Tentakeln ist kein Verb von Idris (Jack/Ianto, Chris/Andy) ================================================================================ Kapitel 1: Aliens in Cardiff ---------------------------- “Es hatte Tentakel auf dem Kopf! Blaue Tentakel! ” Andy machte nachdrückliche Handbewegungen über seinen eigenen blau und grün gefärbten Haaren. „Und Reißzähne. Wie ein Piranha.“ Er machte Piranha-Geräusche. Oder Geräusche, die Piranhas machten, wenn sie versuchten jemanden aufzufressen - vielleicht. Aber wen kümmerten die Piranhas und die vielen verpassten Discovery Channel-Sendungen, die es ihm vielleicht hätten erklären können. Ein blaues Leuchtepokemon mit Tentakeln hatte versucht sie aufzufressen! Mitten in Cardiff! Am helllichten Tag. In irgendeiner Seitenstraße. Und kein Mensch tat hier so, als sei das irgendwie ungewöhnlich. Stattdessen hieß es, das sei eine Sache für ‚Torchwood‘ – und wer oder was zum Teufel war bitte schön Torchwood? „Reißzähne“, wiederholte der Kerl im Anzug und notierte es, ohne mit der Wimper zu zucken, in einem kleinen Notizbuch. Er war sehr jung, hatte kurze, dunkle Haare und sah aus wie ein Steuerberater. Sein Name war Smith oder Jones oder etwas in der Richtung und Andy war sicher, dass der Name ein Alias war. Niemand hieß wirklich Smith oder Jones. Nur Leute vom Geheimdienst. Und die Leute in dem schwarzen Van waren bestimmt Geheimdienst. Auch wenn sie hießen wie eine Rockband. Möglicherweise waren sie auch von der Irrenanstalt. Aber hätten sie dann nicht weiße Anzüge getragen? „Ich bin nicht bekifft“, fügte Andy sicherheitshalber hinzu. Der Kerl im Anzug hob eine Augenbraue. „Das ist sehr erfreulich.“ „Es war nur ein Joint“, fügte Andy hilfsbereit hinzu. „Das zählt eigentlich gar nicht, oder?“ Bevor der Anzug antworten konnte, wurden sie durch eine weitere Stimme unterbrochen. „Ianto. Was haben wir bis jetzt?“ „Reißzähne und Tentakel“, wiederholte Ianto(?) ungerührt. „Vermutlich blau.“ „Fabelhaft. Nichts geht über Tentakel“, gab der andere sonnig zurück. Das war Harkness. Captain Jack Harkness. Mit Sicherheit auch kein echter Name und kein echter Captain, aber Andy war bereit darüber hinweg zu sehen, weil der Kerl ihm zugezwinkert hatte und einen bodenlangen Armeemantel trug. Andy mochte Mäntel. Er hatte selber einen, aus schwarzem Leder, aber er war sicher, dass seiner nie so stilvoll „swooosh“ machte, wenn er aus dem Auto ausstieg. „Es kam direkt auf uns zu und wollte Chris aussaugen!“ informierte er die beiden. „Auffressen! Oder tentakeln. Oder beides! Mir war klar, dass ich ihn retten musste. Natürlich tat ich was jeder getan hätte und habe mich vor ihn geschmissen.“ Er legte Chris einen Arm um die Schulter und zog ihn zu sich, um das zu untermauern. „Tentakeln ist kein Verb“, erwiderte Chris, dem falsche Grammatik mehr Schmerzen zufügte als Aliens mit Reißzähnen, die ihn aussaugen wollten. (Chris hatte einfach komische Prioritäten.) Das war das erste, was er überhaupt sagte, seit der Geheimdienst aufgetaucht war. Sein Englisch war praktisch fehlerfrei, im Gegensatz zu Andys, dessen Grammatik man im besten Fall als kreativ bezeichnen konnte. Streber, dachte Andy liebevoll. „Ich habe dich trotzdem gerettet. Vor einem Schicksal schlimmer als der Tod!“ Chris nickte. „Er hat geschrien und es damit verjagt“, informierte er den Anzug. „Äußerst produktiv“, war die Erwiderung. Beinah hätte Andy schwören können einen sarkastischen Unterton herauszuhören. „Ich habe nicht geschrien!“, protestierte er sofort. „Das zählt nicht! Das … das war ein Kriegsschrei. Ich hatte vor, es anzugreifen.“ „Natürlich.“ Smith, Jones, oder wie immer er hieß, verzog keine Miene. „Auf jeden Fall war Chris in Gefahr! Es waren Tentakel! Ich habe genug Porn-… ich meine, Alienfilme gesehen, um zu wissen, was die damit machen!“ Harkness grinste breit und vielsagend. „Da bin ich mir sicher.“ Andy wurde rot. Er blinzelte unschuldig und grinste zurück. „Hey, niemand tentakelt meinen Freund. Außer mir.“ Chris hob die Augenbrauen. „Du hast überhaupt keine Tentakel.“ „Die kann man kaufen.“ „Es gibt da einen wirklich gut ausgestatteten Laden in London …“, begann Harkness, wurde aber sofort von Ianto unterbrochen. „Jack.“ Wie in einem einzigen Wort so viel Augenrollen enthalten sein konnte, war Andy ein Rätsel. „Keine Tentakelgeschichten bei der Arbeit .“ Harkness nickte sorglos und sah kein bisschen schuldbewusst aus. „Ich weiß.“ „Eigentlich konnten wir die Zähne gar nicht sehen“, sagte Chris in dem Moment, der offenbar genug von Tentakeln jeder Art hatte. „Das Vorhandensein von Reißzähnen ist mehr eine Vermutung. Es war auch eher durchsichtig als blau. Man konnte die Organe … die Struktur im Inneren sehen.“ Der Anzug nickte und sah zum ersten Mal etwas interessiert aus. Und erleichtert, so als ob er tatsächlich lieber schnöde Fakten hören wollte als Andys wesentlich spannendere Version der Ereignisse. Der Banause. „Struktur? Ähnlich wie menschliche Organe?“ Chris nickte. „Eine Art Membran mit einer leuchtende Wirbelsäule im Inneren. Wie eine Weihnachtsbaumkette.“ „Bläuliches Licht?“ Chris nickte. Ianto notierte eifrig und machte schließlich eine höfliche Handbewegung in Richtung Van. „Ich würde dir gerne ein paar Phantombilder zeigen …“ „Okay.“ Chris zuckte mit den Schultern und folgte ihm. „Was die Tentakel angeht, könnten das …“ Ihre Stimmen wurden leiser, als sie sich entfernten. Beunruhigt blickte Andy ihnen nach und machte Anstalten Chris zu folgen. Aber Harkness schnitt ihm mit einer raschen Bewegung elegant den Weg ab. Er lächelte charmant. „Keine Sorge, wir brauchen nur ein paar Informationen. Es geht ganz schnell.“ „Chris ist sehr sensibel“, hörte Andy sich selbst sagen und versuchte an ihm vorbei zu spähen. Die breiten Schulterpolster von Harkness‘ Mantels waren im Weg. „Er kann nicht gut mit Menschen. Er kann sogar besser mit Aliens als mit Menschen. Ich will nur nicht …“ „Ich bin sicher, mit Ianto hat er keine Probleme“, versicherte Harkness. „Ianto weiß sachliche Zeugen sehr zu würdigen.“ Das schien zu stimmen. Ianto (was war das nur für ein Name?) sah auch von weitem aus, als sei er froh, endlich jemanden gefunden zu haben, der nicht hysterisch oder auf Drogen war. Er notierte eifrig und stellte in passenden Abständen kurze Zwischenfragen. Was Chris anging, so sah weniger angespannt aus als in einem durchschnittlichen Matheunterricht. Er sah sogar erstaunlich ruhig aus, für jemanden der grade so einem Angriff der blauen Tentakelmonster entkommen war. „Ich denke nur, ich sollte bei ihm sein“, sagte Andy, dessen Mund auch in besten Zeiten einfach nicht still stehen wollte. „Er steht bestimmt unter Schock. Ich meine, das Ding wollte ihn auffressen. Und es hatte Tentakel. Wo kam das überhaupt her? Und …“ Er spürte eine Hand auf seiner Schulter, die sich anfühlte als wollte Harkness ihn beruhigen. Dabei war er doch nicht geschockt und traumatisiert, sondern Chris! Chris was viel sensibler als er. Trotzdem ließ Andy sich widerstandslos zu einer kleinen Bank führen, ohne den Blick von Chris abzuwenden, der neben dem schwarzen Van stand und aufmerksam eine Reihe von Bildern durchsah. „War das ein Alien? Es sah aus wie ein Alien. Ich dachte, es war der Joint von heute Morgen. Das Gras war schon ein bisschen muffig. Aber wer kann denn ahnen, dass Gras schlecht werden kann, wenn man es ein paar Monate in der Jackentasche vergisst? Chris hat gleich gesagt, ich soll das nicht mehr rauchen. Aber ich dachte, sie konfiszieren es vielleicht auf dem Flughafen, wenn wir zurückfliegen und sie mit den Drogenhunden … uhm. Sie sind nicht von der Zollbehörde, nein?“ Harkness lachte. Seine Zähne blitzten in der Sonne. „Nein.“ „Oh. Okay. Gut. Ich meine, nicht dass ich was zu verbergen hätte. Sie hätten mich jederzeit durchsuchen können …“ „Das gehört nicht zu meinem Hauptberuf, aber auf Wunsch mache ich gerne private Leibesvisitationen“, erwiderte Harkness ernsthaft. Andy klappte den Mund auf und wieder zu. Zum ersten Mal vergaß er sekundenlang das blaue Tentakelmonster und die Tatsache, dass er Chris im Auge behalten musste. Aber das war entschuldbar. Es passierte ihm selten, dass er auf irgendjemanden traf, der noch dreister flirten konnte als er selbst. „Wow“, sagte er schließlich und beschloss sich diesen Spruch zu merken, um ihn bei nächster, sich bietender Gelegenheit anzuwenden. Er fuhr sich mit der Hand über den Hinterkopf. „Ich fühle mich im Nachteil. Wieso klingt in Englisch alles wie ein Vorspiel?“ „Das funktioniert auf Deutsch genauso“, versicherte Harkness sonnig. Andy hob die Augenbrauen. „Woher wissen sie …?“ „Nenn mich Jack.“ Eine Hand wurde ihm entgegengestreckt und Andy schüttelte sie etwas benommen, geblendet von dem strahlenden Lächeln, das hinterherkam. „Ich erkenne den Akzent, wenn ich ihn höre“, fuhr Jack fort. „Ich war schon oft in Berlin. Da kannte ich da mal einen jungen Soldaten …“ Sein Gesicht hatte einen verträumten Ausdruck angenommen. „Das muss vor … nein, Moment, nach dem ersten Weltkrieg? Egal. Das waren noch Zeiten. Fabelhafte Stadt. Die wussten damals noch, wie man feiert. Woher kommt ihr?“ Bevor Andy darüber nachdenken konnte, wie wenig Sinn dieser Satz machte, hatte Jack irgendwie geschafft ihn in ein Gespräch über wilde Feiern in Berlin zu verwickeln und Andy ertappte sich dabei, von Chris zu erzählen (er redete einfach gerne über Chris), von seinem Hund, und von seiner Band, die schon wieder keinen Namen hatte (Torchwood wäre übrigens ein stylisher Name für eine Band) und nein, er hatte keine Drogenprobleme, aber er hatte tatsächlich schon einmal gedacht, Aliens würde versuchen ihn zu entführen und da … „Jack.“ Wie aus dem nichts war der Anzug wieder neben ihnen aufgetaucht, Chris im Schlepptau. Jack legte den Kopf in den Nacken und sah zu ihm auf. „Ianto. Ianto Jones“, sang er. Andy fragte sich, ob das der normale Arbeitstonfall im Geheimdienst war. Ianto ließ es kommentarlos über sich ergehen. Er hob lediglich eine Augenbraue zu einem akkurat abgezirkelten Bogen und warf einen kurzen vielsagenden Blick zwischen Jack und Andy hin und her. „Wir haben alles, was wir brauchen“, sagte er. „Ich denke, ich weiß, was es war.“ Danach kam ein Haufen Fremdwörter, denen Andy nicht folgen konnte. Das war aber auch nicht schlimm, denn da war Chris. Chris, der auch zu besten Zeiten unromantischer war, als ein ungetoasteter Käsetoast, lief zielsicher zu ihm und ließ sich neben ihm auf die Bank gleiten. In seinen Händen war eine weiße Tasse, auf der ‚Torchwood‘ in großen schwarzen Lettern stand. „Da bist du ja“, sagte Andy. „Bohnenkaffee“, erwiderte Chris in einem Tonfall, in dem Andy manchmal ‚Lass uns Liebe machen!‘ hauchte. „Bei Tentakelsex bleibst du völlig ungerührt und Kaffee lässt dich in wollüstige Begeisterungsstürme ausbrechen? Ich fühle mich hier nicht gewertschätzt.“ Vorwurfsvoll schüttelte Andy den Kopf, nahm ihm die Tasse aus der Hand und nahm einen großzügigen Schluck. Oha. Er seufzte angenehm überrascht. Was immer man von Torchwood als geheimer Organisation auch halten mochte – der Kaffee war fabelhaft. „Was war das für ein Alien?“ fragte er schließlich während er Chris die halbleere Tasse zurückgab. „Keiner, der uns ausgesaugt hätte“, versicherte Chris. Mit der freien Hand rieb er sich schläfrig über die Augen und gähnte. „Höchstens einen Körper gestohlen.“ „Da bin ich ja beruhigt.“ Sein Gähnen war ansteckend und Andy spürte wie er es erwiderte. Der Kaffee schien seltsamerweise eher müde zu machen, anstatt wach. „Wir fahren euch gleich zurück zum Hotel“, hörte er Jacks Stimme. Sie klang wie aus weiter Ferne. Chris Kopf sank auf seine Schulter und dann wusste er nichts mehr. * „Ich kann nicht glauben, dass wir den ganzen Tag verschlafen haben?“ Ungläubig starrte Andy auf sein Handy. Er saß in nichts als Boxershorts auf der Bettkante und rieb sich nachdrücklich über die Augen. „Es ist schon fast wieder Abend. Mir fehlen drei Hauptmahlzeiten!“ Das ging doch nicht. Wie konnte laut seinem Handy der ganze Mittwoch schon vorbei sein, wenn er sich nicht mal erinnern konnte, diesen Tag gehabt zu haben? „Hm…“, murmelte Chris ungerührt und vergrub das Gesicht tiefer im Kissen. Seine hellen Haare waren zerwuschelt und standen wie Heiligenschein von seinem Kopf ab. Seine bloßen Beine hatten sich im Schlaf irgendwie um die Decke gewickelt und er sah so bettwarm und einladend aus, dass Andy seine zeitliche Desorientierung sekundenlang beinah vergaß. Langsam ließ er sich zurücksinken und rutschte näher zu seinem Freund. „Bist du sicher, dass wir Mittwoch haben?“ fragte er. Chris nickte ohne die Augen zu öffnen. „Ziemlich.“ „Mittwochabend?“ „Ja.“ „Den sechsten Juli?“ „Hmhm.“ „Okay. Gut.“ Andy zuckte mit den Schultern. Es kam nicht selten vor, dass er Tage durcheinander brachte oder das aktuelle Datum nicht wusste, aber wenn Chris sagte, dass heute Mittwoch war, würde das schon stimmen. „Wollen wir faul und dekadent Essen aufs Zimmer bestellen?“ Chris öffnete ein Auge, beim Thema Essen zum ersten Mal vage interessiert an seiner Umgebung. „Ja.“ „Sollen wir uns den Pornokanal freischalten lassen?“ fragte Andy hoffnungsvoll. Chris hob die Augenbrauen. „Nein?“ „Verdammt.“ Andy fing das Kissen auf, das nach ihm geworfen wurde und schob es unter seinen eigenen Kopf. Unverfroren rutschte er zu Chris unter die Decke. Da sie den ganzen Tag scheinbar verschlafen hatten, schadete es ja nicht den Abend genauso faul zu beenden. „Komisch“, murmelte er nachdenklich, während seine Hände um Chris‘ Taille wanderten. „Aus unerfindlichen Gründen hätte ich jetzt Lust auf Tentakelpornos …“ ~Ende Nachwort: Äh heh heh. Ich habe absolut keine Entschuldigung dafür ... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)