Der Stein des Anstoßes von Selma ================================================================================ Kapitel 11: Rückkehr -------------------- Simon wartete etwa eine Woche ab. Weder in der Zeitung, noch in den Nachrichten wurde etwas von der `Drachenjagd´ erwähnt. Eine Randnotiz wies auf eine verstärkte Bejagung von Wildschweinen im nahen Wald hin. Somit konnte Tannin nicht mehr nach draußen, und seine Stimmung sank mit den Tagen, die er im Haus verbringen musste. Auch Simon konnte ihn nicht so recht aufheitern. Marco kam am nächsten Wochenende und rettete die Stimmung wenigstens die nächsten zwei Tage lang. Er brachte auch aufmunternde Nachrichten aus dem Dorf mit. Sein Vater hatte doch tatsächlich eine Dorfversammlung einberufen, und eine Diskussion darüber gestartet was die anderen davon hielten, wenn Simon und Tannin ins Dorf zurückkehren würden. Natürlich war die Idee zuerst auf heftigen Widerstand getroffen, doch dann hatte man sich auf einen Kompromiss einigen können. Etwas außerhalb des Dorfes gab es einen alten Bauernhof, dessen Besitzer vor etwa zwei Monaten gestorben war. Man hatte noch keinen Nachfolger gefunden. Wenn Simon bereit war dort einzuziehen, waren die meisten damit einverstanden, das er ins Dorf zurückkehren konnte. Er konnte auch seine alte Stelle in der Bücherei zurückhaben, aber die Auflage hier bestand darin, das Tannin nicht zur Arbeit mitkommen durfte. Eigentlich waren das mehr Zugeständnisse, als Simon sich vorgestellt und erhofft hatte. Er fand es nur bedauerlich, das es noch ein gutes Stück bis zum nächsten Wald war, die einzigste größere Ansammlung von Bäumen existierte nur beim Stadion, ansonsten gab es im Umkreis des Dorfes nur Wiesen und Felder. Das macht mir nichts aus. Nachdenklich sah Simon Tannin an. Er war zwar sonst nicht so nachtragend, doch es kostete ihn eine Menge Überwindung, bis er sich zu einer entgültigen Entscheidung durchgerungen hatte. Er sag zu Georg. "Bitte richte dem Bürgermeister aus, das ich mich für sein Angebot bedanke." Als Simon pausierte sah Marco ihn mit hoffnungsvollem und schon fast verzweifeltem Blick an. "Ich glaube, dass ich das Angebot wohl annehmen werde..." Weiter kam Simon nicht mehr, denn im nächsten Moment war der ein-Mann-Teufel los. Marco fegte jubelnd durch das Zimmer und ließ sich überhaupt nicht mehr bändigen. Weder Simon noch Georg konnten ihn zum Aufhören bringen. Schließlich schien Marcos Rumgehhopse sogar Tannin zuviel zu werden, denn er verzog sich aus dem Zimmer. `Vielen Dank für deine Hilfe,´ dachte Simon trocken, während er versuchte Marco daran zu hindern, ihn zu erdrosseln, da dieser plötzlich schwer um seinen Hals hing. Warum sollte ich ihm seine Freunde trüben? `Weil er mich hier grade vor Freude erwürgt´ Endlich lies Marco von ihm ab, und als Simon seinen Kopf drehte sah er auch den Grund. Während er noch nach Luft schnappte hatte sich Marco ein neues `Opfer´ auserkoren, doch Tannin, der wieder hereingekommen war, schien das nicht sonderlich viel auszumachen. Georg gelang es nicht ganz zu verbergen, das er trotz der vergangenen Stunden Tannin noch nicht vollkommen vertraute. Doch er hielt es zurück, und wartete ab, bis sich sein Sohn wieder so weit beruhigt hatte, das ein normales Gespräch wieder möglich war. Trotzdem war er für die nächste Zeit nicht mehr richtig zu besänftigen. Als Marcos Vater bemerkte, das er seinen Sohn heute bestimmt nicht mehr zum lernen bewegen konnte, seufzte er resignierend. Trotzdem ließ er sich nicht davon abbringen, das es Zeit sei zu gehen, sehr zu Marcos Leidwesen. Simon brauchte etwa zwei Monate, bis alles in so weit geklärt war, das er diese Gegend wieder verlassen konnte. Sonderlich unglücklich war er nicht, als er den Möbelpackern kurzzeitig beim Verladen seiner Wohnungseinrichtung zusah, ehe er wieder mit anpackte. Tannin war ein wenig zappelig. Es passte ihm nicht so ganz, jetzt schon seit Stunden in ein und derselben Position eingepfercht auf dem Rücksitz des Vans ausharren zu müssen, mit der Decke über dem Kopf unter der es immer wärmer wurde. Doch Simon konnte ihm keine Linderung verschaffen, da er mit den Formalitäten für den Verkauf des Hauses und der Sortierung seiner Möbel total eingebunden war. Außerdem wuselten überall Menschen herum, eine Entdeckung wäre somit unvermeidlich. So musste sich Simon darauf beschränken Tannin zum Durchhalten zu ermuntern, was dieser nur als sehr, sehr schwacher Trost empfand. So vergingen noch drei weitere Stunden, bevor sich der Umzugswagen und Simons Van in Bewegung setzten. Aus der näheren Nachbarschaft war niemand zu Simons Auszug erschienen, nur die Kollegen aus der Bibliothek, in der Simon mittlerweile gekündigt hatte, waren kurz mal vorbeigekommen, bevor sie wieder zur Arbeit mussten. Simon überholte den Umzugswagen auf halber Strecke und fuhr sich bis zu seinem neuen Wohnheim einen Vorsprung heraus. Als er sich sicher war allein zu sein, entließ er Tannin endlich aus dem Van. Dieser verschwand erleichtert in der alten Scheune und verbarg sich im dort gelagerten Stroh. Von dort aus konnte er alles weitere mit ansehen, ohne entdeckt zu werden. War zum Auszug damals fast jedermann erschienen, herrschte heute eine fast gespenstische Leere. Niemand war erschienen, um Simon und Tannin zu begrüßen oder, zu Simons Erleichterung auch, sie zu verteufeln. Erst als die Möbelpacker mit ihrem LKW schon längst wieder vom Hof verschwunden waren, tauchten die ersten Personen auf. Simon war nicht sonderlich überrascht, als er Marco erblickte. Dieser führte einen Tross Kinder an, die stellenweise verstohlen umblickten, so als täten sie etwas Unerlaubtes. "Hallo, wie ich sehe, hast du keine Zeit verloren," begrüßte Simon Marco, der ihn breit angrinste. "Ich wollte doch nur das ihr euch am ersten Tag nicht gleich so einsam fühlt. Außerdem hatte ich den anderen versprochen Bescheid zu sagen, wenn ihr wiederkommt. Stellenweise haben sie euch ziemlich vermisst." Marco verzog das Gesicht. Dann senkte er seine Stimme so das nur noch Simon ihn hören konnte. "Du hättest sie erst mal erleben sollen, als sie von meiner Schwester erfahren haben, das ich euch in eurer neuen Wohnung ab und zu besucht habe." Er verdrehte die Augen. "Der Besuch des Präsidenten ist gar nichts dagegen. Die haben mir ja schon fast aufgelauert, nur um was neues zu erfahren. Da soll man dann verhindern, das die Erwachsenen was spitz kriegen..." Als Simon von Marco aufschaute, musste er feststellen, das die anderen Kinder alle verschwunden waren. Er blickte sich suchend um. Marco hatte ebenfalls nun bemerkt, das die anderen weg waren und schien selbst etwas überrascht darüber. Doch dann vernahmen sie Stimmen aus der Scheune. Gemeinsam liefen sie hinüber. Jemand hatte das große Tor geschlossen, und Simon musste sich anstrengen, um es wieder zu öffnen. Das war sicher Tannins Werk, für Kinder war die Tür zu schwer. Als sie ins Innere traten konnten sie trotz der Stimmen niemanden sehen. Ein großer Berg an Stroh war aufgeschichtet worden, und als Simon und Marco seitlich daran herum gingen, entdeckten sie die gesuchten Kinder und Tannin. Die Kinder waren dabei fieberhaft den Strohberg zu erhöhen. "Was soll das denn werden wenn's fertig ist?" Simon baute sich vor den Kindern auf, die bei den Worten in ihrer Arbeit innehielten. Sie wollen mir eine Höhle bauen. Simon warf Tannin einen Blick zu und sah dann wieder zu den Kindern. "Wollt ihr es mir nicht sagen?" Die Kleineren schauten etwas bedripst zu Boden, bis eine der Älteren schließlich sprach: "Als wir das viele Stroh gesehen haben dachten wir, das wir es etwas bequemer für Tannin machen könnten, und deshalb..." Simon winkte ab. "Wenn es euch Spaß macht." Die Kinder jubelten und setzten ihre Arbeit noch eifriger fort, das soviel Strohstaub durch die Luft flog, das alle anfingen zu niesen. Doch das schien die Kinder nicht zu stören. Simon flüchtete aus der Scheune. Marco blieb bei den anderen. Etwas später kehrte Simon mit einigen Gläsern, die er hastig aus den Umzugskartons gegraben hatte, und einer großen Wasserkaraffe in die Scheune zurück. Dort war inzwischen in Sachen Stroh-Umschichten Ruhe eingekehrt. Ein sehr großer Berg war entstanden. In der Mitte gab es eine große Kuhle, die man nur von der Rückseite der Scheune erreichen konnte. Dort befanden sich jetzt alle, die kräftig gebaut hatten und natürlich Tannin. Als die Kinder sahen was Simon dabei hatte wurde er mit großer Freude empfangen. Sie hatten mehrmals versucht eine Höhle zu graben, doch die Decke war immer wieder eingebrochen. Deshalb hatten sie sich auf diesen Bau geeinigt. Einige der Kinder hatten wieder Süßigkeiten dabei, die untereinander aufgeteilt wurden. Den Löwenanteil erhielt natürlich Tannin, der sich sichtlich darüber freute. So wie Marco Simon bereits gewarnt hatte fingen die Kinder an sie auszufragen wie die Zeit außerhalb des Dorfes gewesen war. Simon beantwortete die Fragen so gut er konnte. Doch dann wollten sie wissen, warum Simon überhaupt das Dorf verlassen hatte. Simon war verwirrt. Er blickte zu Marco, doch der schien selbst überrascht. Hatten ihre Eltern ihnen denn nichts erzählt? Doch Simon wollte nicht so Taktlos erscheinen und sagen, das er von denen doch rausgeschmissen worden war, stattdessen meinte er nur: "Wir haben mal eine kurzzeitige Luftveränderung gebraucht." Weiter ging er auf das Thema nicht mehr ein. Stattdessen half er ihnen bei der Vernichtung der Süßigkeiten. So gelang es Simon auch, sich einen Eindruck zu verschaffen, was in den letzten Monaten so alles im Dorf passiert war. Sonderlich viel war es jedoch nicht. Nur schien die Bücherei nach seiner Abwesenheit an extremen Lesermangel zu leiden. Aber das würde sich ja jetzt recht schnell wieder ändern beschloss Simon für sich. Er hatte da nämlich so eine Idee... Fin? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)