M a s k e r a d e von abgemeldet (5 Tage) ================================================================================ Kapitel 4: Tag 4 ---------------- „Ich sagte, du sollst verschwinden!“ Rose zuckte entsetzt zusammen, als Scorpius Albus so hart anfuhr. Lysander und Samuel flankierten die bleiche Gestalt. Noch immer tropfte das Wasser aus seinen Haaren, seine Kleidungsstücke waren ebenso nass. Außerdem vermutete Rose so etwas wie ein Zittern in dem Körper des jungen Malfoy zu erkennen. Albus neben ihm wirkte ebenso bestürzt wie sie selbst. „Was? Scorp, ich…“ Der Angesprochene unterbrach ihn hart. „Vielleicht hätte ich dich wirklich loslassen sollen, Potter!“ Etwas wie Schmerz flackerte in den Augen von Scorpius auf. Rose machte einen Schritt nach vorn, aber Albus hielt sie zurück. Der Blick des Malfoys huschte kurz zwischen ihnen hin und her. Rose presste die Lippen zusammen. Ihr Herz drohte einen Augenblick lang stehen zu bleiben. „Was ist passiert?“, fragte Albus. Die Verzweiflung erfasste seine Stimme so nachdrücklich, dass Roses Magen sich verkrampfte. Sie studierte Scorpius’ Gesicht; es sagte ihr rein gar nichts. Sie atmete tief ein und griff nach Albus’ Handgelenk. „Das solltest du wissen, Potter.“, meinte Samuel abwertend. Sein Blick war ernst. Rose hatte schon immer den Verteidiger in ihm erkannt, jetzt sah sie ihn das erste Mal an ihm. Sein ganzer Körper war angespannt, seine Augen fixierten Albus, nicht einmal wandte er den Blick von ihrem Cousin ab. „Nein – bitte erzähl mir, was passiert ist!“ Albus’ Blick ruhte auf Scorpius, der den Eindruck machte, als würde er dem Potter Glauben schenken wollen. Er trat einen Schritt zurück, Lysander rückte wenige Millimeter näher an Samuel heran. Sie verdeckten Scorpius ein wenig, boten ihm Schutz. Irgendetwas musste den Malfoy verschreckt haben, mehr als das, irgendetwas musste ihm Todesangst eingejagt haben. „Hörst du nicht?“, fragte Lysander schließlich. Seine Stimme jagte Rose einen eisigen Schauer über den Rücken. „Du sollst verschwinden, Potter. So etwas wie dich können wir nicht gebrauchen.“ Albus drohte tatsächlich zu verzweifeln. Sie spürte, wie ihr Cousin leicht zu zittern begann. Seine Armmuskulatur spannte sich an. „Bitte nicht.“, presste er hervor. „Scorpius, ich flehe dich an.“ Roses Blick huschte erneut zu dem Malfoy. Noch immer schützte er sich hinter Lysander und Samuel. Seine Augen strahlten weiterhin Schmerz aus. Und Angst. Vielleicht überwog die Angst sogar. „Was?“, zischte er. Selbst seine Stimme zitterte. Rose hatte das Gefühl, als würde sich irgendetwas in Scorpius dagegen wehren, Albus fortzuschicken. Sie presste die Lippen aufeinander, ihr Griff um das Handgelenk ihres Cousins wurde unbewusst fester. „Was willst du von mir hören?“ Albus atmete tief ein. Auch ihr war die Veränderung in seiner Stimme nicht entgangen. Der Wind rauschte durch die Blätter. Scorpius zitterte, ob aufgrund der Kälte oder der Angst, konnte er sich selbst nicht erklären. Noch immer standen sie am Ort des Geschehens. Den Drang, sich an Samuel zu klammern, unterdrückte er mühsam. Seine Finger krallten sich in die Innenseiten seiner Hosentaschen. Er brauchte irgendetwas, an dem er sich zumindest ein wenig festhalten konnte. Er war wütend, verängstigt und verletzt. Dennoch trieben Albus’ Reaktionen ihn mehr und mehr zu der Annahme, dass er tatsächlich die Wahrheit sagte. Trotzdem zögerte er, ihm das nötige Vertrauen entgegen zu bringen. Albus war der einzige, der es gewesen sein konnte. Lysander und Samuel hatten ihn seit dem Gespräch mit Lorcan gestern nicht mehr verlassen. Sein Blick ruhte auf Albus. Es wusste doch sonst niemand davon. „Dass du mir glaubst, Scorp.“, wisperte der Potter ruhig. Der Malfoy wandte sich kurz ab, sah zurück auf den See, starrte einen Augenblick die Steine an und erschauderte. „Wie denn?“, erwiderte Scorpius. Seine Stimme klang sogar in seinen Ohren merkwürdig erstickt. Es war schlimm genug, dass er diese Schwäche dann auch noch vor ihr zeigen musste. Scorpius schloss die Augen. „Du hattest als einziger die Möglichkeit.“ „Sie mich an, Scorpius.“, flehte Albus. Er trat einige Schritte vor, Rose ließ ihn nicht los, sondern näherte sich mit ihm gemeinsam. Der junge Malfoy hob den Blick. „Du bist mein bester Freund. Ich würde dir niemals etwas antun wollen!“ Lysander und Samuel tauschten einen kurzen Blick aus. Scorpius presste die Lippen zusammen, während Rose ihn mit geweiteten Augen betrachtete. Es dauerte einige Zeit, dann nickte Scorpius langsam. Er war wirklich gewillt ihm zu glauben. „Aber wer war es dann?“ Langsam trat Scorpius einen Schritt vor. Lysander und Samuel wichen automatisch ein Stück auseinander. „Es weiß sonst niemand.“ Albus’ Gesichtszüge entgleisten. Scorpius runzelte die Stirn. Dann richtete sich der Blick des jungen Potter auf seine Cousine. Rose weitete beinahe panisch die Augen, dann schüttelte sie den Kopf. „Nein.“, wisperte sie leise. Scorpius verstand kaum, was sie sagte und noch weniger konnte er nachvollziehen, um was genau es hier ging. „Albus, ich habe nicht… ich würde nie…“ Rose schien sich vergeblich darum zu bemühen, eine Verteidigung aufzubauen – und jetzt verstand Scorpius auch warum. „Du hast es ihr erzählt?“ Scorpius brach aus seinem kleinen Schutzwall heraus. Wütend trat er zwei Schritte vor. Albus wusste ziemlich genau, was Sache war. Warum tat er das? Der Potter wurde blass. Scorpius sah ihm an, dass er am liebsten alles abstreiten würde, doch der Ausdruck verriet ihn. Und der Malfoy kannte Albus äußerst gut. Er konnte in seinem Gesicht lesen wie in einem offenen Buch. Das hier war noch grausamer, als die Aussicht darauf, dass Albus ihm diesen Streich gespielt hatte. Mit langen, schnellen Schritten ging er auf seinen so genannten besten Freund zu und packte seine Schulter. Enttäuschung überwog in seiner Stimme. „Auf dich, Potter, kann ich verzichten.“ Sein Griff wurde einen Augenblick lang fest. Albus verzog das Gesicht, dann stieß Scorpius ihn beiseite, ehe er ihn an Ort und Stelle stehen ließ. Natürlich fiel es ihm schwer. Albus war ihm wichtig. Auch wenn er ihn manchmal wirklich nervte, mit seiner aufgedrehten Art, auch wenn ihn seine ständigen Scherze störten, wollte er ihn nicht verlieren – aber wie sollte er ihm vertrauen, wenn er seine größte Schwäche einfach weitererzählte. Und dann auch noch ihr. „Er hasst mich jetzt.“ Rose versteckte ihr Gesicht an der Schulter ihrer besten Freundin. Roxanne wirkte überfordert und tauschte einen schnellen Blick mit Albus aus, der neben Lorcan saß und das Gesicht nicht um einen winzigen Millimeter verzog. „Wieso hast du das getan, Rose?“, fragte er schließlich zum wiederholten Male. Rose schluchzte hilflos auf. „Ich habe nichts getan!“, antwortete sie endlich und richtete sich auf. Roxanne, die sich daran versucht hatte, Rose zu schminken, bevor Albus, mit Vorwürfen beladen, verzog das Gesicht, als sie ihr Vorhaben als gescheitert einstufen musste. Rose sah fürchterlich aus. „Wer soll dann bitte etwas getan haben?“, fuhr er sie ruppig an. Rose verengte ihre Augen. Verzweifelt fuhr sie sich mit dem Handrücken über ihre Augen. Nächstes Mal würde Roxanne ihre Schminke wasserfest hexen. Sie seufzte und streichelte über den Rücken ihrer besten Freundin. Noch hatte sie nicht ganz erraten können, was überhaupt geschehen war. Rose hatte nicht darüber sprechen wollen, aber dass Scorpius aufgrund eines Streiches beinahe in dem See ertrunken wäre, hatte sich bereits herumgesprochen – und jeder wollte wissen, wer zu solch einer Schandtat bereit war. „Ich jedenfalls nicht!“, donnerte sie mit Tränenschwerer Stimme. Roxanne konnte ihre beste Freundin nicht so sehen. Es brach ihr das Herz. Seit sie von den Gefühlen Roses zu Scorpius wusste, wünschte sie sich nichts sehnlicher, als dass sie mit ihm genauso glücklich werden würde wie sie mit Lorcan. „Wer sollte es denn sonst gewesen sein?“, fragte Albus patzig und erhob sich von seinem Platz. Lorcan legte ihm eine Hand auf den Arm und versuchte ihn zu beruhigen, doch der schüttelte ihn ab. „Welchen Grund sollte ich haben, ihn so zu verletzen?“ Roses Gegenfrage nahm Albus Augenscheinlich den Wind aus den Segeln. Er blinzelte verwirrt und sah Rose einige Zeit lang schweigend an. Roxanne verschränkte die Arme vor der Brust und überschlug die Beine. Sie hatte das zweifelhafte Talent, jemanden ein schlechtes Gewissen zu vermitteln, indem sie ihn einfach nur anstarrte. „Wie sehe ich aus?“ Die Stimme besserte Roses Laune nicht, das sah Roxanne ihr an. Lily war diejenige, die sie nun am wenigsten um sich haben wollte und sie konnte ihre beste Freundin in diesem Punkt mehr als nur verstehen. „Scorpius kommt Morgen nicht auf den Ball.“ Zur gleichen Zeit stieß Hugo mit dieser Schreckensnachricht zu ihnen. Rose schnappte nach Luft. Lily gab einen entsetzten Laut von sich. Albus war der erste, der die Frage nach dem ‚Warum’ fand. Hugo zuckte jedoch einzig ratlos mit den Schultern. „Ich weiß es nicht.“, antwortete er und ließ sich neben Lorcan fallen. „Ich hab einige Mädchen darüber tuscheln gehört.“ Sein Blick fiel auf Rose. „Was ist mit dir passiert?“, fragte er entsetzt. Lily, die kurz ihren Blick auf Rose richtete, sagte nichts. Die Weasley schüttelte nur den Kopf. „Nicht so wichtig.“, wehrte sie ab. Roxanne warf ihr einen kurzen Blick zu, sagte schließlich jedoch nichts. Wenn Rose nicht weiter darüber reden wollte, würde sie das verstehen. Die Weasley wischte sich schluchzend mit dem Handrücken über das Gesicht, bis Roxanne sie zu sich zog und sich um das Dilemma in ihrem Gesicht kümmerte. „Und du willst wirklich nicht mit?“ Skeptisch blickte Samuel über die Schulter seines besten Freundes. Lysander saß vor ihm auf dem Tisch, die Beine überschlagen. Scorpius hatte die Arme verschränkt und blickte trotzig an ihm vorbei. „Sei kein Kleinkind!“, forderte Lysander und beugte sich nun vor, um die Aufmerksamkeit des Malfoys zu erhaschen. Scorpius erwiderte nichts. Was erwarteten die beiden von ihm? Er war wegen eines Irrwichts von den Steinen ins Wasser gestürzt. Sein Herz hatte sich immer noch nicht wieder ganz beruhigt und er bezweifelte, dass er diesen Maskenball morgen überstehen würde. Dennoch fragte er sich weiterhin, warum Rose das getan hatte und warum Albus ihr von seiner Angst erzählte. Er vertraute ihm. Korrektur, er hatte ihm vertraut. „Du hast dir den Kopf wohl etwas zu heftig angeschlagen.“, murmelte Samuel und schwang sich über die Sofalehne. Scorpius warf ihm einen undefinierbaren Blick zu. „Sam.“, ermahnte Lysander. Der Zabini schnaubte. „Ist doch wahr.“ Scorpius schaute zu seinem besten Freund hoch. Seine Hände zitterten ein wenig, dennoch ließ er sich nichts anmerken. Dabei sollte er doch wissen, dass Samuel nichts entging, was sein Gemütszustand anging. Man könnte meinen, Scorpius kenne ihn noch nicht lange genug. „Du weißt doch wohl, dass ich auf dich aufpasse, oder?“, fragte er beinahe ein wenig gekränkt. Scorpius lächelte leicht. Es war das erste Lächeln, das er am heutigen Tag zeigte. Überfordert senkte er schließlich den Blick. „Natürlich.“ Samuel würde ihn mit seinem Leben verteidigen, wenn nötig. Er wusste, dass es umgekehrt nicht anders sein würde. Der junge Zabini hatte ihn aus dem See gerettet. „Ich will dir nicht den Abend verderben.“ Samuel lachte auf. Lysander schmunzelte. „Du würdest uns den Ball ruinieren, wenn du nicht kommst.“, sagte der Scamander schließlich. Scorpius schloss die Augen und versuchte zu ignorieren, dass seine Freunde ihm das scheinbar wirklich antun wollten. Einerseits freute es ihn, dass sie ihn dabei haben wollten. Es gab nichts, dass sich besser anfühlte als die Bestätigung seiner Freunde, ihm wichtig zu sein. Irgendwie benötigte er das jetzt, nachdem Rose… Albus neigte den Kopf nach rechts, Rose nach links. Roxanne klatschte begeistert in die Hände und Lorcan wirkte relativ zufrieden mit seiner Idee. „Das ist ein wenig skurril, meinst du nicht?“, fragte Rose skeptisch. Albus wedelte mit der Hand. „Scorp würde sich darauf nie einlassen.“ Roxanne zog eine Schnute. Lorcan seufzte. Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. „Außer Lysander und Samuel überbringen ihm diese Idee.“, warf der Potter schließlich ein. Am liebsten hätte er gesagt, dass er ihn von dieser Sache überzeugen könnte, aber dem war nicht mehr so, seit dem unerklärlichen Zwischenfall. Es wusste doch niemand und Rose hatte es nicht getan, er vertraute ihr. Wahrscheinlich hatte er einfach nur überreagiert. Noch immer war es schwer zu akzeptieren, dass Scorpius nichts mehr mit ihm zutun haben wollte. „Ich versuche sie zu überzeugen.“ Drei Augenpaare richteten sich auf den Scamander, gefüllt mit Skepsis. Natürlich wusste jeder, wie es um die Beziehung der Zwillinge stand, dennoch schien Lorcan zu hoffen, dass seine Worte etwas nützen würden. „Ja, tu da.“ Rose knetete ihre Hände. Die Hoffnung schwebte in ihren dunklen Augen. Sie vertraute auf Lorcan. Anderweitig würde sie verzweifeln. Jeder, der sie so gut kannte wie er, sah es in ihrem Gesicht. Albus fuhr sich durch die Haare. Sein Blick glitt aus dem großen Fenster. Noch immer regnete es. Hin und wieder zuckten Blitze über den Himmel. Das Donnergrollen war leise, kaum wahrnehmbar. Vielleicht war es eine Warnung. Der morgige Tag würde einiges für sie bereithalten. Denn morgen Abend war es so weit. Der Ball stand vor der Tür. Einer, der alles verändern und ihr Ende hier in Hogwarts einläuten würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)