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You'll never walk alone

Solange du Freunde hast ...
von

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Einen Schritt vorwärts…

Als Campino erwachte, musste er zu seiner Verwunderung feststellen, dass er immer noch an seinem Schreibtisch saß. Stöhnend griff er sich in den Rücken, als er sich behutsam aufsetzte. Dennoch ließ ihn der Schmerz kurz zusammenzucken, ehe er sich gähnend mit der Hand über die müden und brennenden Augen strich.
 

Kraftlos und ein wenig verwirrt lehnte er sich zurück, wobei die Augen langsam über die beschriebenen Blätter auf dem Tisch glitten und die Unordnung vernahmen. Ein diebisches Lächeln schlich sich auf seine schmalen Lippen. Er hatte es geschafft. Der erste Song war fertig.
 

Zufrieden nahm er das Stück Papier in seine Hand und begann noch einmal Zeile für Zeile zu lesen und auch wenn er, selbst in diesem stillen Moment, eine unangenehme Enge in seinem Herzen spürte, war er sich sicher, dass dieser Song genau das war, was er gebraucht hatte. Es war eine schriftliche Form der Ehrlichkeit, aber auch der Verletzlichkeit gebannt mit schwarzer Tinte auf weißem Papier, ein unwiderrufliches Zeichen der Veränderung.
 

Lächelnd legte Campino das Papier wieder auf den Tisch und stand langsam auf, wobei die Holzbeine seines Stuhles leise über den Boden schabten.
 

Zuerst ging er zu seinem Fenster, auf welches sich von den Morgenstrahlen erhelltem Glas sich die Spuren des letzten Regengusses abzeichneten und die klare Sicht trübten, doch mit wenigen Handgriffen öffnete er es und ließ die herrlich frische Luft einströmen. Mehrmals atmete er tief durch, ehe er sich umdrehte und den Raum verließ. Das wunderbare Gefühl freudiger Erwartung machte sich in ihm breit, als er sich duschte, anzog und ein leichtes Frühstück genoss.

Ein kurzer Blick auf die schwarz umrandete Küchenuhr bestätigte ihn noch einmal in dem Gefühl an diesem Tag alles richtig zu machen, denn noch hatte er eine halbe Stunde Zeit, ehe er losgehen musste.
 

Genießerisch schmierte sich der Sänger noch ein zweites Brötchen, lehnte sich zurück und schaute kauend aus dem Fenster. Es war ein grauer Morgen, denn noch immer lagen einige Regenwolken über Düsseldorf und ließen der Sonne somit keinen Platz sich zu entfalten. Schade eigentlich, dachte Campino, die Sonne hätte diesen Morgen perfekt gemacht.
 

Nachdem das Frühstück beendet war und selbst die Küche wieder im alten Glanz erstrahlte, machte er sich auf den Weg in den Proberaum. Das Autoradio grölte während der Fahrt und auch Campino ließ es sich nicht nehmen, den einen oder anderen Song mitzusingen. In diesem Moment war es ein herrliches Gefühl der Lebendigkeit, das ihn durchströmte.
 

Nach einer entspannten Fahrt kam Campino schließlich an ihrem Proberaum an. Zu seiner Freude sah er noch kein einziges Auto der anderen Bandmitglieder stehen, sodass er beruhigt davon ausgehen konnte, dass er an diesem Tag tatsächlich der Erste war. Grinsend betrat er den Raum, wobei er sofort die stickige Luft vernahm und deswegen ein Fenster öffnete. Angenehm kühle Luft strömte ihm entgegen und vertrieb den teil schlechten Geruch, der dort herrschte. Er selbst setzte sich ungeduldig auf einen der Verstärker und begann zu warten. Schon nach wenigen Sekunden trommelte er nervös mit den Fingern auf dem harten Gehäuse und stellte in Frage, ob es wirklich eine so gute Idee war, überpünktlich zu kommen. Denn was hatte er davon? Er musste nun warten und das erste Mal seit langer Zeit konnte er sich vorstellen, wie es für seine Freunde war, immer auf ihn zu warten. Kein schönes Gefühl, wie er feststellte.
 

Leise seufzend stand der unruhige Sänger wieder auf und schloss das Fenster, als er das verräterische Knarren der alten Türe hörte. Grinsend drehte er sich um und blickte in die überraschten Augen von Kuddel.
 

„Ach nee, du bist ja schon da“, stellte dieser verwundert fest und begrüßte Campino herzlich, „Was hat dich so früh aus dem Bett getrieben? – Oder warst du da erst gar nicht?“
 

Lachend schüttelte der Sänger seinen Kopf.
 

„Was denkst du eigentlich von mir? Klar war ich im Bett. Ich wollte heute nur einfach mal pünktlich sein. Aber da du schon mal da bist …“, Campino eilte zu seinem Rucksack und nahm das beschriebene Blatt heraus; „Ich würde gern mal wissen, was du davon hältst.“ Unsicher reichte er das Papier dem Gitarristen, welcher kurz in die braunen Augen blickte und verstand.
 

„Du hast tatsächlich nen neuen Song geschrieben“, sagte er mehr zu sich selbst, als zu dem anderen und sah somit das bestätigende Nicken nicht mehr, da seine Augen flink über die Zeilen glitten. Campino beobachtet, wie Kuddel seine Augenbrauen langsam zusammen zieht, die Stirn runzelt und das Blatt schließlich ein wenig sinken lässt.
 

„Das ist wirklich gut. An welches Demo hast du dabei gedacht?“
 

„An das mit der ruhigen, gleichmäßigen Gitarre.“
 

Wieder nickte der Blonde nur und schaute noch einmal auf die Zeilen. Dieses Mal konnte Campino richtig sehen, wie es in dem Gesicht des anderen arbeitete.

„Du willst wissen, ob ich beim Schreiben an jemanden bestimmtes gedacht habe, nicht wahr?“

„Ja schon, irgendwie“, verschmitzt lächelnd schaute er in Campinos Gesicht, „Also hast du?“
 

Der Sänger nickte leicht, setzte sich auf einen der Verstärker und deutete seinem Freund an, ihm es gleichzutun.
 

„Weißt du“, begann er und atmete tief durch. Ihm fiel es nicht leicht, einen Teil seiner Gefühlswelt offen zu legen, aber die Erinnerung an sein eigenes Versprechen sich endlich zu ändern, bestärkte ihn in seinem Vorhaben und er fuhr unsicher in seinen Worten fort „Amelie und ich, wir haben uns getrennt.“

Überrascht schaute ihn Kuddel an, doch bevor er etwas sagen konnte, hob der Größere die Hand und winkte ab.
 

„Ist schon ne Weile her, aber darüber reden möchte ich im Moment noch nicht. Außerdem denke, ich, hat der Text schon mehr preisgegeben, als ich es wollte.“

Schief lächelnd blickte er nun zu dem Gitarristen, welcher langsam nickte.

„Das tut mir wirklich leid für euch – halt besonders für dich. Wie lange seid ihr denn nicht mehr zusammen?“

„Drei Wochen.“

„Also habt ihr euch getrennt, während die Band auch gerade Pause gemacht hatte und anstatt mit jemanden darüber zu reden, frisst du alles in dich hinein – und das schon seit Wochen. Mensch, Campino, du hättest doch mit uns reden können“, brachte es Kuddel auf den Punkt, worauf der Sänger überrascht zu dem mittlerweile stehenden Blonden aufblickte.

„Wie meinst du denn das jetzt?“

„Wie ich das meine?“, der Kleinere schüttelte ungläubig den Kopf, „Denkst du nicht, dass wir nicht bemerkt hätten, wie scheiße es dir vom ersten Tag, seit wir wieder Proben, geht? Wir haben uns teilweise echt den Kopf zerbrochen, aber der Herr Frege hüllte sich mal wieder in Schweigen.“

„Na das ist ja wohl auch mein Recht. Ich muss euch ja nicht alles erzählen!“

„Natürlich musst du das nicht, aber wir sind nun mal deine Freunde und machen uns Sorgen. Campi, ich will dir hier doch keine Vorwürfe machen. Ich würde nur gerne wissen, warum du nicht mit wenigstens einem von uns reden wolltest?“
 

Schweigend starrte der Sänger auf seine Schuhe und zuckte mit den Schultern.

„Naja, ich dachte halt, dass … du, ihr, halt … Ach, scheiße! Vergiss es. Okay?“

„Alter, du dachtest doch wohl nicht etwa, dass du, nur weil wir musikalisch ne Pause machen, keinen von uns mal anrufen könntest? Sag mal, sonst ist alles da oben noch in Ordnung, ja?“, provozierend tippte der Gitarrist mit seinem Zeigefinger gegen Campinos Stirn, welcher unter leisem Gemurmel schließlich den Kopf wegdrehte, aufstand und sich zum Fenster stellte. Von dort hörte er Kuddel seufzen und nach ein paar Sekunden vernahm er die Präsenz des Anderen neben sich.

„Entschuldigung, ich wollte dich nicht so anfahren“, sagte Kuddel und strich sich durch die blonden Haare, ehe er selbst kurz aus dem Fenster schaute. Die Straßen vor dem Proberaum waren noch immer leer und grau. Vereinzelt wirbelten Blätter über den rauen Asphalt und tanzten ungehindert durch die Gassen.
 

„Du hast ja Recht“, sagte Campino und atmete tief durch, „Ich hätte vielleicht mit jemanden reden sollen, aber ehrlich gesagt, ich wollte es einfach nicht wahrhaben, dass es aus ist. Ich hab sie doch wirklich … geliebt.“
 

Das letzte Wort war kaum zu hören, einem Flüstern gleich und genau dies bescherte dem Musiker eine Gänsehaut. Tröstlich klopfte er dem anderen auf die Schulter. Er hätte gern etwas gesagt, um ihn zu trösten, doch jeder Satz wäre einer billigen Phrase gleich, die den Schmerz nur verstärken, statt lindern würde und so stand er einfach neben ihn. So nahe, dass sich ihre Arme leicht berührten und jeder die Wärme des anderen spüren konnte.
 

Manchmal waren Worte einfach überflüssig.



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