Kryptonit von Ur (Jeder Held hat eine Schwäche) ================================================================================ Kapitel 4: Strahlen ------------------- Hey ihr Lieben :) Ich kann es kaum fassen, dass ich für einen Tag ganze drei Kapitel verpulvert habe. Sieht mir gar nicht ähnlich. Aber ich wollte das Grillen unbedingt noch ein bisschen ausführen. Ich hab gestern viel mit meiner Lisa über Kryptonit geredet und es kamen gleich wieder achthundert neue Ideen dazu, die eingebaut werden wollen. Herrjee... Ich wünsche euch jedenfalls ein schönes Pfingstwochenende und viel Spaß beim Lesen! Liebe Grüße :) ______________________________ Ich habe noch nie jemanden mit so einem unterentwickelten Ego kennen gelernt wie Anjo. Es stimmt mich richtig nachdenklich, wenn ich ihn mit Pepper sehe, wie zufrieden er aussieht. Es wirkt so, als wäre er nicht oft so gut gelaunt und entspannt. Sobald wir auf dem Weg zum Grillen sind – Sina war Gott sei Dank schon fertig im Bad, als wir die Wohnung betreten – wirkt Anjo wieder eingeschüchtert. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er sich Gedanken darüber macht, ob die anderen ihn mögen werden. Mir fällt nicht ein, was man dazu sagen kann. Felix wird sicher nett zu ihm sein. »Ich arbeite manchmal an der Kunsthochschule als Aktmodell«, erklärt Sina bestens gelaunt und ich sehe aus dem Augenwinkel, wie Anjo knallrot anläuft. Ich verkneife mir ein Grinsen. »An manchen Gymnasien zeichnen die Leistungskurse auch Akte. Ist ein netter Nebenverdienst«, erklärt sie unbekümmert. Sina hat wirklich keinerlei Probleme damit, sich nackt zu zeigen. Sie weiß, dass sie einen absoluten Traumkörper hat. Heute Abend trägt sie ein knallbuntes T-Shirt und eine ziemlich enge Jeans mit Löchern an den Knien. Sie könnte auch einen Müllsack tragen und alle würden auf sie abfahren. Vielleicht ist das der Grund, warum Sina hauptsächlich mit schwulen Männern befreundet ist. Die heterosexuellen Kerle wollen früher oder später immer mehr von ihr als Freundschaft. »Ich hab schon mit einer Mappe angefangen… aber ich weiß nicht, ob sie was taugt und ob ich mich damit bewerben kann«, sagt Anjo gerade. Ich krame in meiner Hosentasche nach Zigaretten, als der Park in Sicht kommt. »Ich schau mir die Mappe gern mal an«, bietet Sina ihm sofort an. Ich muss schmunzeln. Sina lässt sich für alles begeistern, was mit Kunst zu tun hat. Anjo nickt und sieht irgendwie glücklich verlegen aus. Ich vermute, dass Sina die Erste sein wird, die die Mappe zu Gesicht bekommt. »Ich habe übrigens keine Bratwürste bekommen. Stattdessen gibt’s Kräuterbaguette und Hähnchen«, sagt Sina. Sie war der festen Überzeugung, dass wir nicht einfach zum Grillen gehen können, ohne was mitzubringen. Deswegen ist sie extra noch einkaufen gegangen. »Bratwürste sind sowieso nicht so mein Ding«, erkläre ich. Der Park ist grün und überall blühen irgendwelche Büsche. Es riecht nach Flieder und Kastanienblüten und einige Skater rasen an uns vorbei, als wir auf eine große Wiese zugehen, auf der sich Unmengen an jungen Leuten tummeln, auf Decken sitzen, lachen, Trinkspiele spielen und sich unterhalten. Ich sehe Felix und die anderen sofort. Felix hat eine Gitarre auf dem Schoß und klimpert irgendetwas. Leon ist nicht dabei. Da habe ich nichts dagegen. Auch wenn Leon mich immer ziemlich amüsiert. »Da sind sie«, sagt Sina und deutet für Anjo auf die Gruppe, die ich schon im Visier habe. Abgesehen von Felix sind es noch sieben andere, ein Mädchen kenne ich nicht. Wahrscheinlich ist sie die Freundin von irgendwem. Felix sieht auf und grinst, als er mich und Sina erkennt. Er legt seine Gitarre beiseite und kommt bestens gelaunt auf uns zu. »Ich hoffe, ihr habt Hunger! Wir haben tonnenweise Fleisch gekauft«, sagt er, als wir uns zur Begrüßung umarmen. Sina umarmt ihn ebenfalls. Die beiden kennen und mögen sich ziemlich. Sina ist die einzige, die von meiner kleinen Schwäche für Felix weiß. »Ich hab auch noch was mitgebracht«, meint Sina lachend, als Felix sich von ihr löst. Anjo steht hibbelnd neben mir und sieht aus, als würde er am liebsten im Boden versinken. »Das ist Felix, mein bester Kumpel«, sage ich also und wedele mit der Hand in Richtung Felix, »und das ist Anjo.« Felix grinst und reicht Anjo die Hand. Anjo sieht ziemlich überfordert aus, schafft aber ein Lächeln. »Freut mich. Magst du Bratwurst? Wir haben schon ein paar Würstchen fertig«, meint Felix geradeheraus und winkt Anjo mit sich in Richtung Grill. »Felix ist ziemlich… nett«, meint Sina schmunzelnd, als wir den beiden zum Grill hinüber folgen. Sina zieht ihren Rucksack vom Rücken und kramt das Baguette und das Hähnchenfleisch hervor, um es in eine der beiden Kühltaschen neben dem Grill zu legen. Da stehen auch mehrere Kästen Bier und eine riesige Flasche Ketchup. »Er denkt, dass ich was mit Anjo habe«, sage ich nüchtern. »Dann ist es gleich noch viel netter, dass er so nett zu ihm ist«, meint Sina sachlich und nimmt einen Pappteller von Stefan entgegen. Wir setzen uns auf eine der Decken und Anjo kommt mit zwei Bratwürsten zu uns zurück, setzt sich vorsichtig neben mich und starrt auf die Würstchen, als hätte er noch nie welche gesehen. »Felix ist nett«, meint er leise und nimmt den Ketchup entgegen, den Sina ihm reicht. Sina lässt sich unterdessen von Stefan Nudelsalat und irgendein Stück Fleisch auftun. Ich beobachte amüsiert, wie Stefan beinahe in ihren Ausschnitt fällt. Sina tut so, als würde sie nichts bemerken. Gut gelaunt spießt sie ein paar Nudeln auf und schiebt sie sich in den Mund. »Deswegen ist er mein bester Kumpel«, sage ich grinsend und Anjo lächelt. Er sieht wieder ziemlich zufrieden aus und das freut mich. Er sollte öfter so aussehen. Es riecht nach Grill und Gräsern und die Luft flirrt von Gelächter und Gesprächen. Felix kommt zu uns und balanciert einen Teller mit Unmengen von Nudelsalat darauf in seiner rechten Hand. Vorsichtig setzt er sich. »Stefan geiert dich die ganze Zeit an«, erklärt er Sina amüsiert und schiebt sich ein paar Nudeln in den Mund. Sina zuckt mit den Schultern und schneidet umsichtig ihr Fleisch. Anjo hat seine beiden Bratwürste in so viel Ketchup ertränkt, dass man sie kaum noch sehen kann. »Soll er doch. Gönn ihm den Spaß«, sagt Sina und zwinkert. »Wo habt ihr euch kennen gelernt?«, erkundigt sich Felix bei Anjo, der gerade ein Stück Bratwurst kaut. Er schluckt und hüstelt leicht. »Auf dem Schulweg, als ich gerade… beinahe verprügelt wurde«, sagt er und läuft magentarot an. Felix sieht empört aus. »Aber wieso?«, will er wissen. Sina tätschelt Felix die Schulter und besprenkelt ihn beinahe mit den Nudeln auf ihrer Gabel. »Du weißt schon. Das Homoproblem unter Jugendlichen«, erklärt sie mit einem viel sagenden Blick. Felix schnaubt. Er kann solche Sachen genauso wenig leiden wie ich. »Die, die es am meisten abwerten, die sind am Ende selber schwul«, sagt er zu Anjo, »ich spreche aus Erfahrung. Mein Freund gehört auch zu der Sorte Kerle. Nur dass er niemanden deswegen verprügelt hat.« Ich verkneife mir ein Lachen. Anjo sieht erstaunt aus. »Dein Freund mag keine Schwulen?«, fragt er unsicher. Felix gluckst heiter. »Er wird es nicht leid zu betonen, dass er nicht schwul ist, sondern nur auf mich steht. Vielleicht lernst du ihn mal kennen, wenn du jetzt öfter mit Christian rumhängst«, meint er und schiebt sich noch eine große Ladung Nudeln in den Mund. Anjo wird schon wieder rot. »Er hasst mich«, erkläre ich Anjo grinsend. Felix verdreht grinsend die Augen. Sina kichert. »Das ist auch durchaus verständlich«, meint sie und hält mir eine Gabel von ihrem Salat hin. Ich schnappe danach. »Die beiden haben ständig vor Leon rumgeflirtet, um ihn eifersüchtig zu machen«, erklärt sie Anjo. Der scheint nicht zu wissen, ob ihm dieses Thema peinlich sein soll, oder ob es ihn brennend interessiert. »Es hat funktioniert«, sagt Felix verteidigend, »er hätte sonst garantiert nie gemerkt, dass er mich für sich allein haben will!« Sina schüttelt amüsiert den Kopf. »So vernarrt, wie er in dich ist? Irgendwann hätte er es schon von allein gemerkt. Ihr tut so, als wäre er komplett bescheuert. Ich mag Leon.« »Leon findet Sina scharf… aber er traut sich nicht es zuzugeben, aus Angst, dass Felix dann sauer wird«, murmele ich Anjo zu. Felix wirft mit einer Nudel nach mir. Wir müssen alle lachen und selbst Anjo lacht. Zwar nur leise, als wolle er keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen, aber immerhin. Ich kenn den Jungen überhaupt nicht. Aber irgendwie habe ich eindeutig das Gefühl für ihn verantwortlich zu sein. Vielleicht ist es deshalb, weil ich ein großer Bruder bin und immer auf alle aufpassen will. Es freut mich irgendwie zu sehen, dass Anjo langsam auftaut. Er redet mit Sina über seine Comics, versucht ihr zu erklären, wieso er Landschaften so schwierig zu malen findet. Er bewundert Felix und mich dafür, dass wir Chemie studieren und damit keine Probleme haben. Irgendwann angelt Sina nach einem noch halbvollen Kasten Bier und Felix bietet Anjo eins an. »Danke… aber ich glaube, ich vertrage keinen Alkohol«, murmelt er verlegen. Wir haben die Schüssel Nudelsalat gekapert und sie in unsere Mitte gestellt. Jeder piekt ab und an mit einer Gabel hinein. Ich hab das Gefühl, dass ich bald platzen muss. Anjos Tonfall klingt so, als hätte er das Gefühl sich rechtfertigen zu müssen. »Ist sowieso gesünder«, meint Felix leichthin und stellt das Bier zurück, das er Anjo angeboten hat. Anjo blinzelt verwirrt. Sina scheint das auch bemerkt zu haben, denn sie lächelt kaum merklich und wirft mir einen Blick zu, der aussieht, als wolle sie fragen: »Können wir ihn behalten?« Wir machen unser Bier auf und Sina reicht Anjo ein Tetrapack mit Apfelsaft und einen Plastikbecher. »Zum Anstoßen«, sagt sie lächelnd. Ich sehe in ihren Augen, dass sie so einen richtigen Mutterinstinkt für Anjo entwickelt. Ich muss bei dem Gedanken grinsen. »Prost«, sage ich, als Anjo sich Apfelsaft eingeschenkt hat und dann stoßen wir an. »Darf ich mal…probieren?«, fragt Anjo unsicher, als er seinen Saft neben sich abgestellt hat. Er deutet auf mein Bier. Ich hebe erstaunt die Augenbrauen. »Hast du noch nie Bier getrunken?«, frage ich und halte ihm mein Bier hin. »Ich hab noch nie irgendeinen Alkohol getrunken«, murmelt Anjo und schnuppert am Flaschenhals. Dann nimmt er einen Schluck und verzieht das Gesicht. Ich muss lachen. »Also Bier ist nicht so dein Ding«, stelle ich fest und er schüttelt den Kopf. »Nee. Irgendwie nicht so«, sagt er und trinkt hastig zwei Schlucke Apfelsaft hinterher. Ich nehme das Bier von ihm zurück und beobachte, wie Felix sein Bier beiseite stellt und nach seiner Gitarre greift. Das ist Anlass für die anderen, sich auch um uns zu scharen. »Ich singe nicht alleine«, warnt Felix und sieht mich gespielt streng an. Ich schnaube. »Ich singe überhaupt nicht! Du kannst wenigstens singen«, gebe ich grinsend zurück. Sina verdreht schmunzelnd die Augen. »Dazu ist er zu männlich, weißt du?«, stichelt sie an Anjo gewandt, »Spiel ruhig. Ich sing mit, wenn ich das Lied kenne.« Felix grübelt kurz, dann spielt er ein paar Takte von Lady in black. Letztendlich singen wir doch alle mit. Meine Stimme geht Gott sei Dank in den anderen unter. Ich kann kein bisschen singen und höre lieber Felix zu. Er ist zwar kein Stimmwunder, aber es klingt nicht schlecht. Deswegen singt er für Nicci manchmal Background. Wir zünden Teelichter an und trinken Bier und hören Felix beim Spielen zu. Anjo sieht ziemlich begeistert von alledem aus. Zwischen zwei Liedern dreht er sich zu mir um und strahlt mich an. Das sieht ungewohnt aus. Aber ich befinde, dass er eindeutig öfter so strahlen sollte. Jeder Mensch sollte so strahlen können. Er lehnt sich zu mir hinüber und murmelt mit hochrotem Kopf: »Das ist seit Ewigkeiten der tollste Tag in meinem Leben.« Er sieht schrecklich verlegen aus. Ich muss lächeln und wuschele ihm kurzerhand durch die braunen Haare. »Freut mich«, gebe ich zurück. Und das meine ich auch so. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)