Blutrausch von CurlyHair (Wichtel-OS für Mita) ================================================================================ Kapitel 1: Freunde ------------------ Früher waren sie sich so nah, jeden Tag schlenderten sie über die Ländereien und beobachteten die seltsamen Geschöpfe, die um Hogwarts lebten. Aber diese Zeit war vorüber. Jetzt trennten sie rund 1430 km. Während Scorpius sein Leben in London weiterlebte, abgenabelt von seinen Eltern, lebte Lucy in Rom. Man gab ihr hier die Chance seltene Tiere zu erforschen und sich um diese zu kümmern. Sie liebte Tiere, die Arbeit machte ihr Spaß. Aber es fehlte etwas. Ihr fehlten die Gespräche mit ihrem besten Freund, das gemeinsame Beobachten und Auswerten, die Diskussionen, die auch ab und zu in einem kleinen Zwist endeten. Sie konnte nicht leugnen, dass sie Scorpius vermisste, aber das erwähnte sie in keinem ihrer Briefe. Er würde sich ja doch nur Sorgen machen, das tat er ohnehin genug. Nicht das ihr Job gefährlich war, das eigentlich nicht, aber oftmals war es anstrengend, sich um magische Tiere zu kümmern, da diese unberechenbar waren. Einmal platzte der eitrige Ausschlag eines Lathrochans auf und verätzte Lucys Kleidung und ihre Haut, so stark, dass man sie ins nächste Krankenhaus bringen musste. Davon erzählte sie Scorpius nichts, sonst wäre er sicher umgehend in Italien gewesen und hätte sie womöglich nach Hause geholt. Lächelnd ließ Lucy sich auf einer Stufe der Spanischen Treppe nieder und schloss die Augen. Die Sonne wärmte ihr Gesicht und sie wusste, dass sie heute Abend sicher wieder ein paar Sommersprossen mehr haben würde. ‚Pünktchen‘ hatte Scorpius sie manchmal genannt, was sie damals immer ärgerte, da sie die Eigenart ihrer Haut hasste, sinnlose Pünktchen erscheinen zu lassen. Sie hätte gerne eine reine Haut wie Victoire gehabt. Außerdem so weiche, blonde Locken wie ihre Schwester und die Figur ihrer Cousine Lily. Einzig und allein ihre strahlend blauen Augen liebte sie an sich. Früher wäre sie gerne wie jemand anderes gewesen. Nicht weil sie selbst hässlich war, sie empfand sich selbst gerade nur passabel. Es hatte ihr nicht an Selbstbewusstsein gemangelt, sie war auch keine Außenseiterin in der Schule gewesen, sondern einfach nur Lucy. Die durchschnittliche Lucy, die sich aus der Realität in ihre Träume verabschiedete, wenn sie über die Ländereien spazierte oder Hagrid half, Tiere zu pflegen. Im Nachhinein erkannte Lucy, dass sie eigentlich ziemlich beliebt unter ihren Mitschülern gewesen war, obwohl sie nur Rose und Scorpius als ihre Freunde bezeichnen konnte, vielleicht auch noch Albus, aber mehr nicht. Sie war keine Draufgängerin und hasste Partys, die waren zu laut und meist waren viel zu viele Leute daran beteiligt, für Lucys Geschmack. Über den Alkohol, der dabei in Strömen floss, wollte sie gar nicht nachdenken. Das rief üble Erinnerungen wach. „Hast du mich lieb, Scorpius?“, lallte Lucy stark angeheitert, als ihr bester Freund sie in ihr Zimmer zu schleifen versuchte. Sie trank nie Alkohol – bis zu diesem Abend. Was genau sie dazu bewog, wusste er nicht und alle Spekulationen führten zu nichts. Vielleicht würde es immer ihr Geheimnis bleiben, warum sie an diesem Abend auf eine Party ging, die lauter war und mit mehr Alkohol, als jede Party zuvor. Es würde ihr Geheimnis bleiben, warum sie mit einem Butterbier anfing und mit Feuerwhiskey aufhörte. „Ja, Lulu, hab ich, aber nicht wenn du betrunken bist“, murmelte er den letzten Teil, aber sie verstand trotzdem. „Bin ich doch nicht!“, entrüstete sie sich und stolperte, was ihr nur ein Lachen entlockte. Er hatte sie gefangen, hielt sie fest, während sie lachte. Ihr Atem roch nach Alkohol. „Wie du meinst“, sagte er schlicht. Scorpius konnte keine wütende Lucy im Rausch gebrauchen. „Okay, komm her.“ Mit diesen Worten hob er sie auf seine Arme, nachdem sie das dritte Mal stolperte. Sie war nicht schwer, ganz und gar nicht. Er wunderte sich sogar über ihre Leichtigkeit. „Ich bin kein Baby mehr“, schmollte sie, aber er lachte nur. „Aber dennoch nicht in der Verfassung zu laufen. Ich bringe das Prinzesschen nur in ihr Gemach.“ Lucy kicherte albern, was sie nüchtern mit Sicherheit nie tat, und schlang ihre Arme um seinen Hals, schmiegte sich an ihn. „Ich liebe dich, mein Prinz“, murmelte sie leise und schlief in seinen Armen ein. Bei der Erinnerung rauschte Lucy das Blut ins Gesicht, zirkelte durch ihre Wangen. Ihre Haut machte ihrer roten Haarpracht Konkurrenz, so wie immer, wenn sie an solch peinliche Geschichten zurück dachte. Seit diesem Augenblick hielt Lucy sich liebend gern von Alkohol fern und umging jede Party, soweit ihre Freunde ihr dies gestatteten. „Ah, schöne Frau, wolle Rose kaufen?“, fragte einer dieser Straßenhändler, die immer auftauchten, wenn man sie am wenigsten gebrauchen konnten. Sie waren einfach immer da! Lucy musste sich zusammenreißen, um nicht über sein schlechtes Englisch zu lachen oder über den Umstand, dass er sie für eine dieser Touristen hielt. Sie setzte ein entschuldigendes Lächeln auf und erhob sich. „Nein, danke. Ich mag keine Rosen“, erklärte sie ihm auf Italienisch und ließ den verwirrten Mann zurück. Kaum war er außer Sicht, konnte sie die junge Weasley ein Grinsen nicht mehr verkneifen. Diese fliegenden Händler mochten lästig sein, aber ohne sie wäre Rom einfach nicht Rom. Sie gehörten zum verzaubernden Flair dieser Stadt dazu. Irgendwie. --- Seufzend legte Scorpius die Feder beiseite, strich sich müde durch das blonde Haar. Die grünen Augen wanderten über das Dokument auf dem dunklen Eichentisch, welcher eingepfercht war in diesem Schuppen von einem Büro. Es war nicht seines, eigentlich war es nur ein Ersatzraum, wenn es so viel zu tun gab, dass man sich gegenseitig die Füße platt treten würde. Jetzt allerdings war kaum etwas los. Kein Wunder, denn es war fast Mitternacht. Dennoch hatte es den jungen Malfoy an diesen einsamen Ort verschlagen. Er brauchte Ruhe. Die letzten Tage waren hektisch gewesen und er hatte freiwillig dieses Kabuff bezogen. Das gesamte Ministerium stand Kopf. Hunderte eilten die vergangenen Wochen schon aufgeregt durch die Gänge und jeden Tag schienen es mehr zu werden. Die Gründe für dieses seltsame Verhalten verstand Scorpius nicht so ganz. Sicherlich stand ein hoher Besuch an, aber warum sich so fertig machen? Nur weil Zauberer aus ganz Europa sich zu einer Versammlung trafen, musste man dich nicht die gesamte Aurorenzentrale aktiv bereithalten, oder? Nun anscheinend schon, zumindest, wenn es nach den Führungskräften ging. Der berühmte Harry Potter selbst, Scorpius Chef und der Vater seines besten Freundes, hielt er für wichtig, also musste es wichtig sein. Gründe und Logik spielten da keine Rolle. Es klopfte und Scorpius wurde aus seiner gedanklichen Aufstellung von Pro und Kontra seines Jobs herausgerissen. „Herein“, sagte er. Die Tür öffnete sich einen Spalt breit und der blonde Schopf von Molly Weasley schaute herein. Verwundert hob Scorpius die Augenbrauen. „Molly, was tust du hier?“, fragte er. Weder arbeitet sie im Ministerium, noch kannten sie sich so gut, dass sie einfach so mal in der Nacht vorbei schaute. „Meine Mutter schickt mich“, erklärte sie und drängte sich in den kleinen Raum, in dem man sich so schon kaum umdrehen konnte. „Aus mir unerklärlichen Gründen macht sie sich Sorgen um dich. Eins muss man ihr lassen, ihr Mutterinstinkt funktioniert wie immer blendend – du arbeitest tatsächlich noch.“ Scorpius musste unwillkürlich lächeln. Audrey Weasley war ihrer Schwiegermutter unglaublich ähnlich, auch wenn sie dies nicht gerne zugeben wollte. Sie passte perfekt in die Familie Weasley. Herzlich und fürsorglich. Diese Eigenschaften vererbte sie an ihre Töchter, obwohl Molly viel mehr nach ihrem Vater kam. Sie war ein kleiner Kontrollfreak und eine verdammte Besserwisserin, obwohl sie auch oftmals die Diva raushängen ließ. Scorpius hatte nie viel mit ihr zu tun gehabt in Hogwarts, schließlich war sie zwei Jahre älter und in Hufflepuff gewesen, während er nach Ravenclaw ging. Mit ihrer kleinen Schwester Lucy verstand er sich deutlich besser. Sie gehörte zu seinen besten Freunden, schon seit Anfang ihrer Schulzeit. Und Lucy war so anders als ihre Schwester. Nicht versessen auf Klatsch und Tratsch, zwar gut in der Schule, aber keine ehrgeizige Überfliegerin. Lucy lebte nicht in der kalten Realität, sondern in ihren Träumen. Mit ihrem Lächeln und ihrer Fantasie hüllte sie einen ein und nahm ihn mit auf eine fantastische Reise. Lucy war einfach Lucy und er hoffte sie würde es immer noch sein, sollte sie eines Tages zurück nach Hause kommen. Er vermisste sie, aber das schrieb er ihr nicht, zumindest klärte er sie nicht über die Intensität seiner Gefühle auf. Sie würde sich Sorgen machen und wäre ohne Umschweife wieder zurück, aber das würde ihren Traum kaputt machen, mit den Tieren in Italien arbeiten zu können. Er wollte ihr diese Chance nicht nehmen. „Erde an, Scorpius!“ Molly wedelte mit ihrer Hand vor seinem Gesicht herum und er zuckte erschrocken zusammen, was ihr ein Lachen entlockte. „Was?“, fragte er sichtlich verwirrt. „Du kleiner Träumer, ich habe dir gesagt, du sollst deine Sachen zusammen packen. Ich soll dich nach Hause bringen. Mum hat mir sogar erlaubt, Gewalt anzuwenden, wenn du dich weigerst“, meinte sie grinsend und fügte mit einem unschuldigen Blick hinzu: „Nicht das ich sowas tun würde.“ „Aber ich muss doch arbeiten“, murmelte er. Sein letzter Widerstand – er war einfach zu müde, um schlagkräftige Argumente zu liefern und eigentlich wollte er das auch nicht. Er konnte das Bett schon rufen hören. „Braver Junge“, sagte sie lachend und klappte seine Akten zusammen. „Ich bring die zurück in die Aurorenzentrale und du suchst deine Sachen zusammen, während du bitte nicht einschläfst.“ Stumm nickte er und sah ihr kurz nach, wie sie davon stöckelte. Träge stand er auf, streckte sich, dass seine Gelenke knackten. Eine unüberhörbare Beschwerde über das lange Sitzen. Er schnappte sich den Umhang und wand sich hinein. Erneut fuhr er mit der Hand durch seine sowieso schon zerstörte Haarpracht und verfluchte diese Geste, die er eindeutig von seinem besten Freund Albus Potter übernommen hatte. Al meinte immer das wäre cool und die Mädels würden diesen Draufgänger-Look sicher heiß finden, aber Scorpius gefiel dieses Durcheinander ganz und gar nicht. Lucy hatte mal gesagt, er sähe dann nicht aus wie Scorpius sondern wie irgendein Muggel-Surfer. Lucy hasste Surfer! Mit einem leisen Klacken, fiel die Tür ins Schloss und Scorpius stand auf dem schwach beleuchteten Flur. Er schloss einen kurzen Moment die Augen und stellte sich vor, es wäre nicht irgendein Flur im Ministerium, sondern dieser eine besondere Flur, in Hogwarts. „Jetzt komm schon Albus, wir kommen zu spät!“, rief Scorpius über die Schulter hinweg seinem besten Freund zu. Dieser atmete schon schwer und lehnte sich an die Wand, weigerte sich auch nur noch einen Schritt zu tun. Aber das bemerkte der junge Malfoy nicht. Er rannte weiter, wollte auf keinen Fall zu spät zum Unterricht kommen. Mit einem Tempo, das einem rasenden Zentaur gleich käme, sprintete er um die Ecke, sah sich noch einmal während des Laufens um, wo Albus blieb. Dabei übersah er das Mädchen, das ebenfalls durch die Gänge eilte. Mit einem dumpfen Knall preschten sie ineinander und gingen mit Schreien zu Boden. Verdutzt schaute Scorpius auf. Seine grünen Augen trafen auf blaue. Das Mädchen vor ihm sah ihn musternd an, nicht auf eine abfällige oder unangenehme Art, sondern interessiert. Er kannte sie, sie war in seinem Jahrgang, war vorgestern mit ihm eingeteilt worden. Aber wie hieß sie noch gleich? „Tut mir Leid“, sagte er und rappelte sich auf, ehe er sie auf die Füße zog und ihr Buch aufhob. Sie lachte leise. „Nein, mir tut es leid, ich hätte aufpassen sollen“, erklärte sie und umklammerte ihr Buch. „Ich bin Scorpius“, stellte er sich vor und reichte ihr die Hand, die sie lächelnd ergriff. „Hey, ich bin Lucy.“ Es war ein normaler Tag gewesen, eine normale Begegnung in einem normalen Flur, aber es war der Beginn einer wahren Freundschaft, wie man sie selten findet. Natürlich verstand Scorpius sich ebenso mit Albus oder Rose Weasley, aber seine Freundschaft mit Lucy war etwas Besonderes. Sie konnten auch einfach nebeneinander sitzen, ohne Worte und dennoch unterhielten sie sich dabei prächtig. Mit Lucy war es so einfach, zu träumen, zu leben. Er schüttelte den Kopf, versuchte seine verirrten Gedanken zu ordnen. Lucy war eine Freundin und momentan nicht da, er vermisste sie – so weit so gut. Aber dennoch schweiften seine Gedanken immer und immer wieder zu ihr ab in letzter Zeit. „Da bin ich wieder“, hörte er Molly und als er die Augen öffnete, sah er sie den Gang entlang auf ihn zukommen. Lächelnd hakte sie sich bei ihm unter. „Ich apperiere uns besser, wer weiß welchen Teil du von dir wohin schickst“, erklärte sie und mit einem Ploppen verschwanden die beiden und tauchten vor Scorpius Wohnung wieder auf. „Okay, den Weg hinein findest du schon allein. Du machst morgen übrigens frei, hat Mum gesagt, und du sollst sie mal wieder besuchen. Sie vermisst dich“, meinte sie schulterzuckend und verschwand mit einem „Guten Nacht“ wieder. Er fuhr sich wieder durchs Haar, seufzte, während er vergeblich versuchte eine Ordnung in seine Haare zu bringen, aber der Kampf war umsonst. Vermutlich sollte er Audrey und Percy wirklich mal wieder besuchen, schließlich hatte er früher oft ein oder zwei Wochen der Ferien mit ihnen verbracht, mit der gesamten Familie Weasley. Scorpius zog seinen Schlüsselbund aus der Tasche und suchte den passenden Schlüssel. Dabei blieb sein Blick an dem Schlüsselanhänger kleben, den Lucy ihm mal zu Weihnachten schenkte. Er hatte die Form eines kleinen Tigers. Lucy fand das passte zu Scorpius. Eine Raubkatze – warum auch immer. Er hatte das nie verstanden. Ein Gähnen erinnerte ihn, wie spät es schon war und er besann sich dazu, zunächst einmal gut zu schlafen, wenn er schon mal einen Tag frei bekam. --- Am nächsten Morgen wurde Lucy von einer Eule geweckt, die ungeduldig an ihre Scheibe klopfte. Das junge Mädchen erhob sich und ging langsam zum Fenster und öffnete es. Der braune Waldkauz flatterte hinein, schlug freundlich mit den Flügeln. „Hey, guten Morgen, Avalon“, begrüßte sie lächelnd die Eule ihrer Schwester Molly, „bringst du mir Post von Zuhause?“ Sie nahm ihm den Brief ab und reichte ihm ein paar Eulenkekse. Kaum hatte er sie gefressen, war er auch schon wieder fort. Sie würde also ihre Schleiereule Morgana losschicken, sollte sie den Brief beantworten. Lucy setzte sich wieder an den Tisch und nippt an ihrem Tee, während sie die eleganten Zeilen ihrer Schwester las. Hallo Lucy, wie geht es meiner kleinen Schwester in dieser großen Stadt? Ich muss dir wohl nicht sagen, dass wir dich vermissen – das solltest du wissen. Besonders Mum würde dich so gern wiedersehen. Du kennst sie ja, wie immer ist sie besorgt um ihre kleine Lucy. Ich möchte dich nicht belehren oder dir sagen, was du zu tun hast, weil ich weiß, dass du gerade einen deiner Träume lebst, tust du doch oder? Aber ich muss dir einfach schreiben, obwohl Mum und Dad der Ansicht sind, du solltest es lieber nicht wissen. Es geht um Scorpius – ich weiß partout nicht was ihr alle an ihm findet – er vermisst dich, mehr als jeder andere es tut vermutlich. Er arbeitet Tag und Nacht. Onkel Harry meint, der Junge würde es mit seiner Intelligenz weit bringen können, aber wenn er so weiter macht, würde er eher zusammenbrechen. Momentan ist im Ministerium die Hölle los, aber Scorpius halst sich mehr Stress auf, als nötig wäre. Natürlich würde er dir das nie schreiben, du kennst ihn besser als ich, aber ich habe ihn gesehen. Eben musste ich ihn auf Mum’s fürsorglichen Befehl hin abholen und nach Hause bringen. Wer weiß wie lange er sonst geblieben wäre. Ich habe gestern mit Albus gesprochen und er klang sehr besorgt – das soll schon was heißen, wenn Al zwischen all den Hochzeitsvorbereitungen noch Zeit hat sich zu sorgen! Scorpius nabelt sich total ab. Das kann doch so nicht weitergehen, das finde selbst ich und ich habe kaum etwas mit ihm zu tun, außer dass er der beste Freund meiner kleinen Schwester ist. Ich bitte dich nicht darum, deine Träume in Rom aufzugeben, ich bitte dich nicht zurückzukommen (obwohl Mum das sicher begrüßen würde). Lucy, ich bitte dich nur darum, ihm zu schreiben, oder irgendwie Vernunft in diesen Typen zu bekommen. Er macht sich kaputt und damit auch dich. Ich kenne dich Lucy. Hoffentlich kann ich dich bald wieder in die Arme schließen, spätestens im August, wenn Al und Rose heiraten. In Liebe, Molly PS: Sag im bloß nicht, dass ich es dir erzählt habe! Geschockt überflog sie immer und immer wieder die Zeilen, wollte nicht glauben, was sie da las. Wenn man einmal nicht auf Scorpius Malfoy aufpasste! Molly hatte recht, sowas hätte Scorp ihr niemals erzählt und er wusste warum – jetzt machte sie sich Sorgen. Sie schaute auf die Uhr, seufzte und kippte den Tee in die Gosse. Die Arbeit rief, aber selbst die konnte sie heute nicht richtig locken. Ihre Gedanken waren woanders, den gesamten Tag über. Sie hatte Scorpius in dieser Hinsicht nie verstehen können – er stürzte sich in die Arbeit, wenn ihn etwas beschäftigte. Lucy dagegen zog es in solchen Momenten nach draußen. Warum hatte er ihr das nicht geschrieben? Klar, er erwähnte dass er sie vermissen würde, aber er hatte doch in seinen Briefen immer behauptet, alles lief super. Aber war sie wirklich so töricht gewesen ihm zu glauben? Früher hatte sie doch auch immer gewusst, was in ihm vorging. Jetzt wo mehr als Meilen zwischen ihnen lagen, sollte sich das geändert haben? Das konnte doch unmöglich sein. Sie hatten sich geschworen, immer zusammen zu halten, immer ehrlich zueinander zu sein. Besorgt musste Lucy auch feststellen, dass die Briefe in letzter Zeit seltener ausgetauscht wurden. Anfangs schrieben sie sich nahezu jeden Tag und jetzt? Vielleicht ein oder zweimal im Monat. Lucy seufzte und ging zu ihrem Schreibtisch. Sie zog ein Blatt Papier heraus und nahm die Feder zur Hand. Molly hatte Recht, sie musste Scorpius zur Vernunft bringen. Lieber Scorpius, dein letzter Brief ist eine Weile her und ich mache mir Sorgen. Geht es dir gut? Dad hat geschrieben, im Ministerium wäre viel los. Wie läuft das bei dir? Das ist sicherlich deine erste Bewährungsprobe und ich hoffe du übernimmst dich nicht. Mach mal eine Pause, denk mal an dich. Wie läuft es mit den Hochzeitsvorbereitungen? Hilfst du mit? Ich denke, dass solltest du tun, denn du kennst ja Al und Rose. Okay, Rosie bekäme das hin, aber Al ist so ein Chaot. Er braucht mit Sicherheit einen Freund, der ihm unter die Arme greift. Und vergiss nicht, als Trauzeuge ist es deine ungeschriebene Pflicht, einen Junggesellen- Abschied zu veranstalten. Also geh mit den Jungs auf die Piste und sucht schon mal eine gute Location. August kommt schneller als du denkst, auch wenn es erst März ist. Auf jeden Fall sehen wir uns spätestens auf der Hochzeit. Ich freu mich schon und wehe du siehst irgendwie krank und erschöpft aus, dann steck ich dich ins Bett und pflege dich! Also, du bist jung – genieße das Leben oder ich muss Onkel Harry schreiben. In der Hoffnung das wir uns bald wiedersehen. Deine Lucy --- Lächelnd las Scorpius den Brief, der auf ihn wartete, als er von seinem Besuch bei den Weasleys zurück kam. Hatte er wirklich geglaubt, Lucy würde nichts von seinem Kummer erfahren? Sie wusste immer was los war, vor ihr konnte er kein Geheimnis haben. In dieser Hinsicht war sie ihrer Mutter sehr ähnlich. Immer besorgt und wusste immer was einen bedrückte. Der Besuch bei Audrey hatte ihm gut getan und auch Percy war gut aufgelegt, als er nach Hause kam. Scorpius hatte den Tag genossen. Audrey hatte ihn bereits mit einem üppigen Mittagessen empfangen und ihn genötigt mehr zu essen, als es ihm eigentlich möglich war. Dabei hatten sie sich über alte Zeiten unterhalten, Ausflüge, die sie in den Ferien gemeinsam unternommen hatten oder über Geschichten aus Hogwarts. Lucys Mutter amüsierte sich dabei immer prächtig, da sie selbst nie in Hogwarts gewesen war. Natürlich war die Sprache auch auf Lucy gekommen. Beide vermissten sie sie sehr und Audrey bekundete oft, wie sehr sie sich danach sehnte ihr „Kleine“ wieder in die Arme schließen zu können. Audrey hatte ein altes Fotoalbum hervorgeholt und gemeinsam mit Scorpius hatte sie in Erinnerungen geschwelgt. Da war ein Bild von Lucy auf der Schaukel, als sie vier war; eins im Kinderwagen, ein Bild zeigte sie, wie sie im Garten spielte und einen Schmetterling zu fangen versuchte. Eines der Fotos lag ihm noch immer vor Augen – Lucy und er wie sie Hand in Hand aus dem Bild liefen. Er hatte nachdenken müssen, aber dann fiel ihm wieder ein, wann dieses Bild gemacht worden war. Auf einer Feier nach ihrem Abschluss. An diesem Abend hatte Lucy ihm erzählt, dass sie nach Rom gehen würde, er hatte ihr sagen wollen, wie sehr er sich mochte, aber dazu kam er nicht. Denn ihre Ankündigung hatte seine Welt untergehen lassen. Scorpius hatte sich verraten gefühlt. Hatte er angenommen, Lucy würde immer bei ihm bleiben? Er hatte doch gewusst, dass es sie in die Ferne zog. Umso schwerer lag dieser Brief jetzt in seiner Hand. Sie machte sich Sorgen um ihn und anscheinend wusste sie mal wieder mehr, als es den Anschein hatte. Vermutlich, nein, bestimmt hatte sie Recht. Er sollte was unternehmen. Scorpius musste sich eingestehen, dass sie seine beste Freundin war, die in Rom lebte und ihn nicht liebte, nicht so zumindest, wie er es schon so lange tat, seit – ja, seit wann eigentlich? Aber jetzt musste er es einsehen, dass da nicht mehr sein würde, also musste er einen Strich darunter ziehen und anfangen sein Leben zu genießen. In den folgenden Wochen arbeitete und feierte er, nur um sich selbst zu belügen. Denn Fakt war, dass Alkohol und wilde Partys ihn nicht davon abbringen konnten, sich nach seiner besten Freundin zu sehnen. Jede Nacht suchte ihr Bild ihn in seinen Träumen heim und jeden Tag las er wieder und wieder ihren letzten Brief, nur um sich die nötige Kraft zu holen, am Abend wieder zu feiern. --- Mit Sorge beobachteten Albus und Rose, wie sich ihr Freund Scorpius mal wieder in das Londoner Nachtleben stürzte, trank und flirtete. „So geht das doch nicht weiter“, murmelte Rose besorgt und ihr Verlobter nickte und betrachtete den betrunkenen Malfoy, der gerade versuchte einen bulligen Typen über Billiard zu belehren. „Jetzt reicht‘s!“ Albus knallte sein Glas auf den Tisch und marschierte auf seinen besten Freund zu. „Scorpius, es wird Zeit zu gehen“, sagte er und packte ihn grob am Arm. „Isch will nischt“, beschwerte sich der andere lallend, ließ aber mehr oder weniger zu, aus der Bar gezogen zu werden. „So geht das nicht weiter, Scorpius“, meinte Albus und drückte ihn gegen die kühle Steinmauer. „Lass misch in Ruhe, Mann“, wehrte sich der Blonde und riss sich los. „Scorpius, bitte, bleib stehen!“, rief Rose ihm nach, aber Scorpius war schon um die nächste Ecke verschwunden und sie hörten nur noch ein leises Ploppen, dann war er disappariert. „Wir müssen was unternehmen Rosie“, meinte Albus seufzend und fuhr sich durch die Haare. Sie nickte leicht. „Dabei könnten wir Hilfe gebrauchen und ich weiß schon wer da helfen kann“, meinte sie lächelnd. --- Seufzend stand Lucy in ihrer Wohnung und betrachtete die gepackten Kisten und Koffer. 222 Tage Rom waren vobei. 222 Tage, die sie damit verbrachte einen Traum zu leben, den sie seit ihrer Kindheit gehegt hatte. Und nach 222 Tagen war ihr aufgefallen, dass es Dinge gab, die ihr wichtiger waren als das. Lucy hatte eingesehen, dass es Dinge gab, für die es sich mehr lohnte zu kämpfen und die sie mehr pflegen musste, als die Tiere im größten magischen Reservat von Italien. Sie hatte eingesehen, dass sie erwachsen geworden war und die Träume ihrer Kindheit nicht mehr ihre jetzigen Träume waren. Es war Lucy schon immer schwer gefallen Dinge aufzugeben, weil sie einsehen musste, dass sie nicht in die Richtung verliefen. Auch diesmal hatte es mehr gebraucht, als eine Nacht Schlaf, sondern einen mehr als Besorgnis erregenden Brief ihrer besten Freundin Rose. Liebe Lucy, dieser Brief wird dich sicher schockieren, vermutlich solltest du dich setzen. Wir sind ratlos. Erst arbeitet Scorpius bis zur totalen Erschöpfung, lässt niemanden mehr an sich ran und versinkt in sich selbst und jetzt? Jetzt hat er nichts anderes zu tun als zu feiern, sich hemmungslos zu besaufen und jedem Mädchen schöne Augen zu machen. (Aber nie wird eine Beziehung draus) Ich erkenne ihn nicht wieder, Al auch nicht. Wir haben wirklich keine Ahnung, was mit ihm los ist, was wir noch tun sollen. Er macht sich kaputt! Wir können nur hilflos danebenstehen und zusehen, weil er einfach nicht auf uns hören will. Selbst Albus bekommt nichts aus ihm raus. Ich habe eine Theorie und auch wenn du das nicht hören willst, so wie du es nie hören wolltest. Scorpius ist in dich verliebt! Er braucht dich. Und du liebst ihn auch, das weiß ich, auch wenn es dir noch nicht klar ist. Vergeht ein Tag, an dem du nicht an ihn denkst? Vergeht ein Tag, an dem du dir nicht wünscht er wäre da? Ich kenne dich, Lucy. Wahrscheinlich macht dein Herz jedes Mal einen kleinen Satz, wenn du einen hellblonden Schopf in der Menge entdeckst. Und selbst wenn ich mich täuschen sollte und ich täusche mich selten, so musst du einsehen, dass er dich wenigstens als beste Freundin braucht. Ich verstehe, dass Rom früher dein Traum gewesen ist, aber sei ehrlich Lucy, ist er das bis heute? Wenn du rundum glücklich bist in Rom und wenn du absolut keine Bedenken hast, dort zu bleiben, dann tu das, aber wenn da auch nur eine kleine kritische Stimme ist, dann komm zurück. Bitte! Scorpius ist nicht der Einzige der dich braucht, glaub mir. Liebe Grüße, ROSE WEASLEY Nach diesem Brief konnte Lucy nur noch schwer leugnen, dass sie sich schon seit längerer Zeit nicht mehr wohl in Rom fühlte. Hier war sie allein, fernab von Familie und Freunden. Selbst in den Monaten, in denen sie hier lebte hatte sie kaum Anschluss gefunden. Es gab hier einfach niemanden, der mit ihr auf einer Wellenlänge lag. Also hatte sie die Sache beendet. Rom war ein Abenteuer gewesen, ein winziger Abschnitt auf ihrem Weg durchs Leben, aber es wurde Zeit dass sie wieder auf den Weg Richtung Heimat zurückfand, dort wohnte ihr Herz, dort lebten ihre Erinnerungen. Sie hatte ihre Arbeitsstelle gekündigt und ihre Sachen gepackt. Jetzt stand sie in der leeren Wohnung und seufzte. Es war eine gute Zeit in Rom gewesen und mit Sicherheit würde sie eines Tages mal wieder hierher kommen, aber nie würde sie diese Stadt so vermissen, wie sie ihr Zuhause vermisste. Mit einem Schwung ihres Zauberstabs verschwanden die Kisten, machten sich mit einem magischen Transportunternehmen auf den Weg nach Großbritannien. Lucy folgte eine Minute später mit einem Portschlüssel. --- Er war betrunken. Wie jeden Abend, mal wieder. Nur hatte Scorpius heute keinen Beistand von Al und Rose. Da sie sich geweigert hatten, war er alleine losgezogen. Schließlich brauchte er die doch nicht! Total berauscht vom Alkohol torkelte auf seine Wohnungstür zu, suchte schon mal den Schlüssel, aber er fand ihn nicht. „Ach verdammt!“, meckerte er und kramte tiefer in seine Taschen, bis er das kühle Metall zwischen die Finger bekam. Doch egal welchen Schlüssel er ausprobierte oder wie rum er drehte, das Schloss wollte sich nicht öffnen lassen. Er lehnte sich an die Wand und ließ sich herunterrutschen. In seinem Kopf drehte sich alles. In seinem Blickfeld tauchte ein rothaariger Engel auf, der sich vor ihm hinhockte und ihm sanft über die Wange strich. „Rose hat untertrieben. Dir geht es schlimmer als ich angenommen hat“, sagte sie, aber das konnte sein Kopf nicht mehr richtig verarbeiten. Er nahm nur ihr Bild war. Wie lange hatte er sich danach gesehnt, sie wäre bei ihm? Aber vermutlich war das jetzt nur ein Traum, ein Traumbild das er liebte. Es durfte ruhig bleiben. „Lucy, meine Lucy“, murmelte er. Sie seufzte lächelnd. „Was machst du nur Scorpius?“, fragte sie leise. Mit sanftem Druck öffnete sie seine Hand, die sich an den Schlüssel klammerte. Sie nahm den Bund und stand auf. „Nicht weggehen!“, beklagte sich Scorpius, aber sie reagierte nicht weiter darauf, sondern öffnete die Tür. „Ich bin hier Scorpius und ich gehe auch nicht wieder weg“, sagte Lucy und zog ihren Freund hoch. Sein Anblick hatte sie schockiert und ihr deutlich gezeigt, was sie angerichtet hatte. War sie nicht ein schlechter Mensch? Warum hatte sie nicht vorhergesehen, dass er sowas tun würde? Sie war doch angeblich seine beste Freundin, sie müsste ihn doch kennen! Sie war nicht wütend auf ihn, weil er sich so hatte gehen lassen, sondern wütend auf sich selbst, weil sie das zugelassen und wahrscheinlich durch ihren Brief verursacht hatte. Mit leichter Gewalt musste sie ihn in die Wohnung ziehen. Im Schlafzimmer drückte sie ihn Richtung Bett und er ließ sich fallen, zog sie mit. Er nahm sie fest in den Arm und sog ihren Duft ein. So unvergleichlich. Wie er ihn vermisst hatte! Lucy seufzte leise und versuchte sich vorsichtig zu befreien, aber er ließ das nicht zu. „Ich hab dich vermisst“, lallte er leise, „Ich liebe dich, Pünktchen.“ Sie lächelte sanft. „Ich dich auch“, gestand sie sich und ihm ein, aber das hörte Scorpius schon nicht mehr. Das Land der Träume hatte ihn eingehüllt. Auch Lucy schlief kurz darauf mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen ein. --- 4 Wochen später „Hiermit erkläre ich sie zu Mann und Frau. Sie dürfen die Braut nun küssen“, erklärte der Standesbeamte mit einem Lächeln. Albus grinste und zog Rose an sich. Leidenschaftlich küssten sie sich vor ihren Hochzeitsgästen. Hermine und Ginny weinten, selbst Rons Augen glänzten verschwörerisch. Sein kleines Mädchen war jetzt verheiratet. Applaus brandete auf und die ersten Gäste strömten nach vorne, um dem jungen Paar zu gratulieren. Die Feier war im vollen Gange. Alle waren gekommen. Die gesamte Familie Weasley-Potter, aber auch alle Freunde und ehemalige Schulkameraden. Scorpius hatte sogar seine Eltern dazu bewegen können, der Hochzeit seiner besten Freunde beizuwohnen. Einladung ist Einladung, hatte Astoria gemeint und war schnell von der Sache begeistert. Mit etwas Charme hatte sie ihren Mann dazu überreden können, auch wenn Draco anfangs weniger begeistert gewesen war. Doch jetzt amüsierten sie sich prächtig. Scorpius Vater unterhielt sich sogar gepflegt mit Harry Potter, während Astoria mit Hermine lachend Erinnerungen an die Kinder austauschte. „Wie es aussieht, hast du deine Eltern gut erzogen“, meinte Lucy und ließ sich neben ihrem Freund fallen. Scorpius grinste. „Man tut was man kann.“ Dann stand er auf und zog sie ebenfalls hoch. „Du, meine Hübsche und ich, wir gehen jetzt tanzen“, meinte er lachend. Sie folgte ihm auf die Tanzfläche und lächelte ihn an. „Die rote Fliege war doch die bessere Wahl“, meinte sie nachdenklich. „Deswegen hab ich nicht auf dich gehört“, erwiderte er. Sie lachte. „Das tust doch so gut wie nie.“ „Ich weiß, aber dafür liebst du mich doch.“ „Naja, manchmal bin ich mir da nicht so sicher.“ Er grinste schelmisch und küsste sie. Der Kuss raubte ihr den Atem, so wie immer. „Bist du dir immer noch unsicher?“, murmelte er leise an ihre Lippen. Sie lachte und nickte. „Ja, du musst schon bessere Überzeugungsarbeit leisten.“ Er erwiderte das Lachen und küsste sie wieder. Ihr Tanz wurde unterbrochen, als Rose Potter dazu aufrief, dass alle unverheirateten Frauen sich zu versammeln hatten. „So Mädels, es wird Zeit, dass die Nächste unter die Haube kommt. Ihr wisst ja wie das läuft, wer den Brautstrauß fängt ist am Zug“, verkündete sie lachend und kehrte den jungen Frauen den Rücken zu, unter denen auch Lucy sich mehr oder weniger freiwillig befand. Rose lächelte und warf mit Schwung den Brautstrauß hinter sich, der in den Armen einer zukünftigen Braut landete. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)