Vertrau mir von Felicity (Zirkelchallenge: Szene 1 – Naruto und Sasuke: Vertrauen) ================================================================================ Kapitel 1: Vertrauen -------------------- Die Nacht war unüblich laut. Der Wind hatte in den letzten Stunden zugenommen und rauschte mit einem nicht zu verachtenden Tempo durch die Bäume, die sich vor der Kulisse der kaum noch erkennbaren Mondsichel bedrohlich zur Seite bogen. Die Blätter schlugen dabei aneinander und so leise das einzelne Rascheln sein mochte, so laut erschien es in einem Chor von Abertausenden. Hin und wieder würde sich ein Knarren und Knarzen dazu gesellen, wenn die alten Bäume sich unter einer allzu starken Böe weiter bogen, als gut für sie war. Kurz darauf würden kleinere Äste zu Boden fallen, zusammen mit lauteren Gegenständen – vermutlich den Früchten des letzten Jahres, die sich stur über den Winter hinweg gehalten hatten. Kleine Tiere huschten dann und wann über den Boden oder durch die Äste, ließen ein leises Tapsen und Knacken hören, wenn ihre Füße die Erde oder das Holz trafen und die Illusion eines näher kommenden Feindes erzeugten. Mehr als einmal wäre er um ein Haar kampfbereit aufgesprungen, wenn nicht Sekundenbruchteile später der Ruf einer Eule, das Fiepen eines Eichhörnchens oder das Schnüffeln eines Wiesels ihm die Entwarnung gegeben hätte. All die Geräusche um ihn herum waren ihm eigentlich mehr als vertraut und sollten ihn schon lange nicht mehr stören und doch raubten sie ihm den Schlaf. Es waren mindestens zwei Stunden vergangen, seitdem er seine Wache abgegeben hatte und er wusste, dass er kaum die Zeit hatte wach zu liegen. Es würde ihm morgen mehr als schwer fallen konzentriert zu bleiben, wenn er keine Ruhe fand und allein dieses Wissen machte ihn noch verkrampfter. Egal, wie sehr er sich auch anstrengte, der Schlaf wollte einfach nicht kommen, nicht einmal die sonst so zuverlässige Meditation half ihm. Verbissen presste er die Augenlider aufeinander und drehte sich zum unzähligsten Mal in seinem Schlafsack auf die andere Seite. Jetzt lag er mit dem Gesicht in Richtung des kleinen Feuers, das sie auch über Nacht am Leben erhielten. Hinter seinen geschlossenen Augen konnte er rote Lichtblitze erkennen, die zuckend Bilder malten. Bilder, die nur eine Farbe kannten und die in immer gleicher Weise ein Eigenleben zu führen schienen, unstetig, unruhig, aufwiegelnd, wild. Er spürte, wie seine Gesichtszüge noch verbissener wurden. Die Bilder erinnerten ihn an die Farbe dessen, was er vergessen wollte, was ihn von den anderen unterschied, was ihn trotz allem immer wieder heimsuchte: Seine Vergangenheit. Es war die erste richtige Mission, seitdem er es getan hatte. Auch wenn er in den Augen der Höchsten längst Buße getan und seinen Rang zurückerhalten hatte, sprach allein die Tatsache, dass sie ihnen noch immer einen Aufpasser mitschickten, Bände. Sie vertrauten ihm nicht. Er konnte es ihnen nicht verübeln, wäre er an ihrer Stelle gewesen, hätte er sich ohne zu zögern ausradiert. Ausgelöscht für das, was er getan hatte und was ihm im Nachhinein selbst wie ein Akt von Wahnsinn und Dummheit vorkam. Doch offenbar gab es noch Menschen, die an ihn glaubten und die sich für ihn eingesetzt hatten. Das wiederum war etwas, das er nie verstanden hatte. Trotz allem, was er ihnen angetan hatte, hatten sie niemals aufgehört an ihn zu glauben. Sie hatten ihn bekämpft, versucht ihn mit Gewalt zu stoppen, er hatte im Gegenzug versucht sie umzubringen und doch hatten sie getan, als wäre nie etwas geschehen, als alles vorbei war. Als wäre er noch immer ihr Freund und nicht der schlimmste Verräter, den man sich vorstellen konnte. Er traute der Fassade nicht, dem Lächeln, das sie ihm gegenüber trugen. Er traute sich nicht ihnen zu glauben, zu groß war seine eigene Sünde. Vermutlich waren die Missionen nur ein Vorwand, um ihn in Gefahr zu bringen, nicht, um ihm zu zeigen, dass sie ihm vertrauten. Seine Hände ballten sich ungewollt zu Fäusten und er spürte, wie der Stoff sich unter seinen Fingern bedrohlich dehnte. Er war ein Narr, aber da er die Vergangenheit nicht ändern konnte, wünschte er sich, sie würden es ihm nicht so schwer machen. Denn entgegen allem, was er sich einreden wollte, genoss er die Illusion alter Zeiten. Die Vorstellung, alles wäre wie früher, so falsch sie auch war, ließ ihn sich besser fühlten, ruhiger… glücklicher. Und auch das Wissen, dass alles nur falscher Schein war, änderte nichts an dem bittersüßen Gefühl. Er lernte es wirklich nie… Plötzlich legte sich etwas Weiches über sein Gesicht und Sasuke zuckte erschrocken zusammen sofort bereit sich zu wehren, als die Dunkelheit vor seinen Augen mit einem Mal vollkommen wurde, doch eine Hand schob sich schnell über seinen Mund und er hörte ein gehauchtes „Psst!“ dicht neben seinem rechten Ohr. Auch wenn es kein wirkliches Wort war, reichte es vollkommen aus, damit er sein Gegenüber identifizieren konnte. Er musste ganz schön in seine Selbstzweifel vertieft gewesen sein, dass er Narutos Näherkommen nicht bemerkt hatte. Aber vielleicht würdigte er die Fähigkeiten des anderen auch schlichtweg nicht genug. Naruto war ein erstklassiger Ninja geworden, während er selbst noch immer auf der Stelle trat. Welche Ironie. „Komm.“, flüsterte Naruto leise und Sasuke hörte, wie er sich herunterbeugte und seinen Schlafsack ohne auf eine Antwort zu warten, öffnete. Instinktiv griff er nach oben, um den Stoff, dessen Sinn er noch immer nicht verstand, von seinem Gesicht zu nehmen und seine Augen zu öffnen, doch er kam nicht weit. Zwei Hände fingen seine Handgelenke noch auf halbem Weg ab und zogen ihn stattdessen in die Höhe. Widerwillig ließ er sich halb ziehen und stand halb selbst auf, nur um irritiert und ein wenig verärgert in die Richtung zu blicken, in der er Naruto vermutete. „Was soll das werden?“, fragte er und merkte selbst, wie unfreundlich das klang. Wesentlich gemeiner, als er es hatte sagen wollen, aber er war niemand, der seinen Tonfall korrigieren würde. Wenn das Narutos Vorstellung von einem dummen Scherz war, konnte er was erleben. Verräter oder nicht, er würde sich sicher nicht auf dieses sinnlose Spiel einlassen, doch Naruto antwortete nicht, sondern zog an seinen Händen, bis er gezwungen war der Bewegung zu folgen und sich vorwärts zu bewegen. Vom Camp weg. Es gefiel ihm ganz und gar nicht und er versuchte Widerstand zu leisten, doch Naruto lief unbeirrt weiter und Sasuke wollte nicht wirklich Gewalt anwenden. Er hatte dem anderen schon genug Schmerzen bereitet und auch wenn es ohnehin keinen Unterschied mehr machen sollte, schreckte etwas in ihm doch davor zurück es wieder zu tun. Allerdings gefiel es ihm keineswegs besser mit verbundenen Augen und einem schweigenden Naruto, der nebenbei bemerkt eigentlich Wache hätte halten sollen, durch einen nächtlichen Wald zu laufen und schließlich rammte er mit einem leisen Fauchen die Füße in den Boden. Endlich schien auch Naruto zu verstehen und hielt an. Sasuke hatte das ungute Gefühl, dass ihn der andere ganz genau ansah, um keine kleinste Regung zu verpassen und wieder versuchte er seine Hände loszureißen um sich diese verdammte Augenbinde abzunehmen, doch Naruto hielt ihn unbeirrt fest. „Entspann dich, Sasuke.“, sagte er schließlich und auch wenn seine Stimme leise war, flüsterte er nicht mehr wirklich, offenbar waren sie weit genug vom Lager entfernt, um nicht mehr Gefahr zu laufen Kakashi oder Sakura aufzuwecken. Eine Erkenntnis, die Sasuke keineswegs beruhigte, ebenso wenig, wie Narutos Worte. „Warum?“, knurrte er und zog erneut an seinen Händen, „Was soll das werden??“ Er hob die Stimme nicht, ihm war klar, dass es alles andere als ratsam war in einem unbekannten Gebiet nachts herumzuschreien, aber sein Unterton wurde beißend. Auch wenn er das eigentlich gar nicht so meinte, er wusste, dass er Naruto gegenüber seine Maske nicht durfte splittern lassen. Der Idiot von einem Ninja würde es sofort merken und sich darauf stürzen. Sasukes Situation war ohnehin heikel, er konnte es sich nicht leisten auch nur die kleinste Schwäche zu zeigen. „Ich sehe seit zwei Stunden zu, wie du dich in deinem Schlafsack hin und her wälzt.“, kommentierte Naruto und klang viel zu ruhig. Es verunsicherte Sasuke deutlich, dass der andere nicht gleich losmotzte oder zurückfauchte. „Glaubst du, mir macht es Spaß zu sehen, wie du dich quälst?“ Das war… unerwartet, aber kein Grund sich zu entspannen. Naruto ließ seine Hände endlich los und Sasuke konnte die Hektik nicht ganz unterdrücken, als er nach oben griff und den einfachen Knoten hinter seinem Kopf löste. Er musste Narutos Gesicht sehen, sein geistiges Auge hatte kein Bild parat, das zu diesem Tonfall passte. Es beunruhigte ihn. Der Blondschopf war immer leicht zu lesen gewesen, doch in diesem Moment war er Sasuke ein einziges Rätsel. Warum war er so ernst? Warum zog er ihn blind vom Lager weg? Sein von Verschwörungen und Schmerzen gezeichneter Geist konnte nur eine mögliche Erklärung finden… Der Knoten war auf, doch der Stoff fiel keineswegs von seinem Gesicht, wie Sasuke erwartet hatte und auch ein leichtes Ziehen half nicht im Geringsten. Eine leichte Panik stieg in ihm auf und er zerrte stärker. Was hatte Naruto getan, um die Augenbinde an seinen Schläfen zu fixieren? Und warum? Wollte er ihn wirklich endgültig umbr…?! Ein leises Kichern drang in seine Gedanken und für einen Moment vergas Sasuke seine Befürchtungen und lauschte angestrengt. Automatisch runzelte er die Stirn, als Naruto meinte: „Du kriegst sie nicht ab.“ Er klang erheitert. Ganz anders, als Sasuke sich seinen Tonfall bei einer anstehenden Exekution vorstellen würde, aber andererseits, was wusste er schon? Er war viel zu lange weg gewesen, um einschätzen zu können, wie Naruto klingen sollte, wie er reagieren sollte und wie gut oder schlecht er im Verstellen war. Die traurige Wahrheit war, er wusste überhaupt nichts mehr über seinen früheren Kumpel und es würde Sasuke nicht überraschen, wenn Naruto vor seinem Ende tatsächlich noch ein wenig Spaß mit dem Menschen haben wollte, dem er Jahre voll Schmerz und Mühen verdankte. „Weißt du, ich habe ein paar Siegeltechniken gelernt. Eigentlich sind sie, wie der Name ja schon sagt, dafür gedacht Dinge geschlossen zu halten, aber ich habe letztens zufällig festgestellt, dass sie sich auch erstklassig als Kleber eignen.“ Auf diese Worte hin gab Sasuke seinen Versuch die Augenbinde herunterzureißen auf. Ja, er band sie sogar sinnloserweise wieder hinter seinem Kopf fest. Sollte Naruto bekommen, was er wollte, vielleicht würde er dann früher genug haben und dem ganzen endlich ein Ende setzen. Dennoch hielt Sasuke seine Fassade aufrecht und zischte nur ein Wort: „Warum?“ Augenblicklich erstarb das Kichern und es wurde fast schon zu still. Sasuke lauschte auf jedes noch so kleine Geräusch, dass ihm verraten würde, was Naruto tat. Jedes Rascheln von Kleidung, Klirren von Waffen oder leise Rauschen von Wind in seinem Haar, doch er hörte nichts. Nach allem, was er wusste, stand Naruto stumm vor ihm, vermutlich mit fest auf sein eigenes Gesicht gerichtetem Blick und vor der Brust verschränkten Armen. Sasuke brauchte seine Augen nicht, um sich vorzustellen mit welcher Art von vorwurfsvollen Blick Naruto ihn gerade bedachte in dem Glauben, er würde es ja ohnehin nie erfahren. Bisher hatte Naruto ihm nie etwas vorgeworfen, nicht einmal, seit er wieder zurück war – langsam wurde es Zeit, doch offenbar wollte er es noch nicht aussprechen. Stattdessen erklärte er in ruhigem, wieder für ihn viel zu ernsten Ton: „Weil es sein muss.“ Wieder versuchte Sasuke in seinen Gedanken ein Bild von Narutos Gesicht zu diesen Worten zu finden und wieder scheiterte er kläglich. Weil es sein muss… weil dein Leben endlich enden muss. Sein Geist fügte wie von selbst die Worte hinzu, egal, wie sehr er versuchte es zu ignorieren. „Komm, Sasuke, ich muss dir etwas zeigen.“ Narutos Stimme war leise, fast, als hätte er wieder Angst jemanden zu wecken, auch wenn Sasuke sich sehr sicher war, dass sie dafür schon viel zu weit weg waren. „Solltest du nicht Wache halten?“ Die Worte waren heraus, ehe er darüber nachgedacht hatte, auch wenn er sie eigentlich nur deshalb aussprach, weil man es von ihm erwarten würde, weil er das Bild, das alle vorgaben von ihm zu haben nicht zerstören wollte. Wenn es sein musste, würde er es bis zum Ende aufrechterhalten. Erst erhielt er gar keine Reaktion, aber er meinte eine sachte Bewegung zu hören und vermutete, dass Naruto sinnloserweise den Kopf geschüttelt hatte. Dann erst folgte der leise Kommentar: „Ich habe zwei Schattendoppelgänger zurückgelassen - und jetzt komm.“ Zwei etwas raue Hände schoben sich unter Sasukes Handflächen und hoben sie etwa auf Brusthöhe, ehe Naruto sie langsam auf sich zu zog und Sasuke an der Grenze des überhaupt Hörbaren seine behutsamen Schritte vernahm. Mehr oder weniger freiwillig folgte er der Bewegung und ließ sich wieder auf diese unangenehme Art und Weise vorwärts ziehen. Vorwärts durch eine abgedunkelte Welt, nur geführt durch sechs Fingerspitzen, die er unter seinen Handflächen spüren konnte und von denen er wusste, dass sie Naruto gehörten. Es kostete ihn einiges an Selbstbeherrschung seine Hände nicht wegzureißen oder einfach stehen zu bleiben. Die Erfahrung war mehr als nur unangenehm, sie war unzumutbar. Er wusste selbst, dass er als Uchiha von klein auf zu viel Vertrauen in seine Augen gesetzt hatte, dazu hätte es dieser Augenbinde nicht bedurft, aber sich hier nun ganz und gar auf einen Menschen verlassen zu müssen, dem er selbst schmerzlich geschadet hatte und der ihn dennoch jeden Tag wieder angrinste, war einfach zu viel. Naruto brauchte ihn nicht einmal anzugreifen, er könnte ihn einfach auf einen Abgrund zu führen ohne, dass Sasuke das auch nur merken würde, er könnte ihn einfach stehen lassen, Sasuke würde niemals zurückfinden, er könnte ihn in eine Fallgrube oder eine bereitgehaltene Waffe laufen lassen und alles hätte ein Ende ohne, dass Naruto auch nur etwas tun musste. Sasuke spürte, wie ihm der Schweiß auf Stirn und Hände trat und er sich zunehmend verkrampfte. Er konnte es nicht. Er konnte nicht durch die Dunkelheit laufen und sich nur auf Naruto verlassen, nicht nach allem, was er selbst getan hatte. Ruckartig riss er die Hände zurück und blieb stehen. Ich kann das nicht…! Er merkte selbst, wie sein Atem unregelmäßig wurde und er schalt sich einen törichten, idiotischen Narren, dass er es überhaupt so weit kommen ließ, dass er sich von einer so simplen Situation derart aus dem Konzept bringen ließ, aber die kleine, drängende Stimme in seinen Gedanken, die ihm zuraunte, dass er gerade seine letzten Minuten auf Erden verbrachte, ließ sich einfach nicht zum Schweigen bringen. Sasuke wusste nicht, wo er war, er wusste nicht, was um ihn herum passierte oder wie es hier aussah und in Ermangelung eines Baumes, gegen den er sich lehnen konnte, stemmte er die Hände auf die Knie und zwang sich so ruhig wie möglich durchzuatmen. „Sasuke.“ Narutos Stimme klang beinahe schon entsetzt, als sie in seine irgendwie leicht benebelten Gedanken drang und das nächste, was Sasuke klar wahrnahm, war, dass ihn die Hände, die ihn zuvor mit minimal möglichem Kontakt geleitet hatten, sanft zur Seite und nach unten drückten, bis er mit dem Rücken an einen dem Gefühl nach sehr dicken Baumstamm gelehnt auf dem Boden saß. „Sasuke.“, wiederholte Naruto und irgendwie klang sein Tonfall schon wieder anders. Mist, wie machte er das nur? Und wieso fiel es Sasuke so schwer zu interpretieren, was diese Tonlagen bedeuteten? Narutos Gesicht war so leicht zu durchschauen, wieso war es seine Stimme nicht? Oder versagte nur er darin? „Du zitterst und bist ganz bleich…“, es klang fast schon… traurig? Nein, das konnte nicht sein, wieso sollte Naruto wegen ihm noch traurig werden? Doch seine nächsten Worte rissen Sasuke nicht nur abrupt aus den Zweifeln, sie ließen ihn auch aufblicken: „Vertraust du mir wirklich so wenig?“ Was sollte er darauf antworten? Die Wahrheit wollte weder Naruto noch er selbst hören. Er wünschte sich wirklich, er könnte Naruto vertrauen, bedingungslos und ohne Frage. Früher hatte er das getan, auch wenn es ihm erst viel später wirklich klar geworden war. Früher hätte er sich ohne Probleme, ohne Zweifel und ohne mit der Wimper zu zucken mit einer Augenbinde durch diesen Wald führen lassen, doch früher war lange her und er war nicht mehr derselbe. Sasuke hatte längst gelernt, wie sehr es schmerzte, zu vertrauen und enttäuscht zu werden und er hatte lange verlernt, was Vertrauen überhaupt bedeutete. Er konnte es einfach nicht mehr, aber das auszusprechen… wenn Naruto es ernst meinte, würde es ihm wehtun, wenn nicht würde es seine Schwäche nur zu deutlich aufzeigen. Sasuke seufzte und wünschte sich wirklich, es wäre anders – und er könnte Narutos Gesicht, seine Augen sehen, um zu wissen, wie ernst die Frage gemeint war. „Naruto, ich…“ Er atmete einmal tief durch und zwang sich zu einer Halbwahrheit. „Ich muss es erst wieder lernen.“ Wenn man so etwas jemals wieder lernen konnte hieß das. Vermutlich nicht mehr in diesem Leben… „Lernen?“, wiederholte Naruto und klang so herrlich fassungslos, dass Sasuke diesmal nicht die geringsten Schwierigkeiten hatte sich den verpeilten, dümmlichen Gesichtsausdruck dazu vorzustellen. Er passte viel besser zu Naruto, als der ernste Tonfall. „Sasuke, das kannst du nicht lernen. Entweder du vertraust mir oder nicht.“ Sasuke lächelte fast traurig. Sein Gegenüber sprach fast verzweifelt, aber auch irgendwie noch immer leicht ungläubig. Er hatte Naruto nicht mehr so hören wollen, nicht wegen ihm. Doch ehe er dazu etwas sagen konnte, fuhr der bereits fort: „Als wir gegen Zabuza gekämpft haben, hast du mir da vertraut?“ Sasuke runzelte angesichts der unerwarteten Frage die Stirn, aber er konnte sie guten Gewissens und ohne Zögern beantworten: „Ja.“ „Als wir gegen Gaara gekämpft haben, hast du mir vertraut?“ „Ja.“ „Als wir gegeneinander gekämpft haben, hast du mir da vertraut?!“ Sasuke brauchte einen Moment, um die Frage überhaupt zu verstehen, doch als seine Gedanken an jenen Tag zurückschweiften, als sie vor der Kulisse des gigantischen Wasserfalls aufeinander geprallt hatten, wusste er, was gemeint war. Naruto hätte ihn nie getötet… „Ja…“ „Was habe ich dir seit dem angetan?!!“ Narutos Stimme klang nicht länger traurig, sondern… verzweifelt? Nein, wütend? Auch nicht, aber eine Mischung aus beidem vielleicht. Er wirkte unruhig, aufgewühlt und fast schon panisch. Sasuke zuckte hilflos die Schultern. Er konnte die Frage nicht beantworten, doch Naruto gab nicht auf, packte seine Schultern und drückte ihn ohne wirkliche Gewalt gegen den Baumstamm. „Sag es mir, Sasuke, was habe ich getan, damit du das Vertrauen in mich verlierst?!“ Die Frage war fast schon zu ironisch für Sasukes Geschmack und dass er tatsächlich antwortete lag mehr an Naruto, der ihn in seinen Gedanken mit flehenden, wilden Augen ansah. „Nichts.“ Die Hände an seinen Schultern sanken augenblicklich ein Stück herab und umfassten seine Handgelenke. „Dann hast du keinen Grund mir nicht zu vertrauen.“ Nun war seine Stimme tonlos, als würde er um jeden Preis alle Gefühle daraus fernhalten wollten. Etwas, dass der Naruto aus Sasukes Erinnerung niemals fertig gebracht hätte. Sasuke wurde ruckartig wieder auf die Beine gezogen und Narutos Hände wanderten wieder unter seine Handflächen. „Komm, und diesmal bleibst du nicht stehen, wir machen das jetzt!“ Das war ein Befehl, keine Bitte und Sasuke gefiel das ganz und gar nicht, er wollte seine Hände wegziehen, wollte ihn anfauchen, wollte… wegrennen. Und genau deshalb tat er es nicht und ließ zu, dass Naruto ihn wieder durch die Dunkelheit zerrte. Und diesmal auch noch das Tempo langsam aber sicher steigerte. „Ich spüre, dass du zitterst, Sasuke, wovor hast du Angst?“ Tja, wovor eigentlich? Vor dem Tod sicher nicht, dem war er einmal zu oft von der Schippe gesprungen, um ihn noch fürchten zu können. Es war wohl mehr die Tatsache, wer ihn in sein Verderben führen mochte – denn auch wenn er Naruto nicht vertrauen konnte, war es doch so etwas wie Verrat, wenn ausgerechnet er es war, der ihn… „Sasuke!“ Wut, gemischt mit Entschlossenheit und Unnachgiebigkeit. Diesmal waren die Gefühle nur allzu klar, als Naruto noch einmal einen Zahn zulegte und Sasuke zwang alles um sich herum auszublenden und sich nur noch auf die Finger unter seinen Händen zu konzentrieren, die ihn in einem leichten Schlängellauf vorwärts zogen. „Wovor hast du Angst?!“ Zuversicht, Ansporn, Glaube. „Ich lasse dich nirgends gegen rennen!“ Aufrichtigkeit, die er nicht verdiente. „Vertrau mir…“ Kaum noch geflüsterte, einprägsame, ernste Worte, die ihn unter dem weichen Stoff blinzeln und die Augen aufreißen ließen. Sie klangen viel zu ehrlich, um eine Falle zu sein, sie klangen zu sehr nach dem alten Naruto, den er seinen Freund genannt hatte, sie klangen nach einer tief im Glauben an ihn verwurzelten Bitte endlich nachzugeben… Sie klangen nach Vertrauen, das ihm paradoxerweise nach wie vor entgegen gebracht wurde. Sasuke verstand selbst nicht, warum ausgerechnet diese Worte ihn so verunsicherten, aber mit einem Mal wurde die Stimme in seinen Gedanken leiser, abgelöst von Narutos Stimme, die ihn bat einfach loszulassen, endlich einzusehen, dass er paranoid geworden war, dass er nicht länger in der Lage war, in Menschen mehr als Argwohn und Eigennutz zu sehen. Ohne, dass er selbst so recht wusste, was er tat, entspannte sich Sasuke und hob die rechte Hand. Nicht, weil er sich losreißen wollte, sondern, weil er seine eigene Grenze testen wollte. Seine gesamte Aufmerksamkeit richtete sich automatisch auf die Finger, die er nach wie vor unter seiner linken Hand spürte und die nun leicht die Position wechselten, als Naruto offenbar mehr neben ihm als vor ihm herlief. Sasuke zuckte im ersten Moment zusammen, als ihm das klar wurde, da sein erster Gedanke wieder war, dass es so viel leichter war, ihn gegen einen Baum oder Felsen rennen zu lassen, doch er drängte den Gedanken zurück und nach ein oder zwei Minuten, in denen er instinktiv die Augen fest zusammenkniff und in Erwartung eines Aufpralls alle Muskeln anspannte, merkte er, dass nichts passieren würde. Seine rechte Hand, die fast vor sein Gesicht hatte huschen wollen, senkte sich wieder an die Seite seines Körpers und nach einigen weiteren Schritten, dachte er schlichtweg nicht mehr darüber nach. Er fühlte sich zehn Jahre jünger und glaubte fast eine falsche Erinnerung zu sehen, wie Naruto und er nebeneinander über eine Wiese rannten. Vor zehn Jahren hätte ihm das nichts ausgemacht und offenbar wollte ihm Naruto genau das sagen: Dass es das auch jetzt nicht mehr tun sollte. Warum er nicht sprach und lieber abwartete und ihn zu diesem kleinen Höllentrip zwang, blieb Sasuke allerdings schleierhaft und gerade als er ansetzt eine entsprechende Frage zu stellen, rief Naruto überzuversichtlich: „Baum voraus, Fuß hoch in drei, zwei, eins, JETZT!“ Ehe Sasuke auch nur das „Was?!!“ heraus brachte, hatte er reflexartig reagiert und merkte nun, wie auf einmal sein Gleichgewichtssinn verrückt spielte, als er entgegen aller Naturgesetzte einen Baum hinauf rannte. „Naruto, was…?!!“, presste er mühsam hervor, noch immer in dem Versuch seine mit einem Mal schwankende, taumelnde Welt wieder unter Kontrolle zu bringen. Doch der ignorierte ihn offenbar vollkommen und rief stattdessen: „Gleich sind wir oben, okay, halt dich fest!“ Schlagartig stoppte die Vorwärtsbewegung und allein Sasukes antrainierte Reflexe ließen ihn nach einem Halt tasten und zufassen, sonst wäre er wohl sofort wieder heruntergefallen. Um ihn drehte sich alles. Eigentlich seltsam, er hätte gedacht, dass das mit geschlossenen Augen kaum möglich war und doch schien seine Welt in stetiger Bewegung und ihm wurde zunehmend schlecht. „Sasuke.“ Sein Ankerpunkt, die Finger unter seiner Hand, schoben sich ein Stück vor und griffen seine wie zu einem Händedruck, dann schob sich eine zweite, warme Hand erst auf seine linke, dann seine rechte Schläfe. „Alles okay?“ „Geht schon.“, log Sasuke ganz automatisch, woraufhin Naruto ein leises Kichern von sich gab. „Du bist blass, klammerst dich mit aller Gewalt am Baum fest und deine Haut ist bedeckt von kaltem Schweiß. Das nennst du ‚geht schon’?“ Der Tonfall klang fröhlich, losgelöst und beschwingt. Naruto war wirklich ein Kaleidoskop an Emotionen… und doch half gerade das nun, denn durch die Konzentration auf die Stimme seines Gegenübers vergas Sasuke das Schwanken und mit einem Mal wurde er sich bewusst, dass es aufgehört hatte. Ohne sein Zutun, ohne, dass er es auch nur bemerkt hatte. Dafür wehte ihm eine leichte Brise um die Nase und er fühlte die raue Rinde des Stammes umso deutlicher. Der Stamm war überraschend dünn geworden, Naruto musste ihn bis fast nach ganz oben getrieben haben. Und mit einem Mal verstand Sasuke endlich, was Naruto wollte und ein schwaches, widerwilliges Lächeln stahl sich auf sein Gesicht, als er den Kopf in die Richtung wand, in der Naruto seine Hand noch immer festhielt. „Hn.“ Naruto lachte glücklich, zog seine Hand aber von Sasukes Gesicht zurück, wohl um sich wieder richtig festhalten zu können und nicht nur mit den Beinen festzuklemmen und meinte dann ruhiger: „Ich habe die Siegel gelöst. Nimm es ab und sieh es dir an, Sasuke.“ Doch Sasuke überraschte sich selbst und auch Naruto, als er den Kopf schüttelte. Er hatte es verstanden, er brauchte es nicht zu sehen. Im Gegenteil, vielleicht war es sogar besser, wenn nicht, dann brauchte er den Traum nicht zu zerstören, die heile Welt, die ihm die Augenbinde vorgaukelte. „Beschreib es mir.“, flüsterte er stattdessen und ignorierte die Tatsache, dass er seine eigene Stimme kaum wiedererkannte. Wenn Naruto verdutzt schien, ließ er sich nichts anmerken, als er in sachtem Tonfall, der Sasuke ein Lächeln erahnen ließ, erklärte: „Wir sind über den Baumkronen, vor uns breitet sich in alle Richtungen ein dunkles, flauschig erscheinendes Blättermeer aus, beschienen von der schmalen Sichel des Mondes direkt über uns. Die Sterne sind nicht zu sehen, dazu ist es zu wolkig, aber der Mondschein ist deutlich zu sehen und malt silberne Effekte auf jedes einzelne Blatt.“ Sasuke nickte lächelnd. Genau, was er erwartet hatte. Es war wie damals, denn das war Narutos Botschaft an ihn: Es hat sich nichts verändert, wenn du es nur zulässt. Es ist noch wie damals, als wir zusammen das Bäumeklettern gelernt und gemeistert haben… Den Rückweg hatten sie schweigend, aber schnell zurückgelegt, Sasuke diesmal mit einer Hand auf Narutos Schulter und einen halben Schritt hinter ihm. Sie waren nicht stehen geblieben, hatten nicht mehr gesprochen, erst, als sie wieder zurück waren und Naruto vor Sasukes Schlafsack stehen blieb, hatte er geflüstert, was dieser längst wusste: „Wir sind da.“ Sasuke hatte genickt und war in die Hocke gegangen, um wieder in sein Nachtlager zurückzuschlüpfen, ehe er mit geschlossenen Augen den Stoff nun doch gelöst und Naruto hingehalten hatte. Der aber hatte seine Hand sacht zurück gedrückt und gewispert: „Behalt es, du brauchst es mehr als ich.“ Dann war er davon gegangen und Sasuke hatte seinen sich entfernenden Schritten noch einen Moment gelauscht, ehe er kaum hörbar „Danke, Naruto.“ gehaucht hatte und beinahe sofort eingeschlafen war, ohne zu wissen, dass Naruto sich vor dem Lagerfeuer noch einmal zu ihm umgedreht und mit einem warmen Lächeln „Jederzeit, Sasuke.“ geantwortet hatte. Als er am nächsten Morgen überraschend ausgeschlafen aufwachte, war Sasuke sich im ersten Moment nicht einmal sicher, ob er nicht wirklich nur geträumt hatte. Es war zu schön um wahr sein zu können… Mit einem unterdrückten Seufzen hatte er sich aufgerichtet und die Augen geöffnet, nur um zu seiner Überraschung in zwei blaue, intensiv leuchtende Seelenspiegel zu blicken. „Morgen, Sasuke, Frühstück ist fertig.“ Und in diesem einen Augenblick fragte sich Sasuke, wie er jemals hatte zweifeln können. Wie Naruto ihm nach allem, was er ihm angetan hatte, noch vertrauen konnte war und blieb ihm ein Rätsel, ebenso wie Sakura und Kakashi, doch wenn er in ihre Augen sah und ihrem Tonfall genau lauschte, wusste er, dass es stimmte. Sie waren nach wie vor seine Freunde, sie hatten nie aufgehört es zu sein, nur er war es, der nicht in der Lage gewesen war zu sehen, was sie fühlten. Manchmal fragte er sich noch heute, ob diese Nacht wirklich echt war oder er nur geträumt hatte. Das Fehlen jeder bildlicher Information machte das ganze irgendwie unwirklich und seltsam, aber es hatte ihm auch den Klang von Narutos Worten nur allzu deutlich eingeprägt und im Nachhinein fühlte er sich schlecht dafür, dass er Naruto ernsthaft zugetraut hatte ihn umbringen zu wollen. Er verdiente die Freundschaft nicht, weder Narutos noch die der anderen, dessen war er sich bewusst, aber solange sie sie ihm entgegen brachten und bereit waren an ihn zu glauben, solange würde er sein Möglichstes tun dem ganzen auch gerecht zu werden. Es würde Zeit kosten und es konnte niemals wieder sein, wie vorher, aber vielleicht war doch noch nicht alles verloren… Ich vertraue dir… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)