You'll never walk alone von abgemeldet (Solange du Freunde hast ...) ================================================================================ Kapitel 3: Probe ohne proben ---------------------------- „Ok, also dann zuerst ‚Niemals einer Meinung‘ und danach ‚Friss oder Stirb‘?“, fragte Breiti noch einmal nach, wobei er auf den beschriebenen Zettel auf seinem Schoss schaute. In seiner rechten Hand hatte er einen Stift, mit dem er kontinuierlich auf sein Bein tippte. „Ja, das ist auf jeden Fall besser“, kommentierte Kuddel, welcher neben Breiti saß und noch einmal die Liste studierte. „Was ist denn eigentlich mit Coverversionen? Haben wir ja sonst auch immer gemacht“, graue Augen blickten in die Runde und blieben schließlich bei Campino hängen, welcher mit verschränkten Armen auf seinem Stuhl saß und zu Boden blickte. „Campino?“ „Was?“, aufgeschreckt schaute sich der Sänger um und fuhr sich verlegen durch die Haare, welche nun leicht abstanden, „Tschuldigung, ich hab grad nicht aufgepasst. Um was geht’s?“ Andi seufzte leise und wiederholte noch einmal seine Worte. „Ja, klar. Können wir gerne machen“, unruhig rutschte Campino auf seinem Stuhl umher. „Und welche?“ „Ach, Andi, das ist doch egal. Sucht euch irgendetwas aus“, hastig verschränkte er die Arme hinter seinen Kopf. „Egal?“, hakte Breite ruhig nach, schaute den Sänger aber missbilligend an. „Mann, nicht direkt egal. Aber auch kein … acht vergesst es. Dann nehmen wir halt ‚Should I stay or should I go‘“, genervt stand der Blonde auf und begann in ihrem Proberaum auf und ab zu laufen. Die Unruhe, die er die letzten Tage verspürte, die seine Gedanken unerbittlich antrieb und ihn letztendlich damit beinahe um den Verstand brachte, brach in diesem Moment ungewollt aus ihm heraus. „Ok, also ‚Should I stay or should I go‘“, Breiti schrieb den Titel mit auf die Liste, nachdem die anderen nickten. „Und wie wäre es mit ‚Song 2‘?“, sagte Kuddel an den Brauhaarigen gerichtet, wobei er aber Campino unauffällig aus dem Augenwinkel beobachtete. Jener stand mit dem Rücken zu ihnen, die Hände tief in den Hosentaschen vergruben und schaute aus dem Fenster. In Gedanken wieder einmal woanders, statt bei der Probe. „Gut, dann steht die Setlist ja endlich“, der Bassist rieb sich seufzend die Schläfe. Das erste Treffen hatte er sich definitiv anders vorgestellt, doch die Stimmung des Sängers lag wie ein dunkler Schleier über ihnen, der undurchdringlich erschien und niemand wusste, wie er zu beseitigen war, weil niemand wusste, woher er überhaupt kam. „Also können wir dann endlich proben?“, der zweite Gitarrist streckte sich und schaute erwartungsvoll zu seinen Bandkollegen. „Gleich, Breiti“, warf Kuddel ein, „Aber ich brauch davor noch eine kleine Zigarettenpause.“ Entschuldig lächelnd zog er eine kleine weiße Zigarettenpackung heraus und stand auf. „Und du kommst mit“, sagte er an Campino gewandt und schob den überraschten Sänger aus der Tür. „Was soll denn das?“, fragte jener brummig, als er mit verschränkten Armen neben dem blonden Gitarristen stand, welcher konzentriert eine Zigarette zwischen seinen Lippen hielt und sie mit dem Feuerzeug entzündete. „Nichts, ich dachte halt, dass dir ein bisschen frische Luft gut tut“, erwiderte er und blies den blauen Rauch in den grauen Himmel. Es war ein kalter und unfreundlicher Tag, an dem die Sonne sich nur selten zeigte. Schweigend standen die beiden Freunde einige Zeit nebeneinander und beobachteten die grauen Wolken, welche langsam vorüberzogen. „Also, was ist mit dir los?“, fragte Kuddel mit ruhiger Stimme ohne seine Position zu verändern. Kalter Wind streifte durch seine blonden Haare, welche nun leicht hin und her wehten. „Nichts ist los“, brummte Campino und starrte auf den grauen Asphalt vor sich. „Ok“, noch einmal sog der Kleinere an der Zigarette, eher er den Stummel zu Boden warf und ihn austrat, „Sollte aber doch etwas sein, weißt du hoffentlich, dass du mit mir und den anderen immer reden kannst, ja?“ Kurz blickte Kuddel noch einmal auf und obwohl sein Blick den des Älteren nur kurz traf, sah er, dass er Recht hatte, aber auch, dass sein Gegenüber noch Zeit brauchte. Zeit, die er ihm als Freund gerne gab. Ein leichtes Lächeln bildete sich in Campinos Gesicht, als er nickte. „Danke.“ „Kein Problem“, freundschaftlich klopfte ihm Kuddel auf die Schulter, „Lass uns reingehen, ja? Ist nämlich echt kalt hier draußen.“ „Ja, gleich. Gib mir nur noch eine Minute, bitte.“ „Ok, also bis gleich“, lächelnd drehte sich der Blonde um und verschwand in dem alten Gemäuer, während der andere allein zurück blieb. Die Hände erneut in den Hosentaschen der ausgewaschenen Jeans und den Blick auf die verlassene Straße gerichtet, rief sich der Sänger noch einmal die wenigen, aber ehrlichen Worte seines Freundes ins Gedächtnis und obwohl er auch vorher wusste, dass er immer mit ihnen reden konnte, tat es gut, dies noch einmal zu hören, genauso wie es gut tat, zu merken, dass man anderen nicht egal war. Er seufzte leise, während er seine Augen langsam gen Himmel richtete und die grauen Wolken beobachtete, welche sich in den letzten Minuten deutlich verdichtet hatte. Wahrscheinlich würde es an diesem Abend noch regnen. Doch all die täglichen Wunder der Natur, die Schaubilder des Lebens konnten ihn an diesem Tag nicht von seinen Gedanken ablenken. Immer wieder kehrten sie zu ihr zurück und er fragte sich mehr als einmal, wie eine einzelne Frau ihn so aus der Bahn werfen konnte und vor allem, warum er sie immer noch liebte. Doch das alles durfte er nicht mit in den Proberaum nehmen. Die Band, die Musik und besonders die Freundschaft durften nicht darunter leiden, dass er sie vermisste und dass er sie immer noch liebte. Ein einzelner Regentropfen traf plötzlich auf sein Gesicht und hinterließ eine kühle Bahn auf seiner Haut, ehe weitere Tropfen haltlos folgten. Sie benetzten seine Haare, seinen Körper und drangen innerhalb weniger Minuten unbemerkt durch seine gesamte Kleidung. Er genoss das Gefühl inmitten des Schauers zu stehen, den Regen zu hören und zu spüren, während um ihn herum die Zeit stehen zu bleiben schien. Ein letztes Mal atmete er tief ein, schloss die Augen und versuchte sie endlich aus seinen Gedanken zu verbannen. Er würde ihr keinen Platz mehr in seinem Leben einräumen, stattdessen nahm er sich vor sie zu vergessen und sich endlich wieder auf das zu konzentrieren, was vor ihm lag – Die Musik. Er durfte die anderen nicht durch seine Unaufmerksamkeit leiden lassen, durfte nicht daran Schuld sein, wenn der Auftritt nicht so perfekt lief, wie es alle erwarteten. Langsam öffnete Campino die Augen, ehe er sich umdrehte und zu der Eingangstür schritt. Er würde sie vergessen müssen und er würde es schaffen, auch alleine. Denn das Wichtigste in diesem Moment war, dass die Band nach der Pause wieder zusammenwuchs und dass sie wieder begannen Musik zu machen. Denn dann könnte er sich wieder in die Proben stürzen, Tage und Nächte mit seinen Freunden verbringen und das Leben führen, welches er eigentlich immer führen wollte, nämlich ein freies und vor allem ungebundenes - Ohne einen einzigen Gedanken an sie. Am meisten lieben wir die Dinge, Die wir nicht haben können Wir sollten lernen zu verzichten, Doch wir kriegen es nicht hin … ______________________________________________________________________________ Liedtext: "Alles was war" - Die Toten Hosen Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)