Spiegelverkehrt von Ur (Liebes Tagebuch, ...) ================================================================================ Kapitel 9: Putzunterstützung ---------------------------- Und da haben wir schon das nächste. Ich bin heute ziemlich produktiv... :) Viel Spaß beim Lesen! Liebe Grüße, _____________________ Nach Niccis Vermutung, dass du eventuell in mich verliebt sein könntest, habe ich ein wenig auf dein Verhalten gegenüber mir geachtet. Mittlerweile bin ich mir sicher, dass Nicci sich geirrt hat. Du benimmst dich mir gegenüber ganz normal. Ich weiß nicht, wo Nicci da irgendwelche Zeichen sieht. Ich hasse mein Leben. Leon klappte sein Tagebuch zu. Es war mittlerweile beinahe voll und er fragte sich, ob er wohl ein Neues brauchen würde. Es konnte doch nicht sein, dass er jahrelang in Felix verliebt war und diese Gefühle nie ein Ende nahmen! Irgendwann musste das einfach aufhören. Sich allein auf Niccis Vermutung und seine eigene Hoffnung zu stützen, wäre dumm. Was, wenn Felix doch nicht in ihn verliebt war und er sich völlig zum Deppen machte, wenn er es ihm sagte? Leon kam sich vor wie der letzte Feigling. Er hatte so eine riesige Angst davor, von Felix abgewiesen zu werden, dass er bei dem Gedanken daran regelmäßig Schlafstörungen bekam. In seiner Achterbahn jedenfalls ging es im Moment bergauf. Fast hatte er Angst, dass es jeden Moment wieder bergab gehen und Felix erneut sauer auf ihn sein könnte, doch das schien nicht der Fall zu sein. Felix rief ihn oftmals an, fragte nach Treffen oder wollte sich nur ein wenig mit ihm unterhalten. Mittlerweile brachten sie sich nach fast jeder Bandprobe nach Hause. Wenn Felix mit dem Auto da war, dann fuhr er Leon. Wenn Leon mit dem Wagen seines Vaters da war, dann brachte er Felix heim. Es war, als wären sie sich still darüber einig geworden, nicht mehr allein nach Hause zu fahren. Leon seufzte bei dem Gedanken daran. Hauptsache, er konnte so oft wie möglich in Felix’ Nähe sein. Allerdings… war es bisher immer Felix gewesen, der angerufen hatte. Leon dachte schon seit einiger Zeit darüber nach, ob er sich nicht auch einmal von sich aus bei Felix melden sollte. Als er einen Blick aus dem Fenster warf, die Sonne scheinen und kaum eine Wolke am azurblauen Himmel kleben sah, befand er, dass es heute genau der richtige Tag für eine Premiere war. Nachdem er duschen war und sich die blonden Haare getrocknet hatte, ging er nur in einer Boxershorts bekleidet zum Telefon und griff nach dem Hörer, ehe er sich damit in sein Zimmer verzog. Du hast schon hundert Mal mit Felix telefoniert, schimpfte er sein hämmerndes Herz aus, das ist nichts Neues! Er wählte die Nummer und hielt sich den Hörer ans Ohr. Einige Male tutete es, dann… »Hallo Noel!« Er stutzte. »Ähm…woher weißt du, dass ich es bin?«, fragte er zaghaft. Felix lachte. Herrgott… dieses Lachen machte ihn eines Tages noch einmal wahnsinnig. »Deine Nummer hat einen eigenen Klingelton bei mir«, informierte ihn Felix gut gelaunt. Leon fühlte, wie Hitze in ihm hochstieg und er hörte es bei Felix im Hintergrund klappern. »Was machst du grade?«, wollte er wissen. »Ich miste in meinem Zimmer aus, putze und räume auf«, erklärte Felix. Leon sah sich in seinem Zimmer um. Er hatte seit Ewigkeiten nicht mehr staubgesaugt, sein Couchtisch wies Kleberänder von Gläsern und Tassen auf, hier und da lag eine Socke herum, die er immer noch nicht in den Wäschekorb verbannt hatte… Von Ordnung konnte bei ihm also nicht die Rede sein. »Oh… na, ich wollte nicht stören, ich wollte eigentlich nur fragen, ob ich dich seh- … ähm, ob du Zeit hast… oder so«, meinte er hastig. Erstauntes Schweigen am anderen Ende. »Noel…« »Nenn mich nicht so«, murrte er ungehalten. »Das ist das erste Mal, dass du mich anrufst und von dir aus nach einem Treffen fragst!« »Kann sein…«, sagte er wegwerfend, obwohl er sehr genau wusste, dass es so war. »Hm… ich möchte dich gerne sehen«, sagte Felix nachdenklich und Leons Gedanken überschlugen sich, »aber ich muss echt eine Menge erledigen.« »Ich helf dir«, platzte es aus ihm raus. Für Felix würde er auch putzen und aufräumen und... Auch wenn er bezweifelte, dass er das besonders gut konnte. Erneut herrschte erstaunte Stille am anderen Ende. »Du würdest mit mir mein Zimmer entrümpeln und putzen nur um mich zu sehen?« Ihm wurde noch viel heißer und er räusperte sich verlegen. Aber es musste voran gehen. Er wollte endlich, dass sich diese Sache mit Felix klärte. Dann konnte er solche Dinge doch ruhig als stummen Liebesbeweis verwenden. »Ja«, sagte er also krächzend. Felix schwieg heute erstaunlich viel und lange. »Noel…du bist so niedlich…«, sagte Felix leise. Leon schnaubte ungnädig und bemühte sich, das laute Klopfen seines Herzens geflissentlich zu ignorieren. »Ich bin nicht niedlich! Und hör auf mich so zu nennen!«, sagte er aufgebracht. Selbst die Socken, die in seinem Wohnzimmer verstreut lagen, waren niedlicher als er! Naja… vielleicht auch nicht. »Kannst du gleich kommen? Wir haben uns schon so lange nicht mehr gesehen…«, sagte Felix ungewöhnlich ernst und leise. Seit zwei Tagen, um genau zu sein… Wieso sagte er das mit dieser Stimme? Leon hatte das Gefühl, er müsste jeden Augenblick zerfließen vor lauter Verliebtheit! Dass er so etwas Schmalziges überhaupt dachte, war ihm peinlich. »S…sicher«, krächzte er leicht überfordert mit dem plötzlich so ernsten Felix. »Das ist schön! Dann bis gleich!« »Bis gleich…« Er legte auf und schluckte. Sein Herz bollerte immer noch wie eine ganze Armada Dampflokomotiven. Er ging eilig zu seinem Schreibtisch hinüber und kramte sein Tagebuch hervor. Ich fahr jetzt zu dir und helfe dir beim Wohnungsputz. Kaum zu fassen, dass ich das freiwillig tue. Aber was macht man nicht alles, um in deiner Nähe zu sein. Herrgott, ich bin ein Idiot. Und rede gefälligst nie wieder mit dieser komischen Stimme mit mir! Die bringt mich durcheinander… außerdem krieg ich bald ’nen Herzstillstand, wenn du so weiter machst. Du wirkst so anhänglich… Ich kann’s kaum ertragen, dich nicht küssen zu dürfen. Und so was von mir, wo ich doch sonst immer nur an Sex interessiert bin. Nachdem er das Buch zurück in den Schreibtisch gestopft hatte, packte er seine Sachen zusammen, zog sich vorsorglich ältere Sachen an und verließ das Haus, um zu Felix zu gehen. Der empfing ihn mit quietschgelben Gummihandschuhen, die ihm bis zu den Ellenbogen reichten, mit einem weißen Haarband, das seine dunklen Haare aus der Stirn hielt und einer uralten, zerschlissenen Jeans. Auf seinem T-Shirt prangte in großen, grünen Lettern ‚Bad Boy’. Leon blinzelte ein wenig erstaunt. »Diese Gummihandschuhe stehen dir super«, sagte er schließlich grinsend. Felix schnaubte schmunzelnd, boxte ihm sachte gegen die Schulter und ließ ihn herein. »Sind deine Eltern schon wieder weg?«, erkundigte er sich, während er seine Schuhe auszog und sich im Flur umsah. Zwei große Müllbeutel standen an die Wand gelegt und vor Felix’ Zimmertür lag ein großer Wäschehaufen, der nach Bettwäsche und Gardinen aussah. »Ja. Mama ist Arbeiten und Papa trifft sich mit ein paar Freunden«, erklärte er und schloss die Tür hinter Leon. Dann gingen sie gemeinsam zu Felix’ Zimmer. Tatsächlich sah Felix’ sonst immer so sorgfältig aufgeräumtes Zimmer aus, als hätte eine Zwanzig- Zentner- Bombe eingeschlagen. Alle Schränke und Schubladen standen offen, überall lagen Berge von Papierkram, Klamotten und anderen Dingen herum. Offensichtlich hatte Felix gerade alle seine Schubladen und Schränke ausgewischt und ausgemistet. Das Bett war von der Wand gerückt, daneben stand ein Staubsauger, das Fenster stand weit offen und auf dem Boden standen mehrere Topfpflanzen, die vorher einmal das Fensterbrett geziert hatten. »Was hast du denn alles ausgemistet?«, fragte Leon ein wenig verwirrt. »Was sich eben so ansammelt über die Monate. Alte Unterlagen, irgendwelchen Kram, den ich nicht mehr brauche, meine alten Schulsachen, zwei Paar Schuhe… solche Sachen«, erklärte er. Leon schmunzelte. »Putzt man so gründlich nicht eigentlich im Frühling?«, wollte er wissen. Felix lachte leise. »Ja. Aber es wird Zeit, dass ich alles ein wenig erneuere. Wir sind jetzt immerhin Studenten, meine Schwestern sind ausgezogen…«, erklärte Felix zufrieden, aber Leon hatte das Gefühl, dass in dieser Aufzählung irgendetwas fehlte. Er ignorierte diesen Gedanken und räusperte sich. »Und wobei soll ich dir nun genau helfen?«, fragte Leon vorsichtig nach. Er hatte keine Lust, den Boden zu schrubben. »Ich dachte, du könntest die kleine Kommode da drüben zerlegen. Im Dinge zusammenschlagen bist du immerhin sehr begabt und ich brauch das Ding nicht mehr«, meinte Felix, streckte ihm die Zunge heraus und ging hinüber zu einem mit schaumigem Wasser gefüllten Eimer. »Das wird meine erste verkloppte Kommode sein«, meinte er amüsiert, wandte sich aber ergeben um und ging hinüber zu dem kleinen Schränkchen, das mitten im Raum stand. Leon hasste Putzen. Aber er stellte fest, dass mit Felix alles nur noch halb so schlimm war. Er zerlegte die Kommode und schleppte alle Einzelstücke hinunter in den Keller, wo Felix die Sachen erst einmal lagern wollte, bevor er sie irgendwann entsorgte. Dann half er Felix beim Fensterputzen. Während Felix die Gardinen, die im Flur lagen, in die Waschmaschine stopfte, holte Leon mit dem Staubsauger Spinnenweben von der Decke. Anschließend durfte er ein CD- Regal entstauben, wozu Felix ihm einen regenbogenfarbenen Staubwedel in die Hand drückte. Anstatt das Regal mit dem Staubwedel zu säubern, machte Leon sich einen Spaß daraus, Felix mit besagtem Wedel zu kitzeln. Schließlich entriss Felix Leon den Wisch und jagte ihn damit durch die halbe Wohnung, bis sie schließlich im Wohnzimmer landeten und Leon lachend aufgab. Felix machte ihnen Sandwiches, während Leon pflichtschuldig das ihm zugewiesene Regal entstaubte. Er konnte sich nicht mehr erinnern, wann er das letzte Mal so viel gelacht hatte. Seine Gesichtsmuskeln waren das kaum gewöhnt. »Du solltest öfter lachen, Noel«, informierte Felix ihn, der die Gummihandschuhe ausgezogen und ins Spülbecken geworfen hatte, damit er in Ruhe essen konnte. Leon schnaubte grinsend. »Mir tun die Wangen weh«, sagte er bemüht ungnädig, doch das Grinsen ließ sich nicht verhindern. Felix gluckste matt. »So muss das sein«, sagte er amüsiert und piekte Leon ein paar Mal hinter einander in die Wange. Der grummelte. »Lass das«, beklagte er sich grinsend. Felix streckte ihm schon wieder die Zunge heraus. »Dann lieber kitzeln?«, fragte er scheinheilig und begann damit, Leons Seiten zu traktieren. »Nein! Gnade! Lass das!«, rief er und lachte, während er versuchte, Felix’ Hände weg zu schieben. »Ich kann’s kaum fassen, dass du wirklich zum Putzen hier bist«, sagte Felix leicht schnaufend, nachdem er von Leon abgelassen hatte. »Ja, ich kann’s auch noch nicht fassen«, sagte Leon murmelnd und betrachtete äußerst interessiert die Wohnzimmerdecke. »Aber Noel… ich freu mich drüber«, flüsterte Felix’ Stimme ganz nah an seinem Ohr, sodass er heftig zusammenzuckte, eine Gänsehaut bekam und rot anlief. »Erschreck mich nicht so!«, maulte er verlegen, rieb sich übers Ohr und stand vom Sofa auf. Also wirklich… Nachdem Felix das Bett neu bezogen hatte, wandte er sich zu Leon um und sah ihn einen Moment lang lächelnd an, dann kam er zu ihm herüber. Leon kam seinem Herzschrittmacher schon wieder ein Stück näher. Felix umarmte ihn. Oh Gott… Hitze. Hilfe… nicht doch… »Danke für deine Hilfe, Noel«, sagte Felix leise und ganz nah an seinem Ohr. »N…nenn mich nicht so…«, krächzte er und bekam von Felix’ Atem an seiner Ohrmuschel prompt eine Gänsehaut. Wie machst du das nur, mich ständig so aus dem Konzept zu bringen? Wie lange soll ich das noch aushalten? Ich hab nur noch einen Monat, um dir meine Gefühle zu gestehen, bevor Christian dich flachlegen will… zumindest, wenn ich ihm Glauben schenken darf. Ich hab keine Ahnung, ob ich das schaffe. Und bald ist Weihnachten. Ich weiß nicht, was ich dir schenken soll. Soll ich dir überhaupt was schenken? Ist das nicht eigentlich total egal? Ach man, meine Gefühle machen mir das Leben zur Hölle. Ich kann an nichts anderes mehr denken, als an dich. Mit dir macht ja selbst putzen Spaß! Ich meine, wie weit soll das denn noch gehen? Du machst mich echt fertig… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)