Heartbeat of a Wolf von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 3: Ein Contractor namens Ice ------------------------------------ Ich schloss die Tür hinter mir und erwartete einen lauten Knall. Aber die Tür fügte sich so leise wieder in ihren Rahmen, dass ein Mensch, das leise Klick überhört hätte. Ich zog die Schuhe aus und sah mich in dem Zimmer um. Es war nicht groß, aber die Farben und die Einrichtung war auf meinen Geschmack angepasst. Hölzerne Stützbalken trennten den eigentlichen Raum von einem kurzen Gang, der ins Badezimmer führte. Direkt an den Balken stand ein dunkelblaues Klappsofa. Links daneben stand schräg ein kleiner weißer Schrank auf dem ein vierundzwanzig Zoll Flachbildfernseher trohnte. Auf der gegenüberliegenden Seite stand ein hölzerner Kleiderschrank. Daneben, in einer Nische, stand ein Bett mit schwarzem Stahlgestell. Die Bettwäsche war dunkelblau. Die Wände und die Decke waren in einem freundlichen blauen Ton gehalten und den Boden bedeckten hellbraune Linoleumplatten. Ich ließ mich auf mein Bett nieder, überkreuzte die Beine und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Grüblerisch starrte ich zur Decke. Siebzehn Jahre hatte ich nun als Mensch verbracht. Ich fragte mich was meine vermeintlichen Eltern wohl denken mochten. Ich beschloss Bradley nach ihnen zu fragen, schließlich hatten sie sich all die Jahre um mich gekümmert. Ich hatte keine Lust zu fernsehen, deswegen wollte ich schnell duschen und dann schlafen gehen. Etwas anderes hatte ich sowieso nicht zu tun. Im Bad musste ich feststellen, dass es weder Shampoo noch Duschgel gab. Ich musste die Dusche wohl verschieben. Also wollte ich gleich schlafen gehen. Ich öffnete den Kleiderschrank, in der Hoffnung, Kleidung zum Schlafen zu finden. Der Schrank war leer. Frustriert löschte ich das Licht und legte mich mit voller Montur ins Bett. Obwohl ich überhaupt nicht müde war, übermannte mich der Schlaf bereits nach wenigen Minuten. Am nächsten Morgen erwachte ich kurz nach Sonnenaufgang. Ich zog den Vorhang meines einzigen Fensters beiseite und schaute ins bläuliche Dämmerlicht. Die Morgendämmerung war schon immer meine liebste Tageszeit gewesen. Am liebsten wäre ich jetzt nach draußen gestürmt und einmal um den Block gerannt. Da fiel mir ein, dass die Haustüre abgesperrt war. Für mich, rein theoretisch, kein Hindernis, aber ich wollte Bradley nicht verärgern. Ich ging ins Bad und versuchte mit meinen Fingern ein wenig Ordnung in meine wirren Haare zu bekommen, schließlich hatte ich keine Bürste. Nach ein paar Minuten erfolglosem Geziepe, gab ich resigniert auf und verließ mein Zimmer. Als ich den Raum mit dem Mörder Aquarium betrat, fiel mir auf das es kein einziges Fenster gab. Das frustrierte mich, denn ich wollte das Dämmerlicht sein. Mein Magen knurrte, und da es absolut nichts zu Essen gab, beschloss ich mir einen größeren Fisch aus dem Monster zu angeln. Ich sprang gegen die Wand, um sie als Trittleiter zu benutzen und musste erstaunt feststellen, dass ich nicht höher als einen Meter springen konnte. Jetzt schon wütend knirschte ich mit den Zähnen und ließ mich auf die grüne Polsterbank nieder. Eine Viertelstunde später betrat eine Forscherin den Raum, und ließ prompt ihr Klemmbrett fallen, als sie mich sah. Am liebsten hätte ich sie angeknurrt. »Ich beiße nicht. Jedenfalls nicht hier.«, sagte ich unwirsch. Die Forscherin hob eilig ihr Klemmbrett auf und huschte zum Monster. Sie drückte auf einen braunen Fisch. Eine Seite des Monsters wurde in die Decke gezogen und offenbarte die Supermarkttür. Sie huschte ins Labor und das Monster schloss sich hinter ihr. Eine weitere Viertelstunde verging und Bradley betrat den Raum. Er sah unzufrieden aus und murmelte vor sich hin. »Wahrscheinlich abgehauen. Dabei habe ich ihr gesagt sie soll nicht raus.« »Morgen Bradley.«, grüßte ich ihn und er fuhr zusammen. Ich zog eine Augenbraue nach oben. »Hier bist du. Ich habe geschlagene zehn Minuten an deine Tür geklopft.«, sagte er hastig. »Ach, das war dieses klopfende Geräusch.«, stellte ich überrascht fest. Bradley schüttelte den Kopf und setzte sich mir gegenüber. »Schön. Am besten machen wir da weiter, wo wir gestern aufgehört haben.«, sagte er und sah mich abwartend an. Da er anscheinend eine Antwort von mir erwartete nickte ich langsam. »Wie ich euch damals mitgeteilt habe, erwarte ich von euch eine Gegenleistung, dafür das ich euch geholfen habe, und ihr nun kostenlos hier leben dürft. Ich habe eine Menge Geld und werde euch Essen, Kleidung und andere Haushaltsmittel bezahlen. Dafür müsst ihr aber Aufträge für mich erledigen.« Im Kopf ging ich Dinge wie, Hunde ausführen, Babysitten und alten Leuten den Umgang mit dem Internet zeigen, durch. Bradley kramte in seiner Jackettasche und zog ein Stück Papier hervor. Das Papier stellte sich als Foto heraus. Darauf abgebildet war ein Mann Mitte vierzig und sein Haar war grauer als das von Bradley. Er weiß mit dem Zeigefinger auf das Foto. »Das ist ein Contractor. Contractors sind bösartige Killermaschinen, die sich selbst für Menschen halten. Sie haben jedoch kein Recht darauf zu leben.«, sagte Bradley und seine Stimme war voller Abscheu. »Ihr sollt für mich Contractors töten. Und dieser hier, wird dein erster Auftrag sein. Finde den Mann und bring ihn um.«, erklärte Bradley hitzig. Meine Vorstellung von den harmlosen Aufträgen, zerplatzte wie eine Seifenblase. Sofort fuhr ich auf. »Wir wollen in Ruhe leben und keine Morde begehen! Wir sind keine Menschen, wir überlassen ihnen die Attentate oder besser noch, da es sie jetzt gibt, den Contractors!« Am liebsten hätte ich ihm ein Schimpfwort an den Kopf geknallt oder ihn angeknurrt, doch ich hielt mich im Zaum. »Such es dir aus. Entweder du jagst den Mann, oder deine Freunde bleiben für immer Menschen.«, drohte Bradley. Jetzt knurrte ich wirklich, was ihn aber kalt ließ. »Fein! Aber wie du gemerkt haben solltest, habe ich meine Kräfte noch nicht wieder. Wie soll ich das deiner Meinung nach anstellen?«, fauchte ich. »Ich habe ein paar Leute losgeschickt um dir Nahrungsmittel, Kleidungsstücke und Reinigungsmittel zu besorgen. Die nächsten zwei Tage bleibst du hier drin, dann sind deine Kräfte vollständig zurückgekehrt.« Ich knurrte und sprang auf um in mein Zimmer zu gehen. Dort angekommen, schaltete ich den Fernseher ein und zappte durch die Programme, ohne wirklich mit zu bekommen was lief. Ich war zu aufgewühlt. Ich hätte die Tür eintreten und abhauen können, aber ich konnte mein Rudel nicht im Stich lassen. Sie würden sich sonst ewig für Menschen halten. Eine Stunde später klopfte es an meiner Tür. Es waren die Leute die Bradley losgeschickt hatte, um mir lebensnotwendige Dinge zu besorgen. Ich nahm es den Leuten unwirsch ab, ohne ihnen zu danken und packte die Sachen aus. Die Klamotten bestanden aus zwei Jeans, einer grauen und einer hellblauen, einer dunkelblauen Jogginghose, einem Zehnerpack Slips in schwarz, grau und weiß, drei BHs in den gleichen Farben, zehn Paar Socken auch in schwarz, grau weiß, zwei T-Shirts, in schwarz und blau, drei Tops, alle schwarz aber jeweils immer ein klein wenig anders geschnitten und einer Jacke, die der der ich anhatte ziemlich ähnelte, ebenfalls in schwarz. Das Essen war Brot, Wurst und Käse. Mehr nicht. Dazu noch ein Sechserpack kleiner 0,5 l Mineralwasserflaschen. Des Weiteren ein Duschgel, ein Shampoo, ein Rasierer und eine Haarbürste. Das war ganz in Ordnung, auch wenn das Essen mir vorkam, wie als säße ich in einem Gefängnis. Wie mir einfiel, war es genau so. Es gehörte sich nicht eine Wölfin wie mich einzusperren. Ich verstaute die Nahrungsmittel in dem weißen Schrank, stopfte die ganze Wäsche, bis auf ein Shirt, ein Paar Unterwäsche und die Jogginghose in die Waschmaschine, die wie mir aufgefallen war, im Badezimmer stand. Bevor ich sie anschaltete, zog ich mich aus, stopfte die schmutzigen Kleider dazu und stieg in die Dusche. Erst als ich fertig geduscht hatte, fiel mir auf das ich kein Handtuch hatte. Deswegen setzte ich mich splitternackt auf die Kante meines Bettes und ließ mich, während ich fernsah, von der Luft trocknen. Eine halbe Stunde später zog ich mich an und überlegte was ich nun tun könnte. Ich ließ mich auf mein Sofa nieder und dachte nach. Ich konnte mich noch nicht so leichtfüßig bewegen wie früher. Meine Stärke war auch nicht zurückgekommen und ich wollte nicht daran denken, was passieren würde, wenn ich versuchte mich zu verwandeln. Deprimiert rollte ich mich auf dem Sofa zusammen. Ich fühlte mich wie ein Zirkustier; die Hälfte der Zeit eingesperrt und nur dann frei, wenn man etwas von einem wollte. Außerdem vermisste ich meine Freunde, vor allem aber meine Brüder. Ich musste lächeln als meine Gedanken an alte Erinnerungen zurück schweiften, als die Welt für mich noch in Ordnung war. Mein großer Bruder Jess, dieselben schwarzen Haare wie ich, deren Pony ihm immer in die Stirn hingen, seine himmelblauen Augen und seine Überfürsorglichkeit. Ich konnte mich wohl besser zur Wehr setzten als er, und trotzdem behandelte er mich immer wie ein rohes Ei. Mein Zwillingsbruder Toby, der Jess und mir fast überhaupt nicht ähnelte. Er hatte haselnussbraunes Haar, das er immer halblang trug, er mochte es nicht, wenn es ihm in die Stirn hing. Seine babyblauen Augen und die kleinen Kabbeleien, die ich immer mit ihm hatte. Obwohl er nur eine Stunde jünger war als ich, zog ich ihn immer damit auf, und er gab mir immer die Genugtuung und regte sich furchtbar auf. Ich vermisste die beiden so sehr, dass es wehtat. Zwei Tage später kostete ich endlich die Luft der Freiheit. Aber dann fiel mir wieder ein, warum ich hier draußen war und es schnürte mir die Lunge zu. Ich sollte den Contractor töten, den Bradley mir gezeigt hatte, als Zoll kostenlos leben zu dürfen. Er hatte mir ein Kleidungsstück des Mannes gebracht, weiß Gott wo er es her hatte, und ich hatte mir den Geruch eingeprägt. Jetzt war es soweit, trotzdem wurde das Gefühl des Ungehagens überdeckt von der Vorfreude endlich wieder laufen zu können. Es war mitten in der Nacht, die besten Bedingungen, denn ich konnte in der Dunkelheit prima sehen und selbst wenn nicht, meine anderen Sinne würden reichen um mich auch blind durchs Leben zu führen. Ich bog in die Gasse ein, die Bradley mir beschrieben hatte und verwandelte mich. Blaue elektrische Blitze zuckten um mich herum und formten meinen Körper. Sie strahlten ein so helles Licht aus, das ich mich versteckt in einer Gasse verwandeln musste. Und dann stand ich auf vier Pfoten. Mein nachtschwarzer Pelz sträubte sich vor Freude, wieder einmal im Wolfskörper zu stecken und meine Sinne waren noch mal ein klein wenig schärfer geworden. Meine leuchtenden saphirblauen Augen durchforsteten die Dunkelheit. Ich reckte die Schnauze in die Luft und schnüffelte. Momentan hielt ich mich in dem Revier des Contractors auf und nahm prompt einen Hauch seines Geruches auf. Ich folgte dem Geruch heimlich und leise, meine fließenden Bewegungen verschmolzen mit der Dunkelheit. Der Geruch wurde intensiver und meine Haut prickelte vor Aufregung. In unseren wölfischen Körpern waren wir mehr an unsere Instinkte gebunden als an unseren Verstand. Doch wir mussten auf die harte Weise lernen, auch unseren Verstand zu nutzen. Meine Aufgabe zu töten, erschien mir nun nicht mehr widerwärtig, sondern reizend. Der Geruch wurde wieder eine Spur schärfer und dann stand ich urplötzlich vor dem Mann. Verwirrt blickte er auf mich hinab. Mein Denken schaltete sich aus und meine Instinkte gewannen die Überhand. Ich bleckte die Zähne und knurrte. Das Adrenalin schoss durch meinen Körper und mein Menschenhass brodelte wieder in mir hoch. Auf einmal war ich eine Killermaschine mit Blutdurst. In diesem Moment gab es nichts das ich mehr wollte als diesen Menschen tot zu sehen. Meine Muskeln spannten sich an und dann sprang ich. Der Mann reagierte geistesgegenwärtig. Seine Pupillen leuchteten rot und die blauen Synchrotronstarahlen, die Bradley mir beschrieben hatte, bildeten sich um seinen Körper. Ein heftiger Windstoß erfasste mich und schleuderte mich zurück. Sicher landete ich auf meinen Pfoten und meine Krallen schabten kratzend über den Asphalt. Wieder knurrte ich, diesmal drohender und stellte meinen Rückenpelz auf. Ein schwacher Angstgeruch ging nun von dem Mann aus und er tat das Dümmste das ein Mensch tun konnte: Er rannte davon. Das gab meinen Instinkten einen neuen Stoß. Ich folgte dem Mann mühelos. Er rannte in die Gasse, in der ich mich verwandelt hatte, und ich fühlte mich an einen alten Schießfilm erinnert. Das Opfer rennt in eine Sackgasse und wird von seinem Mörder gestellt. Die Gasse war nämlich tatsächlich eine Sackgasse. Mit langsamen bedachten Schritten näherte ich mich meiner Beute. Das teuflische Knurren röhrte in meiner Kehle. Die Ohren waren aufmerksam nach vorn gespitzt und mein Rückenpelz nach wie vor drohend gestellt. Wieder benutzte der Contractor seine Fähigkeit und schleuderte mir einen Windstoß entgegen. Das war das erste Mal seit siebzehn Jahren, in denen ich meine Fähigkeiten einsetzte, ich nahm die Schnelligkeit des Blitzes an und der Windstoß schien sich mir wie in Zeitlupe zu nähern. Meine Beute wandte sich um, aber ebenfalls so langsam, dass es wie in Zeitlupe geschah. Ich wich aus und rannte auf den Mann zu, sprang und schlug meine Zähne in seine Kehle. Der Mann schrie auf, der Schrei wurde aber von dem hoch strömenden Blut in seinem Hals abgewürgt. Meine Fänge schlossen sich wie Eisenschrauben um sein Genick. Dann biss ich zu und sein Genickknochen gab mit einem widerlichen knackenden Geräusch nach. Das alles geschah noch bevor der Mann auf den Boden aufschlug. Ich stemmte meine Pfote auf die Brust meiner erlegten Beute und wölbte Stolz den Hals. Erst jetzt bemerkte ich die Aura des Mannes; sie war rot. Tiere hatten einen so genannten sechsten Sinn, mit dem sie die Gefühle und Auren eines anderen Wesens erspüren konnten. Doch sie besaßen nicht die nötige Intelligenz, um Auren zu unterscheiden. Tiere und Menschen hatten eine grüne Aura, zumindest fühlte es sich grün an, wir Wölfe hatten eine dunkelblaue Aura und wie es schien, war die der Contractors rot. Dann bemerkte ich den feinen Sprühregen. Ich reckte die Nase gen Himmel, legte die Ohren zurück und schloss genießerisch die Augen. Der Regen erinnerte mich immer an meine Mutter und ich liebte ihn, wie ich sie geliebt hatte. Obwohl es kalt war, schließlich war es Mitte Februar, nahm ich weder die Kälte noch die Nässe war, mein dichter Pelz schützte mich davor. Der Regen wurde stärker und dicke Tropfen fielen nun vom Himmel und wuschen meine Schnauze von dem Blut frei. Das Blut des Mannes vermischte sich mit dem Regen und bildete eine rote wässrige Pfütze um ihn. Ich drehte meine Ohren nach hinten und lauschte näher kommenden Schritten. Ich musste einige Zeit hier gestanden haben. Der Regen vernebelte meinen Geruchssinn ein wenig, aber ich konnte auch an der Gangart erkenn, dass es sich um eine Frau handelte. Mit zwei langen Sätzen sprang ich das Hochhaus hinauf und nahm nur noch den entsetzten Schrei der Frau war. Später, als ich dann trocken und wieder in Menschengestalt, auf meinem Bett saß, bereute ich es ein wenig mich so meinen alten Gefühlen hingegeben zu haben. Der Mord und die Warnung von einem riesigen Hund, der womöglich Menschen tötet, liefen am nächsten Tag in den Nachrichten. Ein Forscher klopfte an meine Tür und bestellte mir die Nachricht mich in Bradleys Büro einzufinden. Da ich nicht wusste wo es sich befand, folgte ich Bradleys Geruch. Das Büro befand sich im Erdgeschoss und ich fand mich vor einer hölzernen Tür wieder. Ich klopfte und trat ein, ohne auf eine Antwort zu warten, schließlich hatte man mich herbestellt. Bradley saß hinter einem hölzernen Schreibtisch und drehte seinen Schreibtischstuhl zu mir herum um mich anzusehen. »Gute Arbeit letzte Nacht.«, sagte er und lächelte. Ich antwortete nichts und sah ihn grimmig an. Wir hatten nie etwas anderes gewollt, als in Ruhe zu Leben und Bradley verlangte von mir Morde zu begehen. Als ich nichts sagte seufzte Bradley und fuhr fort. »Ich habe Informationen über einen anderen Wolf gefunden.«, sagte er. Das machte mich hellhörig. »Wirklich?«, fragte ich hoffnungsvoll und trat näher an den Schreibtisch heran. »Ja, es ist Rick.«, sagte Bradley. Die Enttäuschung, dass es keiner meiner Brüder war, währte nur ein paar Sekunden. »Das ist toll! Wo ist er? Wann kommt er her?«, fragte ich aufgeregt. Bradleys Miene war wie aus Stein. »Es gibt ein paar … Komplikationen.«, sagte er leise. »Komplikationen? Was soll das heißen? Ist er verletzt? Oder sogar tot? Antworte, Bradley!«, rief ich. Er schüttelte den Kopf. »Nein, Rick geht es gut. Es ist nur so, dass er versehentlich seine Kräfte freigesetzt haben muss und die Menschen bei denen er gelebt hat, halten ihn nun für einen Contractor, er selbst tut das auch. Er arbeitet für ein Syndikat das vor einigen Wochen hier aufgetaucht ist. Der so genannte Black Reaper arbeitet auch dafür.«, erklärte Bradley. »Versehentlich? Das geht? Ich dachte ihr habt das unterbunden. Und wer ist der Black Reaper?«, wollte ich wissen. »Ja, das geht. Wir haben nur die Erinnerungen an eure Kräfte verschüttet, das heißt nicht, dass sie nicht mehr da waren. Und der Black Reaper ist ein Contractor, der witziger Weise, genau wie du mit Elektrizität umgeht. Er ist gewand und schnell, kurz der beste Contractor den dieses Syndikat hat. Er wäre der perfekte Gegner für dich.« Ich schnaubte verächtlich. Ein Mensch könnte sich nie mit mir messen. »Und jetzt? Muss ich mich mit diesem Black Reaper anlegen?« »Nein, nein, das nicht. Sie arbeiten nur für dasselbe Syndikat, sie sind nicht im selben Team. Aber du wirst mit Rick kämpfen müssen. Es war wirklich unglaubliches Glück das wir dich als erstes und vor allem so einfach fangen konnten. Du kannst die anderen nämlich mit einem Stromstoß lahm legen, ohne das wir eine Entführungsaktion durchführen müssen, so wie bei dir. Finde Rick, leg ihn lahm, versteck ihn und ruf mich an.« Bradley zog eine Schublade auf und warf mir ein kleines silbernes Handy entgegen. Reflexartig fing ich es und ließ es in meine Tasche gleiten. »An seinen Geruch wirst du dich ja wohl noch erinnern. Du hast schließlich zwei Jahre lang, Tag und Nacht mit ihm verbracht. Nur sein Aussehen hat sich ein wenig verändert.« Bradley öffnete die Schublade ein weiteres Mal und schob mir ein Foto entgegen. Ich nahm es in die Hand und betrachtete es. Im ersten Moment erkannte ich die abgebildete Person nicht, doch dann fiel der Groschen. »Das ist ja Rick!«, stieß ich überrascht hervor. Bradley lächelte. Der Mann auf dem Foto sah fast überhaupt nicht aus wie der Rick den ich kannte. Seine gelb blonden Haare waren nicht kurz, wie sonst üblich, sonder lang und er hatte sich zu einem Pferdeschwanz gebunden. Außerdem hatte er einen Schnauzbart, obwohl Wölfe sonst nie Bärte trugen, ich hatte zumindest noch nie einen mit gesehen. Das sah so grotesk aus das ich lachen musste. An seinen hellblauen Augen fiel mir auch etwas auf: Sie waren nicht freundlich und voller Schalk, so wie ich es gewohnt war, sondern tückisch und voller Hochmut. Ein typisch menschlicher Ausdruck. Traurig legte ich das Bild zurück. »Wo finde ich ihn?«, fragte ich Bradley. »Vermutlich in Shibuya. Sicher bin ich mir nicht. Du wirst wohl einige Tage dort in Wolfsgestalt verbringen müssen und ihn suchen. Aber sei vorsichtig, dich darf niemand sehen. Und noch was, er wird jetzt von allen Ice genannt, wegen seiner Fähigkeit.«, erklärte Bradley. Nach dem sich zweieinhalb Tage nichts getan hatte, schlenderte ich durch Shibuya, noch in menschlicher Gestalt, und schnupperte in der Luft um eventuell Ricks Geruch aufzunehmen. Ich nahm einen sehr winzigen, aber frischen Hauch war und folgte der Spur. Mein Herz pochte schneller vor Freude. Meine Aufregung wuchs, als der Geruch immer intensiver wurde. Ich hatte den Blick in den Himmel gerichtet um so, einen vorbeiziehenden Windhauch zu erhaschen. Für die Menschen musste das ziemlich komisch aussehen, aber das war mir in dem Moment egal. Ich wollte nur Rick finden, denn endlich nicht mehr allein zu sein, war eine wundervolle Aussicht. Der Geruch wurde bei jedem Schritt stärker und nun wurde mir klar, das ich einem sich bewegenden Träger des Geruchs folgte, kurz, ich war Rick dicht auf den Fersen. Im nächsten Moment rannte ich in jemanden hinein, ich hatte mich so sehr auf den Geruch konzentriert, dass ich nicht auf meinen Weg geachtet hatte. Ich richtete mich auf und blickte direkt in die vertrauten blauen Augen, nach denen ich suchte. »Kannst du nicht aufpassen?«, raunzte Rick mich an, klopfte sich den Dreck von der Hose und ging weiter, mit einer Zigarette im Mund. Es konnte nicht deutlicher sein, dass Rick sich wirklich für einen Menschen hielt. Der starke beißende Geruch von Zigarettenrauch und Alkohol, schreckte uns normalerweise ab. Ricks Geruchssinn musste noch blockiert sein. Mir wurde bewusste, dass ich belämmert in der Gegend herum stand und Rick nachstarrte. Ich musste für die Menschen wie eine Gafferin aussehen. Jetzt da ich Rick gefunden hatte, durfte ich keine Zeit verlieren und musste mich an seine Fersen heften, wie eine Klette. Ich suchte das Weite und verwandelte mich in einem großen Garten, dessen viele Bäume mir Schutz boten. Von jetzt an war es einfach Rick zu folgen, da ich wusste in welche Richtung er ging. Bradley hatte mir erklärt, dass Contractors meistens nachts arbeiteten, ich sollte mich also zurück halten, bis es dunkel wurde. Die paar Stunden vertrieb ich mir damit, Rick zu verflogen. Es machte riesigen Spaß. Normalerweise konnte ich einen Artgenossen nicht so leicht verflogen und ich würde es Rick garantiert unter die Nase reiben, wenn er wieder alles wusste. Ich gab mir nicht einmal die Mühe, mich lautlos zu bewegen. Trotzdem waren meine Ohren und Augen aufmerksam wie eh und je. Die Contractors hatten ihre eigenen Mittel, Verfolger auszumachen. Aber ich war kein Mensch oder ein dummes Tier, deswegen fiel mir das hier erstaunlich leicht. Zwei gewöhnliche Menschen fielen mir auf, die Rick beobachteten, beziehungsweise jegliche Verfolger. Mit einem unterhielt er sich sogar kurz. Bald betrat er ein mehrstöckiges Haus und von da an musste ich warten. Wie es aussah lebte er hier. Erst als es bereits stockfinster war, verließ Rick das Gebäude wieder und ich konnte an ihm den Geruch von Metall und Öl ausmachen. Er hatte also so etwas wie eine Ausrüstung dabei. Ich setzte meine Verfolgung fort und bald sah ich die Chance gekommen mich ihm zu zeigen. Er hatte einen geschlossenen Park erreicht, hangelte sich mit einem Seil über das verschlossene Tor und landete in der Hocke auf der anderen Seite. Ich verdrehte die Augen. Eigentlich könnte er dort ganz leicht rüber springen. Ich folgte ihm und übersprang das Tor mühelos. Eine Weile ging er voran, bis an einen kleinen See. Dort machte er halt und begann zu sprechen. »Ich weiß, dass du mich verflogst, also komm raus!.«, rief er und drehte sich abrupt um. Mehrere Eiszapfen flogen auf mich zu, denen ich leicht auswich. Er hatte mich also doch bemerkt. »Wer bist? Ein Contractor, der sich in Tiere verwandeln, oder einfach Besitz von anderen Körpern ergreifen kann?«, fragte er schneidend. Ich rollte mit den Augen und schnaubte. So ein Idiot. Ich war nicht einmal menschlich. »Wenn du mir keine Antwort gibst, werde ich dich wohl töten müssen!«, rief er und eine weitere Salve Eiszapfen flog auf mich zu. Dieses Mal gab ich mir nicht die Mühe auszuweichen, sonder zerstörte sie, ich hatte meine Kräfte viel zu selten benutzt. Gezielt schleuderte ich blaue Blitze auf die Zapfen, die sofort zersprangen. Einer entging mir, doch den fing ich mit dem Maul und zerbrach ihn. Ich schüttelte den Kopf um die Kälte abzuschütteln. Schwanz wedelnd nahm ich eine Lauerhaltung an. Für ihn war das hier vielleicht Ernst, aber für mich war es nicht mehr wie ein Spiel. »Du machst dich wohl lustig über mich, was?«, rief er zornig. Genau. Ich rannte leichtfüßig auf ihn zu, wich dabei neueren Eiszapfen aus und übersprang die Stellen die er einfror um meine Pfoten festzufrieren. Frustriert schoss er eine Salve nach der anderen ab. Anscheinend war er sich nicht bewusst, dass das bei weitem noch nicht alles war, was er konnte. Die letzten beiden Meter sprang ich und landete direkt auf seiner Brust. Durch mein Gewicht und das Tempo des Sprunges, verlor er das Gleichgewicht und stürzte auf den Rücken. Ich saß Schwanz wedelnd und die Lefzen zu einem grinsen verzogen auf seiner Brust. Nun war es Zeit ihn auszuknocken. Ganz sacht berührten meine Fänge seinen Hals und ich schickte eine winzige Stromladung durch seinen Körper. Kurz wurde er von dem Stromstoß geschüttelt, dann bewegte er sich nicht mehr. Ich stieg von ihm und betrachtete ich mit schief gelegtem Kopf. Er sah wirklich schrecklich aus mit dem Haarschnitt und dem Bart. Ich drehte die Ohren in alle Richtungen und schnüffelte in der Luft, um andere Lebensformen auszumachen, aber abgesehen von den kleinen Tieren die hier lebten, war nichts zu entdecken. Ich packte Ricks Arm mit den Zähnen und zog ihn hinter ein Gebüsch. Dann verwandelte ich mich und benachrichtigte Bradley, dass es er uns holen könnte. Einen Tag später stieg Rick aus dem Monsteraquarium, wieder mit kurzen Haaren und ohne Bart, und in seinen Augen lag die übliche Wärme. Als er mich sah breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus. Rick war so etwas wie eine Frohnatur und sein Grinsen war einfach ansteckend. Ich sprang von den grünen Sitzpolstern auf, rannte ihm entgegen und fiel ihm um den Hals. Eine so stürmische Begrüßung hatte er nicht erwartet, denn er schwankte ein wenig, umarmte mich aber dennoch. »He! Was ist denn mit dir los? So kenn ich dich ja gar nicht!«, rief er lachend. »Ich bin einfach froh nicht mehr allein zu sein. Es ist die Hölle die ganze Zeit Menschen um einen herum zu haben und keinen Artgenossen.«, erklärte ich fröhlich. Rick lachte. »Kann ich mir vorstellen.«, stimmte er zu. »Rick! Kaylie! Bewegt euch hierher. Ich habe einen neuen Auftrag für euch!«, rief Bradley, als er den Raum betrat. »Auftrag?«, fragte Rick. Mein Hochgefühl sank sofort auf den Nullpunkt. Ich sollte also schon wieder einen Mord begehen. Ich machte mich von Rick los und stemmte die Hände auf den Kunststofftisch. »Du solltest ihm vielleicht erst mal alles genauer erklären. Wahrscheinlich hat er einen besseren Einblick als ich, schließlich hat er sich für einen Contractor gehalten.«, sagte ich grimmig. »Stimmt.«, meinte Bradley. Rick hatte inzwischen Platz genommen und sah gespannt zwischen mir und Bradley hin und her. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)