Nothing else matters von Karma (Ben x André) ================================================================================ Kapitel 1: Überraschung ----------------------- So, und da ist auch schon die Fortsetzung zu Sing to me, die ich in der Story angekündigt hatte. Gerade frisch zurück aus der Überarbeitung und schon auf dem Weg zu euch zum Lesen. Ich hoffe ihr werdet es mögen - auch, wenn ihr mich ganz sicher zumindest für eine Stelle ernsthaft werdet schlagen wollen. >.< Aber damit muss ich leben. Trotzdem wünsche ich euch viel Spaß und hoffe, die Fortsetzung gefällt euch ebenso gut wie ihr Vorläufer. Karma ~*~ "Hast Du alles?" Jasmin sieht mich fragend an und ich überprüfe kurz den Wust an Zeug, der zu meinen Füßen verteilt liegt oder steht, dann nicke ich. "Ja, hab ich. Danke fürs Herfahren. Komm gut wieder nach Hause und gib Mia einen Kuss von mir, ja?", bitte ich. Sie lächelt, als ich ihr noch mal über den inzwischen deutlich gerundeten Bauch – den siebten Schwangerschaftsmonat kann man beim besten Willen nicht mehr übersehen – streichele, dann drückt sie mir einen Kuss auf die Wange. "Mach ich. Sie wird Dich vermissen. Und wir auch", sagt sie dabei. "Vergiss nicht, André von uns allen zu grüßen", verlangt sie dann und ich nicke erneut. "Sowieso. Und Du pass gut auf den Fratz auf, klar? Ruf kurz durch, sobald Du wieder zu Hause bist", fordere ich sie auf und sie verdreht die Augen. "Du klingst genau wie Sascha", mosert sie, schmunzelt dabei aber leicht. Wenn es nach meinem Bruder gegangen wäre, dann hätte sie mich heute gar nicht erst hergefahren. Er hat deswegen einen ziemlichen Aufstand veranstaltet, aber das hat Jasmin einfach ignoriert. Seit Sascha weiss, dass seine Frau wieder schwanger ist, betüddelt er sie den ganzen Tag von vorne bis hinten. Am liebsten würde er ihr wirklich alles abnehmen, damit sie sich nur ja nicht überanstrengt. Aber ich muss gestehen, ich bin wohl nicht viel besser. Das liegt bei uns eindeutig in der Familie. "Wann werdet ihr beide eigentlich endlich begreifen, dass ich nur schwanger bin und nicht plötzlich schwerstbehindert? Ausserdem hab ich, falls Du Dich erinnerst, das alles schon mal mitgemacht. Mia ist auch nicht vom Klapperstorch gebracht worden." Grummelnd zieht Jasmin an meinem Ohr, als ich über diese Beschwerde, die ich in den letzten sieben Monaten wohl an die tausend Mal zu hören gekriegt habe – was noch harmlos ist; Sascha darf sich das jeden Tag anhören, aber er ist ja auch noch wesentlich schlimmer und überfürsorglicher als ich –, lachen muss. "Ab mit Dir!", kommandiert Jasmin und grinst, als ich Haltung annehme und übertrieben zackig vor ihr salutiere. "Zu Befehl, Ma'am!", erwidere ich, lasse mir noch mal scherzhaft in die Rippen boxen und warte dann, bis Jasmin wieder in ihr Auto gestiegen und losgefahren ist. Dann schnappe ich mir das Zeug, das ich vorhin auf dem Bürgersteig zwischengelagert habe, und schleppe es rüber zu dem Haus, in dem Andrés – und jetzt auch meine – Wohnung liegt. Ein paar Sachen fehlen zwar noch – Pat und Denny haben versprochen, sie am nächsten Wochenende vorbeizubringen, wenn sie beide frei haben –, aber ich konnte einfach nicht mehr länger warten. Seit fast vier Monaten führen André und ich jetzt schon gezwungenermaßen eine Fernbeziehung. Seit er zum Studium hergezogen ist, haben wir uns nur noch an den Wochenenden gesehen und auch das leider nicht regelmäßig. Pure Folter in meinen Augen. Und auf Dauer eine ganz schöne Belastung für unsere Telefonrechnung. Wenn wir uns schon nicht sehen konnten, haben wir wenigstens fast jeden Abend miteinander telefoniert. Dabei war mir völlig egal, was André mir erzählt hat. Hauptsache, ich konnte zumindest seine Stimme hören, wenn ich schon nicht bei ihm sein konnte. Trotzdem bin ich in diesen vier Monaten vor Sehnsucht fast vergangen. Sechzehn Wochen ohne André waren einfach grausam. Aber das hat ja zum Glück heute endlich ein Ende. Dafür sind zwar meine allerletzten Tage Resturlaub draufgegangen, aber das ist nicht so tragisch. Meinen alten Job habe ich ja sowieso gekündigt, weil ich in knapp zwei Wochen schon meinen neuen antrete – hier in der Stadt, in der auch André studiert. Davon weiss er zwar, aber er hat keine Ahnung, dass ich heute schon herkomme und auch gleich bei ihm bleiben werde. Er rechnet erst am nächsten Wochenende dauerhaft mit mir. Für dieses Wochenende hatte ich ihm eigentlich unter einem Vorwand abgesagt, obwohl ich schon seit einer ganzen Weile geplant habe, heute schon herzukommen und auch nicht mehr zurückzufahren. Ich hoffe nur, er nimmt mir mein verfrühtes Auftauchen nicht übel. Und hoffentlich freut er sich auch über die beiden kleinen Überraschungen, die ich noch zusätzlich mitgebracht habe. Bei dem Gedanken daran muss ich grinsen. Ich bin verdammt gespannt auf sein Gesicht, wenn er die beiden sieht. Normalerweise macht man ja keine Geburtstagsgeschenke vor dem eigentlichen Geburtstag, aber ich konnte einfach nicht widerstehen. Leise ächzend kraxele ich die Treppen hinauf in die vierte Etage, wo die Wohnung liegt, die ab heute unser gemeinsames Zuhause ist. Dort angekommen krame ich den Schlüssel heraus, schliesse auf und stelle das mitgebrachte Zeug erst mal in dem winzigen Flur ab, der zu der Wohnung gehört. André ist ganz offensichtlich nicht da, aber das kommt mir gerade eigentlich sogar recht gelegen. So wird die Überraschung nämlich nur umso größer. Ich atme einmal tief durch und mache mich dann daran, alles schon mal zu verstauen. Meine Klamotten landen im Kleiderschrank, das Katzenklo räume ich ins Bad und zu guter Letzt befreie ich dann unsere neuen Mitbewohnerinnen aus dem Transportkorb, in dem die beiden die ganze Herfahrt brav und gemütlich verschlafen haben. Jetzt sind sie allerdings hellwach. Ein grünes und ein gelbes Augenpaar mustern mich neugierig und ich hebe die beiden Kätzchen vorsichtig aus ihrem Gefängnis. "So, das ist euer neues Zuhause", teile ich ihnen mit und kraule beide hinter den Öhrchen. "Wartet ab, bis André euch sieht. Der wird total ausflippen", prophezeie ich den beiden und schiebe sie dann vorsichtig in je eine meiner Jackentaschen. Zum Glück sind die Zwei zum Einen noch recht winzig und zum Anderen sehr ruhig und anhänglich. Sonst könnte ich das hier wohl auch nicht mit ihnen machen. "Und jetzt gehen wir Drei André überraschen", beschliesse ich, sehe mich noch einmal kurz in der Wohnung um und werfe dann einen Blick auf die Uhr. Andrés Vorlesungen sind für heute schon zu Ende, aber da er noch nicht zu Hause ist, vermute ich sicher nicht zu Unrecht, dass er wahrscheinlich das schöne Wetter ausnutzt. Immerhin rechnet er ja nicht mit mir. Seine Gitarre ist auch nicht da, also ist er bestimmt in dem kleinen Park, der ungefähr auf halber Strecke zwischen der Uni und der Wohnung liegt. Dort hat er seinen Erzählungen zufolge in den letzten Monaten seit seinem Umzug immer mal wieder etwas Zeit mit einigen seiner Kommilitonen verbracht. Und genau aus diesem Grund werde ich da jetzt auf gut Glück einfach mal hingehen. Ich könnte André zwar auch anrufen und ihn fragen, wo er gerade steckt und was er tut, aber das verkneife ich mir. Ich will ihn schliesslich überraschen und das geht ja schlecht, wenn er schon weiss, dass ich hier bin. Gut gelaunt von der Aussicht auf sein überraschtes Gesicht schnappe ich also mir meinen Schlüssel und mache mich auf den Weg. Zu Fuß brauche ich etwa zwanzig Minuten bis zum Park, aber das stört mich nicht. Das Wetter ist für Mitte September extrem gut, meine Stimmung ist noch besser und aus meinen Jackentaschen dringt leises Schnurren, weil ich die beiden kleinen Pelzkugeln unablässig kraule, um sie bei Laune zu halten. Ausserdem bin ich auf dem Weg, um meinen Freund nach vier endlosen Monaten der Trennung endlich wiederzusehen, also was will ich mehr? Selbst das grässlichste Wetter könnte mir heute nicht die Stimmung versauen. Wenn André bei mir ist, scheint für mich auch im schlimmsten Sturm die Sonne. Und das jetzt schon seit fast vier Jahren. Vier Jahre, die eindeutig zu den besten meines Lebens gehören – obwohl es natürlich auch in diesen vier Jahren einige Tiefpunkte gab. Unhörbar seufzend versuche ich die Gedanken an Günter und Helene zu verdrängen, aber das gelingt mir nicht. Und wie immer, wenn ich an die beiden denken muss, tut es wieder aufs Neue weh zu wissen, dass sie nicht mehr da sind. Es ist jetzt etwas mehr als zwei Jahre her, dass Helene ganz plötzlich gestorben ist. Ein Schlaganfall im Schlaf. Wir waren alle geschockt und traurig, aber niemanden hat Helenes unerwarteter Tod so tief getroffen wie Günter. Ohne sein "Lenchen" hat er seinen gesamten Lebensmut verloren. Nur fünf Tage nach ihr hat auch er die Augen für immer geschlossen. Er ist einfach nicht mehr aufgewacht. Für ihn mag es, so traurig das auch klingen mag, besser gewesen sein – ohne sein Lenchen konnte und wollte er sich sein Leben einfach nicht mehr vorstellen –, aber für André war es unglaublich hart, binnen einer einzigen Woche beide Großeltern zu verlieren. In den ersten Tagen nach dem Tod seines Opas hatte ich wirklich Angst um ihn. Er hat sich damals völlig in sich selbst zurückgezogen, nur noch das Allernötigste mit Denny, Jona und mir gesprochen und sich strikt geweigert, zur Beerdigung der beiden zu gehen. Es war, als würde er es einfach nicht wahrhaben wollen, dass er sie nie wiedersehen würde. Ich konnte ihn diesbezüglich allerdings nur zu gut verstehen. Auch wenn ich die beiden nur wenige Jahre gekannt habe, habe ich sie trotzdem geliebt. Sie waren ein Teil meiner Familie und das sind sie für mich auch heute noch. Sie nicht mehr besuchen, nicht mehr mit ihnen reden und lachen zu können ist auch heute, zwei Jahre später, noch wahnsinnig traurig. Ich wollte und will mir lieber nicht vorstellen, wie schwer es für André gewesen sein muss. Ich war damals einfach nur froh, dass er sich am Morgen der Beerdigung doch noch dazu durchgerungen hat, mitzugehen und Abschied zu nehmen. Die Erinnerung daran, wie er mit versteinerter Miene am offenen Grab gestanden hat, in seinen Augen so viel Trauer und Schmerz, den ihm niemand nehmen konnte, tut mir auch heute noch weh. Er hat nicht einmal darauf reagiert, dass seine Mutter ihn angesprochen hat. Er hat einfach durch sie hindurchgesehen, als wäre sie gar nicht da – so, wie er zu dieser Zeit selbst durch mich hindurchgesehen hat. Ich habe damals erst aufgeatmet, als er am Abend in meinen Armen in Tränen ausgebrochen ist. In all den Tagen vorher hat er nicht ein einziges Mal geweint, aber in dieser Nacht hatte er einen regelrechten Heulkrampf. Erst im Morgengrauen ist er völlig erschöpft eingeschlafen. Es hat mir fast das Herz zerrissen, ihn so unendlich traurig zu sehen und ihm einfach nicht helfen zu können. Nach Günters und Helenes Tod hat es fast zwei Monate gedauert, ehe André sich wieder an das Klavier, das seinen Großeltern gehört hat und das sie ihm vererbt hatten, setzen und spielen konnte. Inzwischen steht es in der Wohnung von Sascha und Jasmin, weil die beiden einfach am meisten Platz haben. Sascha, Pat und ich haben es zusammen abgeholt; André konnte das Heim, in dem seine Großeltern so lange gelebt haben, einfach nicht mehr betreten. Mia war damals gerade vier Jahre alt und total begeistert von dem Klavier. Sie fand die Töne, die es macht, ganz toll und war wirklich traurig, dass weder ihr heissgeliebter Papa noch ihre Mama spielen konnten. Sie war es auch, die André mit ihrer kindlichen Hartnäckigkeit und ihrem Bettelblick schlussendlich dazu bewegt hat, ihr etwas vorzuspielen, nachdem Sascha ihr sicher nicht ganz ohne Hintergedanken erzählt hat, dass das Klavier eigentlich André gehört und dass er durchaus spielen kann. Mir ist damals ein Stein vom Herzen gefallen. Es tat wirklich weh zu sehen, dass André das Klavier so lange gemieden hat, obwohl er das Spielen doch immer so geliebt hat. Unweigerlich musste ich an die Zeit denken, in der er meinetwegen nicht mehr Gitarre gespielt hat. Es war beinahe ein Déjà-vu, aber das ist ja zum Glück vorbei. Mittlerweile kriegt Mia schon seit fast anderthalb Jahren Klavierunterricht von André. Wann immer er ein bisschen Zeit dafür findet, übt er mit ihr. Sie ist total begeistert davon und auch André geniesst es, jemanden zu haben, dem er etwas beibringen kann. Er ist dabei wirklich unglaublich geduldig und schafft es immer wieder, Mia zu motivieren – selbst dann, wenn sie mal wieder eine ihrer bockigen Phasen hat. Er wird also ganz sicher ein guter Lehrer, wenn er erst mal mit seinem Studium fertig ist. Ein bisschen schade ist es schon, dass unsere Kleine wohl in der nächsten Zeit nicht mehr so viel Gelegenheit zum Üben haben wird und dass sie André und mich jetzt auch seltener sehen wird, aber sie ist ja nicht alleine. Sie hat ja noch ihre anderen beiden "Onkel" Denny und Jona. Die beiden werden sich schon gut um die Kleine kümmern, solange André und ich in einer anderen Stadt wohnen. Besonders ihren Jona liebt Mia ja abgöttisch. Manchmal bin ich mir fast sicher, dass sie an ihm sogar noch mehr hängt als an mir, aber ich gönne ihm das. Ich weiss schliesslich ganz genau, wie sehr er sie im Gegenzug auch liebt. Mia hat Jona in den letzten vier Jahren unheimlich dabei geholfen, seine Angst vor fremden Menschen immer weiter abzubauen. Sicher, in großen Menschenmengen fühlt er sich immer noch nicht besonders wohl, aber er kann inzwischen wenigstens ohne größere Probleme auch mal alleine Bus oder Bahn fahren, ohne eine Panikattacke zu bekommen – eine Tatsache, die besonders Denny unheimlich glücklich macht. Als Jona ihn das erste Mal ganz alleine und völlig unangekündigt von der Arbeit abgeholt hat – wofür er quer durch die halbe Stadt fahren musste –, ist er fast geplatzt vor Stolz auf seinen Freund. Und nachdem Jona das erst mal geschafft hatte, hat es auch nicht mehr allzu lange gedauert, bis er seine größte Angst überwunden und mit Denny geschlafen hat. Ich werde bestimmt nie vergessen, wie verstrahlt und glücklich die beiden in den Tagen danach durch die Gegend gelaufen sind. Aber sie haben fast anderthalb Jahre für diesen Schritt gebraucht, also ist das ja auch nur zu verständlich. Bei der Erinnerung daran, dass André und ich es mit dem Sex deutlich eiliger hatten, muss ich mir ein dreckiges Grinsen verkneifen. So ganz harmlos waren unsere Fummeleien ja schon in der Woche Ferien nach unserem Schulabschluss nicht mehr. Wären wir noch ein paar Tage länger in Frankreich geblieben, wäre da sicher schon mehr passiert als nur ein bisschen Gefummel ohne Klamotten. So haben wir allerdings, erinnere ich mich, am zweiten Augustwochenende unser gemeinsames Schlafzimmer in der Wohnung, die wir uns bis zu Andrés Umzug mit Denny und Jona geteilt haben, auf unsere Art "eingeweiht". Ich war damals zugegebenermaßen am Anfang etwas nervös, aber das hat sich schnell wieder gelegt. Ich war auch viel zu abgelenkt von der Tatsache, dass André mich richtig wollte, als dass ich wirklich viel Zeit zum Grübeln gehabt hätte. Und nachdem der Sex erst mal ein fester Bestandteil unserer Beziehung war, habe ich schnell festgestellt, dass ich danach mindestens ebenso süchtig bin wie nach Andrés Küssen oder nach André selbst. Mit ihm zu schlafen ist einfach unbeschreiblich. Wer immer das Sprichwort "Stille Wasser sind tief" geprägt hat, hat damit ganz sicher André gemeint. Jeder, der ihn nur oberflächlich kennt, würde nie vermuten, wie leidenschaftlich und fordernd er sein kann, wenn wir alleine sind. Gerade in den letzten Monaten, in denen wir nur so selten wirklich Zeit füreinander hatten, war ich meine Klamotten manchmal schon halb los, noch ehe ich ihn überhaupt begrüßen konnte. Aber ich beschwere mich bestimmt nicht darüber. Warum auch? Es gibt doch nichts Besseres als die Gewissheit, dass derjenige, den man liebt, einen ebenso sehr vermisst wie man selbst im Gegenzug ihn vermisst hat. Mit etwas Mühe schüttele ich die nicht gerade jugendfreien Gedanken ab, als der Park in Sichtweite kommt. Auf einer der Wiesen kann ich eine kleine Gruppe, bestehend aus drei Leuten, sitzen sehen. Auf Aussenstehende wirken die Drei sicher wie ein junger Mann, der zwei Mädchen, von denen wahrscheinlich eines seine Freundin ist, mit etwas Musik unterhält, aber ich weiss wohl besser als jeder Andere, dass das nicht stimmt. Der junge Mann, der mit seiner Gitarre auf dem Schoß dasitzt und gerade mit geschlossenen Augen singt, ist nämlich André. Die beiden Mädchen – seine beiden Kommilitoninnen Ina und Ariane, wie ich nach Andrés Erzählungen einfach mal vermute – beobachten ihn dabei, aber nur eines singt leise mit. Die Andere hört einfach nur zu. Ich pirsche mich leise näher an die Drei heran, bleibe aber im Schutz eines größeren Busches stehen und beobachte sie, obwohl ein Teil von mir am liebsten sofort rübergehen und André niederknutschen möchte. Als ich allerdings den Song erkenne, den er gerade spielt – Lay back in the arms of someone von Smokie –, gratuliere ich mir selbst insgeheim zu meinem perfekten Timing. Den Anfang habe ich zwar verpasst, aber die zweite Strophe ist sowieso meine Lieblingsstelle an diesem Song. "So baby, just call on me when you want all of me and I'll be your lover, I'll be your friend. And there's nothing I won't do, 'cause baby, I just live for you with nothing to hide, no need to pretend", höre ich André singen und muss einfach lächeln. Das ist fast so was wie "unser Lied", wenn man so will. "You lay back in the arms of someone. You give in to the charms of someone. Darling, you lay back in the arms of someone you love. You lay back in the arms of someone. When you feel you're a part of someone, you lay back in the arms of someone you love…" Ich warte, bis der Song zu Ende ist. Erst dann verlasse ich mein Versteck und schlendere zu den Dreien hinüber. Es dauert einen Moment, bis André mich bemerkt, aber dann weiten sich seine Augen und im nächsten Moment beginnt er so strahlend zu lächeln, dass in mir alles kribbelt. Gegen sein Lächeln bin ich auch nach fast vier Jahren noch nicht immun. Und wenn es nach mir geht, dann will ich auch nie immun dagegen werden. "Ben?" Bei dieser Frage von André rucken die Köpfe der beiden Mädchen zu mir herum, aber darauf achte ich nur am Rande. Ich habe nur Augen für André, der seine Gitarre behutsam ins Gras legt und dann so hastig aufspringt, dass ich unwillkürlich grinsen muss. Die erste Überraschung ist mir offenbar schon mal gelungen. Bleibt nur zu hoffen, dass die Überraschungen Nummer Zwei und Drei auch so gut ankommen. Aber darüber mache ich mir eigentlich keine wirklichen Sorgen. "Was machst Du denn hier? Ich dachte, Du hast dieses Wochenende keine Zeit." André klingt glücklich und überrascht zugleich, aber ich bremse ihn, bevor er mir um den Hals fallen kann. Dafür ernte ich einen irritieren Blick, der gleich noch etwas verwirrter wird, als ich mich erst mal meiner Jacke entledige und sie einem der beiden Mädchen – sie ist blond, also muss das Ina sein, wenn ich mich nicht irre – in die Hand drücke. "Vorsicht, zerbrechlich", teile ich ihr mit, aber ehe sie nachfragen kann, was das zu bedeuten hat, überbrücke ich die drei Schritte, die mich noch von André trennen, ziehe ihn in meine Arme und vergrabe mein Gesicht an seinem Hals. "Ich hatte Sehnsucht nach Dir. Ich hab's nicht länger ohne Dich ausgehalten, also bin ich schon ne Woche eher hergekommen", nuschele ich gegen die warme Haut und atme genüsslich und ganz tief den Duft ein, der mir so vertraut ist und den ich so wahnsinnig vermisst habe. "Du hast mir gefehlt." "Ich hab Dich auch vermisst." Zufrieden seufzend schmiegt André sich noch etwas näher an mich und mein Herz dreht allein wegen des sehnsüchtigen Klangs seiner Stimme fast durch. Seine Nähe macht mich schwindelig und am liebsten würde ich ihn jetzt einfach festhalten und nicht mehr loslassen. "Ich dachte, Du kommst erst am nächsten Wochenende wieder", murmelt er leise und ich löse mich ein wenig von ihm, um ihn ansehen zu können. Dabei lasse ich ihn allerdings nicht ganz los. Ich habe viel zu lange auf ihn verzichten müssen, als dass ich das jetzt könnte. Aber das scheint ihm nur recht zu sein, denn er lässt mich ebenfalls nicht los, sondern lächelt mich einfach nur an. "Das war geschwindelt." Ich halte es einfach nicht mehr länger aus, deshalb beuge ich mich ein wenig vor und küsse André erst mal das Lächeln von den Lippen, ehe ich weiterspreche. "Nächstes Wochenende kommt nur noch mein restlicher Kram, der vorhin nicht in Jasmins Auto gepasst hat. Aber ich bleib ab heute hier bei Dir", teile ich ihm dann mit und er beginnt gleich wieder zu lächeln. Er sagt nichts dazu, aber sein überglückliches Lächeln spricht Bände. "Ich soll Dich übrigens von allen grüßen. Und ich hab Neuigkeiten von dem Fratz." André weiss ganz genau, was damit gemeint ist, deshalb legt er fragend den Kopf schief. Eine Minute lang spanne ich ihn noch auf die Folter, dann kann ich es einfach nicht mehr länger für mich behalten. "Jasmin war am Dienstag beim Arzt und hat's sich doch sagen lassen. Wir kriegen noch eine kleine Nichte!", platze ich heraus und André bemüht sich, mich böse anzusehen, aber so ganz gelingt ihm das nicht. Dafür leuchten seine Augen viel zu sehr. "Und warum erzählst Du mir das erst jetzt, wenn Du das doch schon seit Dienstag weisst?", fragt er trotzdem etwas vorwurfsvoll und ich drücke ihm übermütig einen Kuss auf die Nasenspitze. "Ganz einfach: Weil ich dabei Dein Gesicht sehen wollte", erkläre ich ihm mein Schweigen und küsse ihn schnell wieder richtig, bevor er sich noch weiter beschweren kann. Verdammt, wie habe ich das in den letzten vier Monaten vermisst! "Ähm... Ben? Deine Jacke bewegt sich", werde ich viel zu früh für meinen Geschmack wieder in die Realität zurückgeholt. Nur sehr widerwillig löse ich mich von Andrés Lippen und lasse ihn los, um meine Jacke wieder in Empfang zu nehmen. André, Ina und Ariane beobachten etwas irritiert, wie ich in meinen Jackentaschen herumkrame, aber als ich die beiden Kätzchen – eins staubgrau, das andere weiss mit einigen schwarzen und braunen Flecken – zutage fördere, seufzen die beiden Mädchen fast unisono. "Ich weiss, für Deinen Geburtstag ist es noch ein bisschen zu früh, aber Du hast ja mal erwähnt, dass Du Zula vermisst, also dachte ich, ich bring Dir einen Ersatz mit, wenn ich herkomme. Na ja, und Jona meinte, eine Katze alleine würde sich ja nur langweilen, wenn wir beide erst spät nach Hause kommen, also hab ich mir von ihm die beiden hier aufschwatzen lassen." Jona ist auch nach seinem Freiwilligen Ökologischen Jahr im Tierheim geblieben. Die Arbeit mit Tieren liegt ihm einfach. Und genau wie damals auf der Abschlussfahrt, als er mich wegen Zula bequatscht und weichgekocht hat, habe ich seinem Bettelblick auch heute noch nichts entgegenzusetzen. Etwas verlegen halte ich André die beiden Kätzchen entgegen und werde dafür gleich wieder mit diesem strahlenden Lächeln belohnt, das ich an ihm so wahnsinnig liebe. "Du bist so ein Spinner, Ben", tituliert er mich und ich muss grinsen. "So oft, wie Du mich als Spinner bezeichnest, ist das schon längst keine Beleidigung mehr, sondern eigentlich eher ein Kosewort", kontere ich, aber ehe er etwas dazu sagen kann, mischt sich das zweite Mädchen – Ariane, die Rothaarige – in das Gespräch ein. "Du hast untertrieben, André. Dein Schatz ist ja noch viel toller, als Du immer behauptet hast", findet sie und grinst, als André daraufhin tatsächlich ein bisschen rot wird. Ina hingegen mustert mich kurz, aber ziemlich wohlwollend von oben bis unten, dann grinst sie ebenfalls. "Kann man Dich klonen? So einen wie Dich hätte ich auch gerne", bekennt sie und ich muss lachen, schüttele aber trotzdem den Kopf. "Sorry, aber das würde Dir nichts bringen. Wenn mein Klon so wäre wie ich, dann würde er sich auch in André verlieben", gebe ich zurück und André tritt einen Schritt näher zu mir. "Mir wär's auch wesentlich lieber, wenn Du einzigartig bleibst", sagt er und streichelt den beiden Kätzchen kurz über die Köpfe, ehe er mich schelmisch angrinst. "Zwei von Deiner Sorte wären nämlich echt zu viel für mich", schiebt er dann noch hinterher und während Ina und Ariane lachen, hauche ich André einen kurzen Kuss auf die Lippen. "Na, solange ich Dir nicht zuviel bin...", setze ich an, aber er schüttelt den Kopf, noch ehe ich meinen Satz beenden kann. "Du bist mir nicht zuviel. Ganz bestimmt nicht", versichert er mir und nimmt mir eins der beiden Kätzchen ab. "Und Du könntest mir auch nie zuviel werden. Dafür bin ich viel zu glücklich, dass ich Dich habe." Damit legt er seine Lippen wieder auf meine, küsst mich zärtlich und ich kann ihm nur zustimmen. Ich wüsste wirklich nicht, was ich ohne ihn tun sollte. Ein Leben ohne André kann ich mir schon lange nicht mehr vorstellen. Und das will ich auch gar nicht. Dafür liebe ich ihn einfach viel zu sehr. "Es ist so traurig, wie es wahr ist: Alle guten Männer sind entweder glücklich vergeben, schwul oder sogar beides." Ina seufzt abgrundtief und Ariane nickt zustimmend. "Ja, leider", murmelt sie und zieht einen Schmollmund, den ich sicher mehr als ansprechend finden würde, wenn ich nicht schon seit einer halben Ewigkeit vollkommen immun gegen so was wäre. Der einzige Schmollmund, dem ich auch nach vier Jahren einfach nicht widerstehen kann, ist Andrés. Zum Glück für mich weiss er nicht, wie leicht er mich damit um den Finger wickeln könnte, wenn er es nur wollte. "Ich bin nicht schwul", stelle ich klar und muss grinsen, als ich die verwunderten Gesichter von Ina und Ariane sehe. "Ich bin nur in jemanden verliebt, der zufälligerweise ebenso männlich ist wie ich. Das ist ein Unterschied", schiebe ich noch hinterher und sehe aus dem Augenwinkel, wie André neben mir ganz leicht schmunzelt. Diese Erklärung von mir kennt er schon. Immerhin hört er sie heute nicht zum ersten Mal. Aber so seltsam es auch klingen mag, es ist die Wahrheit. Kerle im Allgemeinen interessieren mich kein Stück. Ich habe allerdings auch keinen Blick mehr für Frauen übrig. Sicher, es gibt immer noch Menschen, die ich als gutaussehend bezeichne, aber mein Interesse und meine Gefühle gelten einzig und allein André. Der Rest der Welt ist vollkommen unwichtig für mich. Und ihm geht es mit mir ganz genauso, das weiss ich. "Ich glaub, wir sollten die beiden mal so langsam nach Hause bringen. Oh, wie heissen sie eigentlich?" Fragend sieht André mich an und ich zucke die Achseln. "Bisher haben sie noch keine Namen. Damit wollte ich warten, bis Du sie gesehen hast. Aber es sind auf jeden Fall beides Mädels", kläre ich ihn auf und muss grinsen. "Das war Jonas Idee. Als Ausgleich für unseren Männerhaushalt, meinte er", schiebe ich noch hinterher und Andrés Schmunzeln vertieft sich noch etwas. Amüsiert schüttelt er den Kopf, gibt mir das Kätzchen zurück und geht dann seine Gitarre holen. Ina und Ariane rappeln sich ebenfalls auf und grinsen uns beide an, sobald sie sich das Gras von den Klamotten geklopft haben. "Na, dann geht ihr Zwei mal schön nach Hause und feiert euer Wiedersehen." Inas Grinsen ist eindeutig zweideutig, aber meins steht dem ganz sicher in nichts nach. "Das werden wir. Das werden wir garantiert", antworte ich und muss lachen, als André mir spielerisch gegen den Oberarm boxt. "Das muss ich mir noch schwer überlegen", behauptet er, aber ich kann an seiner Stimme hören, dass er diesen Einwand keinesfalls ernst meint. Und wenn ich ganz ehrlich bin, dann habe ich es aus irgendeinem völlig unerfindlichen Grund jetzt plötzlich sehr, sehr eilig, in unsere Wohnung zu kommen. "Wenn Du jetzt schon hier bleibst, dann kommst Du morgen doch sicher mit, wenn wir uns alle wieder hier im Park treffen, oder?", erkundigt Ariane sich, aber bevor ich etwas dazu sagen kann, nickt André auch schon. "Wir kommen auf jeden Fall", antwortet er für mich mit und ich hebe übertrieben fragend eine Braue "Ach, tun wir das?", frage ich ihn neckend und wieder nickt er. "Aber sicher", beschliesst er ganz selbstverständlich und zwinkert mir zu. "Es sei denn natürlich, Du willst lieber zu Hause bleiben, während ich mich mit meinen Kommilitonen amüsiere", setzt er noch hinzu und ich schüttele gespielt entsetzt den Kopf. "Nein, bestimmt nicht! Ich kann Dich doch nicht einfach so mit wildfremden Leuten alleine lassen!", behaupte ich und Ina und Ariane brechen wieder in Gelächter aus. "Er ist wirklich ein Quatschkopf", findet Ariane, sobald sie sich wieder beruhigt hat, und André nickt. Dabei zupft ein Grinsen an seinen Mundwinkeln. "Das hab ich euch doch gesagt", erinnert er die beiden und ich will ihm gerade in die Seite pieken, als mein Handy zu klingeln beginnt. "Ja?", melde ich mich, sobald ich es aus der Tasche meiner Jeans gefischt habe, und schon in der nächsten Sekunde schallt mir Mias Gelächter entgegen. "Hi, Ben!", grüßt Jasmin mich über die Stimme ihrer Tochter und Saschas leise Flüche im Hintergrund hinweg. "Ich wollte nur Bescheid sagen, dass ich heil, lebend und an einem Stück zu Hause angekommen bin", informiert sie mich und ich kann an ihrer Stimme hören, dass sie ein Lachen unterdrückt. "Was ist denn bei euch los?", erkundige ich mich neugierig und Jasmin räuspert sich kurz, ehe sie mir eine Antwort gibt. "Sascha kämpft sich gerade mit seinen Unterlagen für die Fahrschule ab", erläutert sie mir dann und ich muss grinsen. "Ich glaub, ich verstehe." Vor einem guten halben Jahr hat mein Bruder sich doch endlich dazu aufraffen können, seinen Führerschein zu machen. Mia ist natürlich ganz begeistert davon, dass ihr Papa jetzt praktisch ebenso zur Schule geht wie sie, aber Sascha kriegt regelmäßig einen Anfall, weil sie ihm immer wieder unter die Nase reibt, dass Schule ja so viel Spaß macht. Er hat im Gegensatz zu ihr allerdings nicht besonders viel Spaß an der ganzen Sache, einfach weil er wahnsinnig ungern lernt. Ich kann mir also lebhaft vorstellen, was da am anderen Ende der Leitung gerade abgeht. "Klopf ihm mal von mir auf die Schulter, ja?", bitte ich Jasmin und jetzt lacht sie doch. "Okay, mach ich. Aber Du gib mir noch mal André. Mia möchte ihn sprechen", verlangt sie und ich gebe, brav wie ich bin, auch gleich mein Handy an meinen Freund weiter. "Ja?", fragt André und lächelt, als er Mias Stimme hört. "Mir geht's gut. Und Dir? Warst Du fleissig? Ja? Gut. Nein, dieses und nächstes Wochenende nicht. Ja, ich weiss. Mir auch, aber wir holen das alles nach. Versprochen. Ich hab Dich auch lieb. Bis dann." Damit gibt er mir mein Handy zurück und in der nächsten Sekunde quakt mir auch schon meine kleine Nichte ins Ohr. "Benji", das hat sie sich von ihrem Vater abgekuckt, "das ist voll blöd, dass ihr jetzt beide so weit weg wohnt!", schmollt sie mich an und ich seufze unhörbar. "Ich find das auch blöd, Kleines, aber es geht nun mal nicht anders. Und wir kommen euch doch besuchen. Oder Du kommst mal zu uns", schlage ich ihr vor und kann förmlich vor mir sehen, wie sie bei dieser Aussicht zu strahlen beginnt. "Mama hat gesagt, Du hast für André zwei Kätzchen mitgebracht. Darf ich dann mit denen spielen, wenn ich zu euch komme?", fragt sie mit der typischen Begeisterung eines kleinen Mädchens für alles Flauschige und ich nicke, obwohl sie das nicht sehen kann. "Sicher doch. Die Zwei freuen sich jetzt schon darauf, Dich kennen zu lernen." Gut, das ist zwar nicht ganz die Wahrheit – immerhin müssen die beiden sich erst mal in ihrem neuen Zuhause eingewöhnen –, aber was soll ich sonst sagen? Mia ist schliesslich erst sechs. "Bens Nichte. Sie ist jetzt sechs", höre ich Andrés Erklärung an Ina und Ariane und kann aus dem Augenwinkel sehen, wie die beiden wieder unisono seufzen. Ich kann zwar nicht so ganz nachvollziehen, was sie daran offensichtlich so süß finden, dass ich eine sechsjährige Nichte habe, aber wenn es sie glücklich macht, bitteschön. "Pass solange gut auf Deine Mama und Dein Schwesterchen auf, ja?", bitte ich Mia und warte noch ihr Versprechen ab, bevor ich auflege. "Sascha und Jasmin haben sich inzwischen übrigens endlich doch mal auf einen Namen für den Fratz geeinigt", lasse ich dann André wissen und schmunzele, als er mich erwartungsvoll ansieht. "Mia wollte ja ursprünglich, dass ihr Schwesterchen den Namen Zula kriegt", meine Kleine wollte von Anfang an keinen kleinen Bruder, deshalb ist sie jetzt natürlich überglücklich, dass sie tatsächlich eine Schwester bekommt, "aber das konnten sie ihr zum Glück wieder ausreden." Mia hat einen unheimlichen Narren an Jonas Katze gefressen, aber Jona hat ihr geduldig klargemacht, dass Zula nun mal ein Katzenname ist und nicht zu einem Baby passt. "Jetzt hat sie ihre Eltern dazu breitgeschlagen, dass sie das Baby Zoe nennen, wenn es erst mal auf der Welt ist." André lacht leise, als er das hört. "Das war ja so klar." Wir haben alle gleich zu Beginn von Jasmins Schwangerschaft Namensvorschläge gemacht. Zoe war einer der Vorschläge von Jona. Dass er jetzt tatsächlich gewonnen hat, freut ihn natürlich ungemein, aber es war wirklich zu erwarten. Immerhin war Mia gleich von Anfang an ziemlich begeistert davon. Und da sie sich hartnäckig ein Mitspracherecht bei dem Namen ihrer kleinen Schwester erbettelt hat, war wirklich abzusehen, dass sie sich für Jonas Vorschlag einsetzen würde. Im Moment ist sie sowieso auf dem Trip, dass sie später mal einen Mann heiraten will, der genau so sein muss wie Jona, da sie Jona selbst ja schon nicht heiraten kann. Immerhin, hat sie erklärt, will sie ja nicht, dass Denny traurig ist, wenn sie "seinen" Jona einfach so heiratet. Dafür musste er ihr allerdings versprechen, dass er das irgendwann tut – nicht, dass er das nicht ohnehin schon längst vorgehabt hätte. Aber davon weiss bisher ausser mir noch niemand. Es ist wirklich nicht leicht, mich diesbezüglich nicht zu verplappern, aber ich habe Denny hoch und heilig versprochen, meine große Klappe zu halten, also tue ich das auch. Um diese Neuigkeit auch wirklich für mich zu behalten, zwinge ich meine Aufmerksamkeit zurück zu Ina und Ariane. Gemeinsam mit André verabschiede ich mich von den beiden, nachdem die Drei noch eben alles für morgen abgesprochen haben, und mache mich dann mit ihm zusammen auf den Heimweg. Die beiden immer noch ungetauften Kätzchen habe ich wieder in meinen Jackentaschen verstaut, wo sie wie vorhin friedlich vor sich hin schnurren. "Ich soll Dich übrigens von Pia grüßen", richte ich aus, was ich vorhin vergessen habe, und muss mir ein Grinsen verkneifen, als Andrés Gesichtsausdruck sich gleich verfinstert. "Von Pia?", fragt er etwas säuerlich nach und nun schmunzele ich doch. Es ist einfach süß, dass der Name Pia auch nach fast vier Jahren immer noch ein rotes Tuch für ihn ist. Nachdem wir uns damals nach den Weihnachtsferien praktisch vor der ganzen Schule geoutet haben, war Pia eine der Ersten, die uns gratuliert hat. Sie war zwar ziemlich platt – sie hatte ja vorher schon gerätselt, in wen ich wohl verliebt sein könnte, aber das mit André hat sie trotzdem ganz schön umgehauen –, aber sie hat es relativ schnell verdaut. Sie war damals ja auch vergeben und so haben wir nach wie vor öfter mal Zeit miteinander verbracht – etwas, was André nie wirklich gut fand. Er war damals schon eifersüchtig und seiner Reaktion auf meine Worte nach zu urteilen ist er das immer noch. Wenn das kein Kompliment ist, dann weiss ich es auch nicht. "Wann hast Du Dich denn mit Pia getroffen?" André klingt nicht besonders begeistert und ich muss mich stark zusammenreissen, um nicht einfach mitten auf der Straße stehen zu bleiben und ihn vor allen Leuten besinnungslos zu knutschen. "Ich bin ihr gestern am Bahnhof zufällig über den Weg gelaufen", beantworte ich seine Frage und lache leise, als er einfach nur eine Braue hochzieht. "Wir haben ein bisschen gequatscht, bis ihr Zug kam. Sie geht demnächst für ein halbes Jahr ins Ausland. Irgendwas von wegen betriebsinterner Austausch in ihrem Ausbildungsbetrieb. Ihr Freund ist davon wohl nicht ganz so angetan. Ist ja auch egal. Jedenfalls hat sie gefragt, was Du so machst und wie's Dir geht. Ich hab ihr erzählt, dass Du wegen Deinem Studium weggezogen bist", wofür sie mich, nett, wie sie nun mal ist, glatt trösten wollte, "und dass ich ab heute zu Dir ziehe, damit ich Dich endlich wiederhab." Was Pia wiederum absolut süß fand. Sie hat übrigens sehr zu meinem Erstaunen nicht mal nachgefragt, ob André und ich überhaupt noch zusammen sind. "Bei euch beiden stellt sich die Frage danach, wie lange das mit euch hält, doch gar nicht", meinte sie, als ich sie darauf angesprochen habe, dass sie wie selbstverständlich davon ausgegangen ist, dass sich an unserer Beziehung nichts geändert hat. "Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass ihr beide euch jemals trennt. Ihr seid so eins von den Paaren, bei denen man einfach weiss, dass sie in fünf, zehn, zwanzig oder sogar fünfzig Jahren immer noch zusammen sein werden. Frag mich nicht, warum ich mir da so sicher bin. Ist einfach so. Vielleicht liegt's an der Art, wie ihr beide euch schon damals in der Schule angesehen habt. Bei euch weiss man einfach, dass sich an eurer Liebe nie was ändern wird", hat sie mir erklärt und ich konnte ihr da nur zustimmen. Ich kann mir mein Leben ohne André einfach absolut nicht mehr vorstellen. "Aha." Wie immer, wenn er versucht, seine Eifersucht in den Griff zu kriegen, wird André einsilbig, aber daraus mache ich mir nichts. Ich weiss ja, dass er eigentlich weiss, dass es für ihn gar keinen Grund zur Eifersucht gibt. Immerhin habe ich noch nie etwas von Pia gewollt und heute gibt es für mich sowieso nur noch ihn. "Ich glaub, ich hab einen Namen für eins der Kätzchen", schwenkt er auf ein anderes Thema um, als ihm mein Schmunzeln auffällt. "Und welchen?", gehe ich netterweise auf den Themenwechsel ein und warte, bis André den Schlüssel aus seiner Tasche gekramt hat. "Ich finde, Farah passt ganz gut zu der kleinen Gefleckten", informiert er mich auf dem Weg nach oben und grinst mich an, sobald wir die vierte Etage erreicht haben. "Und so kannst Du Dir einen Namen für die kleine Graue überlegen. Ist ja immerhin Deine Lieblingsfarbe", neckt er mich und ich muss ebenfalls grinsen. "Ich wusste, dass Du das sagen würdest." Das wusste ich wirklich. Ich kenne André schliesslich inzwischen lange und gut genug um zu wissen, wie er tickt – ebenso wie er mich kennt. "Ich hatte bei ihr an Minka gedacht", gebe ich zu und er lacht leise. "Du bist ja nicht besonders einfallsreich", zieht er mich auf und ich werfe ihm einen versucht bösen Blick zu, den er allerdings in keinster Weise ernstnimmt. "Das stimmt ja wohl mal so gar nicht!", beschwere ich mich empört, aber auch darauf reagiert André nicht. Er hängt einfach nur vollkommen ungerührt seine Jacke an die Garderobe, zieht seine Schuhe aus und geht dann ins Schlafzimmer, um seine Gitarre dort abzustellen. Ich befreie erst mal Minka und Farah aus meinen Jackentaschen, streichele sie noch einmal kurz und setze sie dann vorsichtig auf dem Boden ab, damit sie sich schon mal ein bisschen mit ihrer neuen Umgebung vertraut machen können. Danach pelle ich mich selbst aus meiner Jacke und meinen Schuhen und mache mich an die Verfolgung von André. Er ist mittlerweile ins Wohnzimmer rübergegangen und hat es sich da auf der Couch bequem gemacht. Ich lasse mich neben ihn fallen und drehe mich halb zu ihm um. "Du kannst Dich ja wohl nicht ernsthaft über mangelnden Einfallsreichtum meinerseits beschweren", nehme ich den Faden wieder auf und grummele leise, als ich sehe, wie seine Schultern vor unterdrücktem Lachen beben. "Gut, bei Katzennamen vielleicht, aber sonst ganz bestimmt nicht", murre ich weiter und er beisst sich auf die Unterlippe, um nicht doch noch laut loszuprusten. "Wenn Du das sagst", nuschelt er gepresst, aber bevor ich ernsthaft beleidigt sein kann – ich und einfallslos, also bitte! –, beugt er sich zu mir und streift mit seinen Lippen für einen Sekundenbruchteil die meinen. Sofort löst sich meine Verstimmung buchstäblich in Luft auf und zurück bleibt nur ein Gedanke: Mehr! Ehe ich jedoch dazu komme, genau das auch einzufordern, steht André wieder von der Couch auf, umrundet sie und macht Anstalten, das Wohnzimmer zu verlassen. Im Türrahmen bleibt er allerdings noch mal stehen, lehnt sich an das Holz und wirft mir über seine Schulter hinweg einen provozierenden Blick zu. "Weisst Du, behaupten kannst Du ja viel, wenn der Tag lang ist", sagt er gedehnt und allein der Tonfall seiner Stimme jagt mir einen heissen Schauer über den ganzen Körper – ein Schauer, der nur noch verstärkt wird, als ich sehe, wie André betont langsam sein Hemd aufzuknöpfen beginnt. Dabei sieht er mich unentwegt an und das Funkeln in seinen braunen Augen lässt meinen Mund ganz trocken werden. "Ich will Beweise für Deine Behauptungen, Ben. Handfeste Beweise", verlangt er, stößt sich vom Türrahmen ab und verschwindet aus dem Wohnzimmer. Wie ein geölter Blitz bin ich auf den Beinen, folge ihm und finde ihn im Schlafzimmer, wo er gerade dabei ist, sich das Hemd abzustreifen. "Die kannst Du kriegen", bringe ich heiser heraus und Andrés Lippen verziehen sich zu einem Lächeln, in dem eindeutig Triumph zu lesen ist, aber das ist mir völlig egal. Bevor er auch nur ein einziges Wort sagen kann, liegen meine Lippen auch schon auf seinen und ich küsse ihn mit all der Sehnsucht und all dem aufgestauten Verlangen der letzten Wochen. André erwidert den Kuss nicht minder stürmisch und noch ehe ich mich versehe, sind wir beide auch schon auf dem Bett gelandet, in dem wir ab heute endlich wieder gemeinsam die Nächte verbringen werden. Andrés Hände schlüpfen unter meinen Pulli, schieben ihn mir vom Körper und ich geniesse das heisere Keuchen, das über seine Lippen kommt, als meine Finger seinen nackten Rücken berühren. Und spätestens in dem Moment, in dem er mir leise "Ich will Dich, Ben" ins Ohr flüstert, verliert der Rest der Welt fürs Erste mal wieder seine Bedeutung. Vergessen sind mein Bruder und seine sich in Kürze vergrößernde Familie, vergessen sind Denny und Jona und ihre Zukunftspläne, vergessen sind Minka und Farah, die gerade ihre erste Tour durch die Wohnung unternehmen. Jetzt zählen nur noch André und ich. Alles andere ist gerade einfach unwichtig. ~*~ Fiese Stelle für ein Ende, ich weiss, aber es ist ganz genau so geworden, wie ich es haben wollte. ♥____♥ Ich hoffe, es hat euch gefallen und wir sehen uns vielleicht bei anderen Stories mal wieder. Ich würde mich freuen. Man liest sich! Karma Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)