Der Stein des Anstoßes von Selma ================================================================================ Kapitel 9: Enttarnt? -------------------- Der Tag war schon fortgeschritten, als Simon wieder erwachte. Die Kopfschmerzen waren zwar nicht ganz verschwunden, aber auf ein erträgliches Maß zurückgegangen. Als er die Treppe herunterkam konnte er sehen, das Tannin wieder vor dem Kamin lag. Er schien noch zu schlafen. Simon trat in die Küche, machte sich etwas zu essen, und nahm noch mal eine leichte Tablette. Um Tannin nicht zu wecken nahm er am Küchentisch platz. Irgendwie wollte ihm sein Essen nicht so recht schmecken, und so kaute er lustlos auf einem Stück Brot herum. Als Simon die Küche wieder verließ schlief Tannin immer noch. Mehr durch Zufall fiel sein Blick auf die Kommode im Flur. Dort lag immer noch der Brief. Simon nahm ihn auf, und riss den Umschlag auseinander. Ein einzelner, gefalteter Zettel lag darin. Simon zog ihn hervor und faltete ihn auseinander. Kurz überflog er den Text, nur um ihn noch einmal viel langsamer zu lesen. Simon wusste nicht, ob er das glauben konnte was er da las. Es war schon fast irreal. Dieser Brief kam aus seinem Heimatdorf. Sie boten ihm darin an, das er zurückkehren konnte, und sie schienen sogar darauf zu bestehen, das Tannin mitkam. Das war etwas, was Simon sich erst mal setzen lassen musste. Irgendwie konnte er es nicht so recht glauben, hatten die ihn doch erst vor kurzem aus dem Dorf vertrieben. Simon ging in das Wohnzimmer und legte den Zettel auf den großen Tisch. Er lies sich in seinen Sessel fallen und blickte nachdenklich den immer noch schlafenden Tannin an. Wie sollte er sich entscheiden? Fast so, als würde er Simons Blicke spüren, regte sich Tannin und erwachte aus seinem Schlaf. "Habe ich dich etwa geweckt?" Simon blickt Tannin entschuldigend an. Kein Problem. Ich wollte eh gleich aufstehen. Tannin erhob sich und trottete zur Balkontür. Diesmal sah Simon genau zu, wie sich der Türgriff von ganz alleine drehte, und die Tür dann aufsprang. Seelenruhig verließ Tannin das Wohnzimmer. Ich bin was essen. Bis gleich. Jetzt war Simon allein. Grade war Simon dabei seine Wäsche im Garten aufzuhängen, als Tannin ganz unvermittelt zurückkam. Simon war überrascht, so früh hatte er nicht mit ihm gerechnet. "Warum bist du schon wieder zurück? Ist etwas nicht in Ordnung?" Irgendwie machte Tannin einen verschlossenen Eindruck auf Simon, und als er nicht sofort antwortete hackte er nach. "Ist dir nicht gut?" Doch, doch, alles bestens. Tannin verschwand im Inneren des Hauses. Simon ließ sich allerdings mit dieser Antwort nicht abspeisen. Er konnte förmlich spüren, das etwas nicht stimmte. So betrat er hinter Tannin die Wohnung, und verschloss die Balkontür. "Mach mir doch nichts vor. Du verschweigst mir doch etwas." Tannin hatte sich wieder auf dem Boden niedergelassen, und mied Simons Blick indem er in den kalten Kamin starrte. So stand Simon schweigend einige Zeit an der Tür, bevor er sich wieder in seinen Sessel setzte. "Ich habe Zeit." Schweigend musterte Simon Tannin. Er hatte ein schlechtes Gefühl. Tannin versuchte ihm etwas zu verschweigen, und das enttäuschte Simon etwas. Schließlich brach Tannin das Schweigen. Ich bin erwischt worden. Im ersten Moment was Simon sprachlos. Dann fing er sich wieder. "Weißt du, wer dich gesehen hat?" Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube es war der Förster. Ich habe erst zu spät bemerkt, das sich jemand im Hochsitz aufhielt. `Na großartig.´ Simon fluchte innerlich. Jetzt galt es zu retten, was noch zu retten war. Er musste herausfinden, ob der Förster Tannin bemerkt hatte. "Kannst du mir sagen, wo sich dieser Hochsitz befindet?" Simon stand wieder auf, nahm die Karte aus dem Regal, die sie schon bei der Suche nach Marco benutzt hatten, und breitete sie auf dem Boden aus. Jetzt drehte Tannin seinen Kopf zu Simon und sah die Karte an. Die eingezeichneten Suchgebiete waren noch deutlich sichtbar. Langsam lies Tannin seinen Blick über die Gebiete schweifen. Diese Art der Ansicht war für ihn etwas ungewohnt und so brauchte er etwas, bis er den Ort wiederfand, wo der Hochsitz aufgestellt war. Simon machte sich eine Notiz und ging dann in den Flur, griff nach seiner Jacke und sah noch mal zu Tannin zurück. "Ich glaube es ist besser wenn du für heute nicht mehr vor die Tür gehst." Simon wartete Tannins Antwort nicht ab. Er verlies das Haus und bestieg den Van. Er musste unbedingt daran denken, das Ding möglichst bald zur Reparatur zu bringen. Simon brauchte etwa eine halbe Stunde bis er den Waldweg erreichte, der zum Hochstand führte. Schon aus der Entfernung konnte er erkennen, das die Schranke offen war. Simon stellte das Auto etwas abseits ab und stieg aus. Er zog seine Jacke an und schlenderte den Weg entlang tiefer in den Wald hinein. Nach wenigen Metern stieß er auf das Auto des Försters. Es stand neben dem Waldweg im Unterholz. Tannin hatte also mit seiner Vermutung recht gehabt. Simon hielt die Hand über die Motorhaube. Das Auto war schon seit geraumer Zeit nicht mehr bewegt worden. Das bedeutete also, das sich der Förster noch irgendwo im Wald befand. Simon musste ihn nur finden. So ging er langsam weiter. Immer wieder sah er sich um, doch konnte er den Förster auf dem Weg und in der näheren Umgebung nicht ausmachen. Schließlich hatte er den Hochsitz erreicht. Soweit er es von hier unten sehen konnte, schien dieser nicht besetzt zu sein. Simon ließ seinen Blick erneut schweifen. Er konnte den Förster aber auch in der Nähe nicht sehen. So beschloss er nach oben zu steigen. Vielleicht war es ihm von dort möglich, den Förster zu finden. Langsam stieg Simon die Holzleiter nach oben. Sie war alt, und zeigte an einigen Stellen schon erste Spuren stärkerer Verwitterung, weshalb er immer langsamer wurde, und die einzelnen Stufen immer erst testete, bevor er sie voll belastete. Simon fragte sich, wie man auf so etwas Altes noch hinaufklettern konnte, und warum man es nicht schon längst abgerissen, und durch ein neues ersetzt hatte. Das Ding war doch lebensgefährlich. Endlich hatte er den Eingang des Hochsitzes erreicht. Im Inneren des Sitzes erlebte er eine Überraschung. Der Förster, der schon ordentlich in die Jahre gekommen zu sein schien, war zwar körperlich anwesend, aber er lag schlafend auf dem Boden. Seine Flinte lehnte an der Wand. Neben ihm lag ein Flachmann, der ihm offenbar irgendwann aus der Hand gerutscht war. Im Schlaf brabbelte der Förster etwas vor sich hin, was Simon auf die Entfernung nicht verstehen konnte. Erst als er sich vorsichtig weiter hineinschob konnte er einzelne Worte verstehen. Allerdings hatte dieser Förster doch schon einen etwas strengeren Atem. „Tiere ... Kontrolle ... zählen ...“ Die Bewegungen des Försters wurden etwas unruhig, weshalb Simon sich wieder etwas zurückzog. Doch seine Stimme war nun lauter. „Glaubt mir keiner ... fliegender Drache ... die halten mich doch für verrückt ...“ Simon hatte genug gehört. Ihm kam eine fixe Idee. Vorsichtig angelte Simon nach dem Flachmann. Der Flachmann war nach Gefühl noch etwa halb voll. Er löste den Verschluss nur leicht, und stellte ihn so hin, das es bei der nächsten Bewegung umfallen, und sich der Inhalt über die Kleidung des Försters ergießen würde. Das war zwar sonst nicht Simons Art, aber er hoffte die Glaubhaftigkeit des Försters dadurch reduzieren zu können. Etwas anders blieb ihm im Moment eh nicht mehr übrig. Langsam, und versucht so wenig Lärm wie möglich zu machen, kletterte Simon wieder die Leiter herunter. Dann schlich er zum Waldweg zurück. Als er hoffte genug Abstand zwischen sich und den Hochsitz gebracht zu haben, lief er schnell zu seinem Auto zurück. Erst als er im Inneren saß, atmete er auf. Er war geschafft. Jetzt hieß es also abwarten und hoffen. Simon startete den Motor, und fuhr nach Hause zurück. Er wurde bereits von Tannin erwartet. Simon sah ihn mit gemischten Gefühlen an. "Wir müssen abwarten." Simon ließ sich schwer in den Sessel fallen und schloss die Augen. Warum kehren wir dann nicht einfach zurück? Fragend blickte Simon Tannin an. "Was meinst du?" Tannin deutete mit seinem Kopf in die Richtung des großen Tisches. Jetzt fiel Simon ein, das er den Brief dort liegengelassen hatte. Trotzdem sah Simon Tannin überrascht an, und er konnte sich die Frage nicht verkneifen: "Du kannst lesen?" Tannin schien zu grinsen als er nickte. "Wann hast du es gelernt?" Ich kann es einfach. Simon sah Tannin mit skeptischen Blick an. "Du willst wirklich dorthin zurück. Überleg nur, wie sie dich behandelt haben." Warum bist du so negativ. Ich bin mir sicher, das sie mich schon akzeptieren werden, wenn wir ihnen nur genügend Zeit geben. `Dein Wort in Gottes Ohr.´ Der Ausdruck in Tannins Augen war fragend. Was meinst du damit? "Vergiss es. Es ist nur so eine Redewendung. Aber jetzt noch mal zu heute morgen." Simon merkte sofort, das Tannin dieses Thema äußerst unangenehm war. Trotzdem sprach er weiter. "Warum hast du mir nicht sofort erzählt, was dir für ein Missgeschick unterlaufen ist? War es dir etwa peinlich?" Es war seltsam. Normalerweise spüre ich die Leute schon, bevor ich sie sehen kann, doch irgendwie war das heute morgen bei dem Förster anders. Als ich ihn bemerkte, war ich bereits mehr oder weniger neben dem Hochsitz. Simon grübelte vor sich hin. Er wusste von Tannins Talent Leute zu bemerken noch bevor sie näher kamen. Konnte diese Wahrnehmung vielleicht gestört werden, wenn der Mensch in der Nähe Alkohol konsumiert hatte? Tannin hatte keine Ahnung ob das so stimmen könnte, doch er konnte es auch nicht ausschließen. Er meinte aber auch, das derjenige wohl schon einiges Intus gehabt haben musste. Denn wenn Simon oder jemand anderes aus dem Dorf mal einen über den Durst getrunken hatte, waren sie für Tannin immer spürbar geblieben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)