Rewind And Reflect von 4FIVE ([Caleb x Cornelia | canon-sequel | enemies to lovers]) ================================================================================ Kapitel 12: Old Fellows ----------------------- … Enticed by someone's softly spoken words, Caressed the scars you brought on me, And far away my wail, that hushed alone … Z W Ö L F Der Aufstieg zum Schloss war mühsam. Nicht nur, dass sie beinahe fünf Kilometer weit weg und am Fuße des Schlossberges waren, sie mussten auch noch Wills schlechte Laune über ein verpasstes Date mit Matt und ihr Missfallen über Cornelias schlagartigen Gefühlswandel ertragen und Cornelias Nörgelei über den steinigen Weg (denn sie hatte nicht nur keine Hose, sondern auch noch keine Schuhe), über Kopfschmerzen und über die Kälte erdulden. Zudem waren sie gezwungen, sich Taranees und Hay Lins Fachgesimpel über mögliche Lösungen des Ihalla-Rätsels anzuhören, welches aber mehr Fragen als Antworten brachte und mehr Vermutungen in den Raum stellte, als man eigentlich brauchte. Und nachdem sich alle außer dem tapferen und leicht genervten Caleb Cornelias Schimpftiraden über die Wanderbedingungen angeschlossen hatten und Will sich dazu bereiterklärte, ihnen allen Flügel zu beschaffen, war Cornelias Laune auf dem Nullstand, was jedoch nicht in den üblichen Beschwerden gipfelte, sondern in ungewöhnlich ernster Miene und enormer Schweigsamkeit. Sie erreichten das Schloss schließlich nach einigen Pausen, die Cornelia auf das Dringlichste verlangte. Der Aufstieg hatte durch diverse Streitigkeiten und Diskussionen beinahe eine Stunde gedauert, doch sie konnten alles in allem stolz auf ihre Zeit sein. Auch, dass Will sie gleich hätte näher zum Schloss bringen hätte können, hatte zur Debatte gestanden, aber das hatte selbige sofort wieder unterbunden. Nachdem sie den Schlosswachen erklärt hatten, dass sie die ehemaligen und nun wieder neu vereinten Wächterinnen der unendlichen Dimensionen vor sich hatten, die der Königin ein dringendes Anliegen vorzutragen hatten, und ihnen versichert hatten, dass Cornelia keine Verrückte war, die eine exhibitionistische Ablehnung gegenüber Unterbekleidung hatte, wurden sie eingelassen und bekamen sogleich eine Audienz bei ihrer Majestät persönlich. "Cornelia!" Es war ein erfreuter, überglücklicher Ruf einer alten Freundin und nicht der gemäßigte, höfische Gruß einer ehrwürdigen Hoheit, der die Wächterin ereilte. Es war auch keine standesgemäße Begrüßung, welche dieser zuteilwurde, sondern eine stürmische Umarmung, die beide beinahe von den Füßen riss. "Ich freue mich ja so sehr, dich zu sehen! Wie groß und schlank du bist und wie schön! Die Erdenmänner reißen sich sicherlich um dich! Oh, Cornelia, ich habe dich so sehr vermisst!" "Ich dich auch, Elyon. Es ist zu lange her. Wo du gerade von meiner Statur sprichst, sieh dich nur an!" Elyon hatte sich in der Tat verändert. Ihre Größe belief sich zwar lediglich auf zarte eins sechzig, aber ihr Gesicht war spitzer und definierter geworden. Die kindlichen großen Augen waren erwachsenen, gutmütigen gewichen und die weibliche Figur ließ sich unter dem Herrschergewand ein wenig erahnen. Sie trug auch nicht länger den türkisen Sack – pardon, Umhang – sondern ein langes Kleid mit selbiger Farbe, dessen Schulterfreiheit von einem weißen Stehkragen untermalt wurde. Zudem hatte sie teuren Schmuck angelegt und ihre Haare, immer noch zu zwei Zöpfen gebunden, waren um einiges länger als vor fünf Jahren. "Sag mir bitte nur, wieso trägst du keinen Rock?" Elyon musterte sie skeptisch. "Nicht, dass du es dir mit dieser Figur und diesen langen Beinen nicht erlauben könntest, aber es ist doch recht kalt. Und dieser Mantel entspricht auch nicht deinen sonstigen Kleidungsgewohnheiten – es sei denn…" Cornelia und auch die anderen Wächterinnen waren in dem Moment vergessen, als Elyons freudestrahlenden Augen denjenigen erblickten, welcher als Letzter eingetreten war und sich eher im Hintergrund hielt. "Ich traue meinen Sinnen nicht! Caleb!" Elyon lief an den jungen Frauen vorbei, alles andere in Gleichgültigkeit verkommen, auf Caleb zu und umarmte ihn stürmisch, beinahe noch enger, als sie es bei Cornelia getan hatte. "Caleb, mein teurer Freund, wie sehr habe ich dich vermisst." "Eure Hoheit, bitte…" Seine Lippen sprachen zwar Protest aus, jedoch legten auch seine Arme sich um Elyon. Es versetzte Cornelia einen Stich. "Wir sind geschäftlich hier, königliche Hoheit." Calbe löste sich aus dem Griff und kniete vor Elyon nieder, die nun ernst wurde. "Ich dachte bereits, dass ihr nicht einfach so herkommen würdet. Das Herz Kandrakars wurde wieder aktiv, nehme ich an? Und euer Anliegen bezieht sich auf Phoebe." "Woher weißt du das?", fragte Will. "Sämtliche Gerüchte dringen bis hinauf in den Palast." Nachdenklich schritt Elyon im großen Saal hin und her. "So auch jenes um Phoebe. Das Gerücht hält sich seit Jahren und es gab keinerlei Beweise, also schenkte ich ihm nicht viel Aufmerksamkeit. Dass sie nun einen Teil ihrer alten Kräfte wiedererlangt haben soll, ist mir ebenfalls zu Ohren gekommen. Aber die Leute tratschen viel, wenn ihnen langweilig wird. Dass ihr nun hier seid, Cornelia ohne Rock –" "Wieso ist mein Kleidungsstil denn bitteschön immer ein Thema?!", regte sich diese auf, wurde aber schnell von Will besänftigt, die ihre Hand auf Cornelias Schulter legte. "– sagt mir, dass die Gerüchte wohl ihren wahren Kern haben müssen. Sie hat deine Kräfte, nicht wahr?" Ein Nicken war Elyon Antwort genug. "Und nun wollt ihr mich um Hilfe bitten? Leider muss ich euch enttäuschen. Ich habe keine Ahnung, wo sich Phoebe aufhält. Sie ist wie Rauch. Präsent in der Angst der Bevölkerung und auch in meiner, jedoch nicht richtig zu sehen." "Eigentlich", korrigierte Will. "Wollten wir dich um Erlaubnis fragen, deine Bibliothek benutzen zu dürfen. Wir haben Informationen, die wir recherchieren müssen." Um nicht unverschämt zu sein, dichtete sie schnell hinzu: "Aber natürlich benötigen wir sicherlich deine Hilfe, wenn es zum Kampf kommt. Es würde uns zumindest den Vorteil sichern." Elyon ließ eine Dienerin rufen. "Anne, wärst du so freundlich, meine alten Freunde in unser Archiv zu bringen? Stelle ihnen alles zur Verfügung, was sie benötigen. Das hat oberste Priorität." "Vielen Dank, Hoheit", sagte Cornelia, wobei letzteres Wort eher wie ein Kosename klang. "Du bist richtig erwachsen geworden." "Auch eine Königin ist davor leider nicht gefeit", scherzte Elyon. "Nun beeilt euch. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Ich werde in der Zwischenzeit auf meine Spähtrupps warten. Vielleicht haben sie Informationen." "Königliche Hoheit", hielt Caleb sie zurück. Er kniete erneut nieder. "Erlaubt mir, eine Bitte vorzubringen." "Ich habe ihm hundertmal das Du angeboten, aber er hört ja nicht", sagte Elyon an die Wächterinnen gewandt. "Es sei dir gewährt." "Angesichts der Lage bitte ich Euch, mich wieder in Euren Dienst zu stellen. Eure Truppen brauchen jemanden wie mich, das wisst Ihr. Es wäre mir ein Anliegen, die nächste Einheit Späher zu leiten. Wenige Menschen kennen sich so gut in den Wäldern aus wie ich." "Hm." Elyon überlegte nicht lange. "Wie du möchtest. Damit bist du offiziell wieder im königlichen Dienst. Du hast Recht, ich brauche jemanden wie dich. Sobald die Truppen eingekehrt sind, bestimmst du deine Mannschaft. Vorausgesetzt, die Wächterinnen können dich entbehren?" Sie sah fragend zu ihnen. Innerhalb der Gruppe warfen alle Cornelia Seitenblicke zu. Diese nickte schwach, aber entschlossen. Was hätte sie auch tun sollen? Das war eben Caleb, so wie sie ihn kannte und lie- … mochte. Nachdem dies geklärt war, wurden sie, Caleb zurücklassend, von Anne in die große Bibliothek geführt, die von ihrem ursprünglichen Ort unter der Erde in einen sonnendurchfluteten Raum nahe dem Innenhof verlegt worden war. Anne war ein aufgewecktes Mädchen, das viel plapperte, aber ansonsten keinerlei besonderen Merkmale aufwies. Und dennoch konnte Cornelia sie nicht leiden. Diese Tatsache hatte einen einfachen Grund, der auf das Gespräch zurückging, welches geführt wurde, als man zusammen in die Bibliothek ging. "Ich bin ja so froh, die Königin so erfreut zu sehen. Ich arbeite seit drei Jahren hier und in dieser Zeit kam mir ein ums andere Mal zu Ohren, dass unsere Königin einem Menschen sehr nachtrauert." "Ja, sie und Cornelia waren beste Freundinnen", erklärte Will wie die Selbstverständlichkeit selbst. "Cornelia? Nein, eine Frau meinte ich nicht. Es gehen Gerüchte um, dass die königliche Hoheit gewisse Gefühle für einen jungen Rebellen entwickelt haben soll, der einige Zeit hier am Hofe gelebt habe." Anne senkte ihre Stimme, als würde sie ein Staatsgeheimnis ausplaudern. "Man erzählt sich, der junge Mann kam nicht mit der Etikette des Hofes klar und habe deshalb die Affäre nach einigen Monaten beendet. Es kamen auch Gerüchte auf, die Königin sei schwanger von ebenjenem Mann, doch diese haben sich bald zerstreut. Möglich wäre es aber dennoch gewesen." Während der ausführlichen Erklärung war Cornelia immer langsamer geworden, um dem stechenden Worten nicht unterliegen zu müssen, doch Annes Flüsterton hallte an den Marmorwänden des menschenleeren Flurs so penetrant wider, dass sie nicht zu überhören waren. "Es wäre also möglich gewesen", presste sie verärgert, aber leise zwischen geschlossenen Zähnen hervor. Mit angezogenen Schultern und zu Fäusten geballten Händen stapfte sie in gebührendem Abstand hinter den anderen her, die scheinbar mehr dazu wissen wollten. Anne jedoch wusste nicht mehr darüber, bis auf das Gerücht, dass der junge Mann außerordentlich gut ausgesehen habe und davor sogar eine Liaison mit einer Wächterin gehabt haben soll. "Liaison…ich köpfe sie", zischte Cornelia. Will ließ sich ebenfalls nach hinten fallen. "Hey, Cornelia, bleib ruhig. Die Kleine weiß nicht, wovon sie redet. Ich bin mir sicher, Caleb hatte nie – " "Da liegt ja mein Problem", flüsterte Cornelia aufgebracht. "Ich weiß, dass da mehr zwischen ihnen war, als bloße Freundschaft. Zumindest hat sich etwas angedeutet." Will nahm ihre Hand. "Selbst wenn mal was war, das ist Jahre her. Und sein ganzes Verhalten deutet darauf hin, dass er dich liebt. Mit Elyon hätte er es leichter, denn sie lebt in Meridian, dennoch ist er bei dir." "Von wegen." Sie sah wütend zu Boden. "Das hat nichts zu bedeuten. Ich weiß nicht einmal, ob meine Gefühle echt sind oder nur ein vorübergehendes Erscheinungsbild der Machtlosigkeit oder gar ein Bannspruch, der auf mir lastet." "Das redest du dir nur ein", versicherte Will ihr. "Versuch einfach, dich vorrangig auf deine Aufgabe hier zu konzentrieren, das lenkt ab und klärt deinen Kopf. Wir haben leider größere Probleme als diese komplizierte Liebesgeschichte. Erst einmal müssen wir versuchen herauszufinden, was Ihalla ist und dann müssen wir deine Kräfte zurückholen." "Du hast Recht!" Entschlossen hob Cornelia ihren Blick wieder. "Jetzt ist nicht die Zeit zum Trübsal blasen! Harvey Blight wird es mir bitter büßen, auch nur daran gedacht zu haben, mir meine Kräfte zu rauben! Und meine Gefühle zu ändern. Egal in welche Richtung!" "So kenne ich dich! Aber erst einmal müssen wir uns mit Recherche begnügen." Sie waren nach wenigen Schritten beim Archiv angekommen und wurden von Anne eingelassen. Der Raum war sehr hoch und hell. Die Regale rankten sich fast bis hinauf zur Decke, wo die obersten Abteilungen nur mit hohen Holzleitern erreichbar waren. Die Decke selbst war eine Kuppel aus grünem und blauem Mosaikglas, das Sonnenlicht durch den kreisförmigen Raum schickte. Es war beeindruckend, nicht zuletzt durch die wuchtigen alten Bücher – der Großteil in Leder gebunden – die einen äußerst archaischen Eindruck machten. "Wie sollen wir bei diesem Repertoire auch nur ansatzweise etwas finden, das uns weiterhilft?", stöhnte Irma. Sie sah missmutig zu den Spitzen der Regale hinauf. Mit einem kleinen Hüpfer flog sie hoch und zog wahllos ein Buch aus der Reihe. "Tem – Anfang und Ende eines Reiches. Tja, das war's wohl nicht." Sie steckte es wieder zurück. "Sie haben hier sicherlich eine bestimmte Ordnung", meinte Taranee. "Vermutlich ist das hier die Geschichtsabteilung. Wir müssen nach etwas suchen, das mit Magischen Artefakten oder Kräutern oder Tränken zu tun hat. Blight hat nicht zufällig gesagt, was Ihalla genau ist, oder?" Sie hatte sich an Cornelia gewandt. Diese verneinte. "Überhaupt nicht. Ich kann mich nicht mal richtig daran erinnern, was er genau gesagt hat. Zu diesem Zeitpunkt war ich hirnleistungstechnisch nicht mehr ganz auf dem Zenit meines Potenzials." "Also tappen wir im Halbdunkeln", schloss Will. "Schön, wir haben aber immerhin einen Namen, das ist äußerst hilfreich. Also, Wächterinnen, machen wir uns auf die Suche!" Sie verteilten sich so gut als möglich im ganzen Raum, deckten zu fünft aber lediglich einen kleinen Teil der Fläche ab. Hin und wieder fanden sie Hinweise und Erwähnungen, doch nie Konkrete Nennungen der Ihalla. Die Suche dauerte Stunden und gefühlte Tage. Irma war die erste, der die planlose Herumschauerei auf die Nerven ging. Während die anderen noch emsig Bücher um Bücher wälzten, machte sie es sich indes in einem Zwischengang gemütlich und las die jüngere Geschichte Meridians in der Hoffnung, sie würde Informationen über Phoebe und Phobos finden. Doch Phoebes Kräfte, Pläne, aber auch ihre ganze Existenz wurde in den Kapiteln nur vage behandelt. Dass sie tatsächlich existierte, darüber schrieb kein einziger der dicken Schinken. Wäre Irma nicht unmittelbar in dieses Geschehen verstrickt, würde sie selbst daran zweifeln, dass es Phoebe gab. Indes hatten sich Taranee und Hay Lin zusammengeschlossen, um eine effizientere Suche zu gestalten, was sich jedoch als schwierig herausstellte. Sie hatten zu Anfang nach Stichwörtern Ausschau gehalten, die auf eine passende Abteilung schließen ließen, doch die Bibliothek war einfach zu weitläufig. Eine Bibliothekarin gab es auch nicht, also mussten sie improvisieren. "Das Herz von Kandrakar ist sicherlich hilfreich", schlug Hay Lin vor. "Und ich weiß auch schon wie!" Taranee rief die übrigen zusammen. Als sie alle im Gang mit den modernen Künsten versammelt waren – was länger dauerte, da Cornelia ja nicht fliegen konnte. "Hört zu, Mädels, ich habe den perfekten Plan! Zumindest in der Theorie. Will kann doch mit dem Kristall Portale zwischen den Welten kreieren und dabei eruieren, wohin wir transportiert werden. Wir kreieren also ein Portal in unsere Welt zurück, dann öffnen wir eines, das uns direkt zu dem Buch bringt." "Da gibt es nur ein Problem", wandte Will ein. "Ich kann den Ort nur festlegen, wenn ich weiß, wo er ist. Aber ich habe keine Ahnung, wo wir hin müssen." "Und da kommt mein genialer Verstand ins Spiel." Taranee zwinkerte ihr zu. "Der Kristall ist ein magisches Artefakt und wie alle magischen Dinge, hat es so etwas wie Intelligenz. Keine richtige, aber es braucht Potenzial, um Dinge wie Zaubersprüche oder Wirkungen zu interpretieren. Wir nutzen dieses Potenzial einfach, indem wir die Funktionsweise des Kristalls als Schlüssel umdrehen." "Ich steig aus", murrte Will. "Es ist ganz einfach. Normalerweise sagst du dem Herz, wo das Portal uns hinbringen soll. Es nimmt irgendwie deine Gedanken auf und folgt ihnen. In unserem Fall heute machen wir es einfach in umgedrehter Weise. Du sagst dem Portal, was du finden willst und es kreiert das Portal dort. Wir lassen es quasi selbstständig arbeiten." "Hm." Will war skeptisch. "Einen Versuch wäre es wert. Okay, probieren wir es." Cornelia hielt sie zurück. "Warte kurz! Wenn wir schon auf die Erde zurück reisen, könntest du uns in unsere Wohnung schicken? Ich brauche unbedingt etwas Ordentliches zum Anziehen!" "Ich versuch's." Will hielt das Herz Kandrakars hoch und schloss die Augen. Plötzlich schoss – wie gewohnt – ein blitzblauer Strudel mit Sogwirkung aus dem Nichts heraus. Sie schritten eilig hindurch und siehe da! Sie kamen tatsächlich nur wenige Meter von der Eingangstüre 402 in der Laverelley Lane entfernt an. Das Treppenhaus war glücklicherweise menschenleer. "Seht ihr? Meine Genauigkeit wird besser." Will schloss die Türe auf und wartete mit den anderen auf Cornelia, die für ihre Verhältnisse in Windeseile fertig angezogen war. "Ich fasse es nicht", murmelte Irma. "Wir werden das böseste Böse überhaupt bekämpfen und du siehst aus wie ein Topmodel. Hast du noch nie etwas von praktischer Kleidung gehört?" Cornelia sah flüchtig an sich herab und wandte sich dann der Angreiferin zu: "Du bist doch nur neidisch! Außerdem trage ich nichts Aufwendiges, es wirkt an meiner Person einfach gut." Die anderen drei gaben ihr in Gedanken neidlos Recht. Sie trug tatsächlich nur – unüblich für ihren Stil – eine schlichte blaue Jeans und einen ebenso einfachen grau melierten Pullover, unter dem ein weißes Tanktop hervorblitzte. Irma war dennoch der Meinung, Cornelia habe sich für einen gewissen jemand hübsch gemacht. "Erstens, Irma, bin ich hübsch und muss mich nicht hübsch machen. Zweitens, beeinflusst dieser gewisse jemand meinen Kleidungsstil ganz und gar nicht. Und drittens, könnten wir bitte aufhören verschlüsselt über mein nicht vorhandenes Liebesleben zu sprechen und auch meine Klamotten außen vor lassen? Immerhin bekämpfen wir bald das böseste Böse überhaupt!" Irma erwiderte nichts darauf. "Da das geklärt wäre, sollten wir wieder zurückgehen", schlug Will vor. "Und da wir gerade von einem gewissen jemand sprechen, ich habe mir da was überlegt." Die anderen horchten gespannt auf. "Da Cornelia temporär keine Kräfte besitze und nicht einmal ansatzweise etwas Sinnvolles tun kann, dachte ich mir, unser Topmodel könnte wohl ein wenig Kampftraining absolvieren. Ihr wisst doch noch, wir haben in der Schule ein paar Mal am Karateunterricht teilgenommen und an der Selbstverteidigung für Frauen. Daran könnte man doch anknüpfen." "Aha!", rief Irma triumphal. "Ich wusste es! Du willst darauf hinaus, dass Caleb ihr helfen soll!" Aber Cornelia fiel ihr ins Wort. "Die Idee ist dumm. Ich möchte nicht noch mehr Zeit mit ihm verbringen, sonst garantiere ich für nichts – in beide Richtungen." "Soll heißen du köpfst ihn oder schläfst mit ihm?", resümierte Irma provokant. "Ha-ha", machte Cornelia trocken. "Meine Idee ist gut, gebt es zu", forderte Will, um den Streit zu unterbinden. An Irma gewandt fügte sie hinzu: "Es wäre zumindest zweckdienlicher, wenn Cornelia sich soweit verteidigen kann, dass sie vorzugsweise nicht gleich draufgeht. Und das sage ich als Anführerin. Außerdem ist es sicherlich nicht verkehrt, wenn ihr das mal klärt." Es wurde zugestimmt mit dem Argument, dass man eine Sucherin entbehren konnte, doch die wahren Beweggründe waren äußerst vielfältig. Hay Lin war weiterhin davon überzeugt, dass sich wieder eine Liebesbeziehung zwischen den beiden entwickeln würde. Irma wollte zu gerne sehen, wie sich die beiden weiterhin zankten, denn sie fand das amüsant. Taranee war tatsächlich der Überzeugung, ein wenig Training könnte helfen. Und Cornelia, als einzige Eingeweihte in ihr Gefühlschaos, wusste, dass eine Ablehnung nur zu unnötigen Fragen führen würde. Sie vertraute Will und deren Entschlossenheit. Zudem war es wirklich keine schlechte Idee, zumindest ein paar der alten Kenntnisse aufzufrischen. Mit diesen und ähnlichen Überlegungen öffnete Will ein Portal, das in den Empfangsbereich des Palastes führte, durch welches Cornelia geschickt wurde. "Da das geklärt wäre, sollten wir hoffen, dass das Herz einen hohen Intelligenzquotienten hat." Will glaubte nicht recht daran, dass Taranees Vorschlag funktionierte, doch sie wollte es versuchen. Sie leerte ihren Geist, was gar nicht so einfach war. Immer wieder kamen diverse Gedanken in ihren Sinn. Erst nach ein paar Minuten schaffte sie es, sich nur auf das Ziel zu konzentrieren. Sie stellte sich keinen Ort vor, sondern nur das Buch. Dann öffnete sich tatsächlich ein Portal. "Du hast es geschafft!", rief Hay Lin freudig und sprang als erste durch die Pforte. Die anderen folgten ihr gespannt. Die Idee war gut gewesen, doch an der Umsetzung haperte es gewaltig. Sie befanden sich wieder in der Bibliothek Meridians. Es war kein außergewöhnliches Buch zu sehen und auch sonst war keine Veränderung zu entdecken, bis auf dass sie sich in einem anderen Gang befanden, relativ am Ende des Raumes. Taranee forderte sie auf, die nächsten Regale zu durchsuchen und etwas enttäuscht machte man sich an die langweilige Beschäftigung. Es dauerte beinahe eine Stunde, bis man endlich Irma vom dritten Regal rufen hörte: "Ich hab es! Hier ist es!" Erleichtert trat der Rest hinter sie und das aufgeschlagene Buch. Es war kein allzu auffälliges Buch. Ein schlichter grüner Ledereinband, goldene Lettern in altertümlicher Schrift und eine angebundene Samtkordel als Lesezeichen machten den ganzen Band aus. Er war auch nicht allzu dick, lediglich zweihundert Seiten. Irma hatte eine Seite im letzten Drittel aufgeschlagen. Die Kapitelüberschrift lautete IV. Bedingungsaktive Manipulativa. "Ich verstehe zwar nicht, was das heißen soll, aber im zweiten Unterpunkt ist Ihalla aufgelistet." "Es bedeutet, dass die Wirksamkeit der Tränke oder was auch immer an Bedingungen gebunden ist. Vermutlich Einnahme, Dosis und weiteres", erklärte Taranee. Sie nahm das Buch in die Hand, blätterte um und begann zu lesen. "Die Ihalla, auch Insomnia oder Traumpflanze genannt, ist eine Knollwurzelpflanze, die nur in extrem sumpfigen Gebieten mit natriumhaltigem Boden vorkommt. Sie wird von Insomnitari, den Traumwandlern, gezüchtet, um deren Kräfte zu verstärken. Die Ihalla, solange unbehandelt, ist in ihrer Reinform nicht giftig und bewirkt keine speziellen Effekte. Nur die Insomnitari sind dazu bemächtigt, aus ihr ein Pulver zu gewinnen, mit welchem sie in die Träume von Menschen schlüpfen können, um diese sowohl zu manipulieren, als auch zu kreieren oder gänzlich löschen können. Wird die regelmäßige Einnahme unterbrochen, so schließt sich der Geist und die Insomnitari sind unfähig, sich in die Träume ihrer Opfer einzuschleichen. Die Ihalla zeichnet sich durch ihren starken Eigengeruch, ihre Bitterkeit und den trockenen Geschmack aus, verursacht jedoch, in Verbindung mit sehr aromatischen Basisprodukten, eine leichte Abhängigkeit." "Das hilft uns so was von gar nicht weiter!", stöhnte Will genervt. "Dass Blight ein Traumwandler ist und sich in Cornelias Träume geschlichen hat, wussten wir bereits. Aber was bedeutet der Teil mit dem aromatischen Basisprodukt?" "Vermutlich", schlug Taranee vor, "dass er das Pulver der Ihalla irgendwo untergemischt hat. Ich frage mich nur, was es war…" "Der Kaffee", schlussfolgerte Will stöhnend. "Trotzdem. Es bringt uns nicht weiter! Wir haben keine Ahnung, was als nächstes passieren wird. Und auch nicht, wo sich die Feinde aufhalten und was sie tun werden." Will nahm Taranee das Buch aus der Hand und schlug es missmutig zu. "Aber wenn wir schon einmal hier sind, sollten wir die Zeit nutzen. Suchen wir nach irgendetwas, das uns hilft." Plötzlich hatte Taranee einen Geistesblitz. "Könnt ihr euch erinnern, als wir auf Zambala Nerissas Aufenthaltsort ermitteln wollten? Cornelia hat damals die Bäume und Sträucher gefragt. So in der Art zumindest. Wir könnten dasselbe doch auch auf Meridian probieren. Es wäre zumindest eine Möglichkeit." Will wippte unruhig von einem Fuß auf den anderen. "Die Idee ist prinzipiell nicht schlecht. Aber Cornelia hat keine Kräfte, schon vergessen?" "Aber", rief Taranee begeistert, "wir können dasselbe doch auch mit Wasser oder Luft machen! Der Nachteil an Cornelias Kräften ist, dass nicht überall lebende Pflanzen wachsen. Luft ist aber überall und auch unterirdische Wasseradern sind häufig anzutreffen, egal wie klein diese auch sein mögen." "Das ist ja ganz nett", unterbrach Hay Lin sie, "doch meine Fähigkeiten funktionieren so nicht. Du willst, dass ich Phoebe und Blight orte. Das kann ich natürlich tun, aber meine Reichweite ist sehr begrenzt. Drei, vier, vielleicht fünf Kilometer, das war's dann aber auch schon." "Und bei Wasser funktioniert das schon gar nicht", fügte Irma hinzu. "Wasser lebt immerhin nicht. Ich habe keine mentale Verbindung dazu, also kann ich es nichts fragen. Und selbst wenn, diese Wasseradern sehen nichts unter der Erde." Es breitete sich betretenes Schweigen aus. Jede für sich überlegte, was sie noch für Möglichkeiten hatten, doch so richtig einfallen wollte ihnen nichts. "Mir ist vorhin etwas eingefallen", informierte Irma sie nach einer schieren Ewigkeit des Nachdenkens. "Das wollte ich euch schon sagen, aber ihr habt so ein Trara gemacht." "Was ist es?", fragte Will ungeduldig. "Ich hab was über diese Traumwandler gelesen. Oberste Priorität hat doch, Cornelias Kräfte wiederzuerlangen. Wartet, ich hol das Buch." Sie verschwand hinter einer der vielen Ecken und kam wenig später mit einem sehr dicken Buch wieder, in dem sie suchend herumblätterte. "Hier ist es. Die Residenz der Traumwandler sind Sumpfgebiete im Norden. Außerdem steht etwas darüber, dass sie immun gegen die Wirkung der magischen Artefakte sind." "Also können wir das nicht so machen die bei der Suche nach dem Buch", schlussfolgerte Will nachdenklich. "Mist. Das bedeutet, wir müssen sie suchen … andererseits, wartet mal. Sie wollen, wie immer, das Herz von Kandrakar. Ich sage, okay, geben wir es ihnen." "Bist du wahnsinnig?", fuhr Irma sie an. "Ich meinte damit eine Falle", klärte Will sie auf. "Wir schnappen uns Cornelia und Caleb und ein paar von seinen Rebellenfreunden. Mit denen platzieren wir uns auf einem schönen, übersichtlichen Ort, wo wir unsere Zelte aufschlagen und gar nichts tun, bis sie uns angreifen. Und bevor ihr Einwende erhebt, denkt doch mal nach. Sie wollen das Herz von Kandrakar, also müssen sie es sich wohl oder übel holen. Sie müssen früher oder später angreifen und selbst wenn sie wissen, dass es eine Falle ist, werden sie kommen, denn eine bessere Möglichkeit bietet sich gar nicht." Die anderen versanken in überlegtes Schweigen, dann stimmte Irma als erste zu. "Ich finde den Plan gut. Geben wir ihnen eines auf die Mütze! Die werden ihr blaues Wunder erleben." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)