Rewind And Reflect von 4FIVE ([Caleb x Cornelia | canon-sequel | enemies to lovers]) ================================================================================ Kapitel 14: Journey ------------------- … Even though I didn't understood the reasons clearly I still fought for sake of heart and soul of mine, abandoned by the very touch my skin received by you … V I E R Z E H N Obgleich sich alle rechtzeitig im Silver Dragon einfanden, beschloss man doch einstimmig – außer Matt, denn diesen hatte man dem Stimmrecht enthoben – die Nacht zu nutzen, um sich auszuruhen. Erst, als Taranee diesen weisen Vorschlag gemacht hatte, war nämlich der Stress ein stückweit abgefallen und sie alle hatten gemerkt, wie sehr die Müdigkeit in ihren Knochen steckte. Die folgende Nacht begann also für sie bereits um sieben Uhr abends und endete um sechs Uhr früh, als Will aufwachte und sich einen Schluck Wasser holen wollte, dabei aber unglücklicherweise mit einem Höllenlärm über sämtliches Inventar stolperte. Nachdem alle anderen halbwegs wach waren, beschloss man ebenso einstimmig wie am Vortag, genügend geschlafen zu haben und endlich nach Meridian zurückzukehren. Will öffnete also ein Portal und im Nu standen sie in einer der zwei königlichen Vorhallen. "Wo sind die denn alle?" Irma sah sich skeptisch um. Das gesamte Schloss schien dunkel zu sein. Taranee machte mit erhobenem Zeigefinger Licht. "Hallo-o?" "Es ist sieben Uhr morgens, was denkst du, wo die alle sind?", fragte Cornelia rhetorisch, doch das Ende ihres Kommentars ging in herzhaftem Gähnen unter. "Ich schlage vor, wir teilen uns auf und suchen nach irgendjemandem, der zu unserer Unternehmung gehört." Sie spalteten sich also auf und gingen in Zweiergruppen im Schloss umher. Will hatte es unter dem Vorwand, sie müsse mit dem derzeit schwächsten Mitglied gehen, geschafft, sich Matt zu entziehen und stattdessen mit Cornelia zu suchen, welche allerdings über den vermeintlichen Grund dieser Zusammenarbeit mehr als unerfreut war. "Ich musste einfach irgendetwas sagen", entschuldigte Will sich schief lächelnd. "Matt und ich alleine…das geht nicht gut. Er würde irgendwie anfangen, über unsere nicht vorhandene Beziehung zu reden oder ich würde anfangen und dann wäre da dieser peinliche Moment, der nicht geklärt werden würde, ehe nicht einer von uns in Lebensgefahr schwebt. Das kann ich derzeit echt nicht brauchen." "Aha", machte Cornelia skeptisch. "Und wieso genau möchtest du nicht mit ihm darüber sprechen? Dass ihr noch viel füreinander empfindet ist doch offensichtlich." "Weil – und das sage ich mit vollster Aufrichtigkeit – eine Romanze unter diesen Bedingungen mehr Nachteile als Vorteile in sich birgt. Außerdem weiß ich nicht richtig, was ich wirklich für ihn empfinde. Klar, ich freue mich, dass er wieder ein Teil meines Lebens ist und ich gebe zu, dass in mir ein paar alte Gefühle aufgeflackert sind, aber ob das reicht, um noch einmal anzufangen, weiß ich beim besten Willen nicht." "Interessant." Will erwartete mehr zu hören, doch Cornelia schwieg sich über dieses Thema aus. Sie hatte wohl ihre eigene Meinung und hätte diese auch gerne zum Besten gegeben, aber ihre törichte Freundin hätte sie ebenso wenig akzeptiert wie sie selbst die einfache Tatsache, dass sie scheinbar nie über Caleb hinweg sein würde – großartige Aussichten. Denn, wie allgemein bekannt, hatte Will seit Matt sehr wohl Beziehungen gehabt, die über Körperlichkeiten hinausgegangen waren. Insofern war sich Cornelia also selbst nicht allzu sicher, ob Will nicht doch mit ihm abgeschlossen hatte. 'Mädels? Ich habe jemanden gefunden!' Die beiden erschraken auf das Heftigste, als Taranees Stimme in ihrem Kopf widerhallte. Sie hatten die Fähigkeit der Telepathie völlig vergessen. "Wie ging denn das", murmelte Will konzentriert. "Ah, genau!" 'Wen denn?' 'Caleb und Vathek. Wir sind im Innenhof. Durch die Vorräume durch, dann links und die zweite Türe wieder links', erklärte Taranee. 'Alles klar', mischte Hay Lin sich ein, die zusammen mit Matt in Richtung Dorf gegangen war. Sie fanden sich eilig im noch schlafenden Innenhof ein, in dem ein gutes halbes Dutzend gähnender Männer saß. Unter ihnen waren, wie angekündigt, Caleb und Vathek, aber auch andere bekannte und unbekannte Gesichter. Ebenfalls anwesend waren Aldarn und Drake. Die restlichen zwei Mitglieder der Operation waren ihnen unbekannt. Caleb übernahm als Anführer die Vorstellung. "Das sind Tristan, ehemaliges Mitglied der Rebellion, und Lilith, eine äußerst geschickte Wanderdiebin, die ich auf meinen Reisen der letzten Jahre kennen gelernt habe." Lilith war sehr klein, keinen Meter sechzig, hatte eine zierliche, aber stramme Figur und sah mit ihren langen schwarzen Wellen und ihren dunklen Augen eher aus wie eine kostbare Sammlerpuppe, die im Regal eines Gothic Freaks einen Ehrenplatz hatte. Tristan war das genau Gegenteil. Er war ein sehr groß gewachsener, bäriger Mann mit Vollbart und hellbraunem, wirren Haar. Caleb wirkte plötzlich neben den beiden ziemlich normal und gar nicht wie jener verwegener Krieger, der er zweifelsohne war. Sein Stirnrunzeln machte es kaum besser. "Und wer ist das? Eine Art Geheimwaffe?" "Das ist Matt, Caleb. Du kennst ihn." Will verdrehte die Augen. "Und ich möchte nicht, dass seine Anwesenheit infrage gestellt wird. Er ist ein Mitglied des Teams. Außerdem ist er auf freiwilliger Basis hier, so wie ihr alle. Hoffe ich zumindest. Niemand zwingt euch, mit uns diesen Kampf auszustehen. Hast du ihnen erklärt, um was es geht?" Caleb bejahte. Er sah Matt weiterhin skeptisch an. Ja, jetzt erinnerte er sich auch wieder. Er hatte ihm früher mal ein paar Kampfgriffe gelehrt. Matt war gar nicht mal so untalentiert gewesen. Will hatte indes begonnen den Plan zu erläutern. "Der sogenannte Plan besteht mehr oder minder daraus, einen Kampf zu provozieren. Die Problematik in dem Vorgehen liegt darin, dass eines unserer Mitglieder seiner Kräfte beraubt wurde. Um siegreich gegen Phoebe vorgehen zu können, müssen wir Cornelias Kräfte zurückerobern. Wir werden unser Lager irgendwo fernab der Städte und Dörfer aufschlagen, um Kollateralschäden vorzubeugen. Soweit das Prinzip. Wie genau wir vorgehen werden, besprechen wir vor Ort, sobald wir Beschaffenheit und Gegebenheit der Umgebung kennen. Noch Fragen?" Niemand meldete sich, also brach man auf. Caleb erklärte, auf Elyon zu warten wäre sinnlos, da ihr Vorhaben bereits bewilligt worden war. Will hatte allerdings den Eindruck, dass er eine weitere Begegnung mit ihr aus irgendeinem Grund vermeiden wollte; wieso auch immer. Sie machten sich also schweigsam und zügig im Dunkel der frühen Morgenstunden auf den Weg. Ein genaues Ziel hatten sie nicht; lediglich Calebs Versicherung, den besten Platz für ihr Vorhaben zu kennen. Die Reise gestaltete sich anfangs als äußerst schweigsames Unternehmen. Während die Wächterinnen nämlich still ihren eigenen Überlegungen nachhingen, waren Caleb, Vathek, Drake und ins besondere Lilith von Natur aus eher ruhige Zeitgenossen. Die einzigen beiden, die sprachen, waren der bärige Tristan und der ohnehin beinahe immer zum Plaudern aufgelegte Aldarn, welche den Schluss der Kompanie bildeten. Denn es hatte sich nach der ersten halben Stunde eine Art Formation gebildet, bedingt durch Beziehungen, Freundschaften und Vorlieben. Caleb, als einziger wissend, wohin man ging, führte die Gruppe zusammen mit Vathek an der Spitze an. Die beiden wechselten kaum Worte, und wenn, dann waren sie strategischer Natur; somit bisweilen uninteressant für irgendwelche anderen Ohren. Hinter ihnen hatten sich Irma, Hay Lin und Matt eingereiht, denn wieder einmal hatte Will es erfolgreich geschafft, sich von ihm aus einem pseudoguten Grund abzusondern. Sie ging nämlich in gebührendem Abstand hinter ihnen, begleitet von Cornelia und Taranee, die eine Weltmeisterschaft im Nichtssagen eröffnet hatten. Danach kam Lilith, schräg dahinter Drake und noch weiter hinten der schon erwähnte Abschluss in Form von Aldarn und Tristan. Alles in allem eine theoretisch durchdachte Aufstellung, jedoch war diese ebenso unnötig wie eine leere Regentonne in der Wüste, denn es war klar, dass kein Regen in der Trockenzeit fallen würde. Will hatte es aus eben dem Grund – mit eben dieser Metapher erklärt – abgelehnt, sie zu verwandeln. Es würde unnötig Kraft kosten und zudem auch noch irrsinnig auffallen. Wie die Wächterinnen aussahen, war nämlich nur in der Hauptstadt verbreitet, wo sie sich Großteils aufgehalten hatten. In den ländlicheren Gegenden – man mochte nicht sagen Pampa – waren den Menschen nämlich nur die Gerüchte und Erzählungen zu Ohren gekommen. Mit genau dieser Information, welche Caleb nach etwa einer Stunde einvernehmlicher Stille mitteilte, brachte er dann endlich den Stein der gepflegten Konversation ins Rollen. "Viele haben von den Taten gehört und natürlich ihre Auswirkungen gespürt. Es ranken sich einige Gerüchte um euch." Er verzog den Mund zu einem leichten Lächeln. "Einige schwören darauf, die Wächterinnen seien alle Blauhaarig. Andere wiederum behaupten, mit eigenen Augen gesehen zu haben, dass die Wächterinnen Frauen mittleren Alters seien. Dann gibt es wieder diejenigen, die der Meinung sind, es seien winzige Knirpse von nicht mehr als sechs Jahren. Ich hörte sogar eine Version eines Mannes, der behauptete, sein Sohn wäre der Wächter des Wassers." "Wie schmeichelhaft", zischte Irma mit finsterer Miene. Caleb fuhr ohne die Unterbrechung zu beachten fort. "Dennoch sind einige sehr wohl klug genug zu erahnen, dass ihr die Wächterinnen seid, die ihnen einst die Freiheit brachten." "Bei dir klingt das ja wie eine Beleidigung", meinte Cornelia halblaut. Angesichts des interessanten Themas hatten Will, Taranee und sie selbst nach vorne aufgeschlossen. "Es ist keine Beleidigung, aber wenn ihr auf Lobreden aus seid, dann kommt wieder, sobald ihr nichts mehr zu tun habt. Sollte herauskommen, dass ihr tatsächlich die Wächterinnen seid, die Helden Meridians, dann können wir ein effizientes Vorankommen vergessen. Sie werden euch in ihre Häuser schleppen, euch Essen und Wein anbieten, Loblieder auf euch singen und euch anflehen, ihre Gastfreundschaft noch länger in Anspruch zu nehmen. Die ländliche Bevölkerung ist äußerst minimalistisch erzogen worden, allem voran die ältere Generation. Sie möchten euch ihren Dank in Form ihrer Freundlichkeit zollen. Aber wenn ihr alle Höflichkeiten annehmt, und das müsst ihr, wenn ihr anderen Familien gegenüber nicht beleidigend sein wollt, dann hält uns das zu sehr auf." "Fertig mit der Lehrstunde, Herr Professor?", fragte Will. Sie ließ sich Calebs Worte noch einmal kurz durch den Kopf gehen. "Aber du hast recht. Wir sollten nach Möglichkeit unerkannt bleiben. Allerdings hätte uns das früher einfallen sollen. Mit den modernen Sachen fallen wir auf wie ein bunter Hund." "Dann sind wir alle einmal bitte froh, dass wir Caleb als Anführer haben, denn er hat euch die hier besorgt. Vathek, würdest du?" Auf Calebs Aufforderung hin zog der blaue Riese einen Sack unter seiner Kleidung hervor. Sorgsam zog er fünf identische Mäntel heraus, die er den Mädchen reichte. "Und du rückst erst jetzt damit heraus, weil…?" "Weil ich warten wollte, bis ihr froh darüber seid, dass wir Mäntel haben. So habe ich zum einen meine Wichtigkeit als strategischer Anführer geltend gemacht und zum anderen sehe ich gerne Cornelias Gesicht, wenn sie erkennt, dass ich doch nicht so dumm bin, wie sie es gerne hätte." "Ach, halt doch deine Klappe", murmelte diese nur. Von Boshaftigkeit war allerdings wenig zu erkennen. Sie verschränkte als unterstreichende Geste die Hände vor der Brust und wandte den Kopf ab. Will sah sie unnötigerweise von der Seite mahnend an. Das Gesprächsthema verlief sich nach ein paar Minuten in Nichtigkeiten. Angesichts der nicht für jedermann ansprechenden Themen der Unterhaltung, teilte man sich wieder in Kleingruppen auf, um die Privatgespräche aufzunehmen. Diesmal erzielte der Zufall jedoch eine andere Kombination. Matt, seinerseits ebenso gerissen wie Will, hatte schnell erkannt, welches Spiel sie spielte und beschlossen, der Partie beizutreten. Durch einen ausgeklügelten Plan, der all sein taktisches Kalkül verlangte, schaffte er es endlich, mit Will alleine auf gleicher Höhe zu sein. Besser gesagt: Er blieb einfach stehen, bis sie nebeneinander waren und Hay Lin, die schnell verstand, brachte ihre Erzählung von einem verletzen Waschbären schnell zu einem Ende. "Ich muss das auch Irma und Cornelia erzählen!", sagte sie nur, etwas übertrieben lachend. Dann war sie auch schon im Laufschritt auf dem Weg nach vorne. "Was willst du?", fragte Will missmutig, auch wenn sie die Antwort schon kannte. "Reden." "Dann rede." "Ich verstehe. Du willst also nicht mit mir sprechen. Du gehst mir aus dem Weg. Wieso, das ist mir noch schleierhaft. Aber ich weiß, dass du das nicht lange durchhältst. Ich habe deine Stimme am Telefon gehört, als ich das erste Mal anrief." Er faltete die Hände und riss die Augen auf. Mit hoher Stimme stotterte er: "Oh, Matt, ähm, ja – ich…ich würde mich g-gerne mit dir treffen!" Er sah sie wissend an. "Du kannst mir nichts vormachen. Du stehst noch immer auf mich." Will knurrte und verzog den Mund. "Du hältst dich wohl für supertoll, nicht wahr, Mister Macho? Kommst zurück und erwartest, dass alles so ist wie früher. Du kannst mich nicht mehr so leicht um den Finger wickeln." "Wir haben uns gestern geküsst, Will." "Ich – das war …" Will brach mangels schlagfertiger Argumente ab und sagte stattdessen: "Ich stehe außerdem nicht auf dich, du- du! Das sagt man heutzutage nicht mehr. Wir sind keine vierzehn. Mag sein, dass ich mal in dich verliebt war…" "Mag sein?" "…aber das war vor langer Zeit. Wir haben uns seit drei Jahren nicht mehr gesehen, seit mehr als zwei Jahren nicht einmal etwas voneinander gehört. Ich habe mich verändert, du hast dich verändert, die Gegebenheiten haben sich verändert." Matt zerschlug das Argument mit einer strengen Armbewegung. "Deine Größe hat sich verändert!", meinte er. "Du bist um ein paar Zentimeter gewachsen, aber sonst war es das auch schon. Will, so wie ich hier neben dir gehe, du bist immer noch die selbe wie früher. Ja, ich gebe dir schon recht, Gefühle können sich verändern, aber doch nicht innerhalb weniger Tage. Denn als ich dich das letzte Mal gesehen habe, da warst du noch eindeutig in mich verliebt." Genervt verdrehte sie die Augen. "Wenn ich dir den Grund nenne, akzeptierst du dann meinen Standpunkt und lässt mich in Ruhe?" "Kann ich nicht versprechen, aber versuch es ruhig." "Okay, wie du willst." Will holte tief Luft, dann sagte sie schnell, ohne dazwischen zu amten: "Ja, ich bin noch in dich verliebt vielleicht liebe ich dich sogar weiß Gott keine Ahnung ich bin mir da nicht sicher aber wenn ich das zugebe dann muss ich dauernd daran denken und dann unterlaufen mir Fehler ich bin die Anführerin und als solche habe ich die Verantwortung für das Gelingen unseres Vorhabens insofern –" Sie holte endlich tief Luft. "– Sei mir nicht böse, Matt, aber wenn ich mir wirklich eingestehe, noch immer Gefühle für dich zu hegen, dann könnte das alles gefährden, was wir unbedingt tun müssen, um Meridian zu retten. Um womöglich die gesamte Dimension zu retten. Mal wieder." "Oh, okay." Mehr brachte der wie erschlagene Matt nicht über die Lippen. Eine solche Antwort, und vor allem eine so einleuchtende Begründung, hatte er nicht erwartet. Damit war das Thema zwischen ihnen erledigt und sie schwiegen sich an, so wie es auch noch die nächsten Tage zugehen würde. Zu selbiger Zeit kam Hay Lin vorne bei Irma, Tarnee, Cornelia, Caleb und Vathek an, die in einem verwirrenden Stimmengewirr hektisch aufeinander einredeten. Sie brauchte ein paar Minuten, um zu erahnen, um was es bei dem Streitgespräch ging. Dabei kam sie auf zwei verschiedene Grundprobleme: Die Kluft zwischen der Infrastruktur der Peripherie und jener des Zentrums und das Wetter. Ersteres Thema behandelten Cornelia, Caleb und Vathek, wobei sich letzterer eher zurückhielt und nur seine Meinung abgab, wenn sie ausdrücklich von einer der Seiten verlangt wurde. Angefangen hatte die hitzige Diskussion mit einer kleinen Bemerkung von weiblicher Seite über den unguten Zustand der Wege. Caleb hatte daraufhin erklärt, wie wichtig der Landbevölkerung die Tradition sei und wie unwichtig es ihnen ist, wie der Zustand der Verbindungen sei, da man ohnehin selten sein Dorf verließ. Cornelia, in ihren Gedanken Utopistin, hatte dann etwas zu heftig erwidert, es sei eine Anmaßung, den Menschen dieses Denken zuzuschreiben, solange sie keine Alternativen kannten. Der leicht bissige Nachdruck, den sie in ihre bestimmte Stimme gelegt hatte, hätte alleine dem Zweck dienlich sein sollen, keinen ihre neu aufgekeimten Gefühle merken zu lassen und zudem war sie als Studentin der Psychologie immer auf eine gute Debatte aus, doch sie waren zu überzeugend gewesen. Caleb, in seinen Gedanken immer noch Rebell, hatte diese vermeintliche Kriegserklärung nicht lange auf sich sitzen lassen und war somit unter vollem Feuergefecht mit Schwergeschützen in den Kampf eingestiegen. Unter dieses rasante Wortgefecht, das jedoch zum Großteil von Cornelia bestritten wurde, da sie rhetorisch einfach überlegen war, mischte sich aber auch noch ein anderes, das von Taranee und Irma geführt wurde. In diesem ging es, völlig konträr zum Ernst des lautstärkeren Streits, um die exakten Grad Celsius, also einfach darum, wie kalt es nun de facto war. Hay Lin amüsierte sich an den sich ständig überschneidenden Diskussionen, bis die beiden Mädchen übereinkamen, dass die Grad derzeit um den Nullpunkt herum liegen mussten. Mit dieser Einigung fand auch bald das zweite Gespräch ein Ende, wenn auch überraschend sachlich. Die anderen beiden Kontrahenten hatten sich darauf geeinigt, dass sowohl diese als auch die andere Meinung auf jeweils einen etwa gleich großen Teil der Bevölkerung zutreffen möge. Hay Lin hatte inzwischen die Geschichte mit dem Waschbären längst vergessen. Und so begannen sie nun wieder mit dem Schweigen, das erst nach knapp einer Stunde gebrochen wurde, als Irma und Vathek– wieso auch immer – schon lange den Platz mit Aldarn getauscht hatten und sich leise mit Tristan unterhielten. Auslöser war, wer hätte es gedacht, Cornelia, die sich zusammen mit Taranee langsam und leise, aber sicher und immer lauter werdend, über Erschöpfung beklagte. Sie waren seit etwa drei Stunden unterwegs und auch die anderen Damen spürten inzwischen einen gewissen Grad an Erschöpfung. Die Reise wurde auf Calebs Drängen dennoch fortgesetzt, denn niemand schaffte einen erfolgreichen Widerspruch gegen seine Befehle. Früher war es Cornelias Aufgabe gewesen, ihn zur Vernunft zu bringen, doch diese war offensichtlich zu schwach dafür und in Wahrheit einfach nicht gewillt, einen Streit mit ihm vom Zaun zu brechen. Dennoch erreichte sie mit ein wenig mehr Gezeter, dass sie bei nächster Gelegenheit in einem Gasthaus halten würden, um ein wenig Wegzehrung zu sich zu nehmen. Als dann endlich ein Dorf in Sicht war, verwehrte Caleb ihnen jedoch den sofortigen Eintritt. Sie waren noch etwa zehn Minuten von der größeren Häuseransammlung entfernt, als er urplötzlich stehen blieb und sich zu ihnen umdrehte. "Wir sind fast ein Dutzend Leute. Selbst wenn wir nicht auffällig gekleidet sind, so fällt es dennoch auf, wenn eine so große Gruppe bestehend aus so unterschiedlichen Gefährten in eine Kneipe einkehrt. Das hier ist zwar eines der größeren Dörfer, aber trotzdem ist das Risiko zu groß, unnötig Aufmerksamkeit zu erregen." "Und was schlägst du vor, Häuptling Camouflage?", wollte Cornelia ungeduldig wissen. "Was ist Camouflage? Ist ja auch egal. Wir werden in Kleingruppen hineingehen und vor allem nicht alle in dasselbe Gasthaus und nicht zur selben Zeit. Sieben von uns gehen vor, der Rest kommt eine halbe Stunde später nach. Teilt euch am besten in unauffällige, plausible Gruppen auf und schauspielert ein wenig." Sie teilten sich also taktisch klug auf. Irma ging, wenn auch etwas widerstrebend, mit Drake voran. Taranee hatte die Ehre, als Liliths Cousine mit dieser und ihrem angeblichen Ehegatten Aldarn als nächste zu gehen. Danach folgten Tristan, Hay Lin, Matt und Will, wobei letztere nur in der Hoffnung mitging, Caleb würde so klug sein und diese Chance ergreifen, um mit Cornelia kurz alleine zu sein. Er war in der Tat so klug, wenn auch nur mit etwas Nachhilfe seitens Vatheks, der es vorzog, als Wesen mit speziellen kulinarischen Vorlieben, sein Essen anderweitig zu beschaffen. Cornelia brannte bereits darauf, ihn danach zu fragen, was er essen wolle und vor allem, woher er es sich zu beschaffen gedenke, doch Caleb riet ihr in weiser Voraussicht davon ab, denn sie hätte sich nur den Appetit verdorben. "Bleiben also nur wir beide übrig", meinte er nüchtern nach einiger Zeit der Stille. "Wir warten noch ein paar Minuten, dann machen wir uns auf den Weg. Die Gasthäuser sind um diese Uhrzeit immer randvoll mit den Geschäftsleuten, die ihr spätes Frühstück zu sich nehmen möchten. Könntest du trotzdem das hier weiter nach vorne geben?" Er zog die obere Kordel des Umhangs fester zu, damit man nichts von Cornelias Kleidung sehen konnte. "Seltsam." Verwirrt blickte sie ihn an. "Was denn?" "Normalerweise hasst du es, wenn ich dir Ratschläge gebe oder dich bevormunde. Hier hatten wir beides in einem Satz plus eine anzügliche Bewegung. Ich hätte schwören können, gleich eine Ohrfeige zu bekommen." "Lässt sich schnell nachholen", scherzte sie herausfordernd. Dann wandte sie den ernster gewordenen Blick geradeaus, um ihn nicht ansehen zu müssen. "Ich habe mich in den letzten Tagen wirklich dumm aufgeführt. Die Sache mit dem Verwelken und die Beleidigungen –…ich habe überreagiert. Und es tut mir leid." Caleb wusste erst nicht was er sagen sollte, doch dann stand er auf und reichte ihr die Hand, um ihr aufzuhelfen. "Ich vergebe dir. Vorwiegend, weil ich zur Hälfte ebenso Schuld daran trage wie du und auch, weil ich dir im Grunde meines Herzens niemals böse sein könnte, selbst wenn ich es wollte." Der Moment war perfekt. Alles war in sich stimmig. Wie sie sich ansahen, wie sich ihre Münder zu einem sanften Lächeln verzogen – die gesagten Worte, die gedachten Worte, die empfundenen Gefühle, alles passte. Und dennoch, obgleich es so viele Faktoren gab, die einen Kuss oder zumindest weitere Worte der Zärtlichkeit gefördert hätten, sagte Cornelia nur dieses: "Gut zu wissen. Gehen wir endlich? Ich habe Hunger." Der Moment war vorbei, die Stimmung verweilte ungenutzt wie das Damoklesschwert weiterhin über ihnen, bereit, genau dann hinunter zu sausen, wenn es am meisten unpassend war. Aber woher war sie gekommen? Wieso war Cornelia plötzlich nett? Sie war nie sprunghaft gewesen. Caleb konnte sich das nicht erklären. Waren Frauen wirklich so kompliziert? Oder war Cornelia einfach besonders schwierig? Vielleicht hatte er auch einfach was verpasst. Er wollte jedenfalls die schlagartig aufgekommene Harmonie nicht angreifen. Es war gut so, wie es war. Keine Schimpfwörter, keine Beleidigungen, aufrichtige Nettigkeit. Und dennoch … es war seltsam. Das ganze Frühstück über sagte er kein einziges Wort, selbst wenn er sich von Cornelia angesprochen fand. Diese interpretierte das Schweigen theoretisch richtig, praktisch aber völlig falsch. Sie nahm an, dass es etwas mit dieser Spannung zu tun hatte, die sie vorhin gespürt hatte. Er musste das einfach gemerkt haben! Daraus schlussfolgerte sie, dass er weitere dieser Momente unterbinden wollte. Aus diesem vermeintlichen Grund bemühte er sich nun ihrer Meinung nach, nichts zu sagen, um ihr zu versichern, dass es keinerlei Bedeutung gehabt hatte und keinerlei Folgen nach sich ziehen würde. Was er allerdings wirklich dachte, war völlig anderer Natur. Er war kurz davor gewesen, sie zu küssen. Auf was hinauf? Das fragte er sich nun, da alles vergangen war, fortwährend. So knapp! Es hätte alles hier enden können; die ganze Litanei, die Odyssee seiner Gefühle. Denn während Cornelias Gefühle einen rasanten Wandel durchgemacht hatten, waren die seinen gleich geblieben – und das seit fünf Jahren. Ja, er liebte sie noch immer und so wie es aussah, würde es auch ewig so bleiben. Mit ihrer Art hatte sie ihm allerdings gezeigt, wie sie davon dachte und er hatte sich entschieden, den weniger schmerzvollen Weg zu gehen. Mitziehen statt ankämpfen. Es war das Beste für alle Beteiligten, wenn es auf beiden Seiten niemals wieder zu zärtlichen Empfindungen kommen würde, wenngleich bei ihm Hopfen und Malz verloren waren. Er konnte zumindest erfolgreich seine Gefühle verstecken. So hatte er sich wenigstens darüber gefreut, wenn auch nur schweren Herzens, dass sie für ihren Teil damit fertig zu sein schien. Damit hätte er gut leben können. Nun allerdings war die Sachlage eine andere. Er hatte sehr wohl die Veränderungen in Cornelias Verhalten bemerkt, doch seiner festen Überzeugung nach, die von ihren ersten paar Zusammentreffen geprägt worden war, waren sie lediglich die Resultate strengster Selbstkontrolle aufgrund des Waffenstillstandes, den sie in der Nacht vor ein paar Tagen geschlossen hatten. Aber zu ebenjener Überzeugung passte dieser Moment nicht und das war der wahre Grund, der ihm zu denken gab. Er war sich so sicher gewesen, Cornelias Gefühlswelt sei ihm gegenüber nicht nur abgekühlt, sondern zu Eis gefroren. Doch in diesem einen verflixten Moment, da war eindeutig eine gewisse spürbare Spannung vorhanden gewesen. Und da war der Knackpunkt seiner Theorie. Er verstand als starker Krieger nicht viel von Romantik, aber trotzdem wusste er dank gesundem Menschenverstand genug darüber, um dem Entstehen eines solchen Moments nicht nur die Schuld eines einzelnen beizumessen. Doch wenn Cornelia ihm gegenüber keine Empfindungen mehr hatte, die über Brechreiz hinausgingen, dann hätte nie ein solcher Moment entstehen dürfen. Es war verwirrend. Und dabei war es so einfach. Doch manchmal sah sogar der klügste Mann den Wald vor lauter Bäumen nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)