagen durchs Leben." "Bist du fertig?", unterbrach Caleb mit finsterer Miene. Er hatte die Arme verschränkt, den Kopf abgewandt und murmelte leise etwas vor sich hin, das jedoch keiner der Anwesenden verstand. Um die kurzweilig düstere Stimmung zu vertreiben, suchten alle ein anderes Thema. Hay Lin fand es. "Der ist ja toll", bemerkte sie, auf einen Ring deutend, dessen silberne Oberfläche den Schein des großen Feuers reflektierte. "Ja, nicht wahr?" Lächelnd berührte Irma das Schmuckstück. "Mein kleiner Bruder, Chris, hat ihn mir zu Weihnachten geschickt, als ich wegen des Schneesturms nicht nach Heatherfield fliegen konnte. Es war auch eine supersüße Karte dabei, die er selbst gemacht hat. Sie hat zwar ausgesehen, als wäre sie von einem Auto überfahren worden, aber sie kam wenigstens von Herzen." "Brüder sind was Tolles", bestätigte Taranee. "Peter hat mir inzwischen verziehen, mit Cornelia befreundet zu sein, also sah er sich dazu genötigt, mir ein paar neue Tanzschuhe zu kaufen." "Bitte was?", stieß Cornelia stutzig aus. "Tanzschuhe! Mit Rauledersohle – rutschfest, aber nicht klebrig." "Ha-ha. Ich meinte die Sache mit dem Verzeihen, mit mir befreundet zu sein. Wie kommt er dazu?" Taranee warf ihr einen unschlüssigen Blick zu, ob sie wirklich mit der Wahrheit herausrücken sollte, doch das allgemeine Interesse war bereits geweckt worden, also blieb ihr wenig anderes übrig, als mit einer Erklärung herauszurücken. Verschwiegenheit hätte der Sache bloß einen noch schlimmeren Charakter verliehen. "Du weißt doch noch", begann sie zögerlich, "dass ihr vor vier Jahren zusammen ward." "Ach, echt?", äffte Cornelia sarkastisch. "Hätte ich ja fast vergessen." Sie fand jedoch schnell ihren Ernst wieder angesichts der Tatsache, dass zwischen ihr und Caleb bloß Hay Lin saß. "Er war ziemlich in dich verknallt, das weißt du ja auch sicherlich noch", fuhr Taranee behutsam fort. In Wahrheit hatte Peter in Cornelia seine erste große Liebe gefunden, doch diese im Vertrauen erworbene Information war unter diesen Umständen fehl am Platz. "Jedenfalls war es nicht gerade die feine englische Art, wie eure Beziehung geendet hat, wenn du verstehst, was ich meine." "Oh, ich bitte dich", rief sie unwillkürlich aus. "Er ist doch kein kleiner Junge mehr! Damals war er wie alt – fünfzehn plus vier; neunzehn Jahre! Und es war vielleicht nicht die feine Englische, aber sie war völlig adäquat." "Was ist denn passiert?", wollte Matt unvorsichtiger Weise wissen. Damit fing er sich nicht nur einen bösen Blick von Cornelia ein, sondern auch einen schneidenden von Caleb, der ihm allerdings nur versehentlich ausgekommen war. "Ich ziehe die Frage zurück." "Nein", entschied Cornelia scharf. "Erzähl es ruhig, Taranee. Sie können es ruhig wissen! Es gibt nämlich nichts zu sagen, zu dem ich nicht in den Grundfesten meiner Überzeugung stehe." Taranee seufzte ermüdet. "Müssen wir das denn durchkauen?" "Du hast damit angefangen. Bring es also zu Ende." Einem solchen Argument konnte kein Verstand etwas widersetzen, dennoch hegte Taranee keinerlei Ambitionen der Aufforderung nachzukommen. Aber sie brauchte es auch nicht. "Wo willst du hin?", fragte Cornelia, denn Caleb war mit finsterem Blick aufgestanden. "Das Feuer geht bald aus, wir brauchen neues Holz", meinte er ebenso finster, wie sein Blick war. "Aber nimm nur das Totholz!", rief sie ihm nach, als er mit schnellen Schritten die Runde verließ. "Das Lebende hat ein Recht darauf, weiterzu-!" "Cornelia!" Vier mahnende Blicke und die gleiche Anzahl an vorwurfsvollen Stimmen schnitten ihr das Wort ab. Die Schuld von sich weisend hob sie achselzuckend die Arme. Ihre Lippen formten stumm ‚was denn?'. "Geh ihm bitte nach und klär das, bevor das eskaliert!", befahl Will, obgleich der Satz inhaltlich eine Bitte enthielt. "Schon gut, ich geh ja schon." Äußerlich die Augen verdrehend, stand Cornelia auf, um Caleb nachzulaufen. Innerlich hatte sie bereits auf einen solchen Ausgang spekuliert, obgleich sie sich nun, da sie das Ziel erreicht hatte, sarkastisch beglückwünschte. 'Super, Cornelia, und, was machst du, sobald du mit ihm alleine bist?', fragte sie sich selbst. 'Er will ja nicht einmal mit dir reden. Gerade dir wird er sein Herz ausschütten!' 'Mach jetzt!', funkte Taranee dazwischen, die durch Cornelias Konzentration deren Gedanken gehört hatte. Aber Letztere kam nicht mehr dazu, zu antworten, denn sie hatte Calebs Rücken erblickt, der mit gesenktem Kopf und auf den Knien aufgestützten Armen auf einem gefallenen Baumstamm saß. Langsam ging sie auf ihn zu, machte jedoch im entscheidenden Moment wieder Kehrt. Sei nicht feige!, forderte sie sich selbst auf. Unsicher drehte sie sich also wieder um, machte ein paar Schritte auf ihn zu und drehte dann erneut um. "Was willst du?", fragte Calebs unfreundliche Stimme, die durch die Dunkelheit einen unheimlichen Klang bekam. "Erklären." Beim Hören von Cornelias Stimme drehte er sich erschrocken um. Sein Gesicht wurde erst bleich, dann rot, doch das blieb in der Finsternis von seinem Gegenüber unbemerkt. "Tut mir leid, ich dachte, du wärst Lilith. Sie trägt mir immer noch nach, dass ich sie damals zurückgelassen habe. Darum stellt sie gerne meine Kompetenzen infrage." "Muss hart sein", bemerkte Cornelia, obgleich sie keine Ahnung hatte, weshalb. Unaufgefordert setzte sie sich neben ihn. "Wieso?" Mist. Ertappt. Also erfand sie etwas. "So wie ich das sehe, fühlt sich ein Mann, der so lange in einer Anführerposition war wie du, in seiner Autorität untergraben, sobald jemand sein Regime anzweifelt. Ein Infragestellen seiner Kompetenzen durch einen früheren Untergebenen lässt einen überlegten Anführer eine angemessene Zeit seine Führungsart überdenken. Sobald diese innere Reform durchgeführt ist, versucht der Anführer folglich eben jenen Skeptiker vom Gegenteil zu überzeugen, um an die anderen Untergebenen zu appellieren. Der Appell kann dabei aus einer indirekten Frage nach der persönlichen Meinung oder einer direkten Warnung bestehen, es nicht zu wagen, sich zu widersetzen. Du befindest dich gerade in der Krisenphase, in der du versuchst, dich vor dir selbst zu rechtfertigen und dir zu versichern, dass Lilith keinen plausiblen Grund hat, dich infrage zu stellen." Caleb sah sie nur verdutzt an. "Bitte was?" "Das nennt man Psychologie." "Ist doch alles Humbug." "Ist es nicht", empörte sich Cornelia. "Das ist eine beweisbare, exakte Naturwissenschaft mit messbaren Ergebnissen zu bodenständigen, logischen Theorien." "Humbug", wiederholte er. "Hamburg." "Was?" "Hm?" "Was ist Hamburg?" "Wer sagt was von Hamburg?", fragte Cornelia verwirrt. "Du!" "Ich glaube, du solltest langsam schlafen gehen. Du sprichst wirres Zeug. Und zu deiner Information, Hamburg ist eine Stadt in Deutschland. Aber woher du die kennst ist mir ein Rätsel." Sie stand kopfschütteln auf, um zu gehen. "Manchmal verstehe ich dich nicht." "Da geht's mir wie dir", scherzte sie. Nun ging sie wirklich. "Warte." Caleb hielt ihr Handgelenk, um sie am Gehen zu hindern. "Bitte", fügte er hinzu. "Was war diese Sache mit Peter?" "Nun kommen wir der Sache näher." Sie ließ sich zurückziehen und setzte sich erneut hin. "Was meinst du?" "Psychologie, Caleb, Psychologie." Cornelia zwinkerte ihm zu, aber auch diese freche Geste wurde von der Dunkelheit verschluckt. "Sei ehrlich zu dir selbst; wärst du von alleine mit dem Grundproblem herausgerückt? Antworte nicht, wir beide wissen es. Um dir also die Frage zu entlocken, die zu stellen du dich niemals herabgelassen hättest, musste ich dich erst zum Reden bringen. Thema dieser Rederei war ein völlig sinnfreier Satz, der einzig und alleine dazu diente, dir das Denken abzunehmen. Du hast durch dieses Pseudogespräch für kurze Zeit die Fähigkeit verloren, nachzudenken. Und diesen Verlust der Selbstkontrolle machte sich deine Impulsivität zu Nutze, um ans Tageslicht zu dringen; mit einer Frage, die zu stellen sich deine Selbstkontrolle verbot." "Du hast mich manipuliert!", wiederholte er erstaunt. "Lenk nicht ab." "Du hast mich echt manipuliert…" "Du sollst nicht ablenken", lenkte sie ein. "Caleb, wegen Peter-" Er schnitt ihr das Wort ab: "Ich will es eigentlich gar nicht wissen. Das ist deine Sache aus deinem Leben, die mich nichts angeht." "Hast du gedacht, ich würde alleine bleiben, bis du wiederkommst? Zumal die Chance auf dieses Ereignis gegen null konvergierten – und zwar von der negativen Achse aus." "Du sprichst in Rätseln." Sie winkte ab. Es entstand eine Stille, die einige Minuten andauerte, bis Caleb endlich den Mut fasste, das Gespräch wiener aufzunehmen. "Ich möchte es wirklich nicht wissen. Denn wenn ich es wüsste, wäre ich vermutlich dazu gezwungen, diesem Peter den Hals umzudrehen." Verblüfft wusste Cornelia anfangs keine anderen Worte, als: "Bist du etwas eifersüchtig?" Caleb, verärgert über seine eigene Torheit, erwiderte schnell: "Nein, aber wie es scheint, hat diese Geschichte kein gutes Ende genommen und da ich auf deiner Seite stehen muss, weil du dich mir gegenüber so freundlich verhältst, dass ich dir die gebührende Freundlichkeit zurück erweise, muss ich ihm wohl oder übel die ganze Schuld anlasten, was mir nicht sehr gelegen käme, da ich ein vorurteilsfreies Wesen habe." "Du bist eifersüchtig", fasste Cornelia zusammen, ohne ihn anzusehen. Caleb lächelte leicht, doch bejahte ihre Ausführung nicht, ebenso wenig wie er sie entkräftete. Ermutigt durch diesen ungewollten Wink, wagte sie es, weiterzusprechen, obgleich sie sich bis vor wenigen Sekunden noch sicher war, er würde außer Nichtigkeit nichts gegen sie empfinden. Diese Gefühlsregung vermochte jedoch der Situation einen anderen Blickwinkel zu verleihen. "Was Peter anbelangt, kann ich dich beruhigen", begann sie unaufgefordert. Caleb sagte zwar nichts, aber er schien aufmerksam zuzuhören. "Niemand muss Partei für ihn oder mich ergreifen. Die Sache ist in der Tat nicht allzu gut ausgegangen, aber nicht so, wie du es dir vorstellst. Wir können einander in aller Freundschaft begegnen, ohne dem anderen Böses zu wünschen. Meistens jedenfalls." Als er nicht reagierte, fügte sie ernüchtert hinzu: "Das war ein Scherz." "Aha." Unbeirrt setzte sie die Erzählung fort. "Nachdem wir siegreich vom Kampf gegen Nerissa zurück zur Erde gekehrt waren und unsere Kräfte deaktiviert gatten, habe ich ehrlich gesagt sehr lange gebraucht, um wieder in mein normales Leben zurückzufinden. Die Schule, die Freunde, alles schien in so weiter Ferne zu liegen, dass es mir einige Mühe kostete, normal zu sein. Aber nach ein paar Monaten ging es und nachdem sich alles eingependelt hatte, kamen Peter und ich zusammen." "Wie?" Sie zuckte mit den Schultern. "Wie man eben zusammenkommt. Ich war bei Taranee zu Besuch, er war auch da, wir unterhielten uns kurz und dann trafen wir uns mal hier, mal dort, bis wir einmal beschlossen, zusammen irgendwo hinzugehen." Sie wartete auf einen Kommentar, doch der blieb aus. "Anfangs war alles toll. Wir lachten, wir hatten Spaß, aber, um noch ehrlicher zu sein, ich vermisste den Kick in der Beziehung. Es lief nur solange gut, wie es aufregend war. Durch erbitterte Kämpfe, bösartige Todfeinde, die mir nach dem Leben trachteten, und heroischer Dramatik am laufenden Band sind meine Ansprüche ziemlich nach oben gegangen. Das war der Grund, wieso die Beziehung scheiterte. Es kriselte vier Monate lang, bevor es aus war. Peter versuchte zwar, mir durch Paint Ball, Squash und BMX Fahren die Aufregung zu geben, die ich verlangte, doch das waren nicht die richtigen Dinge für mich. Ich bin ein ziemliches Weichei, wenn es um Sport geht." "Also habt ihr euch auseinander gelebt?", resümierte Caleb fragend. "Nicht ganz", gab sie zögerlich zu. "Das, auf was Taranee angespielt hat, geschah am Ende des letzten Krisenmonats. Wir, Peter und ich, wollten essen gehen, doch ich war durch ein im Vorhinein gegebenes Versprechen dazu verdonnert worden, auf die wenige Monate alte Tochter unserer Nachbarn aufzupassen. Also kam er zu mir und der kleinen Isabella. Wir machten mit ihr am frühen Abend einen Spaziergang, um ein wenig Frischluft zu schnappen und da passierte es. Eine ältere Dame kam uns entgegen, blieb vor dem Kinderwagen stehen und beglückwünschte uns zu diesem süßen Baby. Sie lobte die ausgezeichnete Konstitution und bemerkte, sie habe die Augen ihrer Mutter. Ich berichtigte die Sache, jedoch in einem Ton, der Peter augenscheinlich missfiel. Er behauptete, ich hätte indirekt geleugnet, mit ihm überhaupt zusammen zu sein. Die Diskussion schaukelte sich hoch, bis sie eskalierte. Wir schleuderten uns Sachen an den Kopf, die seit Wochen ungesagt in der Luft gehangen hatten und damit war die Sache vorbei." Ein Seufzer ihrerseits beendete die Geschichte. "Womöglich", bemerkte Caleb, "hast du einfach nicht den Richtigen in ihm gefunden. Ich denke nicht, dass du ein Mensch bist, der ständig Adrenalin braucht. Du hast einfach einen Ausweg gesucht, nicht mit ihm zusammen sein zu müssen, weil du in Wirklichkeit jemand anderen geliebt hast." Cornelia lachte hohl. "Willst du damit auf dich anspielen? – Du spielst auf dich an! Aber ich darf dich beruhigen, der Grund war der, den ich genannt habe." Sie stupste ihn mit der Schulter neckisch an, doch anstatt wieder zurück zu wippen, verharrte sie wie erstarrt in der Berührung – beide Gesichter waren einander zugewandt – und dann war da wieder dieser Moment, noch deutlicher, als jemals zuvor – die Stille der Nacht, die Dunkelheit, stellenweise durchbrochen durch das spärliche Licht des Halbmondes; alles trug dazu bei, die Spannung dieses Mal viel deutlicher zu spüren. Und doch waren die begünstigenden Faktoren erneut nicht stark genug, um das zu bewirken, was als logische Konsequenz aus einer solchen Situation erfolgen sollte. Sie wandten sich mühsam ab, wenngleich dem einen die eigene Mühe größer erschien, als er dem jeweils anderen zugedachte. "Wir sollten zurück zu den anderen gehen, sonst schicken sie noch einen Suchtrupp los", scherzte Cornelia, um die Unbehaglichkeit zu überspielen. Caleb stimmte ihr zu, doch beide tätigten keine allzu großen Bemühungen, um ihre langsamen Schritte anzuspornen. Doch sie hätten noch zwei Stunden wegbleiben können, denn inzwischen hatte sich die müde Runde zerstreut, um in die jeweiligen Zelte schlafen zu gehen. Nur noch Tristan zog seine Runden auf der Lichtung, denn er war für die erste Wache eingeteilt worden, welche die Verantwortlichkeit mit sich brachte, das Feuer nicht ausgehen zu lassen. Aber als er die beiden erblickte, verspürte er keinen Drang, sie anzusprechen, so wünschten sie sich eine gute Nacht, wenn auch etwas befangen, und gingen zu Bett. "Ich hoffe nur", murmelte Cornelia halblaut, "dass es hier so etwas wie Kaffeepflanzen gibt, sonst sterbe ich." "Du bist süchtig danach, nicht wahr?", flüsterte Caleb, der die Bemerkung durch die Ruhe gehört hatte, als er gerade den Zelteingang öffnete. Doch er bekam keine Antwort, denn Cornelia war bereits im Zelt verschwunden und schlief sicherlich schon den Schlaf der Gerechten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)