Rewind And Reflect von 4FIVE ([Caleb x Cornelia | canon-sequel | enemies to lovers]) ================================================================================ Kapitel 8: Things Unexpectedly ------------------------------ … If we stayed like that, it's fine not being strong
 … A C H T Der Morgen nach der ereignisschwangeren Nacht war ganz und gar nicht nach Cornelias Geschmack und auch Will und Caleb sonnten sich in Verstimmung, wenn auch aus etwas anderen Gründen. Während die beiden letzteren nämlich irgendwann eingeschlafen und frei von allen Sorgen ins Land der Träume geschwebt waren, hatte Cornelia kein Auge mehr zugemacht. Das Gespräch mit Will hatte sie die ganze Zeit beschäftigt und je mehr sie darüber nachdachte, desto wahrscheinlicher erschien es ihr, dass sie Caleb gegenüber so reserviert sein musste, um ihm nicht noch einmal zu verfallen und verletzt zu werden. Der andere Grund, wieso sie nicht schlafen wollte, war, dass sie Angst hatte, im Schlaf wieder Calebs Namen zu schreien und das war das Letzte, das sie ihn hören lassen wollte. "Morgen", sagte sie, die Hände um die heiße Kaffeetasse geschlungen, als Caleb in die Küche kam. ‚Cornelia – die Hilfreiche‘, las er zwischen ihren Fingern den roten Schriftzug auf dem Gefäß. "Ich weiß wieder, wieso ich die Erdlinge nie verstehen werdeF." "Gib dir keine Mühe, es zu versuchen", erwiderte Cornelia, ohne ihn anzusehen. "Du kannst dich setzen, wenn du willst. Kaffee ist in der Kanne dort drüben, Wurst und Käse sind im Kühlschrank. Wir haben aber kein frisches Gebäck mehr." Caleb, mit diesen Informationen überfordert, ignorierte letztere und besah die Filterkaffeemaschine skeptisch. "Und das schwarze Zeug da drinnen schmeckt?" Sie nickte. "Hm. Sieht irgendwie aus wie Schleim von meridianischen Muhlschnecken." "Ich bin so frei und frage nicht nach. Trink es oder lass es." Dann wandte sich Cornelia wieder der Zeitung zu, wenn auch nur um nicht weiterreden zu müssen. Trotzdem ihre Augen über den Artikel flitzten, beobachtete sie Caleb hin und wieder aus den Augenwinkeln, wie er zögerlich versuchte, die Kanne aus der Halterung zu ziehen und sich den Kaffee eingoss. Sie beobachtete ihn auch, als er einen Schluck machte, den Mund verzog und nur aus guter Manier herunterschluckte. "Milch und Zucker, dann schmeckt’s besser", kommentierte sie trocken, ohne aufzusehen. Ein leichtes Lächeln huschte über ihre Lippen. "Im Kühlschrank – das weiße, große Ding." "Danke." Sie schwor, einen leichten Unterton gehört zu haben, doch dieser war nicht zu definieren. "Wo ist Will?" "Schläft noch." "Darf ich mich ein wenig umsehen?" "Tu, was du nicht lassen kannst." "Nur, um etwaige Fluchtwege und Waffen im Falle eines Angriffes festzumachen." Und dann war da wieder dieses Schweigen, diesmal jedoch weitaus weniger angespannt als Stunden zuvor. Cornelia tat weiterhin so, als würde sie ihre Zeitung lesen und Caleb machte sich daran, die Küche zu inspizieren. Er sah aus dem Fenster, maß die Größe mit Schritten, machte sämtliche Laden und Kästen auf und öffnete sogar den Großteil aller Dosen, Plastikschalen und Flaschen, die er fand. Cornelia, schlussendlich doch vom Lesestoff aufsehend, kommentierte knapp den Inhalt jener Gefäße, die er nicht zu kennen schien. "Curry. Cayennepfeffer. Tabasco. Kümmel." "Ich weiß, dass das Kümmel ist." "Ich mein ja nur", sagte sie matt und hob die Hände. "Thymian. Teebeutel. Keine Ahnung, das steht nur zur Dekoration da. Zucker. Mehl. Speisestärke. Backpulver. Das würde ich nicht öffnen." "Wieso?" "Das steht seit dem Vormieter da und ich denke, sogar der hat es von seinem Vormieter. Ist bestimmt schon zehn Jahre alt." "Was ist das da?" Er deutete auf die aufgerissene Packung von Blights Kaffee, die fein säuberlich mit einer Aromaklemme verschlossen war. Er entfernte die Klemme, wenn auch nicht ganz nach Anleitung, und entrollte den oberen Teil der Packung. "Den hat mir mein Professor geschenkt. Es ist ein äußerst teurer, handverlesener Kaffee aus Jamaika, soweit ich weiß." "Und der schmeckt?", fragte Caleb argwöhnisch. Er drückte die Ränder der Verpackung zur Seite, zögerte aber, sich den Inhalt anzusehen. Stattdessen wartete er auf Cornelias Antwort. "Nicht so richtig. Etwas zu bitter und penetrant für meinen Geschmack." "Und wieso trinkst du ihn dann? Er ist schon zur Hälfte leer", wollte Caleb wissen. Sein Blick ruhte noch immer auf Cornelia. "Hast du nicht zugehört? Das Zeug ist verdammt teuer, handverlesen und äußerst begehrt! Ich habe mich erkundigt, unter fünfzig Dollar pro viertel Kilo bekommt man so etwas nicht." "Aha." Doch er schien nicht richtig überzeugt. "Oh, Himmel!", rief er plötzlich und hielt den Kaffee so weit von sich weg, wie möglich. "Das stinkt entsetzlich! Wie Morast oder Schlamm oder Moder oder sonst etwas! Wie kannst du das trinken?" Er beeilte sich, das Pulver wieder zu verschließen und stopfte es in das Kästchen zurück, aus dem er es genommen hatte. "Der Geruch verliert sich und so schlimm wie es riecht, schmeckt es gar nicht", verteidigte Cornelia ihr Geschenk, auch wenn sie ganz Calebs Meinung war. Es schmeckte wirklich nicht gut – grauenerregend, um ehrlich zu sein. Doch wie gesagt, ein so teures Geschenk durfte nicht verschwendet werden. "Aber wo ich von Morast spreche, der Geruch erinnert mich an etwas…" "Schlamm?", schlug Cornelia mit hochgezogenen Augenbrauen vor. "Oder Dung?" "Nein, etwas, das in Meridian wächst. Aber wahrscheinlich bilde ich mir das nur ein." "Wahrscheinlich…", murmelte Cornelia. Nun wandte sie sich wieder der Zeitung zu und betete, dass Will endlich erwachen würde. "Und was ist das?", durchbrach Caleb die Stille erneut. Um Beherrschung ringend ballte sie die Hand unter dem Tisch zur Faust. Sie war genervt, und wie! Ganz plötzlich musste sie sich stark zusammenreißen, um keine patzige Antwort zu geben. Als hätte der Geruch des Kaffees ihre Laune sinken lassen. "Postkarten", presste Cornelia hervor. Ja, eindeutig, da war wieder diese Verachtung, dieser aufkeimende Hass, der sich über die entspannte Stimmung legte. Der Geruch des Kaffees wehte nun zu ihr hinüber und sie versuchte sich darauf zu konzentrieren, anstatt auf die tobenden Gefühle in ihrem Inneren. "Aus…Wo liegt bitte Lisel Dabe Au?", fragte Caleb, als er Irmas erste Postkarte betrachtete, unter der noch weitere aus Frankreich hingen. "Man spricht es L’Isle-d’Abeau aus und das liegt nahe Lyon – und nein, das hat nichts mit einem Löwen zu tun und man spricht es ebenfalls anders aus." "Und wo liegt Pouries?" "Das spricht man wiederum so aus, wie es da steht. Paris." "Ihr habt eine seltsame Welt. Manche Namen werden so ausgesprochen, wie man sie sieht, andere völlig anders. Was macht das für einen Sinn?" Caleb fasste sich verwirrt an die Stirn. "Damit Leute wie du sich nicht zurechtfinden und gar nicht erst dorthin gelangen! Die Franzosen, die waren ein kluges Volk!" "Sag mal, was genau habe ich dir getan, dass du mich so behandelst?" Calebs Stimme war lauter und rauer geworden. Auch sein Gesicht ließ Verärgerung erkennen. "Ich bin nur hier, um euch zu warnen und um euch das Leben zu retten! Und das ist der Dank? Wüste Beschimpfungen, exzentrisch zur Schau getragene Verachtung und ungerechtfertigtes Missfallen über meine Anwesenheit? Es reicht mir langsam, dass du mich nach all den Jahren so behandelst! Das mit uns ist ewig her. Ich bin hier rein beruflich." "Ist auch besser so, klar?", schnauzte Cornelia ihn an. Sie fuhr hoch, sodass ihr Stuhl rücklings umfiel und knallte die Hand auf den Tisch. "Was bildest du dir ein? Dass ich die ganzen fünf Jahre nur dagesessen bin und geweint habe? Sicherlich nicht! Mein Leben ist weitergegangen! Ich habe mit einem Notenschnitt von eins Komma eins die Schule abgeschlossen und einen der begehrtesten Studienplätze ergattert, die es in Heatherfield gibt! Ich bin gut in dem, was ich tue und habe ein wunderbares Leben – ohne dich! Und dass du hier bist, ist nur eine temporär begrenzte Unannehmlichkeit, ebenso wie diese Phoebe!" "Du vergleichst mich mit deinem derzeitigen Todfeind? Na, herzlichen Dank! Jetzt weiß ich wenigstens, woran ich bei dir bin! Und nur, dass du es weißt, auch mein Leben ist weitergegangen! Ich bin glücklich damit und ich brauche weder dein Verständnis, noch deine Vergebung, um weiterhin glücklich zu sein. Schieb nur nicht mir die ganze Schuld in die Schuhe! Wenn du nicht damit fertig werden kannst, ist das dein Problem!" "Aaah!", kreischte Cornelia wütend. "Rede ich hier gegen eine Wand, verdammt noch mal? Ich sagte doch, dass ich längst damit durch bin! Ich habe keinen einzigen Gedanken an dich verschwendet, nicht eine Sekunde! Und nur, dass du es weißt, ich bin ebenfalls glücklich! Ich kündige hiermit die Notwendigkeit, mit dir ein weiteres Wort zu sprechen!" Die Feindseligkeit wurde glücklicherweise von Will unterbrochen, bevor Caleb darauf antworten konnte. "Schreit hier bitte nicht so herum, ich habe noch geschlafen." Sie erntete bitterböse Blicke, ignorierte sie jedoch und gähnte herzhaft. "Cornelia, könntest du bitte bei Hay Lin durchklingeln und ihr sagen, sie soll mit Irma im Schlepptau herkommen? Wir müssen besprechen, was wir nun tun werden." Als Cornelia gerade mit gerümpfter Nase und erhobenem Haupt in den Flur stolzierte, warf Will Caleb einen skeptischen Blick zu. "Was hast du gesagt, dass sie so in Rage gebracht hat? Ich habe das Geschrei erst ab dem Vergleich mit dem Todfeind mitbekommen." Doch Caleb schien sich durch den scherzhaften Unterton nicht milder stimmen zu lassen. "Ich habe gar nichts gesagt, um das klar zu stellen. Sie ist als erste ausgetickt, nur weil ich gefragt habe, warum sie mir die kalte Schulter zeigt." Will rollte mit den Augen. "Kannst du dir das nicht denken?" Als keine Antwort kam, beantwortete sie die Frage selbst: "Sie hat Angst, sich wieder in dich zu verlieben und erneut mit gebrochenem Herzen zu enden und ja, ich weiß, du trägst keine Schuld daran, dass es damals so geendet hat, also schau mich nicht so an! Aber für Cornelia war es nicht leicht –" "Oh, ich habe das Gefühl, dass es ihr sehr leicht gefallen ist, so wie sie sich aufführt." Sie lächelte schief und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. "Versuch bitte, es zu ertragen und dem Ganzen mit Gleichmut gegenüber zu treten. Cornelia ist, wie du weißt, damals kein allzu einfacher Charakter gewesen und das hat sich bis heute nicht gerade ins Gegenteil verkehrt. Wir anderen sind auch nicht glücklich, wie es damals gelaufen ist und du musst verstehen, dass vor allem Irma, die trotz aller Schwierigkeiten mit Cornelia dennoch ihre Freundin ist, ihr Missfallen über deine Präsenz zum Ausdruck bringen wird. Auch mir fällt es schwer, dich so zu mögen wie früher und die Tatsache, dass du hier in unserer Welt bist, auf unserer Couch schläfst und unser Essen isst, sollte dir das Recht rauben, allzu streng mit uns zu sein." "Will!", schallte es plötzlich vom Flur zu den Ohren der Gerufenen. "Komm mal eben!" Will schenkte Caleb noch einen freundschaftlichen Klaps auf den Oberarm, dann ging sie neugierigen Schrittes zu Cornelia, die seltsamerweise kicherte und über das ganze Gesicht strahlte. "Ja. Mhm. Natürlich. Kein Problem, ehrlich. Sie ist gerade hergekommen, ich geb’ sie dir eben. Ja, hat mich auch gefreut. Klar, können wir mal machen. Ich freu mich schon darauf. Bis dann." Sie legte die Handfläche schützend über die Muschel des Telefonhörers und sah Will schelmisch an. "Ich gebe dir den Hörer unter einer Bedingung. Du schaltest den Lautsprecher an, damit ich zuhören kann." "Ähm…wer ist es denn?", fragte Will irritiert. Um was machte Cornelia bloß so ein Theater? "Versprich es." "Gib mir einfach das Telefon." "Versprich es." "Gib schon her! Egal wer es ist, es ist sicherlich privat!" Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen! Darum wollte Cornelia also zuhören. Sie hatte James an Silvester ihre Telefonnummer gegeben und darauf bestanden, angerufen zu werden. "Gib endlich her!" "Versprich es", wiederholte Cornelia und hielt den Hörer hoch. Da sie um gut acht Zentimeter größer war als Will, kam diese nicht ran und musste schlussendlich doch resignieren. Von ihr aus, sollte Cornelia ihren Spaß haben, wenn Will dem Kerl aufgrund der derzeitigen Situation einen Korb geben musste. "Okay, ist ja gut, schalt das verdammte Teil schon an!" Cornelia drückte triumphal grinsend auf den Freisprecher und gab Will den Hörer hinunter. "Hey, James, ich dachte schon, du meldest dich nie!", flötete Will ins Telefon, doch dann setzte ihr Herz aus. "James?" "Matt?" "Wer ist James?" "Bist du das, Matt?" "Jedenfalls nicht James." "Oh. Mein. Gott!" Will fiel fast in Ohnmacht. Die Röte schoss ihr ins Gesicht, ihr Herz erholte sich vom Stillstand und begann zu flattern und mit einem Schlag schien ihr die Welt wie in rosa Watte gepackt. "Matt, oh, ähm, tut mir Leid, ähm, James, also, ähm, hehe, das ist ein, ein ähm Studienkollege von mir. Er sollte mich wegen – … wegen einer Prüfung anrufen, weil ich den Lernstoff vergessen habe. Ähm, ja, so ist das. Ha-ha." Dann warf sie Cornelia den Todesblick zu. Ihre Lippen formten die Worte: Du bist so gut wie tot! "Keine Sorge, Will, du musst mir nichts erklären", lachte Matt, den ihre Unsicherheit zu amüsieren schien. Vielleicht gab sie ihm auch den Mut, nicht einfach wieder aufzulegen, nachdem sie anscheinend einen anderen erwartet hatte. "Ich bin wieder im Lande, darum dachte ich, wir könnten uns treffen und ein wenig plaudern. Als Freunde. Wenn du möchtest." "Natürlich möchte ich!" Sie bekam das Grinsen gar nicht mehr aus ihrem Gesicht, so glücklich war sie über diese beinahe schon schicksalhafte Wendung. "Wann wo? Ähm –" Sie räusperte sich "– ich meine, wann würde es dir passen?" Matt lachte erneut. "Morgen um drei im Blurb Corner?" "Okay, alles klar! Bis dann!" "Bis dann, ich freu mich schon darauf." "…Bist du noch dran?" "Ja – wieso legst du nicht auf?" Sie grinste verlegen. "Keine Ahnung. Du solltest auflegen?" "Das Mädchen hat den Vorrang. Pardon, die Dame." "Das finde ich ungerecht." "Wisst ihr was?", fiel Cornelia ein. "Ich lege für euch auf." Sie drückte den Gabelumschalter und nahm Will das Telefon aus der Hand. "Hey, was –" "Ich habe dir eben einen Gefallen getan, Will, hinterfrag es nicht und vertraue mir. Irma und Hay Lin sind in zehn Minuten da. Und sie bringen Taranee mit." Von da an war Will völlig zu vergessen. Sie schwebte durch die Wohnung wie ein Geist, still und lautlos und mit einem so penetranten Glücksgefühl, dass ihre Freundinnen ihr – obgleich sie sich sehr für sie freuten – das Dauergrinsen aus dem Gesicht prügeln wollten. Sie mussten den Anruf Wort für Wort durchgehen, zerlegten alles in kleine Teile und deuteten alle einzelnen Elemente, denn Will konnte von nichts anderem mehr sprechen. "Denkt ihr, er will noch etwas von mir?", fragte sie, den Kopf in die Hände gelegt, mit diesem abwesenden Gesichtsausdruck, den sie die ganze Zeit angelegt hatte. "Auf jeden Fall", bestätigte Cornelia. Sie hatte Matts genauen Wortlaut an die acht Mal wiedergeben müssen, ehe Will Ruhe gegeben hatte. "Aber er hat doch das Wort Freunde benutzt, nicht wahr?", wandte Irma ein. Sie war ganz und gar nicht damit einverstanden, dass das Wohnzimmer in der Laverelley Lane zu einem Liebesratgebezimmer geworden war. "Womöglich möchte er einfach reden und sich auf den neuesten Stand bringen lassen?" "Na klar, darum hat er ausgerechnet seine Ex angerufen." Cornelia warf ihr Haar zurück. "Ich sage, er hatte Heimweh und hat sich gedacht, nun, da er wieder hier ist, könnte er die Beziehung wieder aufnehmen. Und damit hat er ja eindeutig Recht. Seht sie euch doch nur mal an! Völlig weggetreten." "Sie hat mich nicht einmal umarmt", beschwerte Taranee sich. "Irgendwie beachtet mich sowieso keiner hier. Ich würde mal gerne wissen, was überhaupt los ist und was er hier verloren hat." Sie deutete auf Caleb, der sich in die hinterste Ecke des Zimmers verzogen hatte, da der Mädchenkram seiner Aussage nach seine Ohren schmerzen ließ. "Das ist einfach erklärt, aber ich denke nicht, dass du es wirklich wissen willst." "Ich habe wohl keine Wahl." Und nachdem Taranee auf den neuesten Stand gebracht worden war, Caleb sich dazu herabgelassen hatte, sich wieder zu ihnen zu gesellen (wenn auch auf den Platz am weitesten entfernt von Cornelia, der das nur recht war) und Will wieder einigermaßen ansprechbar war, ging die hitzige Diskussion los. "Ich hätte es eher wissen müssen!", rief Taranee verzweifelt. "Ich habe einen Notenschnitt von eins Komma null und habe es nicht geschafft, zu verstehen, was damals passiert ist! Ich hätte beinahe den Chemiesaal abgefackelt und den Hörsaal und als meine Gardinen einfach so Feuer gefangen haben, hätte ich es doch spätestens wissen müssen!" "Das hilft uns jetzt auch nichts mehr", gebot Irma ihr Einhalt. "Fakt ist, dass so eine Psychoschnepfe nach dem Herzen von Kandrakar trachtet – mal wieder. Wir sollten ein Portal suchen, nach Meridian gehen und der Schreckschraube den Saft abdrehen, solange ihre Kräfte nicht voll wieder da sind." "Ja, natürlich", spottete Cornelia mit verschränkten Armen und sarkastischen Gesten. "Spazieren wir durch ein Portal, das wir nicht kennen, zu einem Feind, von dem wir nichts wissen, an einen Ort, dessen Lage wir nicht kennen, und kämpfen gegen magische Kräfte, deren Wirkung wir nicht kennen. Toller Plan!" "Wenigstens ist es einer", konterte Irma. "Bitte, Miss Oberschlau, schlagen Sie doch etwas vor." "Was weiß ich? Ich bin Psychologiestudentin! Gib mir ein Zehnminutengespräch mit dieser Phoebe und ich kann dir sagen, was ihre Probleme sind, das war’s aber auch schon!" "Ihr seid doch hier die Studentinnen!" Irma zeigte auf Will, Cornelia und Taranee. "Ich bin nur eine Einzelhandelskauffrau und Hay Lin Restaurantfachfrau! Ihr seid die klugen Köpfe, macht Vorschläge!" "Ganz recht, wir sind Studentinnen", sagte Cornelia. "Man hat uns beigebracht, nicht selbstständig zu denken, zu hinterfragen, zu analysieren, zu sinnieren und zu diskutieren. Wir sind Opfer des Bildungssystems, das uns staatlich geprüften Lernstoff vorlegt, aufgrund dessen unsere Leistungen bemessen werden. Wir sind unselbstständig und unfähig, eigene Ansichten zu haben!" "Dann hinterfragt nicht, denkt nicht und diskutiert nicht und wir nehmen meinen Plan. Damit hat sich die Sache." Zufrieden lehnte Irma sich auf die Rückenlehne des Sofasessels, doch Cornelia gab nicht so leicht auf. "Nur weil wir nicht denken sollten, heißt das nicht, dass wir es nicht tun. Taranee ist doch unser schlaues Hirn. Bitte, die Bühne gehört dir. Mach schnell einen Plan, damit wir das hinter uns bringen." Doch Taranee winkte ab. "Ich bin überhaupt nicht mehr in diesem ganzen Wächterinnenjob verankert, ich muss mich erst wieder einfinden. Außerdem bin ich Chemiestudentin. Wenn ihr etwas sprengen, vergiften, rot färben oder rauchen lassen wollt, bin ich euer Mann, aber für das Kalkül ist wohl eher Will zuständig." "Die ist noch immer unzurechnungsfähig", meinte Cornelia. "Hey!" Will hatte nun endlich wieder ihr Honigkuchengrinsen abgesetzt. "Ich bin total da, seht ihr? Voll bei der Sache. Also, wie sieht der Plan aus?" "Ja", hüstelte Irma. "Voll bei der Sache, wir sehen es." "Mädels, ehrlich jetzt." Caleb erhob sich und schritt mit hinter dem Rücken verschränkten Armen durch das kleine Wohnzimmer. "So kommen wir nicht weiter." "Und wer hat dich jetzt zum General ernannt?", fragte Cornelia. "Ich kenne mich mit euren Sprachgebräuchen nicht gut aus, also war das eben eine ernst gemeinte Frage oder nur eine subtile Gemeinheit?", stellte er die Gegenfrage in zynischem Unterton. "Gemeinheit am Arsch…" "Und war das jetzt eine direkte Beleidigung oder eher eine offenkundige Anzüglichkeit?" "Du bist doch echt-", grollte sie, doch er überging es. "Die Fakten: Phoebe hat ihre geschwächten Kräfte wieder. Eine Hand voll Leute ist hinter euch her, darunter ein Traumwandler. Er weiß, dass ihr das Herz von Kandrakar, das Zielobjekt, reaktiviert habt. Die nächste Intention ist sicherlich ein Angriff. Irgendwer, der sich in euer Leben geschlichen hat, jemand Unauffälliges, dem ihr alles erzählen würdet. Diese Menschen werden euch unter einem Vorwand trennen und angreifen, weil sie nicht wissen, wer das Juwel hat. Sobald sie angreifen, ist unsere Chance da. Wir überwältigen den Handlanger und pressen die Information aus ihm heraus." Er schlug mit der Faust auf seine Handfläche. "Sehr schöne Visualisierung, Caleb", lobte Cornelia unernst, "aber da gibt es ein Problem: Wie sollen wir uns verteidigen, wenn wir separiert sind? Will ist die einzige, die unsere Kräfte erwecken kann." "Wir stellen ihnen eine Falle. Heute Abend geht ihr aus. Fünf Freundinnen, die sich nach langer Zeit wieder sehen und ein wenig Spaß haben möchten. Macht euch schick und geht irgendwohin, wo ihr Erdenmädchen normalerweise hingeht, wenn ihr feiern wollt. Irgendwann wird eine von euch müde und verabschiedet sich früher von den anderen. Der Rest bleibt noch zum Schein und feiert. In sicherem Abstand verfolgen wir den Lockvogel dann und greifen ein, sobald sie angegriffen wird." "Und wer spielt den Lockvogel?", wollte Irma wissen. "Ich scheide aus. Armand ist längst aufgeflogen." "Und ich bin gerade aus Englang gekommen", meinte Taranee. "Ich denke außerdem nicht, dass mich jemand aushorchen wollte." "Denk genau nach. Hattest du niemanden, der ein wenig komisch war? Der sich außerordentlich für deine Vergangenheit interessiert hat oder für Schmuck? Für Hexenzirkel, magische Artefakte oder sonstigen Kram, der uns ähnlich sein könnte?" "Nein, Irma, ich bin mir sicher", beharrte Taranee. "Ich habe nicht allzu viele Freunde dort. Meine beste Freundin heißt Ophra Coy und ich gebe zu, sie hat eine ausgeprägte Neigung zur Transzendent und zu okkulten Aktivitäten, aber sie hat sich nie so richtig für meine Vergangenheit interessiert. Zumindest nicht mehr, als eine beste Freundin es tut." "Hm, aber sie wäre eine Möglichkeit, nicht wahr?", stellte Cornelia fest. "Aber Taranee hat Recht. Die Möglichkeit, dass Ophra ihr so schnell gefolgt ist, ist etwas weit hergeholt." "Aber", wandte Caleb ein. "Sie wissen vermutlich alle, wie ihr ausseht. Wer wen observiert hat, ist unerheblich für unser Vorhaben. Will scheidet jedenfalls aus, weil sie tatsächlich das Herz trägt." "Dann sollten wir Cornelia nehmen", schlug Irma vor. "Bitte? Wieso das denn?", brüskierte diese sich. "Die Lockvögel sind doch immer die hübschen Wehrlosen, du bist also perfekt dafür. Außerdem nimmt man dir am ehesten ab, dass du schlapp machst." "Ich glaube, ich habe mich verhört!" "Nicht streiten, Mädchen", ging Will dazwischen. "Ich finde die Idee gar nicht schlecht. Eine muss immer den Kürzeren ziehen und du hast nun mal schlechtes Karma, Cornelia. Also, dann ist es entschieden. Und nun entschuldigt mich bitte, Wolke sieben ruft." Sie setzte wieder ihren verklärten Blick auf und fuhr damit fort, alle paar Sekunden zu seufzen. Ein paar Stunden später herrschte auf den ganzen sechzig Quadratmetern hektisches Treiben. Fünf Mädchen drängten sich im Bad um den Spiegel und trugen Lippenstift auf, wuselten durch das Wohnzimmer in Cornelias Zimmer und wieder zurück und ignorierten dabei ganz und gar Calebs ununterbrochene Kommentare. "Ich verstehe euch Frauen nicht", "Wieso ziehst du dich schon wieder um?" und "Das sieht genauso aus wie vorher!" waren nur wenige Sätze einer vielfältigen Palette an Aussagen, die seine Ungeduld repräsentieren. Irgendwann hatte sich Will dazu herabgelassen, ihm zu erklären, was es mit dem Trubel auf sich hatte, doch auch das hatte keine Linderung geschaffen. "Wir präparieren einen Hinterhalt und keine Modenschau!" "Aber solange wir uns nicht trennen, können wir Spaß haben. Und Spaß haben wir nur, wenn wir wissen, dass wir umwerfend aussehen." Sie drehte eine Pirouette. "Und um umwerfend auszusehen, brauchen wir diese Zeit." "Außerdem ist es nicht falsch, in jeder Lebenslage gut auszusehen", ergänze Cornelia, die gerade mit einer großen Flasche Haarspray durch das Wohnzimmer ging und sich die sanften Goldwellen fixierte. Dass sie lediglich einen kurzen Bademantel anhatte, unter dem frech ein Stück Spitzenbüstenhalter hervorlinste, schien sie in diesem Moment gar nicht zu merken. "Sag mal, wie viel wiegst du eigentlich, Cornelia?", schrie Irma von Cornelias überdimensionalem Kleiderschrank panisch hervor. "Ich glaub das nicht!" "Etwas mehr als fünfzig Kilo auf einem Meter siebzig. Wieso?" Doch die Frage erübrigte sich beim Anblick Irmas. Cornelia hielt sich schnell die Hand vor den Mund, um ihr schallendes Gelächter zu unterdrücken. "Mist!", fluchte Irma. "Hör auf zu lachen! Das gibt es doch nicht, dass ich in deine Sachen nicht reinpasse! Sieh dir das an, nicht einmal der unterste Knopf geht zu!" Sie deutete auf die schwarze Hose, deren Verschlüsse ungeschlossen unter ihrem Bauchnabel auseinander gingen. "Die ist ja auch nicht für die Hüfte gedacht", lachte Cornelia. Sie fasste an den Bund der Hose und zog ihn mit einem Ruck hoch. "Die Knöpfe gehören an die Taille. Das sind die Siebziger." "Passt trotzdem nicht. Hier, die kannst du anziehen." "Danke, dass ich meine Sachen tragen darf, wie großzügig." "Nicht wieder streiten, heute wollen wir für ein paar Stunden unsere Reunion feiern, ja?", schlichtete Will diplomatisch. "Hey, Hay Lin, das wollte ich anziehen!" Und dann, schlussendlich nach gut einer Stunde, waren fünf wunderschöne junge Frauen bereit, in einen der bekanntesten Clubs zu gehen, den sie aufgrund der wunderbaren Lage nahe dem Park ausgewählt hatten. Laut Caleb war der Park der ideale Ort – bei Nacht Angst einflößend, in sich abgeschieden, dunkel, still und vor neugierigen Blicken abgeschirmt. Hier konnte man sich für einen Hinterhalt verstecken und sich fernab der Augen unschuldiger Passanten verwandeln. Außerdem kannte Hay Lin den Türsteher. "Dann lasst uns feiern!", riefen sie zusammen, als alle fünf die Jacken abgelegt hatten und die schimmernden Neonlichter ihr Sichtfeld berührten, während ein paar Dutzend Meter weiter eine dunkle Gestalt darauf wartete, dass sie wieder herauskamen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)