Des Wahnsinns Spielzeug. von alphawitch (in the darkroom.) ================================================================================ Kapitel 1: souls klavierstunde. ------------------------------- Der Klang meiner pechschwarzen Pumps, den ich verursachte, wenn diese den kalten, von Stein übersäten Boden berührten, hallten immer wieder, fast wie ein leiser Rhythmus zu einem Takt, meinem Takt, in meine Ohren und ich versuchte dieses Geräusch auszublenden, mich nur auf das Laufen zu konzentrieren, aber es gelang mir nicht. Die Luft wurde trocken, so trocken und so staubig und auch traurig. Die Luft erwürgte einen fast und zwang einen dazu in eine andere Richtung zu starren, um dort etwas Luft aufschnappen zu können. Und es erdrückte einen fast, als ob man einfach nur die Augen schließen und niemals wieder aufstehen wollte. Niemals mehr. Meine Finger strichen über die alte, bröcklige Wand und wenn ich so darüber nachdachte, wusste ich nicht einmal wo ich war. Niemals hatte ich in Erwägung gezogen, woanders hinzulaufen als in diesen kleinen Kerker. Immer nur dorthin. Denn wenn ich die Augen schloss und mich nur darauf konzentrierte, sah ich die Musik und unsere Gesichter und sein Lächeln. Und dann war alles wieder gut, alles war in Ordnung, wenn er glücklich war. Meine Finger tasteten die glatte Türklinke und ich atmete ein und wieder aus, flatterhafter Atemzug und mit diesem Atemzug und mit dem dummen, dummen, dummen, Aufprall meines Herzens mit meinem Verstandes, lächelte ich und trat einen Schritt in den Raum. Das Licht war leicht gedämpft und wenn ich nicht wissen würde, dass der Raum mit schwarz, roten Steinen bepflastert war, ich hätte es nicht gesehen. Dunkler, dunkler Raum, viel zu dunkel. Denn das einigste was leuchteten war die kleine Kerze, die leise vor sich hin flammten und seine Augen, denn auch wenn ich es nicht sah, ich wusste es, seine Augen leuchteten immer in diesem bösen Rubinroten Unterton, Blutrot, Todrot, aber dann doch so schön, und warm, wenn er des Teufels Spielzeug sah. Lustlos saß er da, alle Viere vor sich gestreckt, wie benebelt schaute er der kleinen Flamme beim Leben zu. Mit kleinen Schritten kam ich bei ihm an, lächelnd, so sehr wie noch nie, denn heute war etwas, ich wusste nicht was es war, aber ich konnte es spüren, dieses komische Gefühl der Schwerelosigkeit, der Zauber war da und umhüllte uns beide in einem so schönem Samt, wie noch nie. Ohne auch nur ein Geräusch ertönen zu lassen zog ich meine Schuhe aus, wenn es nicht dieser dumme Kishin war, der mich umbrachte, dann diese dummen Schuhe, denn sie schmerzten bei jeden Aufprall mit dem Boden. Ich wusste es machte ihn nichts aus, er bemerkte es nicht einmal mehr. Als würde er mich nicht bemerken, als würde es ihn nicht interessieren, dass ich da war, neben ihm stand, betrachtete er leise, sehr leise, seufzend diese dumme Kerze, als sei diese Kerze das einzige wonach er sich immer sehnte. Und das kleine Feuer verlieh seinen Blutroten Augen wieder dieses gewisse Etwas, dieses tödliche. Ich konnte nicht verhindern, dass mir diese Augen wehtaten, dass sie mir Angst machten, auch wenn er es nie so gewollt hätte. Mit leicht zitternden Beinen kniete ich mich neben ihn hin, meine Füße hatten sich immer noch nicht an den eisigen Boden gewöhnt, oder daran dass sie nicht mehr so hoch laufen mussten. Ich fragte mich wie sie es wohl aushielten, in diesen Schuhen. “Soul.” Leise seinen Namen sprechend, lächelnd, als ob nichts wäre. Melancholie wog in meiner Stimme, wie immer, wenn wir uns hier trafen. Meine warme Hand strich über seine kalte Stirn hinunter zu seiner Wange, ich wollte es nicht, aber es kam wie von selbst, wie als würde ich es wollen. “Bitte, steh auf.” Seine Augen wanderten nicht umher, wie immer, wie es hätte sein sollen. Seine Augen starrten weiter in die Kerze hinein, als würde er durch sie hindurch schauen, als wäre sie nichts und wieder nichts. Kein einziger Millimeter seines Körpers bewegte sich, ich seufzte. Ich wusste nicht wie lange ich da nun stand, aber ich wusste, es war lange, lange genug. Vielleicht ein paar Sekunden, Minuten, die verstrichen, oder Stunden, von denen ich nichts bemerkte hatte. Immer wieder strich ich mit der Hand weiter über seine Wange, seiner kalten Wange, meine warmen Hände erwärmten ihn, glaubte ich. Und es macht ihm nichts aus, denn ich wusste es, ich kannte ihn doch viel zu gut. Seine Augen schlossen sich, sein Atem wurde flacher, sein Herz bebte nur noch in diesem langsamen Rhythmus. Wäre er jetzt eingeschlafen, oh, ich wüsste nicht was ich mit ihm bemacht hätte. Nein, eher wollte er es lieber nicht wissen. Vom langen, oder doch nicht langem Hinhocken schmerzten meine Beine. Gewohnt war ich das nicht. Deshalb versuchte ich aufzustehen, meine Hand weg von seiner, meine warme Hand fast den kalten Boden berührend, doch dann zog er mich zurück. Seine Hand führte meine Hand wieder an seine Wange, als würde er nicht wollen, dass es vorbei geht. Und nun lag meine warme Hand wieder auf seiner nicht mehr so kalten Wange, ich schien erschrocken, er gelassen, als hätte er nie geschlafen. Er hatte es nie getan. Warum wundert es mich überhaupt noch? “Halt, bleib hier.” Nicht viele Worte. Fast zu viele für Soul. Seine Stimme in meinen Ohren, viel zu rau, viel zu trocken, traurig, diabolisch. Irgendwie. Aber so genau konnte ich es auch nicht ausrechnen. Gelangweilter Seufzer meinerseits. Dann sollte es halt so bleiben. Meine Beine streckten sich und sein Kopf lag nun auf meinem Schoß, ich strich ihm durch das weiße Haar, immer wieder, fast wie ein Zwang. Seine Augen waren geschlossen, die Kerze wärmte sein Gesicht, viel zu schön war dieser Augenblicke. Augenblicke vergingen, viel zu schnell. Wieder seufzte ich leise, strich ihm durch das Haar, als wäre es beruhigend. Seine Augen wanderten zu meinen, seine Todroten Augen, diabolisch, böse, traurig, aber nur heute. Als würde er fragen, was nun schon wieder los sei. Aber er fragte nicht, denn Soul war nie ein Mann großer Worte gewesen. Noch einmal strich ich ihm durch das weiße, störrische Haar. “Spiel, für mich. Nur noch dieses Mal.” Seufzend schloss er wieder seine Augen, fast schon genervt, immer wieder dieselbe Frage, aber ich konnte es nicht verhindern. Ich wollte ihn spielen hören, wieder, nur noch dieses eine Mal, wie ich ihm das versprochen hatte. Ich wusste, dass ich nachher noch ein Mal fragen würde, aber das glaubte er ja nicht, er hielt mich ja für so aufrichtig. Doch auch wenn es so aus sah, als ob er genervt war, oder gelangweilt, oder angepisst von dieser dummen, dummen Welt, wie er es eigentlich immer ist, hob er seinen Kopf, nahm meine Handrücken in seine Hand, an seinen Mund, flatterhafter Kuss. “Nur heute, nur noch dieses einzige Mal. Nur für dich.” Seine Hand in Meiner. Ruckartig zog er sich selbst und mich dadurch hinauf. Seine Hand wärmte meine, denn nach diesem flatterhaften Kuss, engelsleicht, erkaltete sich meine Hand auf einen Schlag, mein Blut erfror für diesen Moment, ich glaubte es jedenfalls, den so anfühlen tat es. Seine warme Hand wärmte meine nicht, denn es war nicht normal. Das Gefühl davon, dass seine Lippen an meiner Hand waren, verging nicht. Die Stelle brannte immer noch wie Feuer. Unbeirrt, langsam, als würde er im Gehen einschlafen (ganz ehrlich, ich würde es ihm zu trauen.) zog er mich weiter an der Hand zum Klavier, zum Teufelsspielzeug. Ohne einen Laut von uns zu geben, setzte er sich auf den kleinen Sessel vor dem Klavier, und ich, so egal wie es mir auch war, hockte mich auf den Klavierdeckel. Der Sessel war sowieso zu klein für uns beide, und ich wollte nicht stehen. Zu sehr schmerzten meine Füße. Soul öffnete den Tastaturendeckel, hielt seine Hände im Handeln stehen, schaute mich an, grinsend, lächelnd, diabolisch. So sehr. Und dann sah ich sie wieder. Diese Blutroten, Menschenfressenden, Seelenfressenden, so sehr strahlenden Augen. Und sie machten mir Angst, wie immer eigentlich. Er grinste, noch breiter, als hätte er es nie gekonnt. Sein Lächeln, getränkt voller Blut und Bosheit. Und dann sah ich ihm wieder in die Augen und ich konnte es sehen. Warum war ich den nicht vorher darauf gekommen? Meine Hand wickelte sich automatisch um mein schwarzes Kleid, um den Samt, der uns heute umgab, um den Zauber, der heute um uns herumschwirrte, wie eine hässliche Fliege, nervig, für nichts zu gebrauchen. Natürlich, es wäre nie so gewesen, es wäre nie normal gewesen. Aber auf diese dumme Art und Weise, ich weiß nicht was mich dazu geritten hat, war es mir egal und ich schloss meine Augen, mit einem Lächeln, nur für ihn. Und dann spiele er die Musik, die ihn beben ließ. Ich konnte spüren, wie mein Herz aussetze, als er die ersten Töne ansetzte, ich konnte es nicht verhindern. Er spielte diese harten Töne, nur für mich. Der Rhythmus war hart und bebend, und so traurig, und ich glaube jeder wusste es, aber niemand wollte es sagen. Mein Kopf war gefüllt von diesen harten, traurigen Tönen. Laut und unberechenbar. Atemberaubend. Ich atmete ein. Lange saß ich da, er spielte das Stück, ich hatte es zuvor nie gehört, aber ich mochte es. Meine Augen waren geschlossen, mein Kopf gefüllt von diesen Tönen, die er spielte. Auch wenn die Töne für andere viel zu laut, aggressiv und böse klangen, für mich klangen sie anders, sie klangen beruhigend. Sie klangen wie Soul. Ich glaube, die einzige, die das verstand, war ich. Diese lauten Töne in meinen Kopf verleiteten mir wieder die Aufgabe, in diese kleine, meine eigene, Welt zu flüchten. Dort wo es schön war. Dort wo die Blumen in diesem schönen weiß blühten und in diesem schönen gelben Ton verwelkten. Auch wenn es sich dumm anhörte. Dort wo der Himmel blauer war, als alles andere auf der Welt, blauer als dieses blaue Eis, dass dort verschenkt wurde. Dort wo es keine Moral und keine Regeln gab. Dort wo es nichts gab. Außer mich, Soul, der blaue Himmel, das blaue Eis, und die vielen schönen Blüten, die hin und wieder einmal verwelkten. Dort wo alles gut war. Ohne diesen ganzen Wahnsinn hier. Langsam fing ich an den Rhythmus zu verstehen, aber als ich ihn schon vorsichtig mitsummen wollte, war es aus. Meine Augen immer noch geschlossen, ich wollte nicht, dass es endete. Vielleicht, wenn ich meine Augen doch nicht aufmachte, blieb die Welt so, wie ich sie mir vorstellte. Auch wenn ich im Inneren wusste, dass es nicht so war. Ich hörte seine langen Fußschritte, ich hörte das leise Kratzen, dass die Stahlnadel auf der alten Jazz Schallplatte verursachte. Ich glaubte, er hätte es aufgelegt, um nicht mehr selbst spielen zu müssen. Ich spürte seine Hand auf meiner, seinen warmen Atem an meinem Ohr. “Komm tanz mit mir. Nur heute. Nur für mich.” Sein Grinsen verzehrte seine Stimme etwas, die Ironie tropfte ihm fast aus dem Mund. Ich wusste, dass er mich verarschte, aber es war mir herzlichste egal. Lächelnd nahm ich seine Hand in Meine, öffnete die Augen, mit einem dieser Atemzüge - die niemand beschreiben konnte, denn so etwas konnte man nicht beschreiben - sprang vom Klavier. Öffnete die Augen. Rubinrot. Und schon wurde ich mitgezogen, er führte - ich tanzte im Takt. Immer wieder, langsam, langsam, als ob dieser Moment niemals aufhören sollte. Sein leises Lachen an meinem Ohr machte mich verrückt, er war verrückt, nicht mehr normal, es war alles egal. Seine Hände auf meiner Taille, sein Haar auf meinem Rücken. Wir tanzten. Und wieder vergaß ich die Zeit. Meine Füße bewegten sich in seinem Rhythmus, es fühlte sich an als ob ich schwebend würde, schwerelos, ohne jegliche Sorgen. Einfach so. Sein Atem auf meinem Rücken machte mich verrückt. Sein Atem an meinem Ohr noch mehr. “Du bist so hübsch.” Flüsternd, fast wie Nichts, es versank in der Musik, versank im Nichts. Ich kniff die Augen zusammen. Er wollte es nicht, ich wusste es. Er wollte es nie. Der Wahnsinn verschlingt ihn. Der Wahnsinn verschlingt ihn. Der Wahnsinn verschlingt ihn. Der Wahnsinn verschlingt ihn. Der Wahnsinn verschlingt ihn. Der Wahnsinn verschlingt ihn. Der Wahnsinn verschlingt ihn. Wie ein Mantra in meinem Hirn, auf und ab, rechts und links. Er konnte es nicht steuern, aus ihm sprach der Wahnsinn, das war er nicht. Er war es nicht, und ich wusste es. Fester kniff ich die Augen zusammen. Sein Atem auf meinem Hals. Ein flatterhafter Kuss. Zwei. Drei. “Du bist so schön.” In meinem Kopf. Immer nur dieser Satz. Ich wusste, er war es nicht. Der Wahnsinn sprach aus ihm. Der Wahnsinn sprach aus ihm. Der Wahnsinn sprach aus ihm. Seine Hände in meinem Nacken. Nackenküsse, immer wieder. Ich konnte spüren wie sich die Tränen den Weg zu meinem Kinn heranbahnten. Und in diesem Augenblick war es mir zum ersten Mal nicht egal, ob der Wahnsinn aus ihm sprach, oder nicht. Denn ich wünschte es wäre so, er würde es sprechen. Aber kein Wahnsinn der Welt erhörte mich, niemals. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)